Eilftes Kapitel.

Universalmedicin, vermittelst deren man die gefährlichsten Krankheiten kuriren und sein Leben conserviren kann.

[195] Hierauf will ich noch einer Arznei, das große Präservativum und Curativum genannt, gedenken. Daß eine solche allgemeine Arznei zugerichtet und gefunden werden könne, welche alle Krankheiten heile, welcher Art und Natur sie auch seyen oder auch den noch vorstehenden ohne Unterschied vorkomme, haben bis auf diese Stund weder die alten Philosophen, noch auch die andern dieser unserer Zeit glauben wollen, dieweil nämlich der Menschen Complexion nicht ein-, sondern viel- und mancherlei gefunden wird, als da der eine einer hitzigen, der andere einer kalten, der dritte einer feuchten, der vierte einer trockenen Natur ist, dieser ein Sanguineus, jener ein Cholericus, der andere ein Phlegmaticus, oder Melancholicus, oder vermischter, und so fort, deßhalb es dann, sagen sie, nicht seyn könne, daß eine einzige Arznei allen bequem sey, sowohl zum kuriren als auch präserviren oder vorkommen. Aber wie mich dünkt, so sind diese Leute sehr unrecht daran, sintemal alle Krankheiten, so den Menschen je heimzusuchen pflegen, von einer bösen Qualität und Unrechtmäßigkeit des Magens herkommen, denn an demselben haben[195] alle gute und böse Digestiones oder Dauungen ihren Ursprung, wie die Erfahrung bezeugt, daß wenn der Magen sein Amt, als da ist die Dauung, nicht verrichtet, der Mensch alsbald mit einer Krankheit überfallen wird. Thut aber der Magen sein Amt, so ists unmöglich, daß der Leber oder andern innerlichen Gliedern etwas widerwärtiges begegnen oder einige böse Qualität dazukommen könnte, oder derentwegen das Geblüt sollte alterirt werden oder verderben, geschweige denn, daß in dem Leib eine böse Disposition solle erwachsen und dem Menschen deßhalb eine Krankheit zustehen, ist demnach meine endliche Meinung, es könne wohl eine solche allgemeine Arznei gefunden werden, welche zu allen Krankheiten des ganzen menschlichen Leibs dient und dieselbe vermöge auszureuten oder solcher vorzukommen.

Ich habe zwei große Geheimnisse zu Wiederbringung und zu Erhaltung der Gesundheit und des Lebens zu meiner, der Meinigen und guter Freunde Gebrauch in Händen.

Das erste ist ein Präservativum und Curativum, wird daher genannt Pulvis Vitae, besteht in einem Schweißpulver.

Die andere Medicin wird blos Präservativum, auch Pulvis Vitae oder Lebenspulver genannt. Und dieses sind zwei rare, überaus köstliche, hochschätzbare Arzneien, welche wegen ihrer kräftigen Wirkung als ein edles Kleinod billig hoch zu halten sind, weil sie mit der Natur eine besondere Harmonie und Freundschaft haben. Die[196] erste treibt durch den Schweiß alle bösen Qualitäten aus dem Leib, reinigt das Geblüt, befördert die Dauung, gibt dem Herzen Freude, verrichtet ihre Wirkung ohne einige Beschwerde des Leibs, daß es der Mensch kaum empfindet und bedarf keiner besondern Diät. Das andere hat gleiche Wirkung, wird Morgens und Abends in gutem Branntwein eingenommen, stärkt den Magen und macht einen guten Appetit zum Essen, welches der hochselige Herr Graf Anton Günther zu Oldenburg vor ein Arkanum gehalten, stets gebraucht und ein hohes Alter bis ins 84. Jahr erreicht hat. Das erste hat der vormalige Leibmedikus Dr. Eyd vertraulich mir communicirt, womit vermittelst der wunderlichen Kuren er sich so berühmt und beliebt gemacht und ich damit auch viele hundert Menschen von gefährlichen hitzigen Krankheiten und Fiebern errettet, zu voriger Gesundheit geholfen und beim Leben erhalten habe, so ich aus christlicher Liebe gern und willig mittheile.

Den Schweiß bringt man zuwegen, wenn man der innerlichen Wärme durch die äußerliche zu Hilfe kommt und sich zwischen 2 Leintücher und 2 Federbetten niederlegt und wohl schwitzt, hiedurch werden die Viscera von aller Ueberflüssigkeit ohne einige Schmerzen oder Angriff der Natur gereinigt, welches von keinerlei Arznei geschehen kann, es sey denn die Universal-Medicin.

Die Diät und der Schweiß machen eine Gattung der Universal-Medicin. In dem Schweiß[197] des Menschen ist ein Theil des microcosmischen Schwefels, wie man solches empfindet bei denjenigen, welche die Franzosen, die Pest und dergleichen haben, daher lassen die geilen Leute einen üblen Schweißgeruch von sich. Die Schwindsucht, Kolik und Wassersucht werden durch den Schweiß kurirt. Welcher die Pest bekommt und die Natur bei ihm durch Trieb schon einige Pestdrüsen herausgestoßen, kann unfehlbar durch den Schweiß befreit werden. Eben das kann man auch von dem Aussatz sagen, denn wenn man der natürlichen Wärme genugsam hilft, so wird sie alle Ueberflüssigkeiten und Unreinigkeiten vollends herauswerfen. Daher es denen, so die Blattern oder rothe Sucht, auch die Gicht haben, sehr dienlich ist.

Durch dieses unser Schweißpulver wird der Kranke gar nicht matt oder entkräftet, wie durch andere Arzneimittel öfters zu geschehen pflegt, sondern es macht munter. Daher kann man dieß Pulver in allem Alter, zu jeder Zeit und ohne Unterschied der Complexion gebrauchen.

Quelle:
Glorez, Andreas: Des Mährischen Albertus Magnus, Andreas Glorez, Klostergeistlicher und Naturkundiger. Regensburg und Stadtamhof: 1700 [Nachdruck Freiburg am Breisgau 1979], S. 195-198.
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