II

[86] Das wesen der dichtung wie des traumes: dass Ich und Du · Hier und Dort · Einst und Jezt nebeneinander bestehen und eins und dasselbe werden.


Tiefster eindruck · stärkstes empfinden sind noch keine bürgschaft für ein gutes gedicht. Beide müssen sich erst umsetzen in die klangliche stimmung die eine gewisse ruhe · ja freudigkeit erfordert. Das erklärt warum jedes gedicht unecht ist das schwärze bringt ohne jeden lichtstrahl. Etwas ähnliches meinte man wol früher mit dem ›idealischen‹.


Schönheit ist nicht am anfang und nicht am ende · sie ist höhepunkt ... Die kunst ergreift am meisten in der man das atemholen neuer noch schlafender geister spürt.[86]


Die dichtung hat eine besondere stellung unter den künsten. Sie allein kennt das geheimnis der erweckung und das geheimnis des übergangs.

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Stefan George: Tage und Taten. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 17, Berlin 1933, S. 86-87.
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Tage und Taten. Aufzeichnungen und Skizzen
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