Der Aufruhr.

[161] Während der Schlachtendonner bereits an der Donau und an den Küsten Klein-Asiens tobte, trieb die europäische Diplomatie noch immer ihr listiges Spiel, gleich als gälte es, nicht nur die Völker, sondern sich selbst zu täuschen. Jeder Einsichtsvolle in ganz Europa fühlte und wußte, daß der Krieg zwischen den Westmächten und Rußland unvermeidlich sei, daß er das Ziel aller Einmischung und aller Intriguen, der Zweck aller Vorbereitungen war, und dennoch flogen täglich die Couriere nach allen Richtungen, dennoch wurde Project auf Project, Vorschlag auf Vorschlag gehäuft für Ausgleichung und Frieden, und die Höfe von Berlin und Wien schwelgten in Vermittelungen.

Zwei Männer allein in Europa wußten, was sie wollten: der Kaiser Louis Napoleon in Paris und Lord Palmerston in London; denn auch dem Giganten des Nordens, dem Czaren Nicolaus, begannen die Ereignisse über das hochgetragene Haupt zu wachsen, sein Glück, sein Stolz und seine Diplomatie hatten ihn getäuscht. Nur das Vertrauen auf sich selbst und sein Volk und der ungebeugte Muth wankten nicht.

Wir haben den Gang der politischen Verhandlungen am Schlusse unsers ersten Bandes bis zum Ende des Monats October geführt, und nehmen sie dort zu kurzem Überblick wieder auf.

Noch immer tagte die wiener Conferenz. – Die englische Regierung hatte am 1. und 2. November das österreichische und preußische Cabinet aufgefordert, daß unter Beseitigung der andern Vorschläge die Großmächte sich über einen von Lord Stratford am 21. October mit den andern Gesandten in Constantinopel aufgestellten[162] und abgesandten Notenentwurf vereinigen möchten, da man annehmen könne, daß dieser der Pforte annehmbar erscheinen werde. In der Conferenz der vier Gesandten in Wien am 3. wurde dieser Entwurf vorgelegt, der österreichische, preußische und französische Bevollmächtigte erklärten jedoch diese Vorschläge bei der veränderten Sachlage nicht mehr für geeignet und Rußland hielt nach der Kriegserklärung und Eröffnung der Feindseligkeiten zur Beendigung des Streits einen feierlichen Friedensvertrag für nöthig.

Dagegen lehnte die französische Regierung einen vom Grafen Buol am 25. October gemachten Vorschlag ab, welcher eine Verständigung zwischen Rußland und der Pforte über Wien intendirte.

Graf Buol schlug nun unterm 6. vor, daß die Conferenz eine Note entwerfen möge auf Grund der olmützer Verhandlungen. Diese Note würde die Pforte auffordern, zu verhandeln und selbst anzugeben, unter welchen Formen und Bedingungen. Zugleich müsse Waffenstillstand verlangt werden. Die englische und französische Regierung ertheilten auch bis zum 11. November ihre Genehmigung zur Abfassung einer solchen Note. Ehe es aber zu derselben kam, hatte das österreichische Cabinet die auf ein früheres Project (vom 6. October) von Rußland gemachten, von den Westmächten aber nicht genehmigten Gegenvorschläge an seinen Gesandten nach Constantinopel gesandt, mit der Instruction, sie bei der Pforte zu unterstützen.

Unterdeß that der englische Gesandte das Gleiche mit einem ihm unterm 24. October übersandten Plan seines Cabinets, dem auch Frankreich zugestimmt hatte. Reschid Pascha erklärte, daß er vor zwei Monaten noch annehmbar gewesen, jetzt aber nicht mehr.

Man sieht hieraus, daß nicht weniger als vier Ausgleichungsprojecte in demselben Augenblick sich kreuzten:


Die russischen Vorschläge vom 17. October von Österreich in Constantinopel abgesondert unterstützt;

der Vorschlag des österreichischen Cabinets vom 6. November;

der ältere von Lord Stratford (unterm 28. September und – 1. October) vorgeschlagene, von den Westmächten unter'm 24. October genehmigte Plan;

der neue Entwurf von Lord Stratford bei der mißglückten Verschiebung der Feindseligkeiten unterm 21. October von Constantinopel aus gemacht.[163]


Sie alle ergingen sich hauptsächlich über die Art und Form der Ausgleichung und schadeten natürlich einer dem andern, wie viele Köche immer den Brei verderben.

Unterdeß waren die Flotten in den Bosporus eingelaufen und die Schlachten bei Oltenitza und Gümri geschlagen und ungünstig für die Türken ausgefallen.

Frankreich stimmte möglichst Allem und Keinem zu und wartete ruhig des Augenblicks. An Stelle des französischen Gesandten in Constantinopel, de Lacour, war General Graf Baraguay d'Hilliers seit dem 12. November gekommen.

Die englische Regierung trat nunmehr mit einem fünften Project vom 16. November auf, dem die andern Großmächte beistimmten. Die wiener Conferenz adoptirte dasselbe und die Gesandten in Constantinopel legten die neue Erfindung vor, welche die wichtige Mittheilung machte: daß der Bestand der Türkei innerhalb der ihr von den Verträgen bezeichneten Gränzen eine der nothwendigsten Bedingungen des europäischen Gleichgewichts sei! Reschid-Pascha – in Angst gesetzt durch den Schrecken von Sinope – hatte nichts Eiligeres zu thun, als unter der Hand seine Zustimmung zu geben.

Aber gerade das Unglück von Sinope war der Wendepunkt, auf welchen man lauerte, um in den Augen Europa's mit einigem Anstand und Gewissen den thätigen Protector der Türkei spielen zu können. Gleich am Tage nach dem Eintreffen der Schreckenskunde – während Haufen der griechischen Bevölkerung durch die Straßen von Pera und Galata rasten mit dem Rufe: »Es lebe unser Kaiser Nicolaus!« – am 3., sandten die Vertreter Englands und Frankreichs zwei Schiffe des vereinigten Geschwaders, die »Retribution« und den »Mogador« nach Sinope ab, um weitere Kunde zu bringen. Sie kehrten mit der Nachricht der völligen Niederlage und etwa 150 Verwundeten – dem Rest von fast 5000 Mann, zurück. Das türkische Ministerium hatte bereits am 4. die Gesandten ersucht, die alliirte Flotte in's Schwarze Meer einlaufen zu lassen. Während dieselben auf der einen Seite sich dazu bereit erklärten, sprachen sie auf der andern wieder ihre Ansicht dahin aus, daß die Türkei das Unglück durch ihr Vorgehen selbst verschuldet habe. Man wußte ja noch nicht, wie man in Paris die Sache aufnehmen werde! Hier aber glaubte man die Zeit gekommen und eine energische Aufforderung an die englische[164] Regierung (v. 15.) verlangte, daß die Admirale dem Kommandanten von Sebastopol erklären sollten, daß jedes russische Kriegsfahrzeug durch die Flotten nach den russischen Häfen zurückzufahren genöthigt, und jeder Angriff auf türkisches Gebiet oder Truppen mit Gewalt zurückgewiesen werden würde. Wir werden später sehen, welche wichtige Klausel sich das Cabinet der Tuillerieen dabei bewahrte.

Unterdeß, da die Beschlüsse von Paris und London in Constantinopel noch nicht bekannt sein konnten, hatten die Gesandten dort nicht umhin gekonnt, auf Österreichs und Preußens Drängen die Verhandlungen über den letzten Vermittelungsvorschlag fortzusetzen, und der große Rath der Pforte beschloß ganz unerwarteter Weise, daß auf Grundlage der von den Gesandten proponirten Bedingungen die Friedensunterhandlungen eröffnet werden sollten. Dies geschah, wie wir später sehen werden, am 18. und 19.

Werfen wir, ehe wir weiter gehen, noch einen kurzen Blick auf die augenblickliche Stellung auf dem Kriegsschauplatze an der Donau.

Während der Czar die allgemeine Mobilmachung der Armee befohlen, war die Türkei bereits zur Aushebung des zweiten Aufgebots in Rumelien genöthigt. Der Sultan hatte erklärt, im Frühjahr selbst in's Feld ziehen zu wollen, und es wurden Anstalten für ein großes Lager bei Adrianopel getroffen. Aus Egypten und Syrien, aus Albanien und Bosnien strömten fortwährend Zuzüge irregulärer Truppen, die sogenannten Baschi-Bozuks, herbei und bildeten in babylonischer Verwirrung Elemente der türkischen Armee, die kaum durch die eifrigsten Bemühungen der unteren Führer, fast sämtlich polnische, ungarische und andere Renegaten und Flüchtlinge, zu einiger Ordnung und Verwendung gebracht werden konnten. Von Disciplin war natürlich fast gar nicht die Rede und man sah sich genöthigt, die regulairen Truppen möglichst von diesen Freischaaren zu sondern.

Um die Mitte des December begann sich das Corps des General Dannenberg der kleinen Walachei zu nähern, und es zeigte sich deutlich, daß ein Angriff aus Kalafat beabsichtigt war.

Von Bukarest waren zwei Scharfschützen-Bataillone und die Brücken-Equipagen gegen Braila abgegangen, um die dort zwischen beiden Ufern befindlichen Donauinseln zu besetzen.

Gegen Matschin hatte am 13. ein verunglückter Angriff der[165] Russen mit Kanonenböten unter General Lüders stattgefunden. Desgleichen waren zwischen dem 15., 16. und 17. auch bei, Silistria bereits wiederholt kleine Vorpostengefechte vorgekommen, indem das russische Feuer die türkischen Transportschiffe an der Truppenbeförderung nach den Häfen verhinderte. Die Kosakenpikets setzten wiederholt über die Donau und streiften bis in die Nähe der Festung.

Die Stellung der beiden Armeen an der Donau war demnach gegen Ende December folgende:

Das Hauptquartier des türkischen Generalissimus befand sich in Rustschuck, das fleißig verschanzt wurde. Hier concentrirte sich das Centrum des Heeres. Die Festung selbst, unter Befehl von Said-Pascha, hatte 3400 Mann Besatzung. An ihrer Südseite, noch im Bereich der Kanonen, befand sich ein befestigtes Lager mit 5000 Mann Nizam unter Mahmud-Pascha und 2000 Mann Redifs. Unmittelbar an diesem Lager campirten 4000 Arnauten unter Selim-Pascha, die Kavallerie auf der Straße von Rustschuck nach Hesargrad, wo die 29,000 starken Reserven des Centrums standen. – Den äußersten linken Flügel bei Kalafat bildeten circa 50,000 Mann, von denen 20,000 in Kalafat selbst unter Achmet-Pascha, 10,000 auf der Donauinsel Smurda postirt waren. Selim-Pascha1 befehligte in Widdin.

Die Communication der Insel mit dieser Festung war längere Zeit durch das Treibeis behindert. Die Verbindung zwischen Rustschuk und Widdin bildeten 18,000 Mann in Lom, Rahova und Nicopolis. – Den rechten Flügel kommandirte Halil-Pascha, von Silistria bis Matschin circa 45,000 Mann. Den Trajanswall von der Donau bis in's Schwarze Meer vertheidigte Ismael-Pascha.

Die Stärke der Türken auf der weit ausgedehnten Donaulinie betrug somit circa 123,000 Mann ohne die bei Schumla aufgestellten Reserven.

Die Russische Donauarmee war zur Zeit unbedeutend schwächer, dagegen Herr der Situation und zur Offensive bereit. Dem rechten Flügel der Türken stand jetzt General-Lieutenant Lüders in Braila mit 23,000 Mann gegenüber und bedrohete Heu Übergang bei Matschin. Das Centrum mit 45,000 Mann stand unter dem[166] Oberbefehlshaber Fürsten Gortschakoff, der noch immer sein Hauptquartier in Bukarest hatte, und den linken Flügel, etwa 34,000 Mann, kommandirte jetzt mit den Divisionen der Generale Fischbach und Dannenberg von Krajowa aus General-Lieutenant Anrep, der Kommandant der russischen Avantgarde beim Einrücken in die Fürstenthümer. Somit betrug die russische Macht etwa 112,000 Mann. Das Einrücken des dritten Osten-Sackenschen Corps, um die Positionen in der Moldau und der großen Walachei einzunehmen, hatte bereits begonnen.

Diese beiderseitige Situation und Machtentwickelung war offenbar nur die eines Vorspiels und konnte zu keiner wirklichen Entscheidung führen. Die russische Armee war, – wenn ihr das Meer versperrt wurde, – viel zu schwach, um über den Balkan gegen Constantinopel vorzudringen, denn die Erfahrungen von 1828 belehrten sie, daß ein solcher Sieg zu theuer erkauft werde, und das türkische Heer befand sich offenbar in einem Zustande, daß es auf einer so ausgedehnten Linie auch die Defensive nur durch die große Terrainbegünstigung halten, an eine Offensive aber nicht denken konnte. Der türkische Soldat der Neuzeit ist trefflich zur Vertheidigung, – schlecht und unbeholfen zum Angriff.

Wir haben bereits erwähnt, daß der große Rath der Pforte sich für die Vorlage der Gesandten ausgesprochen. Derselbe – der Divan oder die Staatskanzlei (Menacybie-divaniie) steht außerhalb des Ministerraths, der Regierung und des Reichsconseils, und umfaßt diejenigen obern und untern Beamten, die man Kalamice (von der Feder) nennt. Die im Divan sitzenden Beamten zerfallen in fünf Rangklassen, deren oberste mit dem Ferik (Divisionsgeneral) rangirt. Am Divan nehmen auch die Exminister und Würdenträger und die gerade in Constantinopel anwesenden Pascha's Theil. Er entscheidet nicht, sondern theilt blos seine Nachschläge mit. – Der Divan hatte im October die Kriegserklärung berathen, jetzt nach dem Unglück von Sinope und den Nachrichten aus Klein-Asien war er von Reschid-Pascha berufen, um über die Friedensunterhandlungen seine Meinung abzugeben.

Als Grundlagen derselben wurde von der Note der Gesandten aufgestellt:


1. Möglichst schnelle Räumung der Donau-Fürstenthümer.[167]

2. Erneuerung der alten Verträge.

3. Neue Garantieen für die erlassenen Firmane in Betreff der christlichen Bevölkerung an die Gesamtmächte.

4. Sicherung der Arrangements über die heiligen Orte in Jerusalem.

5. Waffenstillstand und Ernennung eines türkischen Bevollmächtigen zur Unterhandlung mit Rußland unter Mitwirkung der Mächte und in einer von diesen zu bestimmenden neutralen Stadt.

6. Wiederholung der Zusicherungen der Mächte bei dem Vertrage vom 13. Juli 1841 über die Integrität der Türkei.

7. Versprechen der Pforte, ihre innere Verwaltung den Zeitverhältnissen und den Rechten ihrer Unterthanen angemessen zu ändern.


Diese Punkte entsprachen zwar keineswegs den ursprünglichen Forderungen Rußlands, enthielten aber auch Nichts, was der Aufnahme von neuen Verhandlungen entgegengestanden hätte. Das schärfere Auge konnte darin nur die Absicht der Diplomaten, zu laviren, erblicken. Dies Mittel galt natürlich blos den Augen der Menge, es war ein Schauspiel, was man Anstands halber aufführte, um die schwache schwankende Regierung des Sultans über die wirklichen Absichten zu täuschen. Die Rollen in dem Drama waren bereits vertheilt und die bewegenden großen Factoren: die revolutionaire Propaganda, die persönlichen Pläne des Kaisers der Franzosen, und die englische Eifersucht auf Rußland, reichten einander die Hände zum Bündniß.

Der türkische Fanatismus wurde vorläufig zum Mittel bestimmt, die geheimen Zwecke zu verfolgen und den Sultan gefügig zu machen. Es war dringend nothwendig geworden, zu einem solchen Eclat zu greifen.

Der Leser hat am Schluß des ersten Bandes und in den ersten Kapiteln des gegenwärtigen einen Einblick gethan in die Intriguen des Harems und deren Wirkung auf den Gang der türkischen Politik. Der Sultan, von Anfang an ein Gegner, des Krieges und eben nur durch die Einwirkungen des englischen und französischen Gesandten hin und wieder zu einem entscheidenden Entschluß gezwungen, neigte sich offenbar im Geheimen zur Verständigung mit Rußland. Unter seinen Vertrauten war der alte Chosrew-Pascha, dieser in seinem Mannesalter einst so berühmte[168] Intriguant. Um ihn schloß sich daher jetzt auch fester die Friedenspartei.

Reschid-Pascha, dieser Mann aller Fractionen, der französirte Türke und das gefügige Werkzeug der Machthaber im entscheidenden Augenblick, zugänglich allen Eindrücken und von keinem bestimmten Entschluß und Plan geleitet, hatte auf das energische Drängen des österreichischen Internuntius, Freiherrn von Bruck, nicht vermeiden können, den großen Rath zu versammeln, um über die mehrerwähnte Vorlage der Gesandten zu verhandeln. Es war dies am 17. geschehen, und die Kriegspartei, den Seraskier und den ältesten Schwager des Sultans, Mehemed Ali, an der Spitze, rechnete mit Sicherheit auf einen Beschluß, ähnlich dem am 26. September, welcher sich für die Kriegserklärung, entschied.

Baron von Ölsner hatte jedoch seine Zeit nicht verloren.

Die Sitzung am 18. war stürmisch, und der Seraskier fand einen unerwarteten Widerstand in Chosrew und seinem Anhang.

»Man wirst mir vor, daß ich ein Russenfreund sei,« rief der alte Veteran des Kabinets und der Schlachten. »Wohl, ich bin für den Frieden. Aber wenn mein Bart nach russischem Pulver riecht, so duftet der Eure nach französischen Salben!«

Der Divan ging auseinander, ohne zu einem Entschluß gekommen zu sein.

An diesem Abend warteten die Sultana und Nausika, die Odaliske des Sultans, die Tochter des Janos, vergebens auf das Erscheinen des Großherrn.

Es war bereits zehn Uhr Abends, also etwa vier Uhr nach türkischer Zeitrechnung, als vom goldnen Horn her ein großes Kaik seinen Weg nach Tschiragan nahm und eine ziemliche Strecke weit über den Palast hinaus anlegte. Drei in kurdische Mäntel gehüllte Personen stiegen aus und schienen von einem Offizier der schwarzen Eunuchen des Sultans am Ufer erwartet zu sein, denn – ein solcher verbeugte sich alsbald tief vor ihnen und schritt dann vor ihnen her, nach den Höhen zu, die sich hinter dem Palais erheben und die Gärten desselben bilden, den einzelnen Wachen ein Loosungswort zuflüsternd, das sie ungehindert passiren ließ. Der Weg führt hinter Tschiragan auf Arnaudkoi zu terrassenartig steil in die Höhe, oft geht man zwischen Felswänden, oft zwischen 30 Fuß hohen Mauern, welche die Gärten des Sultans vor jedem fremden Blick schützen. Erst auf der Höhe kann der Blick sich frei und weit entfalten[169] und umfaßt den untern Bosporus bis rechts nach Skutari hin und links zum Thurm von Anatoli Hissar, dem asiatischen Schloß.

Auf der Höhe dieses Berggipfels steht ein in italienischem Styl gebautes, ziemlich großes elegantes Haus. Die Stürme des Pontus und die linden Zephyre des Südens umspielen seine Mauern, und die feurige Sonne des Orients brennt in seine Jalousieen und auf seine Balkone. Es liegt auf einer der schönsten Stellen von Gottes schöner Erde und ist die Wohnung zweier Deutschen, des Obergartendirektors des Sultans und seines Substituten, beides geborene Baiern. Auch die Posten der Gehilfen und Untergärtner sind meist von jungen Deutschen bekleidet.

Das Haus steht in einem gleichfalls von einer hohen Mauer umgebenen, aber möglichst nach europäischer Art eingerichteten Garten, der unmittelbar an den des Großherrn stößt. Eine gleiche Mauer, durch welche ein einziges schmales Pförtchen führt, zu welchem nur der Obergärtner und sein Stellvertreter den Schlüssel haben, trennt sie.

In dem Augenblick, wo wir die Vier hier hinauf begleiten, lag freilich nicht der Glanz hellen Sonnenscheins, des Frühlings oder Herbstes über jener herrlichen Aussicht, aber deshalb war sie nicht minder reizend im bleichen Lichtstrahl des Mondes, der ohnehin die Eigenschaft hat, die Farben aufzuzehren, und desto großartiger die Formation und Plastik in Licht und Schatten hervortreten zu lassen. Ein weißer Reif, auf den Felsenplateau's selbst eine dünne Schneedecke, lag über dem ganzen Bilde, und der schmale Wasserspiegel, nach Stambul hin sich öffnend, glänzte – wo er aus dem Schatten der Bergwände trat – gleich einem Silberband.

Doch war es nur Einer von der Gesellschaft, der diesem herrlichen Anblick einige Augenblicke widmete, der bereits mehrfach erwähnte deutsch-französische Baron, der sich auf der Höhe des Plateau's umwandte und, seine Gefährten weiter gehen lassend, die Augen über dies Eden der Nacht schweifen ließ. Dann folgte er ihnen rasch, denn die egoistischen Gedanken des Ehrgeizes, des Interesses und der Sorge in der eigenen Brust machen den Menschen gleichgültig für die Herrlichkeiten des Allmächtigen um ihn her. Der beste Beweis in der schneidend bittern Weise Larochefaucaulds, daß der Mensch alles Erschaffene für sich erschaffen glaubt. –[170]

Das Haus mit seinen Umgebungen war still und öde, am Zugang hatte ihnen der Obergärtner selbst das Thor geöffnet, wieder geschlossen und war dort zurückgeblieben. Der Eunuch führte sie quer über den Platz zu dem Pförtchen, das sich in die Gärten des Großherrn öffnete und klopfte in eigenthümlicher Weise an dasselbe. Sogleich wurde es geöffnet, sie traten ein und fanden sich dem Tschannador-Aga gegenüber, der sie mit einer schweigenden Verbeugung empfing und vor ihnen herschritt. Die Pforte wurde von dem Eunuchen wieder geschlossen und er lehnte sich, den Säbel ziehend, außen an dieselbe, um jede Annäherung zu verhindern.

Der Aga ging vor der schweigenden Gesellschaft durch die seltsamen gewundenen Gänge des Gartens her, und sie stiegen mehrere Terrassen hinab. Obschon der Winter die Vegetation erstarrt, die Bäume entblättert hatte, konnte man im hellen Lichte des Mondes doch die eigenthümliche Ausstattung und Einrichtung des Ortes um so mehr ersehen, als das sonst so belebende Grün in den türkischen Gärten eben nur Nebensache ist, und der Baron – der zum ersten Mal diesen sonst unzugänglichen Ort betrat – benutzte die Gelegenheit zum Umschauen. Auf dem natürlichen Felsen der Bergwand waren vielfach künstliche Felsgruppen in seltsamen phantastischen Formen angebracht, große Marmorbecken fingen in der bessern Jahreszeit Cascaden von Wasser auf, oder bildeten die bei den Türken so beliebten Springbrunnen. Pagoden und wunderliche in Arabesken und Schnörkel verlaufende Thiergruppen, bunt bemalt, standen überall. Wo der Wind den Reif und Schnee von den Gängen und Rabatten hinweggefegt, sah man diese mit bunten Steinen, Muscheln und Porzellan eingefaßt; zahlreiche Grotten, Kiosks, Tempel, chinesische Dächer und Pavillons in den baroksten Formen mit reicher Vergoldung und Malerei waren überall ziemlich ordnungs- und geschmacklos angebracht.

Nach einem der letztern von größerem Umfange wendete die Gesellschaft die Schritte. Zwei Tschannadors hielten die Wache am Eingang, durch welchen jetzt die Fremden das Innere betraten; ähnliche dunkle Gestalten bewegten sich um das Gebäude. Sie befanden sich hier in einem erleuchteten und von Kohlenpfannen erwärmten Vorgemach, wo sie die Mäntel ab legten und sich der Stiefel entledigten, um nach türkischer Sitte die Füße mit weichen Pantoffeln zu bekleiden.[171]

Die beiden Begleiter des Barons zeigten sich jetzt als zwei Moslems, der Eine ein Greis mit langem grauem Bart, listigen Augen und kühn hervorspringender Nase, der Andere als ein stattlicher Mann von einigen dreißig Jahren mit geistreichen und lebendigen Zügen.

Nach kurzer Zögerung für die Toilette der Eintretenden verschwand der Aga durch den Vorhang der gegenüber liegenden Thür, erschien dann auf's Neue und gab den Harrenden den Wink, sich zu nähern. Er selbst blieb im Vorgemach zurück.

Das Gemach, in das sie traten, füllte mit Ausnahme des kleinen Vorzimmers die ganze Rundung des Pavillons. Es war von einer Krystallkrone erleuchtet und gleichfalls von silbernen Kohlenbecken durchwärmt, aus denen zugleich der leichte Duft einer wohlriechenden Essenz durch das Gemach strömte. Die Jalousiefenster waren sorgfältig mit dicken turkomanischen Teppichen verhängt, damit kein Lichtstrahl nach außen dringen konnte. Rings um die Wände liefen Divans und gegenüber der Thür ruhte auf denselben die schlaffe Gestalt des Sultans, zu seinen Füßen ein stummer Mohrenknabe auf dem Boden knieend, der das Nargileh des Großherrn in Brand erhielt und mit seinen großen braunen Augen auf jeden Wink des Gebieters lauschte.

Der Sultan und der stumme Knabe waren allein in dem Gemach.

Die Hände auf die Brust gekreuzt, nahten sich die beiden Türken dem Herrscher, warfen sich in einiger Entfernung vor ihm nieder und verharrten in dieser Stellung mit zu Boden gehefteten Augen. Der Baron machte eine tiefe Verneigung und blieb in gebeugter Haltung am Eingang stehen, bis der Großherr das erste Wort gesprochen.

Dieser hatte sich halb aufgerichtet auf dem Divan, das kostbare Mundstück des Rohres zur Seite gelegt und streckte beide Hände nach dem Jüngsten der Knieenden.

»Khosch dscheldin2, mein Bruder Halil. Ich hoffe, Eure Laune und Eure Gesundheit sind gut und Ihr werdet es dem Großherrn, Eurem Schwager, nicht nachtragen, daß er Euch noch nicht öffentlich empfangen konnte, wie es Einem gebührt, der mit einer Tochter aus dem Hause Omar's das Lager theilt.«

[172] Halil-Pascha, der jüngere Schwager des Sultans, durch die Intriguen des Seraskiers aus Constantinopel verbannt und von jeder Betheiligung an den Staatsgeschäften entfernt, war erst vor zwei Tagen auf eine Botschaft Chosrew's, denn dieser war sein Begleiter, nach Stambul heimlich zurückgekehrt. Er war als Russenfreund bekannt, früher längere Zeit am Hofe von St. Petersburg Gesandter gewesen und hatte dort viele Auszeichnungen genossen. Er gehörte mit Chosrew zu den entschiedensten Gegnern des Krieges, und dessen Beförderer hatten ihn daher auf alle Weise vom Sultan fern gehalten; dem schlauen alten Großwessir war es aber dennoch gelungen, ihm diese heimliche Audienz zu verschaffen.

»Möge Dein Schatten lang sein, o Zuflucht der Welt, und die Sonne Deiner Gunst neu auf den Getreuesten Deiner Diener fallen,« antwortete ehrerbietig der Pascha, indem er, ohne die Hände des Padischah zu berühren, den Zipfel seines Rockes an Stirn und Brust führte. »Meine Gesundheit ist gut und wird noch besser sein, wenn sie sich im Strahl Deiner Nähe sonnen kann. Du bist der Herr, Du befiehlst und unser Wille ist Nichts!«

»Ne apalum, was kann ich thun?« sagte der Sultan. »Ich bin von Verräthern umgeben, die mich in diesen Krieg stürzen. Ich habe so Vieles anhören müssen, daß mein Kopf wirr ist. Wie befindet sich die Fatimé Sultana, meine Schwester?«

»Die Küsten Asiens erscheinen ihr schwarz, seit sie die Zenanah des Großherrn nicht mehr betreten darf.«

»Desto öfter hab' ich den Teufel von Adilé dort,« murrte der Sultan; »ich bin nicht Herr mehr in meinen eigenen Gemächern und diese Weiber lachen in meinen Bart. Sei willkommen, Wessir, Du bist einer der Getreuen meiner Mutter und kennst mein Herz. Nehmt Platz an meiner Seite, ich gestatte es Euch. Wer ist der Franke?«

»Schatten Gottes,« sagte der alte Wessir, indem er mit seinem Begleiter Kissen vom Divan nahm, sie unsern des Sultans auf den Boden legte und darauf niederhockte, »erinnere Dich, daß Du mir erlaubt hast, ihn vor Dein Antlitz zu bringen. Es ist ein treuer Mann und ein Vornehmer in den Ländern der Franken. Er sehnte sich, Deinen Schatten zu küssen, und ich wollte, wir hätten vor acht Monden sein Anerbieten angenommen, das er vom Czar der Russen brachte.«

Der Sultan rieb sich verlegen die Stirn.[173]

»Was meinst Du, Vater?«

»Erinnere sich Deine Majestät,« sagte Halil, »daß es die Flotte von jener Festung Sebastopol war und hunderttausend Mann guter Truppen, die uns der Czar zu Hilfe senden wollte, um die Dardanellen zu sperren.«

»Ich bin wie ein Ball zwischen zwei Händen,« sagte der Sultan finster. »Ist der Padischah bosch, Nichts, daß er das Erbe seiner Familie nicht mehr selbst vertheidigen kann? Diese Franken machen uns zu Weibern, und sie haben gezittert vor dem Hauch meiner Väter!«

Die beiden Pascha's schwiegen verlegen, – sie wußten, wie recht der arme Sultan hatte.

»Lasset den Franken näher treten.«

Auf einen Wink Chosrew's näherte sich der Baron mit ehrfurchtsvollen Verbeugungen. Der gewandte Abenteurer und Unterhändler war ein Mann von stattlicher Persönlichkeit und äußerst gewandtem Benehmen, was ihm überall einen guten Empfang sicherte. Obschon der türkischen Sprache ziemlich mächtig, redete er doch den Großherrn in französischer an, die der Sultan jedoch nur sehr mittelmäßig spricht.

»Möge Euer Majestät geruhen, meine Huldigung und meinen Dank anzunehmen für die Erlaubniß, das Antlitz des Großherrn zu sehen. Möge Euer Majestät auch nachträglich meinen Dank empfangen für die Gnade, daß Sie aus der Hand eines Franken durch die Vermittelung meines Freundes Ali-Pascha ein demüthiges Geschenk seiner Ergebenheit nicht verschmähten.«

Der Sultan sah den in ehrerbietiger Haltung vor ihm Stehenden überrascht an.

»Sie sind willkommen, Herr,« sagte er freundlich, »aber ich verstehe Sie nicht ganz.«

»Euer Majestät wollen verzeihen, wenn ich sage, daß ich es war, welcher die Ehre hatte, eine Sclavin durch den Pascha von Brussa Eurer Majestät als Dienerin vor etwa Jahresfrist zu übersenden.«

Das Auge des Sultans funkelte.

»Wen meinen Sie, Herr? ihr Name?«

»Mariam, eine Mingrelierin.«

Der Schlag war geradezu geführt; die Hand des Sultans zuckte unwillkürlich nach dem Herzen, dann ließ er sie kraftlos[174] sinken und erwiederte traurig: »Ich danke Ihnen, mein Herr, für das Geschenk – die arme Mariam liegt noch immer schwer danieder an einer ansteckenden Krankheit.«

»Mariam ist todt,« sagte ernst der Baron.

Der Großherr beugte sein Haupt.

»Inshallah! Wie Gott will! So ist sie also dennoch gestorben an den schwarzen Blattern. Es thut meinem Herzen weh, diese Kunde von Ihnen zu bekommen, wo Sie dieselbe auch her wissen mögen.«

Er wandte das Gesicht nach Mekka und begann ein leises Gebet zu murmeln.

»Verzeihen Euer Majestät, daß ich Ihre Andacht unterbreche, aber Mariam die Mingrelierin ist nicht an den Blattern gestorben, denn sie hat die Krankheit nie gehabt.«

Der Sultan sah ihn groß und fragend an.

»Mariam,« fuhr ruhig und langsam der Baron fort, »ist in der Nacht zum 10. November im Serail zu Stambul grausam durch die Martern der Folter ermordet worden. Ihr letztes Wort war der Name Eurer Majestät.«

Der Beherrscher der Moslems fuhr mit einem Sprunge gleich dem verwundeten Löwen in die Höhe. Er vergaß aller Etikette des türkischen Hofes so weit, daß er, – der nur von den höchsten und vertrautesten Dienern des Harems angerührt werden darf, – mit beiden Händen den Arm des Fremden erfaßte.

»Dschaur! bei dem Propheten, Du lügst!«

Der Wessir und Halil waren ruhig sitzen geblieben, – Beide waren auf die Scene vorbereitet.

»Möge die Zuflucht der Welt ihrem Sclaven das Wort gestatten,« sagte der Schwager des Großherrn; »der Dschaur ist ein vornehmer Mann in seinem Lande und sein Mund redet keinen Koth, sondern die Wahrheit.«

Der unglückliche betrogene Großherr sank auf die Kissen zurück und bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen.

»Wer? wer?« stammelte er kaum hörbar.

»Die Bujuk-Sultana3 und meine Schwägerin, Adilé Sultana,« sagte Halil-Pascha, »haben der That beigewohnt. Sie[175] ließen die Odaliske martern, um für ihre Freunde, die Inglis und Franzosen, Geheimnisse des Großherrn zu erpressen. Unser guter Freund Fuad Effendi, den der Ministerrath vor acht Tagen als Bevollmächtigten zum Sirdar, seinem Genossen, an die Donau geschickt hat, leitete die Marter. Ich habe gesprochen – auf mein Haupt komme es.«

Abdul Meschid schaute wild – mit funkelnden Augen umher, und sie fielen auf den greifen Chosrew.

»Du bist der Todfeind Fuad's und der Sultana,« sagte er hastig zu Halil, »ich kann Dir nicht glauben! Rede Du, Chosrew, der Lehrer und Schützer meiner Jugend!«

»Halil und der Dschaur reden die Wahrheit. Das Weib Deines Herzens ist gemordet worden, aber sie hat standhaft geschwiegen und sich der Zuneigung des Großherrn würdig gezeigt.«

Der Sultan erhob sich; seine Augen flammten, wie einst die seines Erzeugers, das bleiche Gesicht röthete sich dunkel.

»Beim Barte Mahmud's, meines großen Vaters, ich will nicht umsonst Hunkiar der Bluttrinker heißen, denn sie soll gerächt werden an meinem eigenen Blut! Hinaus, Knabe, und rufe den Aga.«

Der greise Wessir war aufgesprungen und hatte sich dem wüthenden Herrn in den Weg geworfen.

»Halt ein, Padischah! Um des Propheten willen, bedenke, was Du thust und höre den Rath Deiner Freunde!«

Der Großherr faßte die Hände der Beiden.

»Ich weiß es, Ihr seid dem Sohne Mahmud's treu und ich darf auf Euch zählen. Sie sollen sterben, sterben alle Drei, die diese That an meinem Herzen vollbracht haben, das sie liebte. Ein Mal hab' ich es bezwungen, als die Hand meines Vaters grausam auf mir lag; jetzt bin ich der Herr und wehe den Schuldigen!«

Er war außer sich, und selbst der intriguenvolle, nur seinen Interessen folgende Abenteurer sah mit aufrichtigem Bedauern auf den jungen Monarchen, der, der Herr von Millionen, der Herrscher in drei Welttheilen, mit all' seiner Macht nicht vermocht hatte, ein schwaches Weib zu schützen, das er liebte.

Der Aga war in das Gemach getreten und stand harrend am Eingang, während der Greis und Halil-Pascha den Sultan zum Divan zurückführten und ihn auf die Kissen nöthigten. Auf[176] den Wink Halil's war Théifur-Aga, der Chef der schwarzen Eunuchen, näher gekommen. Die Verbündeten wußten, daß er ein bitterer Feind und Neider des Kislar-Aga war und zu ihrer Partei gehörte.

»Höre mich an, o Schatten Gottes,« sagte der greise Staatsmann. »Wir Alle fühlen, daß Deiner Macht und Deiner Seele ein Wehe geschehen, aber was gethan ist, ist gethan und läßt sich nicht ändern. Unsere Feinde sind mächtig und wir müssen mit ihnen kämpfen mit der Klugheit der Schlange, denn diese Franken haben die Überhand.«

»Aber der Padischah ist der Herr,« warf Halil giftig ein. »Soll er sich in den Bart lachen lassen von seinen Knechten?«

»Hört mich wohl an,« sagte bedächtig der Greis, »und laßt mein Wort nicht in den Wind fallen. Die Partei des Seraskiers im Ministerrath ist stark und wir müssen sie schwächen, ehe wir den Streich auf das Haupt aller unserer Feinde können fallen lassen. Der Scheik ul Islam hat sich für den Krieg erklärt und die Hälfte der Diener des Palastes hängen Mehemed Ali an, und leicht würde er das Volk zu den Waffen rufen können. Aber das Volk ist jetzt auch erbittert aus Mahmud, den Kapudan Pascha, seinen Schützling, und sagt, daß die Vernichtung unserer Flotte seine Schuld sei. Ihn kann der Großherr ohne Gefahr entfernen.«

»Er falle!« sagte der Sultan. »Wer soll an seine Stelle kommen?«

»Möge die Sonne Deiner Gnade Riza Pascha bescheinen.«

»So sei es. Fertigt den Ferman aus, daß ich unterzeichne.«

Der schlaue Chosrew zog ein Papier aus seinem Busen, das bereits die Entlassung des Großadmirals enthielt und in das nur noch der Name seines Nachfolgers eingezeichnet zu werden brauchte. Er nahm das Schreibzeug von seinem Gürtel und der Sultan unterzeichnete hastig seinen Namenszug.

»Es ist nicht möglich, die künftige Sultana Valide zu strafen oder eine Tochter aus Mahmud's Blut um einer mingrelischen Sclavin willen. Es würde einen Aufstand im Palast erregen. Der Kislar-Aga ist ihr geheimer Freund, aber wenn Théifur-Aga an seine Stelle kommt, wird er die Weiber im Zaume halten und kann die Sultana nach dem Burnu-Seraï führen und Deiner Schwester den Eintritt in den Harem weigern. Er wird das Paradies des Großherrn von ihren Geschöpfen säubern.«[177]

Das breite Gesicht des Mohren glänzte vor freudiger Erwartung, denn der Posten des Kislar-Aga steht dem Range nach zunächst am Großvezir und ist durch seine Stellung einer der einflußreichsten.

Der Sultan bedachte sich einige Augenblicke, dann zog er rasch den Siegelring vom Finger und reichte ihn dem Eunuchen.

»Du bist der Kislar-Aga und mögest treuer als Dein Vorgänger meine Befehle erfüllen.«

Der Schwarze warf sich aus den Boden und berührte drei Mal mit der Stirn die Erde. Dann erhob er sich freudestrahlend und blickte auf Chosrew.

»Wenn es dem Padischah gefällt,« sagte dieser, »so möge die Veränderung im Palast bis morgen früh verborgen bleiben und erst zur Stunde der Divansitzung laut werden, damit wir unsere Feinde auch auf allen Seiten überraschen. Die Artillerie, welche die Brennibors4 gebildet haben, ist treu und möge die Wachen beziehen. Sie liebt weder den Seraskier, noch Mehemed Ruschdi, den Commandeur der Garden.«

Der Sultan schüttelte das Haupt, – in der Türkei das Zeichen der Bejahung.

»Es ist nothwendig, daß wir im Ministerrath mindestens eine gleiche Stimmenzahl auf unserer Seite haben,« fuhr der Greis fort. »Wenn der Schatten Gottes die Verbannung aufheben und den Gatten seiner Schwester wieder in den Rath berufen will als Beistand, würde unsere Stärke wachsen.«

Er reichte dem Sultan einen zweiten, gleichfalls bereit gehaltenen Ferman und Abdul-Medjid unterzeichnete; Halil küßte den Zipfel seines Rockes.

Der Großherr blickte sie jetzt Alle der Reihe nach finster an.

»Mashallah,« sagte er mit erzwungener Energie, »ich habe jetzt allen Euren Willen gethan, nun will ich den meinen und Rache für Mariam haben. Die Sclaven sollen sterben, welche die Hände an ihren Leib gelegt haben, und das Weib, das man mir für sie gegeben, beleidige nicht länger meine Augen.«

Die Werkzeuge sollten für die Schuld der Hohen büßen, – türkische Gerechtigkeit, die sich oft genug im civilisirten Europa wiederholt.[178]

Der alte Chosrew machte das Zeichen der Zustimmung.

»Pek äji! es kann ohne Gefahr geschehen und sie mögen sterben. Wofür ist Théifur-Aga da? Er möge seine Ohren aufthun und kein Esel sein. Ist es dem Großherrn jetzt genehm, zu hören, was dieser Franke von unseren Freunden, den Russen, zu sagen hat?«

Der Sultan, von der vorhergegangenen Aufregung erschöpft, war auf dem Divan wieder in seine frühere apathische Haltung gesunken; die Röthe des Schmerzes und Zorns hatte der gewöhnlichen krankhaften Blässe Platz gemacht und er bejahte stumm, indem er dem Knaben winkte, ihm das Rohr des Nargilehs wieder zu reichen, und dem Baron, auf dem Divan Platz zu nehmen.

»Euer Majestät,« sagte dieser, »sind in einer schlimmen Lage, indem Sie sich von Ihrem natürlichen Freund und Verbündeten, dem Czaren, abgewandt haben. Ihre Armee ist an der Donau zurückgedrängt und in Asien besiegt; in Serbien, Montenegro und Griechenland drängt das Volk zur Ergreifung der Waffen gegen das Reich Eurer Majestät. Persien rüstet zum Kriege. Die Flotte ist zur Hälfte vernichtet, die Finanzen des Staates sind so erschöpft, daß ohne eine schwer zu realisirende Anleihe die nöthigsten Bedürfnisse nicht zu bestreiten sind und das Heer zum Theil seit vierzehn Monaten keinen Sold erhalten hat. Die griechische Bevölkerung in Anatolien, Rumelien und auf den Inseln ist zum offenen Aufruhr geneigt, selbst die türkische Einwohnerschaft ist schwierig, man hat den Fanatismus aufgeregt und erhöht auf diese Weise die gegenseitige Feindschaft.«

»Inshallah,« sagte der Großherr, »was können wir thun? wir sind nicht schuld an dem Unheil.«

»Euer Majestät möge dem Czaren, Ihrem wahren Freunde, vertrauen. Der Divan und der Ministerrath mögen sich morgen bereit erklären, auf die Friedensverhandlungen einzugehen, welche die vier Mächte vorgeschlagen haben, und man wird den Engländern und Franzosen damit den Vorwand nehmen, sich weiter einzumischen. Was haben sie bis jetzt gethan, als ihre Flotten hierher gesandt, die Constantinopel bedrohen, ohne nur eine Kanone zum Schutz der Türkei gelöst zu haben? Ich bitte Euer Majestät, zu bedenken, daß wenn die Türkei sich Frankreich und England übergiebt, ihre Selbstständigkeit auf's Höchste gefährdet ist; daß sie französische und englische Schutztruppen kaum je wieder los werden[179] wird, welches auch der Erfolg des Krieges sei; daß die Kosten eines solchen das Land vollends ruiniren und wahrscheinlich einiger seiner besten Provinzen berauben werden; denn Österreich wird auch seinen Antheil verlangen und England ist schon längst nach Candia, Cypern und Unter-Egypten lüstern.«

Er machte eine Pause, – der Sultan – der Beherrscher eines Gebiets von mehr als 30,000 Quadratmeilen – hatte ihm finster zugehört, denn er kannte die Wahrheit dessen, was der Unterhändler ihm aufzählte, und gedachte traurig der Macht seiner Väter, vor denen Europa noch vor 150 Jahren gezittert hatte. Aber mit der, den Orientalen in diplomatischen Verhandlungen eigenthümlichen Schlauheit und Zähigkeit sagte er:

»Die Inglis und Franzosen haben von mir noch Nichts gefordert und erklären, mein gutes Recht unterstützen zu wollen. Mein Bruder der Czar aber hat gegen alle Verträge zwei meiner Provinzen genommen und mich gezwungen, den Krieg zu erklären. Es ist nicht das erste Mal, daß ein russisches Heer mein Reich bedroht.«

Der Baron war zu gewandt, um den schlagenden Streich nicht zu pariren.

»Euer Majestät wollen sich erinnern,« sagte er, »daß der Czar sich durch die Minister der Pforte beleidigt glaubt und die Donau-Fürstenthümer nur als Pfand für die Erfüllung alter Verträge in Besitz genommen hat. Er wird sich nicht weigern, sie bei einem neuen und festen Bündniß sogleich herauszugeben. Euer Majestät werden zugeben, daß Rußland das natürliche und erste Anrecht auf die Bundesgenossenschaft der Türkei hat und daß es in letzter Zeit am Hofe von Stambul durch die englische und französische Partei sehr verdrängt und benachtheiligt worden ist. Euer Majestät wollen ferner sich erinnern, daß der Kaiser Nicolaus sich nie als Eroberer gezeigt und im Frieden von Adrianopel sofort alle Eroberungen herausgegeben, ja die stipulirten Kriegskosten erlassen hat;« – er warf bei diesen Worten einen scharfen Blick auf Chosrew, dessen großes Vermögen von jener Zeit datirt; – »daß der Kaiser ferner in dem Kriege gegen Mehemed Ali und Ibrahim Pascha sich als uneigennütziger Verbündeter zeigte, gegen dasselbe Egypten, dessen Horden Euer Majestät jetzt gegen Rußland senden.«

Es entstand eine längere Pause. Chosrew, dessen schwache[180] und empfindliche Seite die Erinnerung an Ibrahim Pascha war, der ihn wiederholt besiegt hatte, brachte geschickt das Gespräch in eine andere Phase.

»Allah bilir, es ist ein Unglück, daß die Franken ihre Schiffe vor unsere Stadt gelegt haben, sonst könnte Alles gut gemacht werden. Was befiehlt der Padischah?«

Der Großherr blickte ärgerlich auf den alten Intriguanten.

»Ich erwarte Rath von meinen Wessiren.«

»Wenn es dem Vater aller Herrscher gefällt,« meinte Halil, »so habe ich zahlreiche Freunde im Divan, und einige Beutel werden das Übrige thun, daß man morgen für die Friedensverhandlungen stimmt.«

»Vielleicht hat unser fränkischer Freund einen weiteren Vorschlag,« meinte der greise Großwessir mit einem listigen Augenzwinkern nach dem Baron.

»Ich glaube, Euer Majestät die nöthigen Vorschläge machen zu können, sobald Allerhöchstdieselben ernstlich zu einem Schutz- und Trutzbündniß mit Rußland entschlossen sind. Der Kaiser stellt noch immer seine Flotte und eine Armee von hunderttausend Mann zum Schutz der Dardanellen zur Verfügung.«

»Aber wie wäre das auszuführen?«

»Durch die Anknüpfung der Friedensverhandlungen würden die Westmächte jedenfalls verhindert werden, Landtruppen nach dem Orient zu senden. Eine Scheindiversion russischer Schiffe auf die anatolische Küste könnte Gelegenheit geben, die verbündeten Flotten in's Schwarze Meer zu locken, wo sie sich bei der jetzigen Jahreszeit unmöglich zusammen halten können. Rußland ist bereit, sofort nach dem Abschluß des geheimen Traktats die Fürstenthümer zu räumen, und wird seine Truppen an der Donaumündung und in Odessa concentriren, von wo sie leicht nach Varna oder Burgas gebracht werden können. Wenn nach der Bereitschaftserklärung zu Friedensverhandlungen die Flotten nicht sofort aus dem Bosporus und den Dardanellen entfernt werden, wird Rußland die Forderung stellen, eine Anzahl von Kriegsschiffen gleichfalls hier stationiren zu dürfen. Entweder sind dann die Flotten der Westmächte in dem Schwarzen Meere abgesperrt und in unserer Hand ein Unterpfand, oder die russische Flotte in Verbindung mit der türkischen und egyptischen und den Kastells der Ufer wird vollkommen genügen, jene im Zaum zu halten oder zu vertreiben. Euer Majestät[181] Truppen und drei russische Armeecorps, die der Czar zur Disposition stellt, werden hinreichen, die Küsten von Rumelien zu sichern.«

Der kühne gewaltige Plan, – der so leicht beim Beginn des Kampfes auszuführen gewesen wäre und dem Schicksal Europa's eine andere Gestalt gegeben hätte, wenn Kaiser Nicolaus mehr auf die rasche That als auf seinen politischen Einfluß vertraut hätte, – erschreckte den bleichen Großherrn und seine Augen schweiften verlegen und ängstlich aus Chosrew und seinen Schwager. Der Letztere legte beistimmend die Hand auf das Herz, während der greise Diplomat den flehenden Blick seines Herrn und Schülers nicht zu bemerken schien und anscheinend kein Auge von dem Unterhändler verwandte.

»Adschaid! Wunderbar!« sagte endlich der Sultan. »Ich weiß nicht, was ich thun soll, und bin wie ein Mann zwischen zwei Schwertern. Wenn ich Dir auch Gehör geben wollte, o Franke, – wie würden wir uns ausreden können vor der Macht der Ungläubigen, ehe die Hilfe des Czars in der Nähe ist, um uns vor ihrem Zorne zu sichern?«

Chosrew erhob ruhig das Haupt; der alte in tausend Schlangenlisten bewanderte Diplomat hatte das Mittel längst vorbedacht.

»Wir werden einen Aufruhr in der Stadt erregen,« sagte er gelassen. »Der Rajahpöbel von Stambul wird eine Revolution machen und wir werden sagen können, daß uns die Christen gezwungen haben zu dem Bündniß mit Rußland.«

Der Sultan überlegte, – die türkische Geschichte bietet so viele ähnlicher Scenen und Intriguen, daß ihm der Plan keineswegs so unausführbar vorkommen konnte.

»Es ist unser Kismet,« sagte er endlich. »Wird Alles bereit sein und werde ich sicher bleiben, oder muß ich mich auf eines meiner Schlösser in Anatolien begeben?«

»Euer Majestät werden ganz sicher sein unter'm Schutz der Artillerie. Auf mein Haupt komme es. Morgen Mittag ist der Frieden gesichert und am nächsten Tage wird der Padischah den Fuß auf den Nacken seiner Feinde setzen.«

»Ich willige ein,« sagte der Großherr und gab ermüdet und abgespannt das Zeichen der Entlassung.

Die drei Verbündeten verabschiedeten sich unter den gebotenen Ceremonieen und wurden vom neuen Kislar-Aga wieder bis an die Pforte der Gartenmauer zurückbegleitet. Während Halil und[182] der Baron bereits den Garten verlassen, verweilte der greise Chosrew noch einige Augenblicke bei dem neuen, durch seine Intriguen eingesetzten Würdenträger.

»Höre, Freund Théifur-Aga,« sagte er mit einschmeichelnder Freundlichkeit, »Du wirst die griechische Sclavin morgen aus dem Harem entfernen?«

»Der Padischah hat befohlen. Sie mag das Wasser des Bosporus trinken.«

»Ein Weib ist sicher ein großes Übel,« meinte der Pascha; »aber warum sie tödten, wenn sie noch jung ist? Der Padischah hat es nicht ausdrücklich bestimmt und ich will Dir einen Ausweg sagen. Bana bak! Das Mädchen soll schön sein, – gieb sie mir, Deinem Diener, für seinen Harem – sie wird verschwinden für immer.«

Der Eunuch schielte ihn von der Seite an. Er wußte sehr gut, daß es um den Harem des geizigen alten Intriguanten sehr jämmerlich bestellt war und er das Mädchen nur aus Habsucht verlangte, um sie mit möglichstem Vortheil zu verkaufen; aber er wagte nicht, nach dem Dienst, den Jener ihm so eben geleistet, die Bitte abzuschlagen und antwortete daher:

»Pek äji, sehr wohl; Du redest Weisheit. Das Boot mit dem Weibe wird morgen Abend um die fünfte Stunde5 mit den Stummen des Harems gegenüber der Moschee von Auni-Effendi Deines Boten harren. Er möge drei Mal den Namen Allah's nennen und man wird sie ihm übergeben. Behalte mich in Deiner Gunst, o Pascha.«

Die Beiden schieden, und während bald darauf das Boot seinen Rückweg nach Stambul nahm und Halil mit dem Franken leise und eifrig über die Vorbereitungen für den nächsten Tag verkehrte, berechnete der alte Geizhals bereits den Gewinn, den er aus dem Verkauf der griechischen Tänzerin zu ziehen gedachte.


Die Berathung, welche am Montag, dem 19., im Divan, im Gebäude der Hohen Pforte, gehalten wurde, war eine überaus stürmische und der Schlag, welcher der Kriegspartei durch die Verkündung der Absetzung Mahmud Pascha's, des Großadmirals und[183] die Ernennung Halil's – der früher bereits zwei Mal Marine- und Kriegsminister gewesen war, – zum Minister ohne Portefeuille mit Stimme im Conseil, beigebracht wurde, ein ganz unerwarteter. Die alttürkische Partei des Seraskiers und des Scheich ul Islam war damit ihres Übergewichts beraubt und in ihrem Einfluß hart bedroht.

Durch die Bemühungen der Freunde der Großwessirs, Chosrew's und Halil's, zeigte sich im Divan eine Majorität für die Friedensunterhandlungen. Nur mit Mühe vermochten Mehemed Ali und seine Freunde durchzusetzen, daß der Endbeschluß bis zum nächsten Tage verschoben blieb. Sämtliche Minister sollten dem Rathe beiwohnen.

Es lag eine schwüle Stille über der großen Stadt und Jedermann fühlte das Nahen einer bedeutenden Krisis. Die Berathung des Divan hatte an beiden Tagen volle fünf Stunden gedauert und erst am Nachmittag geendet. Eine Audienz, die der Seraskier bei dem Sultan, seinem Schwager, verlangte, wurde abgelehnt unter dem Vorwande eines Unwohlseins. Der Großherr hatte sich in die inneren Gemächer seines Selamlik zurückgezogen. Die Ernennung des neuen Kislar-Aga und die Verweisung des früheren nach Brussa war erst am Nachmittage bekannt geworden und hatte den ganzen Harem in Bestürzung gesetzt. Auf die eilige Botschaft der Sultana war die Schwester des Sultans nach Tschiragan gekommen, aber der Großherr weigerte sich, den Harem zu betreten und sie mußte vor Zorn und Furcht bebend den Palast wieder verlassen und hatte noch den Ärger, dem Kaïk des Großwessirs Mustapha und Halil's, ihres Schwagers, zu begegnen und Beide in Tschiragan empfangen zu sehen.

Wie der politische Himmel, so begann sich auch der wirkliche zu trüben und schwere Wolkenmassen lagerten am Abend über dem ganzen Horizont. Der Gang unserer Erzählung führt uns an verschiedene Stellen und wir müssen eilen, ihn bei einem Manne wieder aufzunehmen, der seit dem Tage von Sinope die drückende Last schwerer Gefangenschaft getragen hatte, vermehrt durch das Bewußtsein, dem Todfeinde gerade in der Stunde der Rache erlegen zu sein.

Gregor Caraiskakis, der einzige Gefangene, der bis jetzt auf dem Meere in die Hände der Türken gefallen, hatte auf der eiligen Überfahrt der Dampffregatte Taïf alle Schmach und alle Leiden[184] zu dulden gehabt, welche die Erbitterung der Moslems über ihre Niederlage auf ihn häufte. Selbst die Bemühungen des englischen Baronets vermochten nicht, ihn vor der schimpflichen Last schwerer Ketten und roher Mißhandlungen zu schützen, und nur der Wunsch, einen Gefangenen den Machthabern in Constantinopel vorzuführen und ihm vielleicht wichtige Nachrichten zu erpressen, veranlaßte den Capitain des Schiffes, wenigstens sein Leben zu schützen.

Bei der Ankunft im Bosporus hatte der türkische Befehlshaber seine Hiobspost sogleich an den Großadmiral überbracht und dabei zwar des Gefangenen erwähnt, der Schrecken über die Unglückskunde war jedoch so groß, daß man eines einzelnen Gefangenen wenig achtete, um so weniger, als es nur ein Grieche war und der Capitain einfach die Anweisung erhielt, ihn vorläufig auf seinem Schiffe zu bewahren. So lag denn Caraiskakis seit beinahe drei Wochen vergessen und nur von dem Hasse der türkischen Schiffsmannschaft im Gedächtniß behalten, in dem unteren Deck der Fregatte, die am Schloß von Asien ankerte. Die Leiden seiner Gefangenschaft verdoppelten die wiederholten Besuche des Briten, dessen Bemühungen, ihn als seinen persönlichen Gefangenen zu behandeln und in die Haft der englischen Gesandtschaft zu bringen, zwar an der Hartnäckigkeit der Türken gescheitert waren, der aber fast einen um den andern Tag erschien, um ihn mit dem Antrage, ja, mit Bitten zu bestürmen, ihm das Kind herauszugeben, für das er eine eigensinnige Liebe gefaßt zu haben schien. Aber vergebens – der Sohn des Helden vom Pyräus antwortete auf das Anerbieten der Befreiung und des britischen Schutzes nur mit verächtlichem Schweigen oder dein Ausdruck des tödtlichen Hasses.

Im Stillen aber war der Grieche nicht unthätig gewesen. Unter den Seesoldaten, die den Schiffsdienst verrichteten und in seinem Deck häufig Geschäfte hatten, war ihm ein junger Mann aufgefallen, der ihn häufig mit Theilnahme betrachtete. Eine Anrede bei günstiger Gelegenheit, als sie allein waren, überzeugte ihn, daß er einen von den Türken zum Schiffsdienste gepreßten Griechen vor sich habe und er bewog ihn leicht, einen mit Bleistift geschriebenen Zettel bei seinem nächsten Urlaub an's Land zu bestellen.

Der Brief war an den Baron Ölsner von Montmarquet und enthielt die Nachricht seiner Gefangenschaft. – –

Am Nachmittag des 19. war der Baronet wiederum auf dem Taïf erschienen und hatte den Gefangenen bestürmt, ihm eine[185] schriftliche Vollmacht zur Aushändigung des Kindes auszustellen, da er jetzt nach England zurückzukehren beabsichtigte. Er versprach, das Kind zu adoptiren, die Heirath mit Diona anzuerkennen und den Knaben zum Erben seines Namens und seines Vermögens zu machen.

Caraiskakis schaute ihn finster an.

»Wenn Sie mir die Schätze der vereinigten Königreiche böten,« sagte er mit Hohn, »und den Sohn Diona's – die Sie feig verleugnet haben – zum ersten Edelmann des mächtigen Englands machen könnten, würden Sie den Knaben doch nicht erhalten, so lange es von mir abhängt. Seine Spur will ich Ihren Augen verwischen und nie soll er den Namen seines Vaters hören, sondern ein Grieche werden mit jeder Faser seines Lebens, der nur Haß athmet gegen das falsche Land seines Erzeugers!«

Der ganze Trotz und Hochmuth des Briten schwoll empor bei dieser Antwort.

»So habe, was Du willst und beklage Dich nicht über Dein Geschick. Der Kapudan hat bereits darüber bestimmt und mit dem nächsten Schiffe gehst Du auf die Galeeren nach Creta. Ich aber schwöre Dir, Wahnsinniger, daß ich nicht ruhen und rasten will, bis ich mein Kind gewonnen, und Edward Maubridge wird dies Land nicht verlassen, bevor er seinen Zweck erreicht hat, so wahr er ein Brite ist!«

Caraiskakis lächelte verächtlich, – so schieden sie.

Die Vorgänge des Tages hatten anders auch über das Geschick des Griechen entschieden. Es war am Abend gegen die zehnte Stunde, als von Tophana her ein Boot an die Seite der Fregatte Taïf schoß und ein Mann in der Kleidung eines türkischen Offiziers auf den Anruf der Wache »Befehl des Großadmirals« antwortete und an der Schiffswand emporstieg. Auf dem Deck fragte er nach dem Capitain und händigte diesem eine versiegelte Depesche ein. Es war die Ordre des neuen Kapudan Riza-Pascha, den bei Sinope gefangenen Griechen dem Überbringer Angesichts des Schreibens zu überliefern.

Baron Ölsner hatte die erste Gelegenheit benutzt, den Verbündeten zu retten. Caraiskakis wurde sofort aus dem Raum geholt und dem Boten übergeben, indem seine bisherigen Wächter und er selbst nicht anders glaubten, als daß er in ein anderes Gefängniß am Lande gebracht oder verhört werden solle.[186]

Von seinen Fesseln befreit, statt deren ihm die Hände auf dem Rücken zusammengebunden wurden, stieg Gregor in das Boot, der Offizier setzte sich neben ihn und die schwarze Wand der Fregatte war bald hinter ihnen im Dunkel verschwunden.

Nach einigen Minuten, während das Boot im Schatten der asiatischen Ufer hinlief und die zwei Ruderer scharf zu arbeiten hatten, um es bei dem heftigen Winde und den hochgehenden Wellen im Strom zu halten, schnitt der Offizier die Stricke von den Armen des Gefangenen und sagte auf griechisch zu ihm:

»Ich bin ein Bote des Signor Ölsner und habe Ihnen mitzutheilen, daß Sie frei sind. Die Ordre zu Ihrer Überführung nach der Stadt war eine der ersten, die der neue Großadmiral unterzeichnete, und sobald der Signor Baron sie in Händen hatte, war es ein Leichtes, Sie zu befreien. Ich begrüße in Ihnen meinen Landsmann, denn diese Kleidung ist natürlich nur angenommen, um den türkischen Capitain zu täuschen. Der Baron hat in dieser Nacht wichtige und viele Geschäfte und er hat mir daher aufgetragen, Sie in ein sicheres Versteck im Fanarioten-Quartier zu bringen.«

Caraiskakis dankte dem Landsmann, der sich Geurgios nannte, und hörte von diesem die wichtigen Neuigkeiten des Tages.

Sie waren jetzt dem Sommerpalaste von Beschiktasch gegenüber gekommen und wandten sich nun quer über den Meeresstrom nach dem Grabmal Hayraddins und der Moschee von Auni-Effendi, um auf der europäischen Seite des Bosporus die Fahrt nach dem goldenen Horn fortzusetzen, als aus dem Schatten des Ufers von Tschiragan ein großer schwarzer Kaïk, von sechs weißgekleideten Ruderern getrieben, hervorschoß. Geurgios gebot sofort den Seinen, zu halten, um den fremden Kahn vorbeifahren zu lassen und flüsterte dem Griechen zu:

»Die Eunuchen des Harems – bei Ihrem Leben, keinen Laut, Freund, was Sie auch sehen mögen!«

Zu seiner Verwunderung jedoch kam der Kahn, statt weiter hinaus in den Bosporus zu fahren, gerade auf sie zu und hielt in kurzer Entfernung von ihrem Bord. Im Hintertheil des fremden Kaïks stand ein bewaffneter Eunuch.

»Eure Loosung?« fragte der Schwarze.

Der Grieche zauderte einen Augenblick, dann, glaubend, daß der Frager wissen wolle, ob er einen Ungläubigen vor sich habe,[187] antwortete er rasch mit den Worten des türkischen Gebets: »Allah la illaha illallah.« Sogleich gab der Schwarze ein Zeichen und das dunkle Fahrzeug schoß an die Seite ihres Kahns. Schon glaubten die Griechen sich verloren, denn die berüchtigten Haremswächter machen wenig Umstände mit den zufälligen Zeugen ihres geheimnißvollen Treibens, und die Hand des Geurgios faßte nach den Terzerolen in seiner Brusttasche, – aber zu ihrer Verwunderung begrüßte sie der Offizier der Eunuchen mit einem kurzen »Khosch dscheldin! – Nehmt!« – zwei der bewaffneten Ruderer hoben vom Boden des Kaïk einen großen ungestalteten Gegenstand, gleich einem Sack, und warfen ihn achtlos in den Nachen der Griechen, daß dieser von dem Stoß schwankte und umzuschlagen drohte; im nächsten Augenblick schoß das Haremsboot vorwärts an ihnen vorüber, wandte und kehrte zu dem Ufer zurück.

Die beiden Griechen und auch die Ruderer, – die mit den Geheimnissen Stambuls sehr wohl vertraut schienen, – athmeten frei auf, als sie auf so schnelle Weise der Gefahr wieder entgangen waren, und die Ruder senkten sich mit doppelter Eile in die dunklen Wogen, daß der leichte Kahn gleich einem Pfeil dahin flog und bald in die ruhigeren Gewässer des Horns einbog.

Noch hatte keiner der Männer die seltsame Last, die ihnen so unverhofft geworden war, zu untersuchen sich Zeit genommen, und nur die convulsivischen Bewegungen der Hülle und ein leises unterdrücktes Ächzen und Stöhnen bewies ihnen, daß ein lebendes Wesen darin verborgen war. Erst als sie die zweite Brücke passirt hatten und am Ufer des Fanarioten-Quartiers hinfuhren, deutete Geurgios auf den Sack und fragte:

»Was machen wir damit? werfen wir die Last in das Horn? Hier sind wir sicher vor Spähern.«

Aber Gregor faßte abwehrend seinen Arm.

»Um der Heiligen willen, laßt uns nicht unmenschlicher handeln, als diese Moslems. Es scheint ein Weib in dem Sack zu sein und wir wollen die Unglückliche retten.«

»Bah, irgend eine alte Hexe, die im Harem gekeift und sich unnütz gemacht hat! Aber wie Ihr wollt – bei Sanct Demeter, Ihr mögt das Geschenk der schwarzen Burschen dafür zu eigen nehmen und Euch mit der Last beladen.« –

Unweit der Kirche von St. Basil, zwischen dem Balat-Kapussi (Palastthor) und dem Haivan-Seraï-Kapussi – dem Thor[188] der Menagerie, – von dem benachbarten Amphitheater so genannt, wo die Kämpfe der wilden Thiere stattzufinden pflegten, – und berühmt als die Stelle, wo im letzten Heldenkampfe gegen die Osmanlis und Genuesen Daralla und der Großherzog Notaris fochten, – landete das Boot unter einem überhängenden Kaïkschuppen, und Geurgios geleitete den Befreiten durch den Ausgang, der am Ende desselben hinauf in ein ziemlich großes griechisches Haus führte, wohin die beiden Ruderer auf seinen Befehl das geheimnißvolle Bündel ihnen nachtrugen. Man schien sie erwartet zu haben, denn auf der Veranda waren, trotz des stürmischen kalten Wetters, mehrere Männer versammelt, und in dem oberen wohlerleuchteten Gemach, wohin man Caraiskakis führte, brannten wärmende Kohlenpfannen und ein Tisch war mit dem lieblichen Brussawein und dem feurigen schwarzen Rebensaft vom Olymp, den man selbst in Constantinopel nur selten echt bekommt, nebst Speisen und Erfrischungen besetzt. Hierhin, in einen Winkel des Gemaches, legten die Bootsleute auch ihre Last, über die Geurgios gegen die Augen der Neugierigen seinen Mantel gebreitet hatte, worauf ihnen derselbe bei der eigenen Gefahr ihres Lebens anbefahl, auch gegen die Hausbewohner das strengste Schweigen über die Art und Weise zu beobachten, wie jene ihnen aufgebürdet worden. Dann, als sie allein waren, machte er mit Gregors Hilfe sich daran, den Sack mit einem Dolch aufzuschneiden.

Der Anblick, der sich ihnen zeigte, war überraschend. Ein junges bildschönes Mädchen, die in reiche türkische Pracht gehüllten Glieder mit einem kostbaren Shwal zu einem Klumpen zusammengeschnürt, lag vor ihnen. Der Mund war ihr durch einen Knebel geschlossen, und die Unglückliche offenbar von der lang andauernden Todesangst in Ohnmacht gefallen. Während Geurgios die Knoten des Shwals löste, befreite sie Gregor von dem Knebel und rieb ihr, nachdem man sie auf ein Ruhebett gestreckt, Stirn und Schläfe mit Wein. Endlich schlug die Schöne die Augen auf, tiefe Seufzer hoben ihren Busen und ihr Blick fuhr wirr und ängstlich umher über die fremden Männer und die unbekannte Umgebung. Dann schrie sie laut auf und warf sich auf die Kniee.

»Mordet mich nicht,« rief sie; – »für was habe ich meinen Glauben abgeschworen und Alles hingegeben, was meiner Jugend theuer war, wenn ich so jung schon geopfert werden soll? Was hab' ich gethan – bin ich nicht die gehorsame Tänzerin des Padischah,[189] die Gefährtin seiner Freuden? hab' ich nicht treu der Sultana gedient, meiner Herrin? O, habt Erbarmen, laßt mich leben – es ist so süß und schön, zu leben im Glanz der Herrlichkeit, die ich nie gekannt!«

Die schöne Nausika – denn sie war es, die durch den Sultan als Sühne für die geopferte Mariam aus dem Harem verbannt und von dem Kislar-Aga für seinen Gönner Chosrew bestimmt, durch eine zufällige Verwechselung und den Irrthum seiner Untergebenen in die Hände der Griechen gekommen war, – sah in der reichen Tracht der Odaliske und in der Blässe der Todesfurcht, die ihre Wangen bedeckte und das große blaue Auge aus dem Antlitz zu drängen schien, kaum weniger reizend und verlockend aus, wie damals, als wir im kurzen Gazegewand der Tänzerin ihr vor dem Sultan begegneten. Die weichen feinen Hände mit den hennahgefärbten Nägeln über der wogenden halbentfesselten Brust gekreuzt, lag sie vor den beiden Männern, und flehte für ein Leben, das stürmisch dein Genuß in jeder Fiber entgegenklopfte.

Erst als Gregor ihr wiederholt betheuert hatte, daß sie Nichts mehr zu fürchten habe, daß sie gerettet sei vor der schrecklichen Execution des Harems, – daß aber Verborgenheit und Geheimniß das Werk der Rettung vollenden und sichern müsse, gewann sie Glauben daran, umfaßte seine Kniee und beschwor ihn, sie nicht zu verlassen, indem sie versprach, jedem seiner Winke Folge zu leisten. Eine kurze Berathung zwischen Caraiskakis und seinem Wirth führte den Beschluß herbei, die Odaliske auch ferner vor den Augen der Hausbewohner verborgen zu halten, und sie zu dem Zweck in dem Zimmer, in dem man sich befand, zu lassen, bis es gelungen sei, ihr weniger auffällige Kleidung zu verschaffen, um sie an einen noch verborgeneren Ort zu bringen. Geurgios erklärte dem Landsmann, daß, da besonders auf seinen Wunsch die Fremde gerettet worden, er auch die Pflicht übernehmen möge, für sie zu sorgen, und gern war Caraiskakis dazu bereit, denn das Mädchen hatte schnell einen so wunderbaren Eindruck auf sein bisher nur von andern Gefühlen entflammtes Herz gemacht, daß er sich jeder Gefahr für sie unterzogen hätte. Er beschloß, den Baron von Ölsner für seinen Schützling zu interessiren, und als er jetzt auf die Aufforderung seines Wirthes diesem folgte, nachdem er einige Erfrischungen genommen, versprach er dem Mädchen, sobald wie möglich wiederzukommen und schloß sie sorgfältig ein.[190]

Geurgios, ein Mann von einigen vierzig Jahren, führte den neuen Bekannten in den unteren Raum des Hauses, wo mehrere Griechen versammelt waren und geschäftig ab- und zugingen. Geurgios schien ihr Haupt, denn ihm wurden alsbald verschiedene Berichte erstattet und Botschaften mitgetheilt. Er machte Caraiskakis mit den Anwesenden bekannt, die er ihm Alle als gute Patrioten und treue Anhänger des russischen Czaren und Mitglieder der Hetärie bezeichnete, und Gregor fand bald, daß die Stimmung dieser Männer, von denen er Einzelne schon früher beim Baron Ölsner flüchtig gesehen zu haben sich erinnerte, eben so aufgeregt und energisch für den allgemeinen griechischen Traum, die Wiederherstellung des byzantinischen Reichs, schwärmte, wie die der Griechen auf den Inseln und dem anatolischen Festlande. Zugleich bemerkte er auch, daß sie sämtlich nur untergeordnete Werkzeuge höherer Leitung und für die Erregung der Massen thätig waren, denn Alle wußten zwar, daß in den nächsten Tagen Etwas von Bedeutung geschehen solle, ohne doch zu erfahren, wo und was. Bei dem Feuer und der lebhaften Phantasie des griechischen Characters wogte das Geschwätz darüber hin und her.

Nur Geurgios wußte offenbar mehr und nachdem er verschiedene Mittheilungen angehört, nahm er Einzelne bei Seite, sprach mit ihnen eifrig und sandte sie mit Aufträgen fort, so daß bald nur noch drei oder vier Männer zurückgeblieben waren. Ihnen befahl er, auf's Neue einen Kaïk zur Fahrt bereit zu machen, und wandte sich dann an Gregor.

»Ich habe Sie mit diesen Männern näher bekannt gemacht, was der Signor Baron früher versäumt zu haben scheint, damit wenn sich irgend eine Gefahr ereignet, Sie Hilfe und Beistand haben. Die Leute, die Sie hier gesehen, haben die meisten Anhänger in der Fanarioten-Stadt und sind in diesem Augenblick bereits bemüht, das Volk für den morgenden Tag vorzubereiten. So viel ich selbst weiß, wird eine Demonstration zur Unterstützung unserer Freunde im Divan stattfinden. Signor Ölsner hat mich wissen lassen, daß ich ihn in Tophana treffen soll, und ich gehe sogleich dahin. Sie werden besser thun, hier zu bleiben, bis ich Ihnen weitere Nachrichten bringe; das Haus ist zu Ihrer Disposition, – die Frauen sind in ihren Schlafgemächern und wissen, daß sie dieselben nicht zu verlassen haben. Zwei meiner Leute bleiben hier zurück und werden für Ihre Sicherheit sorgen. Am[191] besten wird es sein, Sie ziehen sich in Ihr Zimmer zurück, das Sie freilich noch einige Stunden mit unserer unwillkommenen Gesellschaft werden theilen müssen, da ich dieselbe der Schwatzhaftigkeit der Weiber nicht anvertrauen mag und erst geeignete Kleider mitbringen werde, um sie fortzuschaffen. Gegen Morgen bin ich zurück.«

Damit verließ ihn der Fanariot und bald darauf kehrten zwei der Männer zurück und schlugen ihr Lager auf dem Boden des Zimmers auf.

Caraiskakis beschloß, sich nach dem seinen zu begeben, theils um seinen seltsamen Besuch zu beruhigen, theils um selbst einen Ort der Ruhe und Erholung zu suchen. Er fand die Odaliske wach und ganz verändert. Der Schreck und die Furcht waren von ihrem Antlitz verschwunden, und mit dem Gefühl der Sicherheit hatte sich auch Leichtsinn und Gefallsucht wieder eingestellt, denn das Leben des Harems hatte bereits unwiederbringlich die Seele des einst so einfachen und armen Mädchens umstrickt. Sie hatte die Zeit der Abwesenheit der Männer benutzt, um ihren Putz möglichst vortheilhaft wieder herzustellen und ihre Haare zu ordnen. Als Caraiskakis eintrat, saß sie in türkischer Manier auf den Kissen des Divans und naschte von den Erfrischungen.

Der Grieche setzte sich neben sie und begann ein Gespräch mit ihr. Die Naivetät dieser Hingebung, die kein Gefühl der Zurückhaltung und Schaam kannte, ohne doch niedrig und gemein zu sein, überraschte ihn. Nausika zählte jetzt achtzehn Jahre, ein Alter, in dem bei den Frauen des Orients die üppigste Blüthe der Reize eingetreten ist, denn später werden sie häufig zu voll und ungeschickt. Ihre Augen und Lippen strahlten Koketterie und Genuß, der Busen athmete üppige Sinnlichkeit. Aus dem armen griechischen Mädchen hatten zwei Jahre türkischer Erziehung die vollkommenste eitle Odaliske gemacht, die sich bemühte, jede Erinnerung ihrer Vergangenheit zu unterdrücken.

Vergeblich fragte sie daher Caraiskakis, durch die ersten flehenden Worte des Mädchens, die sie bei ihrem Erwachen aus der Ohnmacht an die Männer gerichtet, aufmerksam gemacht, nach dieser Vergangenheit; – die Eitelkeit des Mädchens ließ sie sich für eine Georgierin ausgeben, und da sie sich von Anfang an nur der türkischen Sprache bedient und mit Nichts verrathen hatte, daß sie das griechische Gespräch der Männer wohl verstanden, war es ihr[192] leicht, ihren neuen Beschützer zu täuschen, indem sie ihm andeutete, daß sie zwar als Christin geboren, jedoch schon vor vielen Jahren als Sclavin nach Stambul gekommen sei und den Islam habe annehmen müssen. Über die Ursache, die sie so plötzlich aus der Gunst des Großherrn und in die Gefahr des Säckens gebracht hatte, erzählte sie der Wahrheit gemäß, daß ihr dieselbe ganz unbekannt sei.

Für die Fragen, welche der Grieche gethan, richtete die Odaliske hundert andere an ihn. Sie hatte genug von dem Leben des Harems gesehen, um zu wissen, daß sie keine Aussicht habe, je wieder das Serail zu betreten, und die Todesfurcht, die sie ausgestanden, ließ auch einen solchen Wunsch gar nicht aufkommen. Dagegen ging all' ihr Sehnen und Denken bereits auf die Mittel, sich auf andere Weise ein Leben voll jener Genüsse, die sie kennen gelernt, mit möglichster Freiheit verbunden, zu verschaffen, und als Caraiskakis ihr die Versicherung gab, daß er sie von Constantinopel wegführen und für sie sorgen werde, schloß sie scharfsinnig, daß es ihm auch an den Mitteln dazu nicht fehlen könne, und setzte alle Künste der üppigen Koketterie in Bewegung, sein Herz zu erobern und seine Sinne zu bestricken.

Ihre Hand schenkte ihm den feurigen Wein des Olymp in den Becher, ihr reizender Mund plauderte ihm von jenen seltsamen lüsternen Geheimnissen des Harems, die das Blut wallen machen. Dem Manne, der, eben dem scheußlichen Aufenthalt eines türkischen Schiffsgefängnisses entronnen, noch die schweren Fesseln an seinen Gliedern zu fühlen glaubte, der wochenlang Nichts als die gröbste ekle Kost, ihm mit Verwünschungen gereicht, genossen, nur das finstre Antlitz fanatischer Moslems gesehen, – däuchte es wie ein Traut, jetzt hier im wohlgewärmten, mit Teppichen belegten Zimmer zu sitzen und die Blicke in die glänzenden Augen der schönen Odaliske zu tauchen, – so schön, – so schön, wie er noch nimmer ein Weib gesehen! von ihrer weichen Hand berührt zu werden, den feurigen Wein aus demselben Becher zu schlürfen, den noch eben die purpurnen Lippen berührt hatten.

Der finstre, ruhige Mann, der Patriot, dessen Herz nur dem Unglück des Vaterlandes schlug, der so viel für sein Idol schon gelitten, – wo blieb der Gedanke, der allein bis jetzt sein Herz gefüllt, – wo die Erinnerung an Kampf und Sieg vor dem vernichtenden,[193] verzehrenden Hauch der Leidenschaft, die sein Inneres so plötzlich, so gewaltig erfaßt? Wo blieb die catonische Tugend vor dem Sirocco des aufgeregten Bluts, das, so lange Jahre unterdrückt, jetzt die Bande sprengte und tyrannisch durch seine Adern tobte.

Er erhob sich, – er wollte das Gemach verlassen, um bei den beiden Fanarioten sein Lager zu suchen, – aber er bedachte, daß dies ihre Aufmerksamkeit und ihren Verdacht erregen müsse. Die Odaliske flog nach der Thür und schob den Riegel vor, sie flehte ihn an, sie in dieser Nacht der Gefahr und Angst nicht zu verlassen, und Gregor Caraiskakis, der starre, tugendhafte Patriot, lauschte den Worten des schönen Weibes und blieb. Mit koketter Geschäftigkeit bereitete ihm das Mädchen an einem Ende des Divans das Lager und führte ihn dahin. Dann häufte sie für das ihre die Kissen und Polster auf der entgegengesetzten Seite.

Die beiden Kerzen auf dem Tische löschte ihr Hauch – bald hörte der Grieche nur noch die schweren wogenden Athemzüge seiner Gefährtin.

So verging eine Zeit, – trotz der körperlichen Erschlaffung vermochte auch er nicht die Ruhe zu finden. Ein tiefer, sehnsüchtiger, leidenschaftlicher Hauch schwellte seine Brust und drang über seine Lippen.

Da faßte eine weiche sammetne Hand die fieberglühende seine, ein üppig runder Arm umschlang ihn, und der süße Athem eines heißen Mundes flüsterte dicht an dem seinen:

»Warum verschmäht mein Herr und Retter seine Sclavin? Soll das Herz allein ihm gehören und nicht der Leib? Möge mein Gebieter seine Dienerin nicht verachten!«

Und die buhlerischen Künste des Harems umstrickten ihn, die heißen glühenden Lippen sogen auf den seinen, electrische Funken der Lust sendend durch die entflammende Berührung in seinen Körper, weiche üppige Formen drängten und schmiegten sich an ihn – Vaterland – Freiheit – Alles war vergessen in dem entzückenden Rausch.

Der Todfeind der Moslems ruhte wonnetrunken an dem Busen der verbannten Odaliske des Großherrn, – der Gerettete und Befreite schwelgte in den wollüstigen Reizen der Tochter des Mannes, welcher kaum zwei Monden vorher für ihn, für seine Freiheit und seine Zukunft das Haupt dem Yatagan des türkischen[194] Henkers geboten hatte, – Gregor Caraiskakis im Arm, am Busen von Nausika, der Tochter des Janos!

Auch der Zweite der tapfern, der edlen Brüder, die den Heldenkampf begonnen, war der Versuchung erlegen, der Eine im Harem zu Skadar, der Andere im Fanariotenhause zu Stambul.

Was will alle Kraft der erhabensten Empfindungen, alle Begeisterung der Tugend und Ehre gegen die Katarakten des erregten Bluts und den Samum der Leidenschaft!


Das Seraskiat, von dem Thurme überragt, auf dessen Höhe die Feuerwache von Constantinopel ist (Dschandchin Koskj), liegt in der Nähe der Suleimania und des alten Serails; unfern davon, tiefer in die Stadt hinein, der Moschee des Fürsten Schekzade gegenüber, der Platz, auf dem die alte Janitscharen-Kaserne stand, deren Hof einst die Stätte des blutigen Gemetzels ihrer Vernichtung war. Der frühere Wohnsitz des Janitscharen-Aga's ist jetzt der Palast des Seraskiers oder Kriegsministers, Mehemed Ali's, des Schwagers des Großherrn, während Reschid Pascha, der Minister des Auswärtigen, im Palast der Pforte residirt.

In einem streng nach türkischer Sitte eingerichteten großen Gemache des Seraskiats waren an diesem Abend die Mitglieder der Kriegspartei im Ministerrath und seine Vertrautesten um Mehemed Ali zu einer ernsten Berathung versammelt: Arif-Hikmet-Bey, der Scheik ul Islam des Reichs, Mahmud-Pascha, der bereits abgesetzte Großadmiral, Mehemed Ruschdi, Chaireddin-Pascha und Safeli-Pascha, der neue Finanzminister. Auf einem Ehrenplatz des Divans saß mitten zwischen den Moslems ein Mann in europäischer Kleidung von mittleren Jahren, dessen langgestrecktes schmales Gesicht, röthlich blondes Haar und wasserblaues, kaltes und beobachtendes Auge den Briten verrieth. Es war Master Alison, der orientalische Secretair der britischen Gesandtschaft in Constantinopel, die rechte Hand des Viscount de Redcliffe, und durch seine Gewandtheit und Kenntniß der orientalischen Verhältnisse zur Zeit eine der einflußreichsten Personen in Constantinopel.

Jeder, der mit den Geheimnissen der türkischen Diplomatie einigermaßen bekannt war, wußte sehr wohl, daß bis jetzt sämtliche[195] Antworten und Noten der Pforte aus der Feder Master Alison's gekommen waren.

Die Berathung war ziemlich stürmisch und die Stimmung noch erbitterter, als der britische Secretair, durch seine Dragomans, – diese unübertrefflichen politischen Spione und Agenten bei der Pforte, – auf's Genaueste unterrichtet, ihnen mittheilte, daß der Großherr bereits die Fermans unterzeichnet habe, welche auch Ruschdi-Pascha sofort vom Kommando der Garden und Hayreddin vom Amt des Polizeiministers enthoben und Letzteren als Inspektor der Armee nach Asien sandten.

Der Seraskier sah sehr wohl ein, daß der nächste Schlag gegen ihn selbst gerichtet sein und daß sein Todfeind Halil damit nicht säumen werde.

Von ihm, oder vielmehr durch ihn von der Sultana Adilé, war daher auch der erste Gedanke des bewaffneten Widerstandes und einer gewaltsamen Demonstration angeregt worden, bei deren Berathung sich Master Alison jedoch jeder Einmischung enthielt, indem er erklärte, daß seine diplomatische Stellung ihm die Billigung einer Auflehnung gegen den Willen des Großherrn verbieten müsse, während er auf der anderen Seite geschickt durch ein hingeworfenes Wort den Gang der Beschlüsse zu leiten verstand.

Nur als der wilde Mehemed, von seiner Erbitterung hingerissen, von dem geistlichen Vorstande des Reichs verlangte, daß, wenn der Großsultan Abdul-Medjid bei seiner Neigung zu ihren Gegnern verharren sollte, er ab- und Abdul-Azig, sein Bruder, an seine Stelle gesetzt werden müsse, erklärte der Brite sehr energisch, daß die verbündeten Mächte, denen der schwankende leitbare Charakter des regierenden Padischah's sehr passend war, die Ausführung eines solchen Planes nicht dulden und die Flotten sofort einschreiten würden. Eben so sprach er sich gegen eine Militair-Revolution aus, die Ruschdi-Pascha vorschlug, indem er sich der Garden versichert erklärte.

Die Zeit war vorbei, in denen die Janitscharen die Söhne Ottoman's nach Willkür auf den Thron setzten und die Mauern des Serails die Zeugen blutiger Thaten waren. Vor den Augen Europa's durften die beiden Mächte Handlungen nicht dulden, die so offen ihre Phrasen von der Vertheidigung des Sultans Lügen gestraft hätten. Zu einer Revolte in Constantinopel gehörte jetzt das Fiat von London und Paris; das Programm wurde geliefert![196]

An eine Palast-Revolution war bei der Stellung der Parteien nicht mehr zu denken, es blieb also nur noch das Volk, – dessen Demonstration um so bedeutsamer sein mußte. Außerdem hat das Volk einen breiten Rücken und man konnte der Gerechtigkeit gegen dasselbe später freien Lauf lassen, ohne sich selbst zu schwächen, ja im geeigneten Augenblick gegen den erregten Sturm wieder auftreten und das Verdienst gewinnen, den Thron gerettet zu haben.

Man beschloß demnach, an das Volk zu appelliren und die Meute in Bereitschaft zu halten. Das Volk wird vom Fanatismus regiert, und der Scheik ul Islam erhielt daher den Auftrag, seine Armee, – die Ulema's und Softa's, die schon am 10. September von der Kriegspartei zu jener Demonstration benutzt worden, welche die ersten Schiffe der Flotte in den Bosporus rief, – wieder in Bewegung zu setzen.

Während man noch über die Art und die Zeit des Aufruhrs stritt, erschien einer der vertrauten Tschokodars des Seraskiers, um zu melden, daß ein Grieche dringend Hayreddin-Pascha zu sprechen wünsche. Der Polizeiminister verließ das Gemach und ließ den Mann in eines der nächstliegenden bringen, da ein mit verschiedenen Merkmalen bezeichnetes Goldstück, welches der Grieche der Botschaft beigefügt, ihm zeigte, daß der Fremde einer seiner Spione in der Hauptstadt war.

Wenn Gregor Caraiskakis den Mann gesehen, der jetzt mit dem Polizeiminister sprach, würde er sicher, trotz der kurzen Berührung, eine jener Personen erkannt haben, die er nach seiner Ankunft im Fanariotenhause gefunden.

Es ist traurig, aber eine Thatsache, daß, während auf der einen Seite unter den Griechen die todesmuthigste Aufopferung und Hingebung an ihre National- und Glaubensinteressen herrschte, auf der andern auch die nichtswürdigste Feilheit und Gesinnungslosigkeit sich kundgab und schmählicher Verrath in jeder Weise geübt wurde. Nur in dieser Entartung des Volkes, der kriechenden Demuth und Feigheit der Masse ist die Ursache zu suchen, daß die türkische, Herrschaft so drückend seit Jahrhunderten auf diesem Lande lasten konnte.

Der Polizeiminister hatte seine zuverlässigsten Spione unter der griechischen Bevölkerung und war von den Vorgängen und Bewegungen unter derselben stets auf's Beste unterrichtet. Die Kunde, die er so eben empfing, überraschte ihn jedoch, da sie ganz[197] unerwartet kam und die Verschworenen der Friedenspartei rasch und vorsichtig zu Werke gegangen waren. Die Nachrichten waren freilich nur unvollständig, da Baron Ölsner, als der Letter der Demonstration, die Unzuverlässigkeit der Griechen zu gut kannte, um seine Pläne vor der Zeit zu enthüllen, doch waren sie immer genügend, um ihre Bedeutung und die drohende Gefahr ermessen zu lassen. Der Pascha sandte den Griechen zurück, um nach weiterer Kunde zu spähen, und ertheilte dem Khawaß-Aga, der ihn zum Seraskiat begleitet hatte, einen Befehl, ehe er auf's Neue zu der Berathung der Minister zurückkehrte.

»Mashallah,« sagte er, seinen Bart streichend, »ich habe wichtige Neuigkeiten für das Ohr meiner Freunde. Diese Teufel von Anhängern der Moskows sind nicht müßig und wollen uns zuvorkommen. Die Griechen im Fanarioten-Quartier und in Demetri werden auf morgen zusammenberufen und sollen sich auf dem Okmeidan versammeln. Haiwan der, es sind Thiere, aber ihre Zahl ist groß. Wir wissen nicht, was sie vorhaben.«

Die Nachricht war von Wichtigkeit und rief eine neue Besprechung hervor. Dem Scharfsinn des Briten und der bedächtigen Schlauheit der Orientalen konnte es nicht verborgen bleiben, daß diese Bewegung der griechischen Bevölkerung gemacht und bestimmt war, die Maßregeln der Friedenspartei zu unterstützen, und daß eine offene Demonstration zu Gunsten Rußlands in der Hauptstadt bei den schlimmen Nachrichten, die täglich aus den rumelischen Provinzen über die Stimmung der Bevölkerung eingingen, die Geneigtheit des Großherrn zum Friedensschluß nur verstärken und seine Besorgniß erhöhen mußte.

Zum ersten Male mischte sich der englische Secretair direkt in die weitere Berathung.

»Ich sehe keine Gefahr,« sagte er ruhig, »wenn rasch gehandelt wird. Was auch der Divan morgen beschließen möge, die Sitzung des Ministerconseils wird allein die Entscheidung geben. Man möge dieselbe nicht im Palast von Tschiragan oder in der Pforte halten, sondern im Seraskiat. Ich kenne Seine Hoheit den Seraskier zu gut, um nicht zu wissen, daß hier die Entscheidung nach seinen Wünschen ausfallen wird.«

Der funkelnde Blick des Kriegsministers gab ihm die Versicherung.

»Unserem Freunde Hayreddin-Pascha wird es ein Leichtes[198] werden, die Griechen einzuschüchtern und ihre Aufmerksamkeit zu zerstreuen oder nach einer anderen Richtung zu leiten. Er wird nicht ohne Freunde sein unter der griechischen Bevölkerung.«

Hayreddin machte das Zeichen der Zustimmung.

»Wenn man die griechische Bewegung auf das Ufer jenseits des goldenen Horns beschränkt, werden die Moslems die Herren in Stambul bleiben. Es liegen vier unserer Kriegsschiffe vor der Stadt; die Gesandten werden noch einige andere von Beykos kommen lassen. Das Geschwader wird stark genug sein, um nöthigen Falls die Auflehnung nach jeder Richtung hin in Schranken zu halten.«

Die türkischen Minister schauten einander an; sie begriffen sehr wohl, was der Brite mit dem Ausdruck: »nach jeder Richtung«, meinte.

»Die Zusammenrottung der Griechen,« fuhr dieser ruhig fort, »wird die beste Veranlassung geben zu einer Demonstration von Seiten der alttürkischen Partei. Es wird Ihre Sache sein, zu bewirken, daß die russischen Sympathieen nicht den Sieg davontragen, und zu dem Ende wird es gut sein, wenn man sich der geheimen Agenten versichert, deren Umtriebe man bisher so unverantwortlicher Weise geduldet hat.«

»Allah sende ihnen Unglück,« meinte der Polizeiminister; »ich habe Nachricht erhalten, wo meine Leute zwei derselben finden können, und wir werden nicht säumen, so lange der Kopf auf unseren Schultern sitzt. Auf meine Gefahr komme es!«

Der Engländer entfernte sich hierauf aus der Versammlung, deren Theilnehmern die weiteren Verabredungen überlassend. Eine Stunde später schieden auch die anderen Mitglieder und Hayreddin-Pascha kehrte in seine Behausung zurück, die unfern der Hohen Pforte belegen war. Dort ertheilte er einige Befehle und verließ dann, in einen weiten kurdischen Mantel gehüllt und nur von einem neben seinem Pferde hergehenden Diener begleitet, auf's Neue das Haus. Sein Weg führte zur Moschee der Sultana Walide, der nächsten an der Brücke von Galata. Hinter derselben, nach dem großen Bazar zu, findet sich ein freier mit Platanen besetzter Platz, an dessen Zugang der türkische Minister vom Pferde stieg, das er der Obhut seines Dieners anvertraute. Als ein vorsichtiger Mann überzeugte er sich nochmals, daß ihm der Griff zweier Pistolen unter dem Mantel zur Hand war, und indem er dessen Kapuze[199] über den Kopf zog, betrat er den Platz und schritt auf die Terrasse der Moschee zu. Auf den oberen Stufen des Rundganges, im Schatten der hohen Mauern, fand er zwei seiner harrende Personen, den Khawaß-Aga, den er mit einem Auftrage aus dem Seraskiat abgesandt, und einen fremden Mann, den der Leser als den Kahvedschi aus dem Malthesergäßchen in Galata wiedererkannt haben würde, in dessen Hause Fuad-Effendi vor etwa zwei Monaten den ungarischen General aufgesucht. Die Abwesenheit des fähigen und schlauen früheren Ministers des Auswärtigen gerade in diesem Augenblick der Gefahr durch seine Mission an der Donau war von den Führern der Kriegspartei bei ihren Berathungen schwer empfunden worden, während ihre Gegner dieselbe eifrig benutzten.

Der Pascha flüsterte seinem Untergebenen einen Befehl zu, worauf dieser, die Hand am Säbel, in einige Entfernung zurücktrat, so daß er das Gespräch nicht hören konnte. Hayreddin ließ sich auf einer der die Balustrade des Aufganges bildenden Marmorquadern nieder und winkte dem Mann, heran zu treten, bis dieser in der Entfernung von drei oder vier Schritten von ihm war, wo ihm der Pascha, – durch die Balustrade von ihm getrennt und gesichert, – befahl, stehen zu bleiben.

»Du bist Demetrio, der Kahvedschi aus der Malthesergasse?« fragte er.

»Wie Euer Excellenz befehlen.«

»Vor drei Tagen sind in Deinem Hause zwei Galiandschi6 von den Schiffen der Ungläubigen, Inglesi, ermordet worden?«

»Bei der Seele meines Vaters!« schwor der Grieche, »Ihr seid falsch berichtet, o Effendi mou. Ich weiß von keiner solchen That.«

»Willst Du in meinen Bart spucken, ungläubiger Hund?« zürnte der Pascha; »ich kenne Dich und Dein Haus, es ist das berüchtigste von ganz Stambul und nur meiner Nachsicht hast Du es zu danken, daß die Mordgrube geduldet wird. Aber thue Deine Augen auf, Mann, und höre, was ich Dir zu sagen habe. Die Inglis sind eine Nation, die nicht mit sich spielen lassen, und bei der ersten neuen Klage werde ich Dir den Kopf vor die Füße legen.«

»Sen ektiar der – Ihr seid der Herr, was kann ich thun!«[200] winselte der Grieche. »Es giebt viele schlimme Häuser diesseits des Horns und es fehlt nicht an Räubern und Mördern in Constantinopel. Wie soll ich verhindern, daß ein Franke beraubt oder erschlagen wird?«

»Bosch! was geht das mich an? In Deinem Hause sind die Galiandschi ermordet worden, ich habe den Beweis und schicke Dich vor den Kadi, wenn Du nicht thust, wie ich Dir befehle.«

Der Grieche spitzte die Ohren.

»Ich küsse den Staub Eurer Excellenz, ich bin der Sclave Ihres Worts.«

»Wie viel Männer zählst Du in diesem Augenblick zu Deiner Bande?«

»Euer Excellenz sind im Irrthum ...«

»Pesevenk7, antworte!«

»Wenn Euer Excellenz es nicht anders wollen,« sagte entschlossen der Mann, »es sind ihrer sechsundzwanzig.«

»Und wie viel vermagst Du bis morgen Abend zusammenzubringen?«

»Das ist nicht schwer, mindestens zweihundert.«

»Das genügt. – Es wird morgen eine Versammlung von Griechen auf dem Okmeidan stattfinden.«

»Ich habe davon gehört.«

»Wohl! laß Deine Freunde sich nicht in die Sache mischen und ihre Hand fern davon halten.«

»Das wird schwer halten,« meinte der Grieche; »es sind Teufel, die sich nicht zügeln lassen.«

»Nun, bei meinem Bart, wenn sie Teufel sind, so will ich sie zu Azraël dem Höllenfürsten senden! Ich bin nicht hierher gekommen, daß Du mir in den Bart lachst, Hund von einem Kahvedschi! Du weißt, daß Du mit Einem sprichst, der die Macht hat, zu befehlen und Euch Alle aus Stambul zu jagen. Ich habe andere Arbeit für Dich und Deine Freunde.«

»Das ist etwas Anderes, Excellenz; wir werden gehorchen.«

»Du weißt in der Fanariotenstadt Bescheid?«

»Ich bin dort geboren, Excellenz.«

»Bana bak! Du wirst dafür Sorge tragen, daß morgen Abend um die zweite Stunde eine große Feuersbrunst in dem Quartier entsteht.«[201]

»Es ist ein Leichtes. Wie viel befehlen Euer Excellenz, daß wir anzünden sollen?«

Der Pascha lachte, indem er sich den Bart strich.

»Ein Hund ist ein Hund, wenn man ihn auf die Fährte bringt. Es wird genügen, zwei oder drei Häuser anzustecken, der Wind wird das Übrige thun. Kennst Du das Haus des Fanarioten Geurgios?«

»Ja wohl, Effendi.«

»Pek äji, sehr gut. Wenn der Lärmen am größten ist, wirst Du mit einigen Gefährten in das Haus dringen. In dem oberen Gemach nach der Wasserseite sollen sich zwei Personen verborgen halten. Es wird gut sein für Dich, wenn ich nicht mehr von ihnen höre.«

»Es soll geschehen, wie Ihr befohlen, Effendi.«

»Inshallah, ich habe Nichts dawider, wenn Ihr auch einige Häuser dieser Schurken von Fanarioten plündert, aber es muß ein Ende haben. Du verstehst mich!«

Der Kaffeewirth lachte.

»Lassen Euer Excellenz uns machen. Giebt es Nichts für uns zu thun in den Quartieren jenseits des Horns?«

»Bakalum, warte. Unter den Schweinen seid Ihr Griechen die klügsten. Ich erlaube Euch, in Demetri und Cassim-Pascha zwei oder drei Häuser zu plündern, aber bei meinem Bart, ich lasse Deine Eingeweide den Hunden vorwerfen, wenn Ihr mehr thut als das und einen Brand in den Frankenstädten macht. Die Dschaurs dürfen nicht beleidigt werden. Jetzt kennst Du meinen Willen, Sohn eines Juden und einer Teufelin. Haltet Euch fern von Allem, was morgen sonst in Stambul geschieht; Du bürgst mir dafür mit Deinem Kopf.«

Der Kahvedschi verbeugte sich.

»Es ist ein böses Stück Arbeit,« sagte er, »was Ihr mir auftragt. Wer bezahlt uns dafür?«

»Hund, Sohn eines Hundes, was erfrechst Du Dich?« schnaubte der Pascha. »Ist es nicht genug, daß ich Dein Leben schone, da ich in jedem Augenblick Deinen Kopf zwischen Deine Beine stellen lassen kann?«

»Euer Excellenz mögen ein mächtiger Mann sein,« sagte der Grieche demüthig, »aber ich kenne Sie nicht. Meine Gefährten sind nur mit Gold zu leiten.«[202]

»Du wirst hundert Ghazis erhalten übermorgen, auf dieser Stelle und zu dieser Stunde, wenn Du Deinen Auftrag gut erfüllt hast. So wahr ich ein Muselmann bin. Geh'!«

Der Grieche – der Bandit und Räuber – vertraute unbedingt dem Worte des Moslems und entfernte sich.


Um eilf Uhr Vormittags am nächsten Tage begann die Divansitzung im Palast der Hohen. Pforte, in welcher beide Parteien zum letzten Kampf gerüstet erschienen. Bereits am Morgen war dem Seraskier die Absetzung Mehemed Ruschdi's vom Kommando der Garden und der Befehl zugegangen, seinen Nachfolger einzuführen; Mehemed Ali verzögerte jedoch unter dem Vorwande überhäufter Geschäfte die Ausführung der Ordre. Für Hayreddin-Pascha war unglücklicherweise ein abwesender Nachfolger (Arif-Pascha) ernannt und er mußte bis zum Eintreffen desselben sein Amt behalten. Die Friedenspartei hielt sich jedoch ihres Sieges gewiß, da sie keine Ahnung von den energischen Vorbereitungen der Gegner hatte und diesmal auf die Beständigkeit des Sultans vertraute.

Bereits bei Beginn des Divans begannen die Griechen des Fanarioten-Quartiers und der Vorstädte St. Demetri und Ejoub nach den ausgegebenen Ordres auf dem Okmeidan, dem Pfeilplatz, auf der Frankenseite des Horns in Gruppen sich zu versammeln. Der Platz, oberhalb des Arsenals und der großen Schiffswerfte von Terschana gelegen, diente in früheren Zeiten zur Belustigung der Sultane im Bogenschießen, und hunderte von Steinen zeigen die Stellen, bis zu welchen die Geschosse der Herrscher getrieben worden. Jetzt ist der Platz öde und vereinsamt, aber ein Lieblings-Versammlungsort der Griechen, die hier sich freier bewegen können, als unter der dichtgedrängten türkischen Bevölkerung von Stambul selbst. Es war jetzt unter den Griechen kein Geheimniß mehr, daß nach dem Siege im Rath ein großer Zug zum Palast des Sultans stattfinden sollte, um von ihm die Ausführung des Divanbeschlusses und den Frieden mit Rußland zu verlangen. Die Masse der Bittsteller mußte dieser Demonstration ein drohendes Gewicht geben. –

Im Divan wurde die Berathung stürmisch. Da Reschid-Pascha die bestimmtesten Weisungen erhalten hatte, konnte er nicht anders, als sich der Partei des Großwessirs und Chosrew's anschließen[203] und für den Frieden reden. Das Gold und die Versprechungen Halil's hatten ihre Wirkung gethan, und die Majorität, welche sich bei der endlichen Abstimmung nach langem und heftigem Streit für die Einleitung der Friedensverhandlungen auf Grund der Note der vier Großmächte erhob, war eine bedeutende.

Nur die Ulema's und Karaskier's mit dem Scheik ul Islam an ihrer Spitze und die persönlichen Freunde und Vertrauten des Kriegsministers stimmten dagegen.

Das Resultat durch rothe und weiße Kugeln war kaum bekannt, als der Seraskier und mit ihm Arif-Hikmet, der Scheik ul Islam und Großmufti des Reichs, sich erhoben und in zornigen Reden erklärten, daß sie sich dem Beschlusse nicht fügen, sondern sofort an das Volk appelliren würden, da der Islam nur durch einen Sieg über seine Feinde gerettet werden könne. Sie verließen sofort mit all' ihren Anhängern den Divan und begaben sich nach der Aia-Sophia.

Dies war Nachmittags um fünf Uhr.

Eine Menge Volks hatte sich um den Palast der Hohen Pforte versammelt und wie ein Lauffeuer flog die Kunde durch die weite Stadt.

Die ausgestellten Boten brachten die Nachricht nach dem Okmeidan; sie war das Signal zur Demonstration. Fahnen mit den Inschriften: »Frieden mit Rußland!« »Bürgerliche Rechte den Rajah's!« »Es lebe der Kaiser Nicolaus, unser Beschützer!« – bunte Laternen mit ähnlichen Devisen und Carricaturen auf die Westmächte tauchten überall wie durch Zauberei auf und Redner erhoben sich auf den Denksteinen umher und redeten das Volk an.

Der Gang der Bewegung war offenbar genau vorher bestimmt. Die Menge, die sich aus den griechischen Quartieren hier versammelt hatte, belief sich auf mehr als zwanzigtausend Menschen und behauptete den Platz und seine Umgebungen trotz des stürmischen Wetters, das bereits den ganzen Tag über getobt hatte. Unter dem Grollen des Donners und dem Leuchten der Blitze, – eine in Constantinopel in dieser Jahreszeit nicht ungewöhnliche Erscheinung, – begann sich der Zug zu ordnen, der noch an demselben Abend seinen Weg nach Tschiragan nehmen und eine Bittschrift an den Sultan übergeben sollte.

In diesem Augenblick erst verbreitete sich die Nachricht von der Gegendemonstration, welche die türkische Bevölkerung auf der[204] anderen Seite des Horns in Stambul vorbereitete, und erregte schon durch das Unbestimmte der Nachricht großen Schrecken unter den Griechen.

Der Scheik ul Islam mit dem Kriegsminister und seinen Anhängern hatten sich, wie bereits erwähnt ist, in die Aia-Sophia begeben. Mehrere mit ihren Führern darin befindliche Christen, meist Offiziere, wurden höflich ersucht, dieselbe zu verlassen, und die Moschee ward hierauf abgesperrt. Zu gleicher Zeit versammelten sich die Softa's, die Studenten der türkischen Theologie und Rechtswissenschaft, deren Zahl in Constantinopel über Dreitausend beträgt, in der Moschee des Sultans Achmed am Hippodrom und das Volk füllte den ungeheuren Platz.

Einen dritten Heerd der Bewegung, – gefährlicher noch als die beiden genannten Orte, – bildete die Mahmudje, – die Moschee (Dschami) Sultan Mahmud II., des Eroberers von Constantinopel. Sie steht in der Nähe des Fanarioten-Quartiers, auf der Stelle, wo einst einer der schönsten Tempel des christlichen Byzanz prangte: die Kirche der heiligen Apostel. In den Todtengrüften der Letzteren ruhten von Constantin an die Gebeine der meisten morgenländischen Kaiser in kostbaren Sarkophagen, bis die Lateiner unter Balduin und Dandolo sie der heiligen Stätte entrissen. Mahmud baute die Moschee, die nach seiner Absicht noch die Sophia überragen sollte, und weil sie das nicht that, ließ der Tyrann dem Baumeister Christodulos beide Hände abhauen. Die Moschee mit ihren Säulengängen und Vorhöfen, in denen unter hohen Cypressen die Fontaine plätschert, ist die Hochschule der Softa's und hat in ihren Anbauten über 360 Zellen als Wohnungen derselben. Von hier aus war die Masse zwar zur Achmetje8 gezogen, dagegen eine Anzahl vertrauter Schüler zurückgeblieben, um die sich versammelnde Bevölkerung der inneren Stadttheile zu bearbeiten und mit der erregten die griechischen Quartiere zu bedrohen.

Die drei Sammelpunkte des Aufruhrs standen durch Boten fortwährend in Verbindung und mit Genugthuung hörten die Leiter der Bewegung, wie die Zahl und Aufregung der Masse in der Mahmudje und auf dem Atmeidan oder Hippodrom fortwährend schwoll. Dieser Platz des Kaisers Sever, einst die Schaubühne der[205] Rennen und Spiele, durch berühmte Kunstwerke geschmückt, ist jetzt eine elende Stätte von noch kaum 250 Schritten Länge und 150 Breite, während er im Alterthum wohl vier Mal so groß war. Die Achmetje und schmuzige Häuser und Hütten haben ihn beengt, und wo sonst die Statue des Herkules Trihesperus kniete, oder die Wölfin des Romulus stand, das eherne Nilpferd, Scylla und Charybdis und das reizende Bild der griechischen Helena, wallenden Haares um den liebepredigenden süßen Leib; – wo einst die Wagen in der siebenmaligen Runde vor dem Cäsar um den Platz donnerten und auf dem Thurme die vier goldenen Rosse prangten, die ihren Weg auf die Marcuskuppel von Venedig gefunden haben, – da hält jetzt nur ein schmuziger türkischer Kaffeewirth unter einsamer Sykomore oder Platane seine traurige Boutike aufgeschlagen. Welche Thaten und Geschicke hat dieser Platz gesehen, welche Ströme von Blut getrunken! Alle Revolutionen des alten und neuen Byzanz gingen von ihm aus; hier wurde Gratianus Augustus durch die Meuchler ermordet; Justinianus warf kühn den Stab in die Arena zum Beginn der Spiele, während der Rebell Hipatius schon den Hippodrom stürmte und Belisar ihm entgegentrat, indeß halb Byzanz in Flammen dem Kampfe leuchtete; hier hielt der aus dem Vandalenkriege heimkehrende Feldherr seinen Triumphzug mit dem Schimmelgespann, das sein Augenlicht kostete; – da, an der Achmetje mit ihren goldenen Kandelabern und smaragdenbesetzten Ampeln, im Todtengarten der prächtigen Moschee, ruhen neben den Gebeinen ihres jungen Erbauers die Leichen seiner Söhne, Sultan Osman's II., der seine frühe Regierung mit dem Morde des Bruders begann und nach achtzehn Jahren selbst von den Janitscharen erschlagen wurde, – die Leichen Murat's IV. und seiner von ihm gemordeten Brüder Bajazet und Suleiman! Auf dem Atmeidan entfaltete der Großwessir unter dem vorigen Sultan die Fahne des Propheten und führte die Meute zum Mordsturm auf die Kaserne der Janitscharen!

Und dennoch waren es gerade die Manen dieser, die man rachedrohend gegen den Sohn ihres Vernichters heute heraufbeschwor. Die Pforten der Achmetje öffneten sich und von den Treppen und Terrassen hielten die Softa's feurige Reden an das Volk. Überall unter der Menge tauchte zugleich der Turban der Janitscharen auf, das grüne Band, ihr gefürchtetes Wahrzeichen flatterte vom Sturm gepeitscht über den Köpfen der Menge. Der Ruf[206] nach Krieg mit den Dschaur's, nach Entfaltung der Fahne von Mekka, nach Absetzung des Sultans, scholl aus hundert Kehlen, und die Menge heulte es nach und der Name Abdul-Azig, als des neuen Padischah's, klang trotz der Betheuerungen der Minister gehen Master Alison schon tausendfach in die drohende Gewitternacht. – –

Vor Tophana lagen zwei Schiffe der vereinigten Flotten, die »Queen« von 120 Kanonen und der Zweidecker »London«, ihre gähnenden Breitseiten gegen die Stadt gerichtet. In den Decks von Tershana lag außer einer preußischen Corvette, die durch einen unglücklichen Zusammenstoß im Bosporus beschädigt worden, die englische Fregatte »Tiger« zur Reparatur. Sie war bei der Einfahrt in's Marmorameer auf einen verborgenen Fels gerathen und hatte ein starkes Leck erhalten. Eine Menge Offiziere und Matrosen des bei Beykos und Bujukdere ankernden Geschwaders befanden sich außerdem auf Urlaub in Constantinopel.

Wir müssen zu einer kurzen Scene am Vormittag des Tages zurückkehren.

Die Fregatte Tiger hatte zwei Boote nach dem Ufer der Fanariotenstadt gesandt, um aus einem der griechischen Magazine, die sich dort befinden, Schiffsvorräthe in Empfang zu nehmen. Während der Deckmeister Adams mit den Matrosen die Gegenstände abnahm und verlud, trieben sich die beiden den Booten beigegebenen Midshipman, Frank Maubridge und Gosset, in der Umgebung der Magazine umher, oder streiften neugierig durch die Gassen, das ihnen neue Leben und Treiben beschauend. Von Zeit zu Zeit mußte freilich einer von ihnen zum Magazin, wenn der alte Deckmeister eine Ladung zu Schiffe brachte, um während der Zeit die Aufsicht über Mannschaft und Vorräthe zu halten, im Ganzen aber waren sie bei dem Willen, den der alte Adams ihnen that, ziemlich frei, wie sich Midshipman immer zu machen wissen, und der Kaufherr, welchem die Magazine gehörten, bewirthete sie mit der seiner Nation eigenthümlichen Geschmeidigkeit reichlich.

Eben war die Reihe, umherzustreifen, an Frank – einem hochaufgeschossenen Burschen, der, obschon erst 17 Jahre, doch bereits durch das Seeleben ein männliches Aussehen hatte, während der kleine zu jeder Teufelei geneigte Gosset mit gekreuzten Beinen und einem seine doppelte Länge messenden Nargileh zwischen den[207] Zähnen prahlerisch auf einem Teppich im Vorhause des Magazins saß und den unvermeidlichen Kaffee schlürfte. Frank Maubridge zog in der Nähe des Wassers umher durch die engen Straßen und kleinen bis an's Horn laufenden Höfe. Es war Mittagszeit und der Stadttheil bereits öde und verlassen, denn Alle, die nicht Geschäfte zurückhielten, zogen sich nach dem Okmeidan, und die Kaïks kreuzten mit Zuströmenden fortwährend über die Meeresfläche.

Ein griechisches Haus, größer als die anderen und nahe dem Wasser, war dem jungen Manne schon am Morgen ausgefallen, Thür und Jalousieen waren verschlossen, aber als er aufmerksam umherspähte, um wo möglich Etwas von den interessanten Geheimnissen der Frauengemächer zu erlauschen, öffnete sich wirklich eine der Jalousieen und ein junges Weib in reicher Tracht von wunderbarer und verführerischer Schönheit schaute heraus, – Nausika, die Odaliske.

Während das schöne Mädchen am Morgen noch im träumenden Schlummer auf den Kissen ruhte, hatte Gregor Caraiskakis sich erhoben, betäubt, unzufrieden mit sich selbst, und dennoch von Glück und Liebe berauscht, wenn sein Blick auf die süße Gestalt fiel, die an seinem Herzen geruht. Leise, ohne sie zu wecken, verließ er das Gemach und suchte seinen bereits in der Nacht zurückgekehrten Wirth auf, den er von den Anstrengungen des Tages und Abends gleichfalls noch in tiefem Schlaf fand. Als derselbe endlich erwachte, gab er ihm eine Botschaft des Barons, der ihn eiligst zu sprechen wünschte, und brachte ihn selbst zu diesem, nachdem Gregor sein Äußeres mit Hilfe des Wirths möglichst verändert und sich in den weiten schwarzen Talar eines Armeniers gesteckt hatte. Der geheime Agent freute sich aufrichtig des Wiedersehens und machte ihm alsbald eine genaue Mittheilung der Vorgänge und Aussichten. Er war bereits durch Geurgios von den Ereignissen bei der Flucht des Griechen von der türkischen Fregatte unterrichtet und seine Combination hatte ihm gezeigt, daß die Fremde die durch den Zorn des Sultans aus dem Harem entfernte Odaliske sein müsse, wenn er auch das Räthsel nicht lösen konnte, wie die Stummen des Kislar-Aga dazu gekommen waren, die offenbar dem Tode Geweihte dem fremden Boote zu übergeben. Es war jedoch keine Zeit, sich jetzt mit der Lösung dieser Frage zu beschäftigen, und da es ihm wichtig schien, das Mädchen selbst zu sprechen und von ihr vielleicht über die Anschläge der Sultana weitere Auskunft[208] zu erhalten, wurde beschlossen, daß sie vorläufig noch in dem Hause des Fanarioten verborgen bleiben und erst später über ihr weiteres Schicksal entschieden werden solle.

Während Caraiskakis bei dem Baron blieb, ihn in seinen Anstalten zu unterstützen, kehrte Geurgios nach dem Fanar zurück und machte seiner schönen Gefangenen die Mittheilung, daß sie um ihrer Aller Sicherheit willen an ihrem jetzigen Zufluchtsorte still und einsam verborgen bleiben müsse. Er versorgte sie mit allen Bedürfnissen reichlich und schloß sie dann auf's Neue ein. Dem leichtsinnigen eitlen Mädchen, das die Todesangst des vorigen Abends längst überwunden, war die Gefangenschaft und Einsamkeit wenig willkommen, und je länger sie dauerte, um so drückender wurde sie ihr. Die Kenntniß des griechischen Lebens versprach ihr ohnehin wenig Genuß und Zerstreuung für die Zukunft, wenn sie eingesperrt blieb, und schon dachte sie daran, wie sie sich von diesen neuen Fesseln befreien könne. Daß ihr Retter und neuer Liebhaber ein Grieche und nicht ein Franke war, wie sie Anfangs gehofft hatte, behagte ihr wenig, denn von dem freien und genußreichen Leben der fränkischen Frauen haben die orientalischen Weiber einen ausschweifenden Begriff und sind daher auch stets geneigt, gerade mit Fremden ein Liebesverhältniß anzuknüpfen.

Von Geurgios hatte sie erfahren, daß ihr neuer Beschützer vor dem späten Abend nicht zurückkehren werde, und die Langeweile und das Bedürfniß der Zerstreuung trieb sie daher an die Jalousieen, die nach dem Horn und nach einer einsamen von Mauern gebildeten Gasse zeigten. Hier hatte sie schon am Vormittag die umherstreifenden englischen Midshipmans bemerkt, und als sie am Mittag auf's Neue Frank gewahrte, konnte sie die Eitelkeit und Lust der Intrigue nicht unterdrücken und zeigte sich ihm an den geöffneten Jalousieen.

Der junge Mann blieb, entzückt von so viel Reizen und seinem Glück, stehen.

»Schöne Dame,« sagte er galant und mit allem Aufwand orientalischer Poesie, dessen er fähig war, »der Strahl der Sonne ist Nichts im Vergleich mit Euren glänzenden Augen, Eure Lippen sind wie aufgeblühte Rosen und ich bringe Euch meine Huldigung über solche vollendete Schönheit.«

Das Mädchen lachte, obschon sie von der unsinnigen Begrüßung Nichts verstanden hatte. Sie machte ihm durch Zeichen[209] deutlich, daß sie von seinem Englisch Nichts begriffe und fragte in der lingua franca, ob er diese oder griechisch verstehe.

Der wackere Frank war in Letzterem freilich nicht bewandert, aber da er ein Jahr lang auf der Station in Malta zugebracht, kannte er genug von der Sprachenmelange, die man mit der erstern Benennung beehrt, und vom Italienischen, um sich verständlich zu machen, und so wiederholte er sein Compliment in der angedeuteten Mundart, wenn auch nicht ganz so zierlich.

»Wer bist Du?« fragte die Odaliske.

»Der Teufel soll den Tiger holen, das alte Rattennest!« sagte Frank wohlgefällig, »wenn ich nicht einer seiner Offiziere bin. Jedenfalls aber, schöne Dame, bin ich ein britischer Gentleman.«

»Bist Du reich?« lautete die weitere Frage.

Der Midshipman fand sich durch den Zweifel gekränkt und um den britischen Ruf zu bewahren, griff er in die Tasche und konnte, da die Güte seines Bruders ihn noch am Tage vorher reichlich versehen, eine stattliche Hand von Souverain's und Kronenstücken der Schönen produziren.

»Wenn Du ein Franke bist und reich und ein Offizier,« sagte mit einem überaus zärtlichen Blicke die Kokette, »so möchte ich wohl mit Dir entfliehen. Du würdest mich beschützen, nicht wahr?«

»Potz Haifisch,« murmelte der junge Mann, »das geht rasch hier zu Lande! – Wer bist Du denn eigentlich, schöne Dame?« fragte er.

»Ich heiße Nausika und bin eine Obaliske des Großherrn,« erzählte die leichtsinnige Schöne. »Aber ich bin hier eine Gefangene und wer weiß, welches Leid mir noch geschieht. Wenn Du mich retten willst, werde ich Dein Glück machen. Du gefällst mir – und ich habe immer gehört, daß die Inglis Alles in diesem Lande thun dürfen, was selbst die Türken nicht wagen.«

Eine Odaliske des Großherrn! – Der Gedanke verwirrte vollends das ohnehin von abenteuerlichen Bildern und Unfug strotzende Gehirn des Mid's und er beschloß auf alle Gefahr hin, den Ritter bei der Schönen zu spielen.

»Wenn Du mich lieben kannst, reizende Sultana,« sagte er emphatisch, »so will ich gekielholt werden, wenn ich nicht Blut und Leben für Deine Befreiung d'ran setze. Sage mir nur, wie es zu machen ist, denn der Teufel soll mich holen, wenn ich es weiß!«

Nausika, die an der Bekanntschaft großen Gefallen fand und,[210] ihrer Reize gewiß, über ihre Zukunft wenig Besorgniß hegte, war mit den Vorschlägen gleich bei der Hand.

»Kannst, Du des Abends, im Dunkel um die dritte Stunde, wieder unter meinem Fenster sein, schöner Offizier?«

Der Midshipman schnitt ein Gesicht; er wußte nur zu gut, daß auf rechtem Wege das nicht möglich war, denn die aufgetragene Arbeit am Werft war bald gethan und er mußte mit den Booten an Bord zurück; die Benennung »schöner Offizier« aber war zu unwiderstehlich, und da ein Mid selten um eine Lüge oder um eine Prahlerei verlegen ist, bejahte er dreist die Frage und verständigte sich dann mit der Schönen über den Unterschied der Schiffsglocken9 und der griechischen Zeitrechnung.

»Ich werde an diesem Fenster ein Tuch heraushängen, wenn ich allein bin. Dann gieb mir ein Zeichen, indem Du drei Mal in die Hände klatschest und ich werde die Jalousieen öffnen. Hast Du ein Mittel, mir heraus zu helfen?«

»Zum Henker,« sagte Frank, »wofür gäb' es denn Strickleitern in der Welt?«

»Gut. Geh' jetzt, damit wir nicht Verdacht erregen. Lebe wohl, schöner Franke, ich zähle auf Dich!«

»Gott verdamm' meine Augen!« schwor der würdige Midshipman auf Englisch, indem er die Hand betheuernd auf's Herz legte, – »heute Abend bin ich zur Stelle und entführe Euch, holde Miß!« –

»Den Teufel, werdet Ihr thun!« sagte eine grobe Stimme neben ihm. »Mid's Schwüre sind keinen Penny werth und Ihr thätet besser, Master Frank, Ihr machtet Euch zu den Booten, um die Rechnung abzuschließen, statt hier dem ungläubigen Weibsvolk nachzuspüren.«

Mit einem leichten, Schrei flog die schöne Odaliske vom Fenster und schlug die Jalousieen zu, Master Frank aber wandte sich ärgerlich zu dem alten Adams, der in aller Seelenruhe eines britischen Matrosen vor ihm stand und mit dem einen Auge ihn, mit dem andern das Fenster anschaute, in welchem das schöne Mädchen verschwunden war.

»Die Haifische sollen meinen Leichnam bekommen,« sagte der würdige Deckmeister, »wenn ich nicht geglaubt habe, Ihr würdet[211] meiner Erziehung mehr Ehre machen, als der Baronet, Euer Bruder. Aber ich seh', es ist Einer aus Eurem Geschlecht so toll wie der Andere. Der Unterrock ist eine böse Flagge, Master Frank, und vollends in diesem Lande, wie ich mir habe sagen lassen.«

»Laß mich zufrieden mit Deinen Predigten, altes Seeungethüm,« erwiederte ärgerlich der Midshipman, indem er bemüht war, den unwillkommenen Aufpasser von dem Platz fort zu manövriren. »Was, zum Henker, bringt Dich in mein Kielwasser?«

»Es thut mir leid,« meinte der Ältere, indem er seinen Zögling durch die Gassen und Gäßchen, auf die er ein scharfes Auge gerichtet hielt, zu dem Magazin zurückgeleitete, »daß Ihr diesmal mein vorgesetzter Offizier seid. Als solchem hab' ich Euch zu rapportiren, daß die Ladung vollständig ist, und daß Meister Gosset nur auf Euch wartet, um dem Kaufmann zu quittiren und abzustoßen. Der junge Halunke wollte Euch selbst aufsuchen, aber dann hätten wir wahrscheinlich das Nachschauen nach Zweien gehabt.«

Frank antwortete nicht auf die höflichen Redensarten des Deckmeisters, um die er sich herzlich wenig kümmerte, und brütete über andere Dinge. So kamen sie zum Magazin, wo Gosset den Kameraden mit einigen solennen Verwünschungen über sein langes Ausbleiben empfing, wegen dessen sie wahrscheinlich des warmen Mittagsessens an Bord verlustig gehen würden. Unsere Midshipmen hatten zwar fast den ganzen Vormittag noch nichts Anderes gethan, als gegessen, getrunken und umhergelungert, wann aber würde je der Magen eines echten Mid's, dieses Gamin der See, gesättigt?

Nachdem die Rechnungen des Kaufmanns unterschrieben waren, begab sich die Gesellschaft in die Boote, und zum Ärger des argwöhnischen alten Matrosen wußte Frank es so einzurichten, daß er mit seinem Kameraden in dem zweiten saß. Der Verdacht des würdigen Deckmeisters steigerte sich noch höher, als er sah, wie die beiden jungen Herren eifrig die Köpfe zusammensteckten, und Frank mit seinem Busenfreunde eine große Berathung hielt. Der alte Matrose witterte Unheil, wie eine Möve den Sturm, denn er kannte seine Leute, aber er war außer Stande, es zu verhindern.

»Höre, Frank,« sagte der liebenswürdige Jüngste der Mid's-Kajüte, »die Geschichte ist Goldes werth. Auf mein Wort, ich helfe Dir, wir entführen dem Sultan seine Geliebte vor der türkischen Nase weg, und wenn wir dabei auch arg in die Klemme[212] kommen sollten. Sie hat gewiß einen ganzen Schatz von Diamanten und sonstigen Edelsteinen bei sich, und das Beste ist, wir machen uns mit ihr ganz und gar aus dem Staube und werden irgendwo Pascha's.«

Frank fiel zwar die gierige Frage seiner Schönen ein, ob er reich sei? indeß sein Stolz litt es nicht, die Sultana, von der er geprahlt, selbst herabzusetzen. Überdies hatte er ja die Tasche voll Geld. – »Aber wo bringen wir sie hin?« – Die Frage machte den beiden Burschen einiges Kopfzerbrechen, aber bald wurden sie darüber eins, irgend einen beliebigen jüdischen Commissionair, wie sie deren zu Hunderten in Constantinopel umherlaufen, dafür sorgen zu lassen.

Das Nächste und Wichtigste vor Allem war, wie sie von dem Schiffe fortkommen sollten, und Frank übernahm dies Geschäft, während Gosset versprach, einige Schiffspistolen und Munition bei Seite zu schmuggeln. Beide wußten sehr gut, daß die scharfen Augen des alten Deckmeisters auf sie gerichtet waren und daß sie vor allen Dingen ihn täuschen mußten, damit er ihnen nicht einen Querstrich durch die Rechnung mache. Sie ließen deshalb näher zum andern Boot hinanlegen und begannen eine gleichgültige Unterhaltung, bis sie in den Docks des Arsenals landeten, an deren äußerem Eingang die Fregatte bereits ausgebessert lag.

Während der erste Lieutenant die Rechnungen des Kaufmannes abnahm und der Deckmeister damit beschäftigt war, die Ladung an Bord zu bringen, gelang es Frank, der auf der Lauer lag, an den Capitain zu kommen, der als ein alter Seewolf es verschmäht hatte, auf dem Lande sein Quartier zu nehmen. Der Midshipman brachte bescheiden sein Gesuch vor um Urlaub für sich und Gosset für den Abend und die Nacht, unter dem Vorwande, daß sein Bruder, der Baronet, sie in das Hotel d'Angleterre zu sich eingeladen, und da der Capitain zufällig wußte, daß Frank einige Zeilen von seinem Bruder erhalten hatte, auch die Geschäfte der Midshipmen besorgt waren, gab er dem ersten Lieutenant Anweisung, sie zu beurlauben.

Zu dem ganzen Manöver hatte, – das Mittagsessen im Stich lassend, – das würdige Paar wohlweislich die Zeit gewählt, wo Meister Adams unter Deck beschäftigt war. Der Alte war daher nicht wenig erstaunt, als er die beiden Burschen bald darauf in ihre Regenmäntel gehüllt und offenbar mit allerlei Vorrath darunter[213] bepackt aus der Midshipman-Kajüte kommen und gemüthlich in eines der Kaïks steigen sah, die überall zum Gebrauch bereit standen. Er rief ihnen zu und fragte, wohin sie wollten, die jungen Halunken beeilten sich aber, den Bord zu verlassen, und als sie erst im Kaïk saßen, spreizten sie wie auf Verabredung Beide die Finger an die Nase und streckten als Zeichen ihres Sieges die Zunge heraus, während der Kaïkschi seine Ruder einsetzte und davon fuhr.

Der Deckmeister brummte verschiedene nicht sehr schmeichelhafte Verwünschungen hinter ihnen drein, bis der erste Lieutenant, der zufällig in seine Nähe kam und, wie der Capitain, große Stücke auf den alten Seemann hielt, ihn fragte, worauf er denn so ärgerlich sei. Der Matrose zeigte ihm die Davonfahrenden.

»Gott verdamme meine Augen, Sir,« sagte er, »wenn die Burschen nicht irgend einen Streich vorhaben. Ich habe so was schon heute Morgen am Ufer gemerkt, und als sie in die verdammte Nußschaale kletterten, der eines ehrlichen Seemanns Bein den Boden ausstößt, sah ich, wie dem Master Gosset aus dem Mantel eine Schiffspistole fiel. Er ist der größte kleine Taugenichts auf Ihrer Majestät Flotte.«

Das wußte der erste Lieutenant sehr wohl.

»Gebt ihnen ein Signal zur Rückkehr. Wo ist der Feuerwerker?«

Master Hunter, der Feuerwerker, mußte aber erst gesucht werden, und es vergingen mehrere Minuten, ehe er vor dem Lieutenant erscheinen konnte.

»Haben Sie den Midshipmen Maubridge und Gosset Pistolen gegeben?«

»Ja, Sir! Master Gosset bat mich um zwei Paare und sagte, sie hätten die Erlaubniß vom Capitain, auf dem Bosporus Möwen zu schießen.«

Er verschwieg weislich, daß ein Kronenstück Frank's der Bitte den gehörigen Nachdruck gegeben hatte.

»Sie sind selbst eine Möwe, Sir,« sagte aufgebracht der erste Lieutenant, »daß Sie sich von zwei jungen Laffen zum Besten halten lassen. Gehen Sie zum Henker mit Ihrer Gutwilligkeit, ich werde es dem Capitain melden. Haben die Burschen beigelegt?«

Daran dachten aber die Beiden nicht, vielmehr hatten sie, als sie den ersten Lieutenant im Gespräch mit dem Deckmeister sahen,[214] die Gefahr wohl erkannt und trieben den Kaïkschi eifrig an, so rasch als möglich sich davon zu machen, indem sie mit stoischer Ruhe der Fregatte den Rücken kehrten und für alle Winke blind und taub blieben.

»Da gehen sie hin, die jungen Halunken,« sagte der Lieutenant, als ihm der alte Matrose berichtete, daß alle Bemühungen vergeblich gewesen, und auf den Kaïk wies, der bereits zwischen den andern Schiffen verschwand. »Es ist zu spät, um sie einzuholen, und ich wette einen halben Monatsold, daß sie irgend ein Unheil angezettelt haben, ehe sie wieder an Bord kommen. Im Ganzen ist es gut, daß sie wenigstens bewaffnet sind.«

»Aber sie sind zu jung, Sir, und können ein Unglück haben unter diesem fremden Volk,« wandte der alte Matrose ein.

»Bah! Unsinn, Mann. Midshipmen und Katzen kann man vom Kirchthurm werfen, und sie kommen immer auf die Füße zu stehen. Außerdem ist Nichts an ihnen verloren.«

Mit diesem geistreichen Trostspruch, der wirklich viel Wahres an sich hatte, wandte sich der erste Lieutenant wieder zu seinen Geschäften und überließ es dem alten Matrosen, mit der Sorge um seinen jungen Zögling selbst fertig zu werden.

Die beiden Mid's hatten sich unterdeß in Galata landen lassen und in einem Kaffeehause ihr Quartier aufgeschlagen. Sie bemerkten wohl, daß eine große Bewegung und Unruhe unter der Bevölkerung herrschte, kümmerten sich aber darum herzlich wenig, sondern, verfolgten ihre eigenen Zwecke. Das Resultat der angestellten Berathung war, – da Master Frank Einiges von den Affairen seines Bruders, des Baronets, in Smyrna hatte munkeln hören und sich dies zum Muster zu nehmen beschloß, – daß man erst eine abgelegene Wohnung in irgend einem fernen Quartier auftreiben müsse, wohin man die Schöne am Abend bringen und wo man in Muße den weiteren Fluchtplan besprechen und einleiten könne. In der That gelang es auch den Burschen, einen jüdischen Commissionair aufzutreiben, welcher für eine goldene Guinee versprach, eine solche Wohnung sogleich zu finden und sie an einer bestimmten Stelle des diesseitigen Hornufers zu erwarten. Durch seine Vermittelung und ein tüchtiges Pfandgeld gelang es ihnen auch, von einem der griechischen Handelsschiffe ein kleines Boot zu leihen, das sie selbst regieren konnten. Als diese wichtigen Vorbereitungen getroffen waren, machten es sich die abenteuerlustigen Midshipmen[215] in einem oberen Gemach des heute leeren Kaffeehauses bequem, luden ihre Pistolen und warteten schwatzend die bezeichnete Stunde ab.

Wir müssen sie dort einige Augenblicke verlassen, gewiß, sie am rechten oder vielmehr unrechten Orte wiederzufinden, und uns wieder zu den politischen Ereignissen des Tages wenden. –

Während Caraiskakis in der Wohnung des Barons beschäftigt und dieser ausgegangen war, erschien ein türkischer Soldat, der Letzteren sprechen wollte. Es war derselbe, den Gregor als Boten vom Schiff benutzt und dessen getreuer Bestellung er hauptsächlich seine Befreiung durch den Baron zu danken hatte.

Der junge Grieche war sehr erfreut, den früheren Gefangenen hier wiederzufinden, nach dem er, einen Urlaub der Mannschaft benutzend, sich bei dem Baron erkundigen wollte. Er erzählte Caraiskakis, daß am Vormittag wieder der Engländer an Bord gekommen und sehr erstaunt und erzürnt gewesen sei, ihn nicht mehr zu finden. Dabei kam es denn heraus, daß er auf einen Gegendienst für seine Bemühungen zur Befreiung Gregor's hoffte, und daß er beabsichtigte zu desertiren, indem ihm, gewaltsam zum Dienst gepreßt, dieser täglich unerträglicher wurde.

Eine glühende Sehnsucht schien das Herz des jungen Mannes nach seiner Heimath zu verzehren, und bittere Thränen rollten über seine Wangen, als er sein trauriges Schicksal erzählte. Man hatte ihn mit Gewalt und ohne daß er eine Ahnung seines Schicksals hatte, plötzlich aus seinem stillen Leben und von seinem kleinen Eigenthum in Anatolien gerissen, als er eben im Begriff war, ein geliebtes Mädchen zu heirathen. Mit Erstaunen über die seltsamen Fügungen des Schicksals entnahm Caraiskakis aus der Erzählung, daß der arme Soldat Vaso, der erwählte Eidam seines treuen Freundes und Schützers Jani's des Wegweisers, der Bräutigam Nausika's war, der von der Willkür des Musselim von Tschardak unter die Redifs gesteckt und später zum Schiffssoldaten gemacht worden war. Einige Fragen gaben ihm die volle Gewißheit und der junge Mann umfaßte weinend seine Kniee, als er hörte, daß der Mann, dem er in seiner Gefangenschaft freundliches Wohlwollen bewiesen, ein Freund seines Schwiegervaters war und bereits sein Unglück kannte. Die Theilnahme Gregor's war durch diese Entdeckung natürlich verdoppelt und er versprach dem Soldaten, ihm auf alle Weise zu seiner Flucht behilflich zu sein. Da er es für das Beste hielt, ihm Nichts von dem Geschehenen zu verschweigen,[216] enthüllte er dem Unglücklichen nach und nach auf seine stürmischen Fragen das ganze Unheil, das die Familie seit der Zeit ihrer gewaltsamen Trennung betroffen hatte. Die Augen des jungen Anatoliers funkelten vor Schmerz und Rachedurst, als er vernahm, daß seine Braut mit Gewalt hinweggerissen und ihr Schicksal unbekannt war, daß Janos ihre und seine Schmach blutig an dem Musselim gerächt und eben so blutig geendet hatte, und ein gewisser Stolz kam ihm bei seinem Leid zu Hilfe in dem Gedanken, daß der berühmte Räuber, von dem er so viel gehört, ohne zu wissen, daß er ihm so nahe stand, der Mann war, der ihn zum Eidam gewählt hatte.

Caraiskakis überließ den Flüchtling seinem Schmerz und als er sich mit der Leidenschaftlichkeit seines Volkes ausgeklagt, suchte er ihn zu beruhigen und versprach ihm, daß er bei ihm bleiben und ihn in einigen Tagen begleiten solle auf dem Wege nach Norden.

Als der Baron zurückkehrte, wurden rasch einige andere Kleider für den Burschen herbeigeschafft, und da bereits Nachricht eingegangen war, daß die Griechen sich auf dem Okmeidan versammelten, begaben sich alle Drei dorthin.

Gregor's Seele hatte keine Ahnung, daß die schöne Odaliske, in deren Arm er die Nacht geruht, die geraubte Braut seines neuen Schützlings, die Tochter Jani's war, von der jede Spur verloren gegangen schien. –

Wir haben jetzt die einzelnen Vorgänge des Tages nachgeholt und nehmen die Erzählung bei dem Zuge vom Okmeidan wieder auf.

Es war jetzt Abends um die achte Stunde und die Nacht zu dieser Jahreszeit bereits eingetreten. Die Blitze zuckten am Horizont und der ferne Donner grollte über die Marmora, der heftige sturmartige Wind aber jagte die Wellen in's Horn und peitschte die Fahnen des langen Zuges, welcher vom Pfeilplatz aus sich durch Cassim-Pascha und hinter den großen Begräbnißplätzen fort nach der Straße wenden sollte, die zum Ufer von Tschiragan hinunter führt.

Die Natur selbst schien sich gegen die Demonstration der Griechen verschworen zu haben, und von verschiedenen Seiten war bereits der Vorschlag gemacht worden, den Zug auf den andern Morgen zu verschieben. Überall sah man angsterfüllte Gesichter, als die Kunde sich verbreitet hatte, daß auch die Türken in der Sophia,[217] in der Achmetje und Mahmudje sich versammelt hatten und die Fortsetzung des Krieges erzwingen wollten. Viele schon hatten sich rechts und links in die dunklen Seitengassen verloren und nur mit Mühe noch gelang es den Führern, den Zug zusammenzuhalten und vorwärts zu bringen, denn sie begriffen sehr wohl, daß, wenn erst ein Mal die Demonstration heute aufgegeben worden, schwerlich Aussicht vorhanden war, so bald wieder die feige und uneinige Bevölkerung zusammenbringen zu können.

Dennoch sollten alle Bemühungen fruchtlos sein. Als die Spitze der Colonne zu der Höhe von Cassim-Pascha in der Nähe der Artillerie-Kaserne, von wo ein freier Blick durch die Berghänge sich nach dem gegenüberliegenden Stambul öffnet, emporgestiegen war, brach auf ein Mal ein wilder Schrei des Schreckens aus hundert Kehlen und verbreitete sich durch die lang dahin gedehnte Volksmasse. Vom Feuerthurm des Seraskiats erglänzte nämlich das rothe, eine Feuersbrunst verkündende Licht und deutlich konnte man von der Höhe des Berges schauen, wie in dem Griechen-Quartier, in der Nähe der Karagumruk-Moschee, deren schlanke Minarets deutlich im Flammenschein sichtbar waren, eine Feuerlohe in die Höhe stieg.

Noch ehe die Erschreckten einen Entschluß gefaßt, loderte eine zweite Feuersbrunst am Thor von Edrene in den finstern Nachthimmel empor und das eilig heraufziehende Gewitter tobte mit langen Blitzstrahlen dazwischen.

Die Verwirrung, der Schrecken waren unbeschreiblich. An und für sich sind die Orientalen gegen die großartigen Kraftäußerungen der Natur, wie sehr sie auch daran gewöhnt sein sollten, sehr empfindlich. Der Glaube aber, daß ihre ewigen Feinde, die Moslems, die Gelegenheit der Abwesenheit so vieler Männer benutzen und, vom Fanatismus entflammt, mit Feuer und Handjar in ihre Quartiere einbrechen würden, verdoppelte diese Schrecknisse für die Griechen. Im Nu war der ganze Zug aufgelöst, die Fahnen und Laternen wurden fortgeworfen, und die ganze, noch immer mehrere Tausende betragende Menschenmasse stürzte sich in die engen Gassen, die hinunter zum Horn oder in die diesseitigen Griechen-Quartiere führen, schreiend, zeternd – in unbeschreiblicher Verwirrung, Kinder und Frauen zu Boden tretend, – ein Alles vor sich niederwerfender Sturm. Zum Glück theilte sich bald dieser Strom nach den beiden Schiffsbrücken am Arsenal und den[218] Stadtmauern, und Hunderte von Kaïks kreuzten in kurzer Zeit trotz des Sturmes und der hochgehenden Wellen das Horn.

Aber es war auch Eile von Nöthen, die Gefahr dringend, denn ehe die Fanarioten das jenseitige, Ufer erreichten, gingen bereits noch an zwei anderen Stellen die Flammenzeichen in die Höhe. –

Die Verwirrung auch auf dem Horn war schrecklich. Boote rannten auf einander oder wurden umgeschlagen, Menschen stürzten in's Wasser und plätscherten umher, einen Gegenstand zu erfassen, an dem sie sich wieder empor retten konnten, – Geschrei, Verwünschungen, Zorn und Schrecken überall.

Die Führer der Friedenspartei hatten bei der plötzlichen Auflösung des Zuges den Kopf verloren, und waren größtentheils, von der Besorgniß um ihr Eigenthum ergriffen, mit fortgerissen worden. Nur Wenige, darunter Caraiskakis und Geurgios, fanden sich zusammen und eilten zu dem geheimen Leiter des Ganzen, der sich natürlich von der offenen Theilnahme an dem Zuge fern gehalten hatte. Der kühne und umsichtige Geist des Barons hatte im Augenblick auch schon nach den Mitteln gesucht, die so unerwartete Niederlage der versuchten Demonstration wenigstens noch in irgend einer Weise für seine Zwecke auszubeuten, und er erkannte sie darin, den Conflict zwischen den Griechen und den Moslems zu befördern und die Ersteren zu einem offenen Widerstande mit den Waffen in der Hand zu ermuntern. Die Nachricht von einem Kampfe zwischen der christlichen und türkischen Bevölkerung der Hauptstadt mußte im ganzen Lande wiederhallen und konnte zu allgemeinem Aufruhr führen, eine Sache, die von den russischen Agenten mit allen Mitteln angebahnt wurde.

Dem Baron mit seinen Begleitern gelang es, am Ufer von Galata die Barke eines Kauffahrers zu finden. Sie warfen sich selbst mit an die Ruder und das Boot flog durch die dunklen schäumenden Wellen nach der Fanariotenstadt.

Drüben in Stambul tönte wüster Lärmen, der Platz um den Palast der Hohen Pforte glänzte im Fackelschein.

Als sie durch die zweite Brücke fuhren, kamen sie in das Gewühl der noch immer zum andern Ufer strömenden Menge.

Der grelle Schein der auflodernden Feuersbrunst, das Flackern der Blitze erhellte die Gesichter voll Angst und Schrecken, Zorn und Rachedurst rings umher. Mit Gewalt brachen sie sich Bahn[219] durch die Kaïks und das Boot, von Geurgios Hand gelenkt, schoß in den Bootschuppen seines Hauses.

Geschrei, – Angstgekreisch der Frauen, – das Morrio der wilden Banden von Mördern und Mordbrennern, die durch die Straßen tobten, – durchheulte die Luft – eine Scene grauenhafter Verwirrung. Gregor's Herz schlug hoch erregt, indem er an die Gefahr der Odaliske dachte. Während die Freunde sich, nachdem sie sich überzeugt, daß das Haus noch nicht gefährdet war, in die nächsten Gassen warfen und die vorübereilenden Fanarioten zu sammeln suchten, um den Flammen Einhalt zu thun und den Moslems mit den Waffen in der Hand entgegenzutreten, übernahm es Caraiskakis, das Haus zu schützen. Indem er im Dunkel noch vergeblich den Auf- und Eingang suchte, waren der Baron und Geurgios bereits verschwunden. Plötzlich erschreckte ihn das Hilfsgeschrei von Frauen und der wilde Ruf von Männern, die gegen die äußere Pforte tobten. Das Haus war angegriffen und wenige Augenblicke darauf sah er den neuen Feuerschein eines nahe belegenen Gebäudes rings umher Alles erhellen. Er hatte den Eingang zum Hause endlich gefunden, stieß die schwache Thür nieder und stürmte in das Innere. Vaso, der bei ihm zurückgeblieben, folgte ihm. –

Wir müssen für einige Augenblicke zu Master Frank und seinem Busenfreunde Gosset zurückkehren. Nachdem die Burschen verschiedene Tassen Kaffee und Gläser Liqueur vertilgt und durch einige Pfeifen des duftenden Tabacks von Latakia den Zustand ihres Gehirns keineswegs klarer gemacht hatten, schaute Frank auf seine Uhr und streckte den Kopf aus der Thür des Hauses, um als echter Seemann das Wetter zu prüfen, ehe sie ihre ehrenwerthe Unternehmung begannen.

»Wir werden eine verteufelt schlechte Fahrt haben,« meinte er, »und unsere Sultanin wird mit einigem Spritzwasser eingeweicht werden. Der Wind stürmt und überall stehen Gewitter. Man weiß in diesem verteufelten Lande nie, wie man d'ran ist. Allons, Gosset! auf, Faulpelz! wir müssen an Bord unserer Jölle.«

Mit einigen Püffen wurde der Jüngste endlich mobil gemacht und Beide eilten an's Ufer, wo sie an der bestimmten Stelle die bestellte und bezahlte Barke des Handelsschiffs in Empfang nahmen, wobei der Padrone im Stillen herzlich wünschte, daß sie mit[220] samt den Midshipmen zum Teufel gehen möge, damit er das gute Pfandgeld in der Tasche behalten könne.

Die Mid's, die Verstand genug besaßen, um es für besser zu halten, bei einem solchen Unternehmen keine Bootführer in's Vertrauen zu ziehen, ergriffen die Ruder und arbeiteten sich bald in den freien Strom. Da sie Beide an die See gewöhnt waren, machten sie sich aus Wind und Wellen herzlich wenig und die Arbeit und das Spritzwasser sie bald völlig nüchtern, so daß sie in bester Beschaffenheit endlich am Ufer der Fanariotenstadt ankamen. Dagegen fanden sie im Aufsuchen einer passenden Landungsstelle und des Hauses, in dem die Odaliske eingeschlossen war, allerlei Schwierigkeiten, so daß eine geraume Zeit verging, ehe sie die Straße wieder erreichten. Endlich glaubten sie, auf der richtigen Spur zu sein, und bald überzeugte sich Frank davon, denn an einer der Jalousieen peitschte wirklich der Wind ein angeknotetes Tuch. Rasch gab der Midshipman das Zeichen und die Odaliske, die in der Langweiligkeit des Tages vor Ungeduld und übler Laune fast vergangen war, öffnete die Jalousieen und zeigte sich am dunklen Fenster. In der Entfernung vernahm man bereits den beginnenden Tumult.

»Schöne Sultanin, Perle aller orientalischen Frauen,« sagte der Mid in möglichst hochtrabendem Tone, »Dein Ritter und Befreier ist mit seinem getreuen Schildknappen zur Stelle. Eine Strickleiter haben wir zwar nicht auftreiben können, aber habe die Gewogenheit, einige Augenblicke von diesem Fenster zurückzutreten, und ich werde sogleich ein Knotenseil hineinwerfen, das Du oben festmachen willst und an dem ich Dich in meinen Armen herabtragen werde.«

Gosset hörte mit offenem Munde der zierlichen Beredsamkeit seines Kameraden zu und erhielt jetzt die Anweisung, den vorbereiteten Strick hervorzulangen und dann in der Straße auf Posten zu bleiben. Mit geschicktem Wurf schleuderte Frank das Ende des Taues, an dem ein Haken befestigt war, in das Fenster und Nausika klammerte es fest, worauf der tapfere Seezögling mit der Behendigkeit eines Affen an dem Strick emporstieg und sich über die Brüstung in's Zimmer schwang.

»Der Teufel soll unsere besten Stengen holen und der Capitain alle Tage sämtliche Mid's mit echtem Portwein regaliren,« schwor er, »wenn ich Euch in dieser Kajüte sehen kann, so dunkel ist es hier. Warum steckt Ihr keine Lampe oder kein Licht an,[221] schöne Sultanin, damit ich wenigstens Eure Schönheit bewundern mag?« –

Eine weiche Hand erfaßte die seine und drückte sie, worauf der Mid seinem Anspruch auf Männlichkeit nicht anders genügen zu können glaubte, als, indem er die Odaliske umfaßte und ihr einen herzhaften Kuß auf die Lippen drückte. Die Dame hatte jedoch jetzt andere Gedanken, als leere Liebeständeleien, und wünschte vor Allem, ihren bisherigen Aufenthalt zu verlassen.

»Hast Du Nichts vernommen, schöner Franke? – es scheint Tumult in der Stadt, das Feuerzeichen des Seraskiats leuchtet, und ich fürchtete schon, Du würdest nicht kommen.«

»Bah,« sagte der Midshipman, »was kümmert mich der Brand von ganz Stambul, ein Engländer hält sein Wort. Aber nun laßt uns keine Zeit versäumen, schöne Sultanin, nehmt Eure Sachen und vergeßt die Diamanten nicht, damit wir uns davon machen können.«

Während die Odaliske, die schon bei Tage in dem Zimmer zusammengeräumt, was des Mitnehmens werth und transportabel war, dies in ein Bündel zusammenband und Frank das Tau im Innern besser befestigte, hörte man plötzlich Lärmen in der Straße und im nächsten Augenblick erschien der Kopf, dann die schmächtige Gestalt des Midshipmans Gosset über der Fensterbrüstung und seine werthe Person sprang gleichfalls in das Zimmer.

»Pest,« sagte der hoffnungsvolle Jüngling, sich den Angstschweiß von der Stirn wischend, »da draußen scheint der Boden für uns zu heiß zu werden und ich wollte, alle Odalisken und Sultaninnen des Großherrn lägen auf dem Grunde des Bosporus und wir säßen bei Thee und Schiffszwieback in der Kajüte des Tiger. Es ist ein Mordlärmen in der Stadt, Frank, Feuerschein ringsum, und eine Menge Leute sind auf den Beinen und rennen durch die Gassen, so daß ich nichts Besseres thun konnte, als Dir zu folgen.«

Frank bog sich vorsichtig zum Fenster hinaus und fand die Besorgniß seines Kameraden mehr als bestätigt. Das Licht der nahen Feuersbrunst war hinreichend, die Umgebungen des Hauses wenigstens so weit zu erhellen, daß an ein unbemerktes Entwischen aus dem Fenster vorläufig nicht zu denken war; Frauen und Männer liefen schreiend durch die Gasse, überall wurden Lichter angezündet, Thüren geöffnet, und Frank war froh, daß er das im[222] Winde schlagende Seil, ihre Brücke zur Flucht, noch geschwind und unbemerkt in das Fenster ziehen konnte.

Auch im Hause wurde es laut, man hörte mehrere Personen ängstlich umherrennen und die Thür aus dem Innern des Hauses wurde zu öffnen versucht, aber durch den Riegel, den die Odaliske vorgeschoben, festgehalten. Der zweite Ausgang nach dem Flur und der Treppe war von Geurgios von Außen verschlossen worden.

Nausika zitterte in Angst und Furcht und war rathlos, und auch den beiden Midshipmen grade nicht sehr wohl bei der Sache zu Muthe. Sie sahen sich, wie man zu sagen pflegt, in einer Mausefalle und wußten, daß sie sich noch sehr glücklich schätzen konnten, wenn sie mit einer tüchtigen Tracht Schläge davon kamen.

Indeß ein Mid verliert nie den Muth und die Hoffnung, sich aus der Klemme zu bringen, in die er sich selbst gesteckt hat, so lange noch Athem in seinem Leibe ist. Nach kurzer Berathschlagung kamen die Beiden zu dem Resultat, daß sie am besten an dem Ort, wo sie sich einmal befanden, die weitere Entwickelung oder die Wiederherstellung der Ruhe abwarten könnten. Die Wahl machte ihnen freilich keine Schwierigkeit, und während die Odaliske weinte und klagte, setzten die jungen Burschen ihre Waffen für alle Fälle in Bereitschaft und recognoscirten durch Fenster und Schlüsselloch. –

Es war bereits dunkel, als Edward Maubridge, der Baronet, um Neues über die Bewegungen in Constantinopel zu hören, sich nach Tershana rudern ließ. Er gelangte eben an Bord des Tiger, als der Capitain mit den anwesenden Offizieren auf dem Hinterdeck der Fregatte stand, um die auf dem anderen Ufer in der Fanariotenstadt ausgebrochene erste Feuersbrunst zu beobachten, und wurde auf's Freundlichste von Allen bewillkommnet.

»Die Gesellschaft der jungen Burschen,« meinte der Capitain, »scheint Ihnen nicht lange zugesagt zu haben. Ich hoffe jedoch, Sie haben sie sicher untergebracht, damit sie in dem Lärmen, den diese Leute auf allen Seiten erheben, nicht auch ihre Nase stecken und zu Schaden kommen.«

»Ich verstehe nicht, was Sie meinen, Capitain,« erwiderte der Baronet. »Wo ist Frank?«

»Nun, zum Teufel, wo soll er sein, als bei Ihnen? Er und der junge Schlingel Gosset. Sie haben ja selbst ihn eingeladen.«

Der Baronet sah ihn groß an.[223]

»Ich verstehe kein Wort davon. Ich kommen eben, um Sie und Frank zu besuchen, denn im Gesandtschaftshotel steht Alles auf dem Kopf und hat kein Mensch Zeit zu einem vernünftigen Wort.«

»So soll das Wetter doch gleich in meinen besten Mast schlagen, wenn die jungen Halunken mich nicht da gründlich belogen haben. Ihr Bruder, Sir, wies mir eine schriftliche Einladung von Ihnen vor und erbat sich darauf für diese Nacht Urlaub.«

»Ich dachte nicht daran; aber wo mögen die vertrackten Burschen hin sein in diesem Gewühl? Sie werden ein Unglück haben.«

»Da blicken Sie hin,« schrie der Capitain, indem er auf den Menschenstrom wies, der sich von der Höhe der Vorstädte mit wildem Lärmen zum Horn drängte; »die jungen Halunken haben den Tumult gewittert und sind sicher mitten d'rinnen.«

Der erste Lieutenant erzählte jetzt, was er von Adams gehört, und der Deckmeister wurde eilig herbeigerufen und näher befragt. Seine Erzählung erweckte ernstlich die Besorgnisse des Capitains und des Baronets.

»Wenn die Unbesonnenen sich in irgend einen tollen Streich eingelassen haben, wo Frauen in's Spiel kommen, so sind sie verloren,« sagte der Letztere. »Kannst Du den Ort wiederfinden, wo Du den jungen Narren heute Morgen betroffen?«

»Hm,« meinte der Alte, »ich müßte kein Seemannsauge für eine Landmarke haben, wenn ich's nicht könnte! Diese Dinger, die sie Häuser nennen, sind zwar hier einander verteufelt ähnlich, aber ich witterte gleich Unheil und hab' mir die Fahrt gemerkt.«

»Wollen Sie mir ein Boot geben, Capitain, und einige zuverlässige Leute?«

»Die sollen Sie haben, Edward, eine ganze Bootsmannschaft und ihren Offizier dazu. Den zweiten Kutter in's Wasser und die Leute bewaffnet hinein. Der Teufel scheint dort drüben los, denn ein Feuer nach dem andern geht in die Höhe. Ich mache mir Vorwürfe, daß ich die Burschen so leichtsinnig fortgelassen habe, da doch schon Tumult in der Stadt war. Fort, Jungens, sputet Euch!«

Der erste Lientenant trieb die Mannschaft an, ehe fünf Minuten vergangen, war der Kutter bereit und die Matrosen sprangen hinein, mit Enterbeilen und Kurzsäbeln bewaffnet; der zweite Lieutenant saß bereits in dem Boot. Maubridge, der eilig die Pistolen des Capitains geholt hatte, und der Deckmeister folgten.[224]

»Abgestoßen!«

Die sechs Ruder tauchten in die Wellen und das Boot schoß in das Dunkel des Horns. –

Die Thür des Hauses von Geurgios krachte unter den Schlägen der Brecheisen in den Händen der Banditen Geronimo's. Über die zusammenbrechende stürzten die wilden Gestalten in das Innere und ihr Mordio gellte durch das Haus hinter den flüchtenden zeternden Weibern drein.

»Nach Oben! nach Oben!« herrschte Hassan, der Führer, seinen Genossen zu; »Ihr wißt, was der Kneipenwirth uns aufgetragen. Dann ist's Zeit zum Plündern.«

Der Arnaut mit vier Gefährten sprang die enge Treppe hinauf; Schemel, Stühle, Tische, Alles, was sich werfen ließ, flog ihnen jedoch entgegen auf die Köpfe und trieb sie wieder zurück.

»Lahnet bi Scheitan!« fluchte der wüste Mörder; »hinauf, Memmen!« und sein Pistolenschuß knallte die Treppe hinan, die bereits halb gefüllt war mit einer Barrikade von Möbeln und Kissen jeder Art.

»Gieb's ihnen brav, Frank,« schrie der kleine Gosset, »immer die Vordersten! Der Grieche kann mir das Pistol zurückreichen!«

Die Kugel des kecken Midshipman traf einen der Banditen in die Schulter, daß er blutend und fluchend zurücktaumelte. –

Während die Mid's noch unentschlossen auf den Lärmen am Eingang des Hauses gelauscht hatten und Nausika in Todesangst in einem Winkel des Gemachs auf den Knieen lag, bald christliche, bald türkische Gebete jammernd, flogen rasche Tritte von Außen zur Thür, ein Schlüssel wurde in's Schloß gesteckt, und ehe noch die Midshipmen Widerstand zu leisten vermochten, ward die Thür aufgerissen und Gregor Caraiskakis, gefolgt von Vaso, stürzte herein.

Erstaunt und starr blieb er stehen, während die Odaliske sich Hilfe suchend in seinen Arm warf, denn der Schein der nahen Feuersbrunst erhellte jetzt genügend das Gemach und zeigte ihm die beiden jugendlichen Offiziere, die Pistolen in der Hand.

»Was soll das heißen? wie kommen die Fremden hierher?«

Aber der Sturm draußen an der Hausthür verschlang des Mädchens Antwort und die verlegene Ausrede der Engländer. Es war keine Zeit zu Nachfragen und Erklärungen.

»Wenn Sie Männer von Ehre und Herz sind,« rief der[225] Grieche, »so helfen Sie mir dies Haus und die Frauen darin gegen das mörderische Gesindel vertheidigen, das den Eingang stürmt. Ich sehe, Sie sind bewaffnet; lassen Sie uns die Treppe zum obern Stock halten!«

Ein Säbel, den er in einem der Gemächer gefunden, war seine einzige Waffe, Frank reichte ihm sogleich eine der Pistolen. Die drängende Gefahr hatte die peinliche Situation des jungen Mannes aufgehoben und die Aussicht auf den Kampf im Nu alle Thorheit und allen Leichtsinn verscheucht. Sein Muth und seine Entschlossenheit zeigten das gute Blut in seinen Adern.

»Vorwärts, Sir, ich helfe Ihnen. Gosset, lade die Pistolen und schütze unsere schöne Sultanin!« und eilig schleppte er die Möbel, die er greifen konnte, zur nahen Treppe, denn eben brach unten die Thür des Hauses unter den Händen der Banditen.

Aber die Odaliske hatte bereits einen anderen Freund und Schützer gefunden. Aus weit aufgerissenen Augen hatte Vaso, der türkische Soldat, die ehemalige Braut einige Momente angestarrt, dann sprang er auf sie zu und riß sie gewaltsam in seine Arme.

»Nausika, Tochter Jani's, bist Du es wirklich, meine Braut, mein Weib? Du hier in Byzanz?«

Mit einem, fast mit Entsetzen gemischten Erstaunen hatte Caraiskakis die Worte des Soldaten gehört, und ein Blick auf die Verwirrung des schönen Mädchens überzeugte ihn, daß sie wahr. Die Odaliske, die sein Herz und seine Sinne so zauberschnell umstrickt hatte, in deren Arm er die Nacht verschwelgt, – die Tochter Jani's, dessen Haupt für ihn gefallen? Und so, mit dem Schimpf des Mädchens, hatte er das blutige Opfer vergolten?! Seine Gedanken wirbelten, da rief ihn der Schuß des Banditen und die Stimme des Midshipman zum Bewußtsein und seiner Pflicht zurück und im nächsten Augenblick stand er an dessen Seite und schleuderte die schweren Geräthe nach den Angreifern.

»Hurrah für Alt-England!« schrie der kleine Mid, während er am Fenster die abgeschossene Pistole lud. »D'rauf, Frank, und pfeffere sie tüchtig; ich muß auch einen Schuß auf sie thun!«

Und sein Ruf fand ein Echo, denn aus der Gasse herauf donnerte es aus zehn Kehlen über den Lärmen der Feuersbrunst und das Geschrei der Griechen: »Hurrah für Alt-England!« und die Matrosen des Tiger, von Adams und dem Baronet geführt,[226] stürzten herbei und jubelten hoch auf, als sie die Stimme des Knaben hörten.

»Hurrah, Frank! brav gehalten! Es kommt Ersatz; unsere Tiger sind da, Adams und Dein Bruder Baronet! Hierher, Männer! greift sie von vorn an und bringt die Halunken zwischen zwei Feuer!«

Aber es that auch Noth, daß Hilfe kam, denn wie Teufel, der Hölle entsprungen, stürmten die Banditen die Treppe, während ihre zahlreichen Kameraden sich bereits mit dem Volke auf dem Platze vor der Thür umherschlugen.

»Das Seil! das Seil!« rief der wackere Frank seinem jungen Kameraden zurück. »Denk' an das Seil, Gosset, und rette das Mädchen!«

Der kleine Mid hörte den Ruf seines Gefährten und mit Vaso's Hilfe schleppte er die halb ohnmächtige Schöne zum Fenster, schlang den Strick um sie und ließ sie hinabgleiten, wo die Anne des Baronets sie auffingen. Kaum war das Tau am Boden, so hatte es auch der alte Deckmeister erfaßt und schwang sich mit der Gewandtheit eines Seemannes, der im Sturm die Tauwand erklimmt, hinauf in das Gemach. Andere folgten ihm.

»Hurrah, Master Frank! Die Tiger sind da!«

Aber der Beistand that Noth. Hassan voran stürmten die Banditen des Kahvedschi wie rasend die Treppe, über die Möbel und Gegenstände kletternd, mit denen Frank und Caraiskakis sie gefüllt. Einen zweiten der Stürmer schoß der Grieche nieder, doch den beiden anderen Kugeln wichen die Männer aus und zum Laden war keine Zeit mehr. Über die Barrikaden aus Stühlen und Tischen hinweg wurden sie handgemein, doch auch die schwache Schutzwehr riß die starke Faust der Stürmenden bald zur Seite und ihre Handjars und Dolche klirrten gegen den Säbel und den Kurzdegen der Vertheidiger. Gregor sprang zur Thür des Gemachs zurück und rief seinem tapfern jungen Gefährten zu folgen, aber der Midshipman, von einem leichten Dolchstich in die Seite getroffen, strauchelte und fiel, und im Augenblick war Hassan der Arnaut neben ihm und hob den blinkenden Yatagn zum Todesstoß.

Frank war verloren!

Aber Caraiskakis hatte den Fall des jungen Mannes gesehen – im Nu sprang er vorwärts mitten unter die Angreifer und sein Säbel fing, zersplitternd am Gefäß, den schweren Yataganhieb[227] auf. Dann den Griff dem Banditen in's Antlitz schmetternd, faßte er mit der Linken den Jüngling und suchte ihn fortzuschleppen.

»Brav gemacht, Mann! Heran, Jungens!« schrie eine Stimme hinter ihm und der kräftige Schwung eines Enterbeils deckte den Griechen gegen die erhobenen Waffen seiner Bedränger. »D'rauf auf die Schufte und gebt's ihnen!«

Die kräftige Gestalt des alten Deckmeisters sprang in die Gruppe, zwei Matrosen folgten im nächsten Moment und die unverhoffte Hilfe wendete im Nu den Kampf. Die drei Banditen stürzten Hals über Kopf die Treppe hinab und aus dem Hause, an dessen Eingang ihre Kameraden sich mit den Fanarioten und einigen von dem zweiten Lieutenant des Tiger geführten Matrosen schlugen.

Adams half dem Midshipman empor.

»Da habt Ihr die Bescheerung, toller Bursche,« sagte er ärgerlich. »Kein Unterrock in der ganzen Welt ist werth, daß ein wackerer Seemann sich dafür ein Loch in den Leib rennen läßt, durch das der Wind hineinpfeift. Wie geht's Euch, Master Frank? redet! ich hoffe, es ist nicht schlimm, und der brave Mann hier ist nicht zu spät gekommen!«

»Ich glaube nicht,« murrte der Midshipman, »aber Zeit war's. Ich bin in die Hüfte gestochen und der erste Lieutenant wird's vorerst bleiben lassen müssen, mich in den Mastkorb zu schicken. Aber wo führt Dich der Henker zu so glücklicher Zeit her, alter Seewolf?«

»Dazu giebt's nachher Zeit, jetzt laßt uns machen, daß wir zu unsern Burschen kommen!« entgegnete der alte Matrose, indem er den jungen Mann emporhob und mit Gregor's Hilfe die Treppe hinabtrug. »Goddam!« rief er plötzlich, als unten der Feuerschein hell auf das Gesicht des Griechen fiel und er dieses erblickte. »Ich sollte meinen, wir kennen uns; seid Ihr nicht der Mann von Smyrna?«

Caraiskakis schaute ihn finster an bei der Erinnerung.

»Ich weiß Nichts von Euch.«

»Glaub's wohl,« meinte der alte Matrose, »aber ich kenne Euch desto besser, und es freut mich um Master Frank's willen, daß ich Euch damals mit dem Schießprügel nicht durch den Kopf geschossen, als Ihr Sir Edward Eure Schwester abjagtet und uns klopftet. Wir waren auf schlechtem Wege und fochten[228] für keine gute Sache; aber es ist brav von Euch, Freundchen, daß Ihr des Baronets Bruder so wacker beigestanden habt.«

Der Grieche ließ den Jüngling fallen.

»Dies der Bruder des Lord Maubridge?« fragte er wild.

»Nun ja, Mann! was thut's zur Sache? ein braver Mann hilft dem Andern gegen das Gesindel. Hierher, Hodges! Dick! helft mir den jungen Master zum Boote tragen.«

Der Grieche faßte des Matrosen Arm, während die Gerufenen herbeisprangen und den Midshipman aus dem Getümmel schleppten.

»Wo ist das Mädchen, das Weib, das wir im Hause vertheidigten?«

»Ei, zum Henker, wo wird die verteufelte Landnixe sein? In die Arme Sir Edwards fiel sie, gerade aus dem Fenster herab. Schaut, da läuft sie in der Mitte unserer Leute, und die Haifische sollen mich fressen, wenn der Baronet nicht schon seitlängs von ihr liegt.«

Die Scene umher hatte sich geändert, – die Mordbrenner aus dem Malthesergäßchen hatten die Übermacht der von allen Seiten zum Löschen des Brandes und zur Vertheidigung ihrer Habe herbeieilenden Fanarioten erkannt und sich nach allen Seiten durchgeschlagen und zerstreut; die Griechen waren bemüht, das Feuer zu dämpfen, und die Engländer, jetzt Frank und die von dem Baronet geführte Odaliske in ihrer Mitte, drängten sich durch die Menge nach ihrem Boote hin.

»Nausika – Mädchen – Tochter Jani's!« schrie Caraiskakis und warf sich in die Menschenwoge, die sich wieder um die Matrosen geschlossen. »Zu mir, Freunde, das Mädchen ist die unsere!«

Aber wer kümmerte sich in der eigenen Bedrängniß und Noth um das Weib, dessen türkische Tracht ohnehin genügt hätte, jeden Griechen Gefahr und Verderben in ihrer Berührung sehen zu lassen. Gosset hatte mit einigen verwirrten Worten dem Baronet berichtet, daß es eine vornehme türkische Dame wäre, die hier gefangen gehalten worden und die Frank habe befreien wollen. Die Odaliske, von der augenblicklichen Gefahr befreit, begriff schnell ihre Lage und die günstige Gelegenheit für ihre Wünsche.

»O, Effendi, rettet mich aus dieser Noth! ich bin eine Gefangene und ein armes Weib, verloren ohne Euch,« schmeichelte sie in fränkischer Sprache zum Baronet, dessen Arm sie unterstützte. Sie waren bereits nahe am Boot, in dem zwei der Matrosen[229] zurückgeblieben waren, als Caraiskakis endlich die Engländer erreichte und das Auge des Baronets mit Erstaunen und Erbitterung plötzlich seinen Todfeind vor sich sah.

»Das Weib, Mylord!« herrschte der Grieche ihm zu, »Sie haben kein Recht auf sie, das Weib ist das meine!«

Der Baronet stieß ihn hohnlachend zurück.

»Ist dies Weib das Ihre, so nehme ich es, wie Sie mein Kind geraubt. Nur für dies Lösegeld sollen Sie diese Frau haben! In's Boot mit ihr!«

Gosset zog die willige Odaliske fort; mit einem Sprunge war der Grieche an dem Baronet und faßte ihn an der Kehle.

»Mädchendieb!«

»Der Teufel hole das Gewürm, nieder mit dem Schuft!« schrie der mit Adams herbeikommende zweite Lieutenant und der Hieb seines Kurzdegens sauste schwer auf den Schädel des Griechen nieder, daß dieser bewußtlos zu Boden stürzte, wie ein gefällter Baum. »Fort mit Ihnen, Maubridge, wir haben, was wir wollen, und hier Nichts mehr zu thun.«

Der Deckmeister hatte sich auf den Niedergestreckten herab gebeugt.

»Ist er todt, der Unglückliche?« fragte nicht ohne Theilnahme der Baronet.

»Ich denke! Schade um den Mann; es war nicht viel besser als ein Mord,« murrte der alte Matrose, »und das Alles um eines verdammten Weiberrocks willen.«

Der besonnene Lieutenant zog sie fort zum Boot, denn ein Hause Fanarioten mit Geurgios an der Spitze stürmte herbei.

Das englische Boot stieß hinaus in das Horn – jammernd am Ufer rannte Vaso umher, den die Matrosen zurückgetrieben, als er der Wiedergefundenen folgen wollte.


Es war am dritten Morgen nach den Scenen des Aufruhrs, als Gregor Caraiskakis aus einem tiefen Schlafe auf ärmlichem Lager in einem griechischen Hause der Vorstadt Ejoub erwachte. Sein Kopf war mit Binden umwickelt, an seinem Lager saß in trübem Sinnen Vaso, der entflohene Schiffssoldat.

Der Hieb des Lieutenants hatte ihn absichtlich nur flach getroffen und durch seine Wucht betäubt zu Boden geworfen. Als[230] er wieder zu sich kam, fand er sich an dem Orte seines jetzigen Aufenthalts, wohin ihn Geurgios hatte bringen lassen. Doch war ihm Ruhe nöthig, und außerdem hatte ihm der Fanariot Verborgenheit anbefohlen, denn in Constantinopel hatten die Nacht und der nächste Tag eine neue Wendung der Dinge gebracht.

Während im Fanar die Feuersbrunst, – wie es hieß, vom Blitzstrahl entzündet, – in die Wolken flammte und an 200 Gebäude verzehrte, hatte sich der Strom der fanatisirten Moslems, an der Spitze die Softa's und Ulema's, nach dem Platz der Hohen Pforte gewendet und umgab drohend und tobend beim Schein der Fackeln und dem Unwetter trotzend den Palast, die Auslieferung Reschid-Pascha's fordernd.

Aber Reschib hatte sich bei dem ersten Anzeichen des Sturmes nach Tschiragan geflüchtet, wohin ihm der Großwessir folgte. Vergeblich erwarteten die hohen Würdenträger hier die Demonstration der Griechen; statt deren brachte jeder Augenblick Nachrichten von dem Triumph ihrer Gegner und der Aufregung unter der türkischen Bevölkerung Stambuls.

Am Morgen erließ der Großwessir den Befehl, daß alle Moscheen, die Hauptversammlungsorte des Aufstandes, an denen die Softa's fortwährend das Volk bearbeiteten, geschlossen werden sollten. Dem Befehl wurde entsprochen, aber die Masse versammelte sich jetzt auf den öffentlichen Plätzen und nahm eine noch drohendere Haltung an.

Jetzt erhielten die Garden den Befehl, einzuschreiten und mit Gewalt den Aufruhr zu unterdrücken, der bereits so ausgedehnt war, daß Lord Redcliffe eine Proclamation an die britischen Unterthanen zur Beruhigung erlassen mußte, worin er Aufnahme und Schutz auf den britischen Schiffen verhieß.

Die Garden rückten von ihren Kasernen zwar aus und besetzten das Serail die Pforte und die Suleimanje, wo die Schätze der ganzen Nation gleich wie in einem großen Pfandhause in Koffern aufbewahrt werden, aber sie weigerten sich, das Volk anzugreifen, ohne Befehl Ruschdi-Pascha's, ihres bisherigen Kommandanten.

Ruschdi-Pascha aber befand sich im Seraskiat, wohin Mehemed einen Ministerrath berufen, um scheinbar über die drohende Gefahr zu verhandeln, ohne daß der Großwessir oder Reschid hier zu erscheinen wagten.[231]

An verschiedenen Stellen, wo das Volk versammelt war, begannen die Softa's während des Tages bereits ganz offen die Thronerhebung Abdul-Aziz's zu proklamiren. Die griechische Bevölkerung – feig und unentschlossen – wagte sich nicht mehr zu rühren, – sie zitterte seit den Vorgängen des letzten Abends für ihr Leben und ihre Habe.

Die Regierung befand sich buchstäblich am Morgen des 22. nur noch im Seraskiat und in den Händen Mehemed Ali's.

Bei dem schwachen und ängstlichen Charakter des Sultans fühlte die Friedenspartei, daß in dein gegenwärtigen Augenblick Nichts zu machen und ein Nachgeben nöthig sei, um nicht allen Einfluß zu verlieren. Chosrew-Pascha selbst rieth dazu, und als daher am Vormittag Adilé, die Schwester des Großherrn, nach Tschiragan kam, fanden ihre Worte beim Sultan ein williges Gehör.

Am Mittag hatten Lord Redcliffe und General d'Hilliers eine längere Audienz bei dem Sultan, in welcher sie ihm zeigten, daß nur ein unbedingtes Eingehen auf die Intentionen Frankreichs und Englands die Türkei und seinen Thron zu sichern vermöchte. Eine Stunde darauf erschien der Seraskier im Palast, seiner Sache so sicher, daß er ohne alle Begleitung kam, und als er nach einer längeren Unterredung sich entfernte, geschah es mit dem Schritt eines Triumphators.

Er vergaß, daß in dem Herzen eines Orientalen das Gefühl einer Beleidigung nie stirbt und unter der trügerischen Blumendecke der Freundschaft und Versöhnung die Schlange des Hasses ruhig lauert, bis sie ihren Giftzahn in das Opfer schlagen kann.

Der Padischah war gedemüthigt, – der Padischah wartete seiner Seit.

Noch an demselben Tage hatte Reschid-Pascha vom Bord der »Queen« aus, an den er sich geflüchtet, seine Entlassung eingereicht, aber der Sultan dieselbe auf den Rath des englischen Gesandten nicht angenommen. Dagegen durfte der Seraskier unbehindert eine scharfe Verfolgung aller Russenfreunde beginnen und eine Menge Führer der Griechenpartei wurden eingekerkert.

Dies waren die Nachrichten, die am Abend vorher Geurgios, der sich gleichfalls von seinem Hause entfernt hielt, dem Griechen gebracht hatte. –

Auf seine Fragen an Vaso hörte Caraiskakis, daß der Freund[232] heute noch nicht in Ejoub gewesen. Als dieser endlich kam, erkannte er leicht, daß die Neuigkeiten, die er brachte, noch schlimmer als die früheren waren.

»Es freut mich, Sie so weit wieder hergestellt zu sehen,« sagte der Fanariot, »denn es wird gut sein, wenn wir noch diese Nacht Constantinopel für einige Zeit verlassen. Der Baron ist auf Betrieb der englischen Gesandtschaft von der türkischen Polizei als russischer Agent verhaftet und hat mir selbst diesen Wink gegeben. Mehemed Ali, um seinen Frieden mit dem Padischah zu machen, hat nach türkischer Weise verrätherisch an den eigenen Werkzeugen seiner Intrigue gehandelt und an 400 Softa's aufgreifen lassen, um sie als Rebellen auf die Galeeren nach Creta zu schicken. Der Todfeind unseres Glaubens unterhandelt bereits mit den beiden Gesandten wegen der Einschiffung eines Hilfscorps.«

»Aber der Baron – sollen wir ihn feig im Stich lassen?« fragte der Grieche.

»Signor Ölsnero,« lachte der Fanariot, »hat der Mittel zu seiner Sicherheit mehr in Händen, als wir, und wird sich schon zu befreien wissen. Wir werden ihm am Balkan bessere Dienste leisten, als hier.«

»Und das Mädchen – Nausika – die Odaliske?«

»Bei Sanct Demeter, was kümmert sie uns? Wollen wir eines Weibes wegen den Kopf in die Schlinge stecken? Diese Teufel von Türken haben keine Eingeweide; sie schneiden einem Christen den Kopf ab und stellen ihn zwischen seine Beine, ehe er ein Kreuz schlagen kann, wenn es ihre Weiber gilt. Überdies ist für Sie der Boden von Constantinopel doppelt gefährlich, wenn Ihr Name entdeckt würde, und ich traue meinen eigenen Leuten nicht mehr.«

»Wie meinen Sie dies?«

»Lesen Sie. Ihr Bruder, der Capitano Caraiskakis, hat die Fahne des Kreuzes in Thessalien erhoben, und die Griechen strömen von allen Seiten ihm zu. Mögen die Heiligen ihnen besseres Gelingen geben, als uns hier!« Der Fanariot warf ihm eine Nummer der Elpis und eine Proclamation in griechischer Sprache zu, wie in diesem Augenblick Tausende als Flugblätter durch Griechenlanb und das südliche Rumelien, selbst nach Constantinopel hin verbreitet wurden. »Ich habe Beides so eben durch einen Bundesbruder erhalten.«[233]

Gregor sprang empor; alle Schwäche, alle Gedanken an seine eigenen Verhältnisse waren verschwunden, als er den berühmten Aufruf seines kühnen und tapferen Bruders in der Hand hielt. Derselbe lautete:


»An die geknechteten Griechen von Thessalien, Macedonien, Thracien und Epirus, Klein-Asien, Candia und allen Inseln des

Archipelagus.


Brüder und Landsleute! Zu den Waffen, zu den Waffen! Seit vier Jahrhunderten seufzt Ihr unter türkischem Joch. Die glückliche Stunde ist gekommen. Erhebt Euch und verliert keine Zeit; der Halbmond verschwinde vor dem Kreuz! Eure Sache ist eine heilige, und der Allmächtige wird Euch beistehen. Denkt an den Ruhm Eurer edlen Ahnen und erröthet über Eure Entwürdigung. Fürchtet nicht die Bluthunde des Sultans, noch seine glaubensabtrünnigen Freunde; es sind wilde, aber feige Horden, die Ihr schnell besiegen und zerstreuen werdet. Erhebt Euch, kämpft und laßt Euer Schwert nicht einen Augenblick rasten, bis Ihr es dem letzten Moslem in's Herz gestoßen! Nieder mit den Barbaren, den Plünderern Eures ruhmvollen und klassischen Vaterlandes, den Mördern Eurer Brüder von Scios und Kydonia. Eure nordischen Glaubensbrüder vergießen ihr Blut an den Ufern der Donau für Eure Sache. Seid ihnen und ihrem edlen Kaiser dankbar, aber laßt sie nicht allein vollbringen, was zu leisten Eure Pflicht ist. Bald wird jener mächtige Strom die gänzliche Vernichtung der Türkenschaaren sehen. Euer Kriegsgeschrei sei ›religiöse Unabhängigkeit!‹ und Ihr werdet gewiß die barbarischen Moslems überwinden. Traut den Franken nicht und hofft Nichts von ihnen für Eure Freiheit; sie sind Eure bittersten Feinde und die Freunde Eurer Unterdrücker. Erinnert Euch, daß die Engländer Parga an die Türken verkauften. Bedenkt, daß die Kanonen der Engländer wegen des verächtlichen Juden Pacifico die Häuser Eurer Landsleute im befreiten Griechenland bedrohten. Und noch schlechter als die Engländer sind die lateinischen Franzosen. Verachtet sie Alle – zielt wohl auf den Feind! Gott ist mit Euch, und bald werdet Ihr frei sein!


Athen, den 10. (22.) November.


Anastasius Caraiskakis[234]


»O, daß ich bei ihm sein könnte, daß wir Schulter an Schulter unser Blut für die Befreiung des Vaterlandes einsetzen dürften!«

»Seine Kampfstätte ist am Pindos – die Ihre am Balkan. Dorthin ruft Sie das Vaterland.«

»Treffen Sie Ihre Anstalten,« sagte mit stolzer Fassung der Sciote, »sein Ruf wird mich immer bereit finden!«

Im Schatten der nächsten Nacht verließ zum zweiten Male mit Geurgios und Vaso Gregor Caraiskakis die Hauptstadt des türkischen Reichs auf dem Wege zur Donau.

1

Ein anderer Selim als der Kommandant der Arnauten bei Rustschuck. Die türkischen Namen wiederholen sich sehr oft.

2

Seid willkommen.

3

Die künftige Sultanin Valide, die erste Gemahlin des Sultans durch die Geburt des Thronerben.

4

Die Brandenburger – die preußischen Instruktoren.

5

Zwischen 10 und 11 Uhr.

6

Matrosen.

7

Schurke.

8

Moschee des Sultans Achmet.

9

Die Schiffswachen sind in je vier Stunden eingetheilt.

Quelle:
Herrmann Goedsche (unter dem Pseudonym Sir John Retcliffe): Sebastopol. 4 Bände, Band 2, Berlin 1856, S. 161-235.
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