Fünfzehntes Kapitel.

Daß eine magnetische Kraft und Wirkung in den Kräutern und Gewächsen sey, wird erwiesen, dabei von der Sonnenblumen etc. Art und Eigenschaft.

[244] Der Schöpfer hat in die ganze Natur eine magnetische Kraft eingepflanzt, denn die Erde ist anziehender Art, wie auch das Obere der Erde verlangt, welches nichts anders ist als eine Qische Kraft, diese zieht sich dann in das reinste Theil der Erde, so gleichermaßen Qischer salinischer Art ist, wie es denn die Erfahrung lehrt, daß die Wurzeln, Kräuter und Blumen der Metalle Eigenschaften an sich nehmen, über welchen oder nächst welchen sie wachsen, gleichwie auch das Wasser derselben theilhaftig wird, daher auch die Gesundwasserbrunnen und Wildbäder entstehen.

Wegen der Erdgewächse hat man sich nicht zu verwundern, indem bekannt ist, daß solche von dem Saft besagter Erde, womit dieselbe schwanger geht, genährt werden müssen und solche Nahrung durch eine magnetische Kraft aus der Erde an sich ziehen, wie sonderlich an den Reben zu beobachten, die an etlichen Orten schwefelige, an etlichen Orten kalchige und wieder an etlichen kupferige Feuchtigkeiten führen. Nichts ist in der untern Welt, das nicht in der obern[244] eine Gleichheit habe und nicht seines Wesens Strahlen und Einfluß empfange. Wie der Stern seine Strahlen auf die Erde wirst, also wirst die Kreatur die von oben herab empfangenen Strahlen wiederum hinaufwärts nach ihrem Ursprung. Nicht wenige Kräuter wissen den Auf- und Niedergang der Sonne, ja etliche sind so begierig, dieser nachzufolgen, daß man glauben kann, es walte zwischen beiden eine große Naturverwandtniß.

Die Sonne hat unter den Planeten den mittelsten Ort, als das Herz im Leibe und der König in seinem Reich, von welcher alle Sterne eine Regel und Ordnung nehmen, darnach sie sich richten.

Wunderwürdig ist es, daß sich des Menschen Gemüth und Geblüt durch eine sonderbare Sympathie nach der Sonne Lauf richtet; mit der Sonne Aufgang sollen wir aufstehen, mit dem Niedergang schlafen gehen, ist zu verstehen von den langen Sommer-Tagen. Daher das alte Sprichwort: Morgenstund hat Gold und Brod im Mund. Und dieses ist eine Sonnen-Lebensregel, daß wir unsere Ruh und Arbeit nach der Sonne Lauf anstellen sollen, wie die unvernünftigen Vögel und Hühner, die des Abends zu Neste und mit Sonnenaufgang wieder herausfliegen. Einige Blumen schließen sich des Abends zu und mit dem Morgen thun sie sich wieder auf. Dieses thut auch billig ein vernünftiger Mensch, wie David im 104. Psalm V. 22, 23 lehrt: Wenn die Sonne aufgeht, so geht der[245] Mensch an sein Ackerwerk bis an den Abend. An den Kranken nimmt man wahr, daß die Krankheit bei Niedergang der Sonne größer wird; ist sie recht unter uns, so ist der Mensch am melancholischsten und schwächsten, je mehr aber die Sonne wieder gegen den Morgen kommt, desto besser und fröhlicher ist der Mensch, sonderlich bei klarem Wetter.

Die Ringelblume schließt sich bei Aufgang der Sonne auf und bei deren Niedergang zu, deßwegen es etliche der Bauern Sonnenuhr nennen. So folgen nicht nur die Klapperrosen der Sonne nach, sondern auch die Pappeln, Feigbohnen und die Wegwarten, mehr aber folgt selbigen nach die Siebenzeit, und weist den täglichen Auf- und Niedergang. Denn diese den Stengel und die Blume des Abends senkt, um die Mitternacht aber sich ganz in die See vergräbt, so daß man sie nicht finden kann, dann richtet sie sich nach und nach wieder auf und steht mit der Sonne wieder aus dem Wasser und eröffnet die Blumen. Cichori oder Wegwartblumen kehren sich allzeit der Sonne nach; des Morgens sobald die Sonne aufgeht, thun sich die Blumen auch allgemächlich gegen die Sonne gekehrt auf, sind den Mittag ganz offen und stehen recht übersich gegen der Sonne. Wenn die Sonne sich gegen Niedergang kehrt, so kehren sie sich derselben auch nach und schließen sich mit Untergang der Sonne zu bis wieder gegen Morgen, und wenn gleich der Himmel trüb und, mit Wolken überzogen[246] ist, so kann man doch an dieser Blume die Zeit des Tages erkennen.

Denn wer belustigt sich heutiges Tags nicht an den rothen, grünen, schwarzen, weißen, gelben, braunen, blanken und vermischtfarbigen Tulipanen zur Sommerszeit, deren Wunderschönheit man mit höchster Erstaunung ansehen muß. Diese Blume gibt sich gleichfalls, wie die vorige, des Abends mit der Sonne gleichsam zur Ruh und schließt sich zu.

Cardanus erzählt, es habe Pabst Clemens VII. einen köstlichen Stein, Heliten oder Sonnenstein genannt, gehabt, welcher mit einem goldenen Fleickstein versehen, täglich mit der Sonne Auf- und Niedergang sich umgedreht. Eben dergleichen wird auch von einer Statua der Sonne, welche Boëtius zu Ravenna aufgerichtet, gelesen, die sich ohne Unterlaß mit der Sonne verkehrt.

Plinius schreibt nicht allein, sondern es bezeugts die tägliche Erfahrung, daß die der Sonne gleichförmige Blume Heliotropium sive Solisequium, Sonne-und Folgewendel genannt, allzeit sowohl bei trübem als hellem Wetter aus innerlicher Sympathie und großer übernatürlicher Liebesneigung immer vom Auf-bis zum Niedergang mit inbrünstiger Begierde nach der Sonne Lauf sich lenke, umwende und ihr folge, und schließt sich des Nachts zu. Ja diese verliebte Blume erweist nicht nur ihre Brunst und Nachfolge an der Sonne, wenn sie von der Sonne oben herabwärts freundlich angeblickt, mit ihren Strahlen umfangen und gehetzt wird, sondern[247] sie kehrt, neigt und richtet sich auch alsdann, wenns dunkel und neblig Wetter ist, nach ihrer treuen, wiewohl bedeckten und verdunkelten Liebhaberin.

Man will zwar offenbare natürliche Ursachen vorgeben und sagen: Je niedriger die Sonne unter dem Horizont gehe, desto matter wurde die Sonnenblume; je höher aber die Sonne gestiegen, desto frischer würde sie wieder, woraus sie abnehmen wollen, daß die Blume voller Feuchtigkeit sey. Man höre aber eine wundermerkliche Sympathie zwischen dieser Sonnenblume und der Gebärmutter. Wenn man diese Blume in ein Wegrichwasser setzt, zieht sie sich zu. Wenn ein Theil dieses Wassers von einer starkgebährenden Frau getrunken, und in einstehender Geburtszeit die Blume in ein anderes Haus gethan wird, so geht die Blume allgemächlich auf, nicht anders als die Mutter der Gebärerin. Ein treffliches Exempel, daß die aus beiden ausgehenden Strahlen sich miteinander verstehen.

Gottes Wunderwerke können wir in diesem Leben, darin alles unser Wissen nur Stückwerk ist, nicht verstehen. Der gelehrte Mönch Campanella hat von der Empfindlichkeit der leblosen Dinge ein ganzes Buch geschrieben, und will behaupten, daß nicht allein die Erdgewächse, sondern auch das Holz, die Steine und das Wasser jedes nach seiner Art eigentliche Empfindlichkeiten haben.[248]

Quelle:
Glorez, Andreas: Des Mährischen Albertus Magnus, Andreas Glorez, Klostergeistlicher und Naturkundiger. Regensburg und Stadtamhof: 1700 [Nachdruck Freiburg am Breisgau 1979], S. 244-249.
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