1. Auf Herren Paul Flemings Namenstag, begangen in Leipzig den 29. Juli 1630

Seyd tausentmal gegrüßt, ihr wol bestirnten Stunden,

Da seines Bildes Bild der Vater hatt' gefunden,

Die Mutter einen Sohn, der fröhlich zu ihr lachte,

Eh er sie Mutter hieß, vnd Kundschaft mit ihr machte;

Der ihr warf vmb den Hals der süßen Ärmlein Band

Vnd ihr ein Mündlein reicht', als seiner Liebe Pfand.

Wer weiß, was sonderlichs der güldne Sternenrat,

Der großen Götter Zunft allhie beschloßen hatt'.

Denn ob die Luft schon sehr sich da fing an zu kühlen,

Da du fingst an zu sein, vnd Schnee vnd Reife fielen,

So sahe man doch hier vnd da mit großem Haufen,

Fast aller Götter Schaar bemühet vmb dich laufen.

Am Grünen fehlt' es nicht. Die Flora bracht heran

Narcißen, Rosen, Klee, Violen, Tulipan,

Pohl, Müntz vnd Lilien, Cypreß vnd Nägelein,

Es must' als wie ein Lenz vmb dich gegrünet sein.

Die Najaden, die sonst bey Flüßen von Cristallen

In holen Gründen sind, die ließen sehn für allen,

Was sie ob der Geburt vor große Frewd' empfingen,

In dem sie auf vnd ab an allen Stränden gingen

Vnd wunden dir zu Lieb in ihr vergüldtes Haar,

Das nach dem Tanze nun ietzt abgehörnet war,

Viel Kränz' vnd Blumen ein. Die Mulde, Saal vnd Meyn,

Vnd andre Flüße mehr, so auch da bürtig sein,

Vnd eben dazumal bey dir vorüber floßen,

Die rauschten mehr als sonst in dem sie sich vergoßen.

Der Vater Fichtelberg bewegte sich nicht minder,

Verstärkte sein Geräusch auf Frewde seiner Kinder,

Daß es an Ufern schallt'; es wolte Pan nicht hören,

Was er selbst besser kan; er nahme seine Röhren,[654]

Vnd pfiffe Lust vollauf, vnd macht' es trefflich gut,

Dort' vmb den dicken Forst, vmb seiner Horde Hut.

Die Dryaden vmbher die sprungen schöne Reyen,

Man hörte sie auf dich manch Hirtenliedlein schreyen,

Daß auch Apollo selbst des Helicons vergaße,

Vnd mit der Musen Chor vmb deine Wiege saße.

Der dich denn sonderlich hat sehr gelehrt gemacht,

Vnd deines Geistes Ruhmb bis fast ans Blawe bracht,

Ja höher bringen will, wo seiner Leyer Pfand,

Die du daselbst empfingst, nur recht wird angewandt.

Drumb o du edler Tag, der meines Wundsches Leben

Zu gutem Glücke hat in dieses Leben geben,

Sey tausentmal gegrüßt. Dich, dich wil ich begehen,

Dir, dir soll alle Jahr' in künftig bey mir stehen

Solch Räuch- vnd Opferwerk, damit ich feyern wil,

So ofte du hinfort erreichest dieses Ziel.

Was auch auf deinen Preis die schwache Feder kan,

Das soll von mir nicht mehr als gerne sein getan.

Daß aber du, wie Brauch, wilst ietzt sein angebunden,

Von dem, der selbst bekriegt, besiegt vnd vberwunden

Durch dich schon ist vorlängst, ist nichts; ich wil nicht binden,

Dich lieber ohne Band bey mir gebunden finden.

Doch wenn ich ia mit was dich ietzt sol binden an,

So bind' ich dich mit dem, mit was ich weiß vnd kan,

Vnd dir vnd mir gefällt, als nemlich alle Zeit

Mit steter Lieb' vnnd Trew' vnd trewer Stetigkeit.

Immittels wolle Gott nach seinem guten Willen

Dir deiner Wündsche Maaß mit Vberfluß erfüllen.

Die Erndte deiner Jahr' er wol verkommen laße,

Daß sie des Schnitters Hand nicht eh zur Garbe faße,

Als sie verschoßt, verkörnt vnd wol verreifet hat,

Vnd selbst die Ähre wiegt vom Tragen müd' vnd matt.

Da hastu mein Geschenk vnd Anbindbändelein,

Von dem du ia dir nicht wolst wündschen los zu sein.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 654-655.
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