Dreizehnte Begebenheit

von einem verheiratheten jungen Edelmann in Rom, dem durch Verhexung auf wunderliche Art die Beischlafungs-Kraft entnommen und durch einen Priester, der ein Hexenmeister war, wieder gebracht worden.

[388] In Rom war zu Zeiten Heinrich III. ein reicher adelicher Jüngling, der kürzlich gefreit hatte und seine Gesellen mit einem herrlichen Hochzeitmahl bewirthete. Nach dem Mittagmahl gingen sie hinaus auf das Feld, um mit den Ballen zu spielen. Der Bräutigam, als Anführer dieses Spiels, begehrt einen Ballen, und damit ihm der Ehering nicht vom Finger falle, steckt er selbigen der aus Erz gegossenen Bildsäule der Veneris an, welche ihm am nächsten war. Die Andern spielten alle auf ihn los, also wurde er bald müde, ließ von dem Spiel ab und ging der Säule zu. daselbst seinen Ring wieder zu holen. Aber siehe, da erblickt er den Finger dieser Bildsäule, an welchen er den Ring gesteckt hatte, ganz krumm bis in die flache Hand[388] eingebogen, und wiewohl er sich aufs heftigste bemühte, den Ring wieder zu bekommen, vermochte er doch keineswegs weder den Finger des Bildes gerade zu machen, noch seinen Ring abzuziehen. Er kommt zu seinen Freunden zurück, ohne denselben jedoch was davon zu sagen. Bei anbrechender Nacht geht er mit seinem Diener wieder zu dem Bild und findet allda den Finger wie anfänglich gerade ausgestreckt, aber ohne den Ring. Seinen Verlust verhehlend begibt er sich nach Hause zu seiner Braut. Als er in das Ehebett stieg und sich zu ihr näher machen wollte, spürt er, daß er daran verhindert werde und daß sich etwas dickes und neblichtes auf seinem und seiner Gemahlin Leib wälze. Er fühlte solches durch den Angriff, sehen konnte er es aber nicht und wurde also durch diesen Zwischentritt an seinen ehelichen Pflichten verhindert. Er hörte eine Stimme, die da sagte beschlafe mich, weil du dich heute mit mir verehelicht hast; ich bin die Venus, welcher du den Ehering an den Finger gesteckt und ich gebe dir auch denselben nicht wieder zurück. Von einem solchen Abenteuer erschrocken, mochte und konnte er nichts reden, brachte selbige Nacht ohne Schlaf zu, vielerlei bei sich berathschlagend. Also begab es sich lange Zeit, daß er vorgedachtes fühlte und hörte, zu welcher Stunde er auch mit seiner Gemahlin Beischlaf halten wollte. Im Uebrigen war er gesund und zu Hause und im Feld geschickt genug. Endlich durch öfteres Beklagen seiner Gemahlin erinnert und bewogen, erzählte[389] er diese Sache den Eltern. Nach unter sich gepflogenen Rath, bringen diese es einem Priester Namens Palumbo in der Vorstadt bei. Dieser aber war ein Schwarzkünstler und in der Hexerei ein wohlerfahrner Mann, welcher durch viele Versprechungen gereizt, dem jungen Ehemann einen verfertigten Brief gibt mit diesen Worten: Gehe noch heute in der Mitternacht auf einen Weg, wo vier Straßen zusammenlaufen, bleibe in der Mitte stehen und betrachte alles wohl. Es werden da allerlei Art und Gestalten von Leuten beiderlei Geschlechts vorbeigehen, von verschiedenem Alter und Condition, zu Fuß und zu Pferd, etliche fröhlich, andere traurig; was du auch hörst, sollst du nichts darauf antworten noch reden. Nach solchem Volk aber wird einer kommen, der an Statur etwas länger als die andern und am Leib dicker ist, auf einem Wagen sitzend; diesem sollst du ohne etwas zu reden den Brief ganz stillschweigend zu lesen geben, so wird alsbald geschehen, was du begehrst. Dieser junge Ehemann erfüllt seinen Auftrag ganz genau, wie es ihm gesagt wurde. Und sieht unter andern daselbst ein Weibsbild in einem Hurenhabit, so auf einer Mauleselin reitet, mit auf der Schulter herumfliegenden Haaren, welche obenher mit einer goldenen Haube zusammengemacht waren, eine goldene Ruthe in der Hand haltend, mit welcher sie die Eselin regierte. Wegen Durchsichtigkeit und Zartheit der Kleider schien sie fast nackend zu seyn und machte allerlei unkeusche Geberden. Der letzte Herr in[390] der Ordnung dieses entsetzlichen Zuges, seine Augen scharf auf diesen jungen Ehemann werfend und auf einem prächtigen Thron sitzend, so mit Smaragd und Perlen reichlich besetzt war, fragte ihn um die Ursache seines nächtlichen Hierseyns. Er aber antwortete nichts darauf, sondern überreichte ihm den Brief mit ausgestreckter Hand. Der Teufel, welcher das bekannte Insiegel nicht verachten durfte, las den Brief und spricht mit zum Himmel ausgestreckten Händen: Allmächtiger Gott, wie lange wirst du noch zusehen der Bosheit des Priesters Palumbi! Und ohne Verzug schickte er seine Leibtrabanten fort, die den Ehering von der Venus wegnehmen sollten, welche endlich nach langem Zögern denselben wieder brachten.

Also wurde dieser junge Ehemann seines Wunsches theilhaftig und genoß alsbald ohne Hinderniß die so lange gewünschte Liebeslust. Palumbus aber, als er das geschehene Seufzen zu Gott von ihm gehört, verstund leicht, daß ihm damit seine bevorstehende Todesstunde bedeutet worden sey. Deßwegen, als man ihm alle seine Glieder hin und wieder peinlich abgenommen, hat er seine Sündenschuld mit einem erbärmlichen Tode geendet und bezahlt, nachdem er vor dem römischen Volk unerhörte Schandthaten öffentlich bekannt und ausgesagt.

Vincent. Burgundus Belovacensis Specul. Lib. 26.[391]

Quelle:
Glorez, Andreas: Des Mährischen Albertus Magnus, Andreas Glorez, Klostergeistlicher und Naturkundiger. Regensburg und Stadtamhof: 1700 [Nachdruck Freiburg am Breisgau 1979], S. 388-392.
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