Siebente Szene.

[58] Wolf tritt mit zahlreichem Kriegsvolk von links rückwärts au, und teilt es in zwei Haufen. Vom Haine her tönt Beckenschall.


WOLF.

Der Beckenschall ruft her das Volk –

Bergt euch im Haine, nah dem Strand,

Aus Molochs Bauch reißt Feuerbrände

Und werft sie in der Schiffe Bug!


Einige Krieger eilen über die Mauer in den Hain.
[58]

Den Rückweg sperren wir mit Waffen:

Wer Moloch nicht entsagt, der fällt! –


Er birgt sich mit den übrigen Kriegern in den Klippen.


MOLOCHPRIESTER treten von vorne links in geschlossenem Zuge auf. Ihr Gesang war schon bei Wolfs Worten hörbar.

Moloch ist König, ist Herr der Welt,

Herrschet von ewig glühenden Sonnen;

Er sendet euch aus vom heimischen Belt,

Der lockende Süden wird euch gewonnen!


Hinter den Molochpriestern naht das Volk; Frauen

und Kinder geleiten die ausziehenden Krieger, abschiednehmend, zu den Schiffen.


FRAUEN.

Moloch führt euch ins Sonnenland,

Wir wahren den Herd, wahrt ihr uns die Treue!

Moloch schützet euch unverwandt!

Lebt wohl, der Frühling vereint uns aufs neue!

KRIEGER gleichzeitig.

Ins Sonnenland! Wir wahren euch Treue!

Hier unsre Hand! Treue um Treue!

ALLE gewaltig vereint.

Moloch ist König, ist Herr der Welt – – –

Der Gesang bricht jäh ab, von fern und nah scheint der Ruf: »Thule, Thule in Gefahr!« zu ertönen. Man sieht Feuerbrände in die Schiffe wersen, es entsteht Verwirrung und Tumult auf der Bühne.


MOLOCHPRIESTER UND VOLK einzelne beginnen erregt, die anderen fallen ein.

Feuer! Feuer in den Schiffen!

Weh! Wer wagt's, die Fahrt zu hemmen?[59]

Verrat! Wer tat's? Auf! Feinde! Feinde!

Der Plan zerstört! Oh, Frevel! Not!

Die Schiffe brennen! Moloch, hilf!

Wo ist der Priester? Hiram! Teut!


Alle stürzen auf das Tor zu; da erscheint Teut unter

demselben, das Königsschwert in der Hand. Er blickt nach den brennenden Schiffen.


TEUT.

Wer dies auch tat, half meinem Werk!


Neuer Tumult.


VOLK UND MOLOCHPRIESTER.

Half deinem Werk? Und unsre Fahrt?

Willst du uns neue Wirrnis bringen?

Hast du die Schiffe dort verbrannt?

TEUT.

Oh, schmückt eure Speere mit Eibengrün,

Von Ebereschen mit roten Beeren;

Der König kehrt heim! Im Morgenglühn

Geloben wir neu die Heimat zu ehren.

VOLK UND PRIESTER.

Das Sonnenland ist uns verheißen!

Die Herrschaft will der Gott uns weisen!

Verrat! Was willst du? – Weh dir, Teut!

Wo ist der Priester? Hiram! Hiram!

TEUT.

Hiram ist tot!

ALLE in einem furchtbaren Aufschrei.

Tot!?[60]

TEUT.

Lüge und Schrecken

Trieb ich mit ihm von der Klippe ins Meer!

ALLE in wildem Tumulte durcheinander.

Hiram ist tot, – Weh, wilde Rache!

Schützet Moloch, Molochs Reich!

Verräter du, welch neue Schrecken!

Der Priester tot, – gebt ihm den Tod!

TEUT.

Verblendete, hört – –

ALLE.

Laßt ihn nicht reden!

TEUT.

Verscheucht sei die Nacht – –

ALLE.

Nehmt ihm das Schwert!

TEUT.

Durch mich hat Hiram euch getrogen!

ALLE.

Der Segen sein Werk!

TEUT mit ganzer Energie.

Machtlos ist Moloch!

ALLE fanatisch.

Lästerung![61]

TEUT.

Ein Götze, – kein Gott!


Wilder Aufschrei aller. – Die Molochpriester stürzen sich auf Teut, der das Schwert umklammert hält, und suchen ihn zum Haine zu schleppen. Gleichzeitig erscheint Wolf auf den Klippen mit den

Seinen.


WOLF.

Thule, Thule in Gefahr!


Er kommt herab und bahnt sich den Weg zu Teut.


TEUT im Getümmel.

Rettung! – – Thule in Gefahr!

WOLF ist vor dem Tore angelangt; die Priester lassen Teut los, der wie betäubt steht.

Mir gehört er, nicht eurem Wahn.

Der Heimat zur Sühne fällt der Verführer!


Teut wird von Wolf in die Seite getroffen. Wolfs Scharen stürzen sich im selben Augenblick von den Klippen und vom Haine her auf die Anhänger Molochs und fegen sie alle, Frauen, Kinder, Priester und die waffenlosen Männer nach kurzem Getümmel von der Bühne. Teut hält sich, an einen Torpfeiler gestützt, aufrecht. – Der König, von Theoda geführt, die im Schmucke roter Beeren prangt, erscheint auf der Klippe:


THEODA.

Teut!

TEUT schmerzlich aufschreiend.

Theoda! – – die roten Beeren!


Theoda ist herzugeeilt und stützt Teut, der das

Schwert auf die Wunde preßt.


KÖNIG.

Mein Sohn![62]

THEODA.

Mein holdes Leben!


Teut will dem Vater entgegen, bricht aber vor seinen Füßen zusammen.


WOLF stark.

Der König, Heil, ist heimgekehrt.

Thule frei und seiner wert!


Die Krieger huldigen dem König. Dieser gebietet durch eine Gebärde Einhalt. Die Krieger ziehen sich zurück.


THEODA.

Teut, mein Alles, stirb jetzt nicht!

Hetzt dich der wilde Jäger Tod?

Sieh, wer dich rufet, Teut, zum Licht,

Zum Leben, das dir Blüten bot!

TEUT faßt Theodas Hand und blickt ihr in die Augen.

Oh – heller Glanz beim jähen Scheiden!

Dich grüß' ich, holdes Angesicht, –


Er sucht mit dem Blick das Morgenrot.


Dich, – heil'ges Leben, – Lust und Leiden, –

Dich grüß' ich – goldnes Sonnenlicht.


Er sinkt zurück.


KÖNIG ergriffen.

Vom Dunkel schritt ich in den Tag,

Vom Totental in goldne Auen,

Das Wunder, das rings leuchtend lag,

Durft' ich mit trunknem Auge schauen.

Aus deinem Irren sproß uns Segen,

So wuchs aus deinem Sieg das Recht.

Grüß' ich ihn heut' als rein und echt, –

Wolf, weh – was trafst du ihn verwegen?


Wolf wendet sich ab.
[63]

TEUT.

Vater, – – – er war treu –


Er reicht dem Vater mühsam das Schwert. Dann blickt er noch einmal Theoda an, verlöschend:


Theoda – die roten Beeren – –


Er tastet nach dem Kranz auf Theodas Haupt, – der Arm erlahmt ihm, – er sinkt tot zusammen. – Theoda sinkt auf seine Brust. – Stille. – Der König läßt sich auf ein Knie nieder und lauscht nach Teuts Atem, – dann steht er auf, betrachtet ergriffen das Schwert in seiner Hand und bedeckt das Gesicht mit

der Hand.


Theoda erhebt sich langsam; wie aus einem Traum erwachend blickt sie sich um, heftet den Blick auf Teut, nimmt von ihrem Haupte den Kranz von roten Beeren, drückt ihn auf Teuts Stirne und schmückt seinen Leib mit den Blumengewinden, die ihr Gewand zierten. – Dann wendet sie mit inniger Wehmut den Blick zum König; dieser beugt sich nieder, hebt sie an seine Brust und küßt ihr die Stirne. – In wildem Schmerze bricht er dann plötzlich zu den Kriegern aus:


KÖNIG.

Stürzet Moloch!

Wolf und die Männer schreiten dem Haine zu. Der Vorhang schließt sich schnell.

Ende.
[64]

Quelle:
Max von Schillings: Der Moloch. Dichtung frei nach Fr. Hebbels »Moloch-Fragment« von Emil Gerhäuser, Berlin [1906], S. 58-65.
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