Dritte Szene.

[27] KRIEGER treten von rechts auf.

Der König naht!

VOLK.

Der König!

TEUT.

Mein Vater!

HIRAM schlägt die Axt in den Stamm der Eibe.

Die Eibe fällt!

Der König, seine Zeltgenossenschaft und Theoda treten von rechts auf. Teut eilt dem Vater entgegen. Der König aber weist ihn mit der Hand von sich und drängt sich mit den Seinen wie ein Keil zwischen Hiram und die Eibe, so die Molochdiener in zwei Hälften teilend. Teut kommt links, Hiram rechts vom König vor die Krieger zu stehen, welche den Mittelgrund einnehmen. Theoda bleibt nahe beim König, welcher mit verhaltenem Grimm unter die Eibe tritt.


KÖNIG.

Die heil'ge Eibe schützt mein Arm. –

Gericht zu halten kam ich her.

In fernen Gau rief mich die Pflicht,

Zur Heimkehr grüßt mich Hochverrat!

Fühlt ihr im Hirn den Schrecken hämmern,

Folgt ihr verblendet jedem Toren.

Ein Unhold, hör' ich', stieg ins Land

Aus eines Narren Kinderträumen – –

TEUT.

Kein Trugbild, Vater! Schau und glaube!

Dort sieh den Gott auf Felsen thronen![27]

KÖNIG immer verhalten.

Im Aufruhr wider mich mein Sohn!

Leg ab die Waffe, Teut, tritt her!


Teut bleibt ruhig stehen und legt die Hand aufs Schwert.


Was soll's? Du trägst ein fremdes Schwert?

TEUT düster.

Zu Molochs Schutz ist mir's verliehen.

KÖNIG.

Nur Vaterhand leiht Söhnen Wehr.

Zu meinen Füßen leg es nieder.

TEUT.

In heil'ger Pflicht führ' ich es heut:

Dein Schwert mußt du dem Gotte weihen!

KÖNIG den Zorn noch meisternd.

Mein Schwert? Dies Schwert, ha, tör'ger Jüngling!

Weißt du, woher es stammt? Im Tod

Hielt es mein Vater noch umklammert;

Aufbrechen mußt' ich seine Faust –

Dies Schwert, als höchstes Eigen mein,

Ich sollt' es – sollt' es hier – – ha, ha!


Er stößt das Schwert, das er halb gezogen, grimmig in die Scheide zurück.


HIRAM tritt auf den König zu.

Moloch gebietet, gib dein Schwert![28]

KÖNIG.

Du also hast aus dunkler Fremde

Ein Ungetüm ins Land geschleppt,

Das Menschen bannt. Hier bin ich Herr –


Er zieht das Schwert. Hiram zückt wie zur Wehr seinen Dolch; aus hocherhobener Hand aber läßt er plötzlich die Waffe fallen und breitet die Arme zum Himmel.


HIRAM.

Hier gibt es keinen König mehr!

In eigner Kraft und Majestät

Erschien der Herr, und er allein –

KÖNIG der verwundert innegehalten.

Solch Unkraut rott' ich aus. Da nimm!


Er dringt auf Hiram ein. In diesem Augenblicke wirft sich Teut zwischen Hiram und den Vater.


TEUT.

Vater!

KÖNIG.

Nun!

TEUT.

Erst mir den Tod!

THEODA.

Teut, muß ich dein Ende sehen?

TEUT zieht sein Schwert.

Mein Leben eher als das seine!

KÖNIG in maßlosen Zorn ausbrechend.

Was sagt ihr? Seht ihr diesen Sohn?

Ins Feuer starrt er, bis er toll[29]

Von seiner Mutter wirren Sagen –

Das ist die Frucht der Winternächte,

Die er mit seiner Mutter saß.

Mein eigen Blut steht da vor mir,

Empört, voll Trotz, mit blankem Schwert,

Das lehrte ihn sein Gott!

TEUT dessen Trotz tiefer Trauer zu weichen scheint.

Nein, nein!

Das lehrt er nicht! – ich komme – seht!

Die Füße küss' ich dir – mein Vater!


Er sinkt zu seines Vaters Füßen, doch ohne das Schwert von sich zu legen. Hiram blickt starr auf Teut.


KÖNIG.

Was soll's? Erst drohn, dann knien?

Unwürd'ger Tat unwürd'ge Buße!

Wer küßt die Füße? Knechte nur!


Teut zuckt zusammen.


Erheb dich denn und zück' das Schwert.

Das dir der arge Fremdling gab,

Durchbohr ihn, stürz' ihn ins Meer – –


Teut, noch kniend, blickt auf; sein Auge trifft Hirams Blick.


Ins Totental dann schließe dich

Mit deinem Hunger ein und harre,

Ob sich ein Tier –

TEUT erhebt sich jäh und beginnt stockend.

Wohl küßt' ich

Die Füße dir, doch nicht – aus Reu'!

In Qual und Angst, für dich und mich,

Hemmte den Arm mir heil'ge Scheu.

Denn träf' ich dich, für alle Zeit

Wär' starr mein Herz in stummem Harm –


Er erhebt das Schwert.
[30]

Drum sieh mich flehn aus tiefster Not:

Rette dich selbst – diene dem Gott!

KÖNIG.

Sprichst du, als läge ich schon hier?

Verflucht die Stund', da ich dich zeugte!

Ihr alle merkt, der König richtet!


Die Schwerter kreuzen sich. Theoda stürzt sich zwischen die beiden, umfaßt Teuts Kniee und drängt ihn nach rückwärts.


THEODA sehr rasch, erregt und aufs äußerste angespannt.

Teut, liebst du mich? Wirf fort das Schwert!

TEUT ebenso.

Was redest du?

THEODA.

Ich liebe dich,

Ich kann dich so nicht stehen sehn!

TEUT.

Was willst du mir? Ich kenn' dich kaum!

THEODA.

Du kennst mich kaum?

TEUT.

Ei, biete du

Doch Blütenzweige wem du willst!

THEODA in wilder Scham.

Dir gab ich nie –[31]

TEUT.

Doch, einst im Wahn

Griff ich danach.

THEODA.

Den nächsten Tag

Hatt' ich's vergessen!

TEUT.

Ich noch denselben!

THEODA springt jählings auf.

Verlorner du!


Zum Vater.


Gib ihm den Tod!

Den Tod! Nichts andres ist er wert!


Teut steht bei dieser Verwünschung einen Augenblick unschlüssig.


KÖNIG.

Nun? Feig?

TEUT wie von einer Natter gestochen.

Feig!? Dies Wort für mich?

Feig!?


Er schlägt sich selbst.


Ein Hase? Ha, ein Hund,

Wer dies erträgt! Du bist mein Feind,

Mein einzger Feind! Komm an! – Doch nein –

Nicht so!


Er wirft sein Schwert von sich.


Wer dieses Wort vernimmt,

Dem wachsen Krallen, jedes Haar

Sträubt sich zum starren Spieß,

Daß er auch waffenlos noch siegt.[32]

KÖNIG.

Auch dies ist Schmach!


Er wirft gleichfalls sein Schwert von sich.


Jetzt komm –

Die Natter will ich so erwürgen!


Sie fahren aufeinander los und ringen. Die Krieger bilden mit gehobenen Streitäxten einen Halbkreis um sie.


HIRAM UND VOLK.

Moloch, Moloch, segne ihn,

Moloch, Moloch, stärke ihn!

WOLF.

Für Teut den Tod!

VOLK.

Wer siegt, hat recht!

TEUT im Ringen.

Der andre beugt sich!

KÖNIG.

Wenn er lebt!

ALLES.

Der König fällt!

WOLF UND THEODA.

Muß ich das sehen? Weh!


Die Krieger senken die Äxte.


HIRAM UND VOLK.

Sieg! Heil! Moloch! Weh!

TEUT das Knie noch auf des Vaters Brust.

Du liegst![33]

KÖNIG wie sterbend.

Wer liegt, den tötet man.

TEUT springt entsetzt empor.

Mein Vater liegt –! Was nun? – Das Schwert!


Er nimmt das Königsschwert auf; gefaßt:


Nun wird es ruhn, zu Molochs Füßen!


Er tritt zu Hiram. Wolf und Theoda mühen sich um den König.


Theoda, Teut, Hiram, Wolf und das Volk gleichzeitig.


THEODA.

Herr, stirb nicht, wache, stehe auf!

Noch ist die Heimat nicht verloren!

Hast du gesiegt in mancher Schlacht,

Und gäbst du so dein Recht verloren?

TEUT.

Das Gottesreich steigt nun herauf.

Zu schwerer Tat ward ich erkoren.

Herr, nimm mich auf in deine Macht!

Vergessen laß mich, was verloren!

HIRAM.

Nun richt' ich meine Herrschaft auf!

Zum Siege ist dies Volk geboren.

Gen Süden braust die wilde Macht,

Die Rache siegt vor Romas Toren.

WOLF.

Nimm, Unheil, deinen Schreckenslauf!

Der Tod sei Teut nun zugeschworen!

Mich lebend beugen fremder Macht?

Frei sterb' ich, wie ich frei geboren![34]

VOLK.

Dem Rechte gibt der Sieg den Lauf.

Der König hat den Kampf verloren.

Teut hält das Schwert und hat die Macht,

Zur Herrschaft ist er auserkoren.


Der König erwacht aus seiner Ohnmacht. Alle verstummen und sehen gespannt auf ihn.


KÖNIG.

Wo bin ich?

THEODA.

Steh auf!

KÖNIG.

So lieg' ich?


Er richtet sich etwas auf.


Ist denn die Nacht schon da? Doch nein,

Noch ist es hell – mein Kopf ist heiß –


Zu Theoda.


Kennst du das auch? Das ist – wie Schmerz!


Er befühlt sich das Haupt.


Doch Schmerz, woher? – Gibt's Schmerzen

Ohne Wunden? Eine Wunde!

Ah, – schlagt mir eine mit der Axt!

Ich brauche eine Wunde!

THEODA.

Herr!

KÖNIG.

War das ein Tier, das mich geworfen?

Wenn das ein Tier tat – fürchterlich!


Er fährt sich über die Stirn.
[35]

Weg, weg! Auf, jagen wir's!

Sogleich! Wenn sich dies Tier vermehrt,

Vertilgt's uns alle – –


Er springt auf.


Folgt mir nach!

Mein Schwert – wer hat mein Schwert?


Er wendet sich und gewahrt Teut.


Du?!


Er bricht furchtbar aus:


Ha, besiegt von meinem Sohn!

HIRAM.

Von unserm Gott besiegt durch Teut.

VOLK.

Dem Rechte gibt der Sieg den Lauf!

KÖNIG.

So fallt ihr alle ab? – Und ich? – –

Seit wann steht der Besiegte auf?


Er wendet sich zu Teut.


Nein! – töte mich, du Held!

TEUT mit Ernst und edler Ruhe.

Zieh hin!

Was mir geboten, ist vollbracht:

Das Königsschwert in Gottes Macht.

Schilt nur – stumm trag' ich Schimpf und Hohn,

Dein Haupt ist heilig deinem Sohn.

KÖNIG.

Fehlt dir der Mut? – – – Im Totental

Scheid' ich vom Lichte mich –

WOLF UND THEODA.

Und wir?[36]

KÖNIG.

Doch aus der Höhle nächt'ger Qual

Schreit' ich zur Rache einst an dir!

Mein Wehrgehenk, Wolf, wahr du treu!

Bei solchem Sieg wohnt nicht das Recht!


Zu Teut:


Du rufst mich selbst! Weh deiner Reu'!

Du Sieger? Nein – des Fremdlings Knecht!


Er will gehen. Da stürzt sich Theoda vor ihm auf die Kniee.


THEODA.

Nimm mich mit dir!

KÖNIG er will ihr wehren; dann aber übermannt es ihn, er neigt sich zu Theoda und küßt sie auf die Stirne.

Komm! – Du bist echt!


Er erhebt Theoda und schreitet ungebeugten Hauptes davon, mit dem Blicke noch Teut bedrohend, welcher in schmerzlichster Bewegung die Linke auf sein Herz preßt.


THEODA tritt voller Entrüstung hart an Teut heran.

Und wirklich, Teut, du läßt ihn ziehn?

Den Vater gibst du preis der Not?

Hör mich! Vor Hunger schütz' ich ihn,

Bewahre ihn vor sichrem Tod;

Doch dir sei Frieden nun verwehrt,

Sei von Erinnerungsqual verzehrt,

Du Unhold du!


Sie will schluchzend abgehen, wendet sich aber nochmals zurück.


Hör', lächelt je

Ein Mädchen deinen Augen zu,

Vergafft in langgelocktes Haar,

– So töt' ich sie! –

Denn unser aller Feind bist du!


Sie eilt dem Könige nach. Wolf folgt ihr.
[37]

TEUT steht eine Weile stumm, dann ringt es sich leise und gequält von seinen Lippen.

Das Schwert wird heiß und schwer;

Es glüht in meinen schwachen Händen.

HIRAM tritt mit herrischer Größe und Kraft in die Mitte.

Zu Molochs Füßen trag es hin!

Schwert und Gewalt gebührt nur ihm,

Gesetz und Ordnung schafft nur Er!

So höret heut sein erst' Gebot:


Er tritt unter die Eibe und weist mit bedeutsamer Bewegung nach dem Bilde Molochs auf der Halbinsel.


Ein Wall umfriede dort den Hain!

Denn heilig ist er, euch verschlossen!

Am Tag nur naht ihm ehrfurchtscheu,

Vor Molochs Wunderbild zu opfern.

Doch, höret, nachts, da flieht ihn weit!

Die Brandung brüllt, der Sturmwind stöhnt,

Im Donner spricht der Herr zu mir!

Wer da den Hain beträte, ihm

Brächte Tod der erste Schritt – –!

Wie Er's gebeut, im Feierzug,

Bringt jetzt das Königsschwert ihm dar!

Singt heilig Moloch, Moloch heilig!


Das Volk ordnet sich zum Zuge. Teut an seiner Spitze, das Schwert auf beiden Händen tragend, als ob er es dem Gotte darbrächte.


VOLK.

Heilig ist Moloch, der Herr des Schwerts!

Heilig ist Moloch, der Herr des Hains,

Heilig ist Moloch, der Herr der Welt!


In feierlicher Bewegung ziehen sie dem Haine zu.
[38]


Quelle:
Max von Schillings: Der Moloch. Dichtung frei nach Fr. Hebbels »Moloch-Fragment« von Emil Gerhäuser, Berlin [1906], S. 27-39.
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