1773

[52] 2/118.


An Johann Christian Kestner

Freytag Morgens.

[Frankfurt, 8. Januar 1773.]

Diese Nacht Träumte ich von Lotten, und wie ich aufwachte sass ich so im Bett und dachte an all unser Wesen, von dem ersten Lager in Garbenheim bis zum Mondenmitternachts Gespräch an der Mauer. und weiter. Es war ein schönes Leben, auf das ich ganz heiter zurücksehe. Und wie lebt ihr um den Engel?

– Ich binn ietzt ganz Zeichner, und besonders glücklich im Portrait. Da sagen mir die Mädgen: wenn sie das nur in Wetzlar getrieben hätten und hätten uns Lotten mitbracht. Da sag ich denn ich wollte[52] ehstens hinüber und euch alle Zeichnen. Da meynen sie das wäre kein sonderlicher Trost. Doch wenns die Leute drüben auch freut dass ich komme.

Es wird ein sonderbaares Frühjahr geben. Ich sehe nicht wie das alles auseinander gehen wird was wir angesponnen haben, indess sind Hoffnungen und willkommen, und das übrige liegt auf den Knien der Götter.

Das ist ein Impressum komikum. Ein Exemplar Kielmannseggen und grüst ihn viel das andre etwa Schneidern.

Werdet ihr nicht einen Teutschen Merkur halten, dessen Nachricht ich hier mitteile.


2/119.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, Januar 1773.]

Kann nicht unterlassen mit heutiger Post noch an Hochdieselben einige Zeilen zu senden Sintemalen wir heute mit Blaukraut und Leberwurst unser Gemüth ergötzt. Werden das abenteuerliche Format verzeihen, wenn Denenselben attestire, dass es stehenden Fusses in dem Zimmer der so tugendbelobten Mamsell Gerocks gefertiget wird. Dienet sodann zur freundlichen Nachricht, dass wegen gesternabendigen unmässiglicher Weisse zu uns genommenem Wein, die cristliche Nachtruhe durch mancherley so seltsamlich als verdrüssliche Abenteuer genecket und gestört worden Versetzte uns nähmlich[53] ein guter Geist zuerst nach Wetzlar in den Cronprinzen zwischen Gesprächige Tischgesellschafft die der leidige Teufel auf die noch leidigere Philosophey zu diskuriren brachte, und mich in seine Schlingen verwickelte, bald darauf fiel mir schweer aufs herz ich habe Lotten noch nicht gesehen, eilte zu meiner stube, den Hut zu holen, die ich denn nicht finden konnte sondern durch Kammern, Säle, Gärten, Einöden, Wälder, Bilderkabinets, Scheuern, Schlafzimmer Besuchzimmer Schweinställe, auf eine unglaublich wunderbare Weise mit geängstigten Herzen herumgetrieben wurde, biss mich endlich ein guter Geist in Gestalt des Cronprinzen Caspars an einer Galanteriebude antraf und über drey Speicher und Kornböden vor mein Zimmer brachte, wo denn zum Unglück sich kein Schlüssel fand, dass ich mich resolvirte über ein Dach und Rinne zum Fenster hineinzusteigen. Gefahr und Schwindel und fallen und was folgt. Genug ich habe Lotten nicht zu sehn gekriegt. Also dass gegen Morgen erst in einen süsen Schlaff fiel und gegen halb neun erst mein Bette verlies.

Wenn nun übrigens Hochdieselben an das hl. Römisch Reichs Gerechtigkeits Purifications Wesen manche Feder verschaben, und von dem Gekrize und Gekratze in dem heiligtuhme des deutschen Orden sich erholen, wenn meine Buben noch über einander kabeln wie iunge Katzen, Albrecht bald die Continuation des Cristen in der einsamkeit herausgibt. Georg bald[54] versifizirt wie Gotter Und die Grosen sich zu Phisica glücklich hinan chriisiren und analysiren


Wenn dem Papa sein Pfeifgen schmeckt

Der Doctor Hofrath Grillen heckt

Und sie Carlingen für Liebe verkauft

Die Lotte herüber hinüber lauft

Lenchen treuherzig und wohlgemuth

In die Welt hineinlugen tuht.

Mit dreckigen Händen und Honigschnitten

Mit Löcher im Kopf, nach deutschen Sitten

Die Buben jauchzen mit hellem Hauf

Tühr ein Tühr aus, Hof ab Hof auf

Und ihr mit den blauen Augelein

Gucket so ganz gelassen drein

Als wäret ihr mänlein von Porzellan,

Seyd innerlich doch ein wackrer Mann,

Treuer liebhaber und warmer Freund,

So last des Reichs und Cristen feind

Und Russ und Preuss und Belial

Sich teilen in den Erdenball

Und nur das liebe teutsche Haus

Nehmt von der grosen Teilung aus

Und das der Weeg von hier zu euch

Wie Jakobs Leiter sey sicher und gleich.

Und unser Magen verdau gesund.

So seegnen Wir euch mit Herz und Mund

Gott allein die Ehr

Mir mein Weib allein

So kann ich und er

Wohl zufrieden seyn.[55]


2/120.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 11. Januar 1773.]

Eh ich mich zu Bette lege ist mirs noch so euch eine gute Nacht zu sagen, und der süsen Lotte, der zwar heut schon viel guten Tag und guten Abend gesagt worden ist. Vielleicht sitzt ihr eben beysammen, es ist nicht viel über 10. vielleicht tanzt ihr. Wo ihr auch seyd glücklich, und geliebt auch von mir mehr als von irgend einem andern hierunten. Und auch ich binn glücklich, ist in mir selbst wohl, denn von aussen fehlt mir nie was. Adieu ihr lieben. Schreibt mir doch offt Kestner, ich binn sehr Künstler jetzt, und Künstler wisst ihr schreiben nicht gern. Ihr sollt auch dann wieder was gezeichnetes sehn.


2/121.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 19. Januar 1773.]

Wir sind eben von Tisch aufgestanden und mir fällt ein euch eine gesegnete Mahlzeit zu wünschen, und eine Zeitung zu schicken, dass ihr sehet wie das geworden ist. Das Publikum hier meynt der Ton habe sich nicht sehr geändert.

Adieu lieber, grüsse mir die liebe Lotte und Lengen. und die Bubens ich bin immer der eurige. Fragt Lotten ob sie mein Portrait annehmen wollte, es ist[56] zwar nicht gemacht, aber wenns gemacht wäre. Adieu. Grüsst mir die Dorthel auch. Da habt ihr euern Jerusalem.


2/122.


An Sophie von La Roche

Frankfurt am 19. Jan. 1773.

Viel tausend Danck für das liebe Paket. Es hat mich so ganz in die glücklichen hellen Tage versetzt, zu Ihnen und Ihren liebsten, hat mir alle unsre Unterredungen wieder lebendig gemacht. Aber auch beschämt war ich von der Püncktlichkeit. Pygmalion ist eine treffliche Arbeit, soviel Wahrheit und Güte des Gefühls, soviel Treuherzigkeit im Ausdruck. Ich darfs doch noch behalten, es muss allen vorgelesen werden deren Empfindungen ich ehre. Ihr schwäbischer Merck ist ein Biedermann. Unsern Darmstädter hab ich seit ihrem Briefe nicht gesehen. Er ist munter, arbeitet allerley, und hat ietzo Leyseringen. Vielleicht ist der Termin Ihres Stillschweigens vorbey und Sie wissen das alles und mehr. Von Jerusalems Todte schrieb ich nur das pragmatische Resultat meiner Reflecktionen, das war freylich nicht viel. Ich hoffe auf eine umständliche avtentische Nachricht, die ich nun überschicken kann. Sie hat mich so offt innig gerührt als ich sie las, und das gewissenhaffte Detail der Erzählung nimmt[57] ganz hin. Ihr Märgenserzähler ist ein lieber Junge den Gott erhalte, ich wünsche dass sein Herz immer viel gute Sachen zu erzählen haben möge, gut wird er sie uns immer erzählen. Der Herzog von Württemberg bleibt in der Art seines Aufwandes sich immer gleich. Viel Glück dem iungen Helden! wir üben unsre Phantasie wie ihm die Uniform stehen möge. Und ich hoffe mein Andencken ist noch nicht aus Ihren Wohnungen gewichen. Meine Einbildungskrafft verlässt den Augenblick nie, da ich von Ihnen und Ihrer vollkommen[en] Tochter mich trennen musste, und mit Abschiedvollem Herzen die letzte Hand küssen, und sagte vergessen Sie mich nicht. Meine Schwester wünscht und hofft Sie zu kennen, wir leben glücklich zusammen, ihr Karackter hat sich wunderbaar schnell gebildet wie wünscht ich dass sie näher Ihnen wäre. Sie würden für eine Tagreise Ihres Lebens gewiss eine liebe Gefährtin haben. Leben Sie wohl und wenn Sie das Wasser vor Ihren Fenster vorbeyfliessen sehn, so erinnern Sie sich unsrer, wir sehen es niemals hinabfliessen ohne es zu seegnen und uns mitzuwünschen.

Goethe.


Könnten Sie nicht Wielanden wohlmeynend rathen, den Deutschen Merkur monatlich herauszugeben. Dergleichen Schrifften machen keinen Appetit Bändeweis.[58]


2/123.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 26. Januar 1773.]

So seegn euch Gott lieber Kestner wenn ihr auch meiner gedencket, um meintwillen. Ich binn so gewohnt Briefe von euch zu haben dass mirs wohl unfreundlich ist wenn ich von Tische aufstehe und kein Brief da ist.

Lotten sagt: ein gewisses Mädgen hier das ich von Herzen lieb habe und das ich wenn ich zu heurathen hätte gewiß vor allen andern griffe ist auch den 11ten Januar gebohren. Wäre wohl hübsch so zwey Paare. Wer weis was Gottes Wille ist.

Die Philosophie solle sie doch lesen, sagt ihr. Bey Gott sie wird ein ganz andres herrliches Geschöpf werden; werden ihr von den Augen fallen wie Schuppen, Irrthum, Vorurteile pp. Und wird seyn wie der heiligen Götter eine.

Sagt ihr das und gebt ihr das Buch, und wenn sie ein Blatt drinne herabliest so will ich – Carte blanche für das scheuslichste Ragout das der Teufel erfinden mag. Ich glaub Lotte hält mich und euch fürn Narren. Sie – in mitten Carnaval – eine Philosophie. Mach sie sich einen Domino zurecht und lass sie solche Grillen den Reuters – die Gott weis wenn sie alle Gaben hätte, – wie St. Paulus spricht und mit Engel und Menschen[59] Weisheit und Zungen spräche, fehlt ihr die Liebe doch und ist ein tönend Erz und eine klingende Schelle.

Sagt der goldnen Lotte ich würds ihr denken dass sie uns den Streich gespielt.

Nun Adieu. Die Anzeige des Visitations-Wesens kommt nicht in unsre Zeitung. Der Verleger fürchtet es möchte der Teufel dahinte[!] stecken hier ist ein Titel und Register. Und ein Blat. Verwischts nur und die andern auch, ich brauchs nicht.


2/124.


An Johann Christian Kestner

Donnerstags Vormittag.

[Frankfurt, 28. Januar 1773.]

Das waren wunderliche 24 Stunden. Gestern Abend putzt ich meine Freundinnen auf den Ball, ob ich gleich nicht selbst mitging. Der einen hat ich aus der Fülle ihres Reichthums eine Egrette von Juwelen und Federn zusammen gestutzt, und sie herrlich geziert. Und einmal fiel mirs ein wärst du doch bei Lotten und putztest sie so aus. Dann ging ich mit Antoinetten und Nannen auf die Brücke einen Nachtspaziergang. Das Wasser ist sehr gross rauschte stark und die Schiffe alle versammelt in einander, und der liebe trübe Mond ward freundlich gegrüsst, und Antoinette fand das alles paradiesisch schön und alle Leute so glücklich die auf dem Land leben, und auf Schiffen,[60] und unter Gottes Himmel. Ich lass ihr die lieben Träume gern, macht ihr noch mehr dazu wenn ich könnte. Wir gingen nach Hause und übersetzt ihnen Homer, das ietzt gewöhnliche Lieblingslecktüre ist. Die andern waren gefahren zu tanzen.

Heut Nacht weckt mich ein grässlicher Sturm um Mitternacht. Er riss und heulte, da dacht ich an die Schiffe und Antoinetten und lies mir wohl seyn in meinem zivilisirten Bette. Kaum eingeschlafen weckt mich der Trommelschlag und Lärm und Feuerrufen, ich spring ans fenster, und sehe den Schein starck aber weit. Und binn angezogen. und dort. Ein großes weites Haus, das Dach in vollen Flammen. Und das glühende Balkenwerck, Und die fliegenden Funcken, und den Sturm in Glut und Wolken. Es war schweer. Immer herunter brants, und herum. Ich lief zur Grosmutter die dorthin wohnt. sie war im Ausräumen des Silberzeugs. Wir brachten Alle Kostbaarkeiten in Sicherheit und nun warteten wir des Schiksaals Weeg ab. Es dauerte von ein Uhr bis vollen Tag. das Haus mit Seiten und hintergebäuden auch Nachbaars Wercke liegt. Das Feuer ist erstickt, nicht gelöscht. Sie sind ihm nun gewachsen es wird nicht wieder aufkommen. Und so sag ich euch nun geseegnete Mahlzeit. Mit überwachten Sinnen ein wenig als hätt ich getanzt, und andere Bilder in der Immagination. Wie werden meine Tänzer nach Hause kommen seyn? Adieu liebe Lotte, lieber Kestner.[61]


2/125.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 5. Februar 1773.]

Nichts denn gute Nachrichten lieber Kestner. Eure Perrücken sind halsstarrige Köpfe, biss ihnen das Wasser übern Kopf geht. Nun denn zu visitirt, und predige denen Herren ihr guter Geist fleissig über Pred. Sal. C. 7 v. 17. Da wird alles wohl seyn: Nun richtet euch ein Kestner. Zur Hochzeit komm ich nicht, aber nachher solls Leben angehn. Dass Kielmannsegg so glücklich war ist mir von Herzen lieb, und alle die ihm kennen durch mich, glückwüscht ihm von meinetwegen.

Mit euren Brief erhielt ich von Mercken dass er kommt. heute Freytags früh wird er anlangen, und Leuschenring mit, und über das alle Schlittschuh Bahn herrlich, wo ich die Sonne gestern herauf und hinab mit Kreistänzen geehret habe. Und noch andere Süjets der Freude die ich nicht sagen kann. Darüber lasst euch wohl seyn, dass ich fast so glücklich binn als Leute die sich lieben wie ihr, dass eben so viel Hoffnung in mir ist als in liebenden, dass ich sogar Zeit her einige Gedichte gefühlt und was mehr ist dergleichen. Es grüsst euch meine Schwester, es grüsen euch meine Mädgen es grüsen euch meine Götter. Namentlich der schöne Paris hier zu rechten, die goldne Venus dort und der Bote Merkurius, der[62] Freude hat an den schnellen, und mir gestern unter die Füse band seine göttliche Solen die schönen, goldnen, die ihn tragen über das unfruchtbare Meer und die unendliche Erde, mit dem Hauche des Windes. Und so seegnen euch die lieben Dinger im Himmel.


2/126.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 6. Februar 1773.]

Merck ist da lieber Kestner, und grüsst euch und Lotten. Hat das einliegende novum mitgebracht das ich sende. Schafft mir doch die Blätter das Giesser Wochenblatts, da inne der Brief von Zimmermann über seine Unterredung mit dem König steht, es werden die ersten seyn dieses Jahrs. Grüsst lenchen und meine Bubens.


2/127.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 11. Februar 1773.]

hat mich nach so langer Pause euer Brief wohl ergötzt, und ist gut dass alles so ist.

Die Reuters dauern mich und Lotte mit.

Merck ist fort und hat ein neu Papier unter Lottens Gesicht veranstaltet so schön blau wie aus dem Himmel herunter geschienen, ich habe mich gestern lang mit meinem Vater unterhalten das sich[63] endigte: ob denn Kestner sie nicht bald herüber brächte, meynte er, dass man sie auch kennen lernte.

Ich bereite ietzo ein stattlich Stück Arbeit zum Druck. wenns fertig ist, komm ich, es euch vorlesen.

Ehstertage schick ich euch wieder ein ganz abenteuerlich novum.

Das Mädgen grüsst Lotten, im Charackter hat sie viel von Lengen sieht ihr auch gleich sagt meine Schwester nach der Silhouette. Hätten wir einander so lieb wie ihr zwey- ich heisse sie indessen mein liebes Weibgen, denn neulich als sie in Gesellschafft um uns Junggesellen würfelten, fiel ich ihr zu. Sie sollte 17 abwerfen, hatte schon den Muth aufgeben und warf glücklich alle 6. Adieu Alter. Erinnere die Leute fleisig an mich.


2/128.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 22. Februar 1773.]

Ihr werdet tanzen. Wohl seys euch. Alles tanzt um mich herum. Die Darmstädter, hier, überall und ich size auf meiner Warte.

Erinnert Lotten auf den Ball an mich. wo nicht so soll sies euch zur Strafe tuhn. Werdet nicht lau und lass im Schreiben. Kielmansegge alles Gute, Adieu.

G.[64]


2/129.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 25. Februar 1773.]

Es war euch gerathen dass ihr schriebt ich hätte euch bey Lotten verklagt, das ging mir eben auf meiner Warte im Kopf herum.

Ein Paar Tage her binn ich übel dran. Ein Teufelsding wenn man alles in sich selbst sezen muss, und das selbst am Ende manquirt. doch binn ich munter und arbeite fort. An euer Schicksaal und Entfernung mag ich nicht dencken. Ihr hättet mir nichts davon sagen sollen, es tuht mir weh. Fiat voluntas.

Grüsst den Engel und so Gott mit euch.


2/130.


An Johann Daniel Salzmann

Ihre Betrachtung über die Rache heben mir viel Freude gemacht. Ich habe sie so ganz, Ihre Sinnesart und Ton gefunden. Mein Vater hält sie vor allen des Druckens würdig, und ich denke, Sie fahren fort Ihre Gedanken über die merkwürdigsten Gegenstände der Religion und Sittenlehre niederzuschreiben, und geben sie uns dereinst in einem Bändgen. Es war mir als wenn ich mich mit Ihnen selbst unterhielt, und die Klarheit im Ausdruck muß Jedermann einnehmen. Was ich vermißt habe, und gewiß erwartete,[65] weil es so gerade in Ihrem Wege lag, war die Reflexion, daß die Vergebung der Beleidigung, als eine Wohlthat, den Beleidiger verbinden müsse, und also schon direckte der Nutzen hervorspringe; was Christus durch feurige Kohlen aufs Haupt sammeln ausdrückt! Arbeiten Sie ja nichts dergleichen ohne es uns zu kommuniziren.


Die Comödien belangend geht ja alles nach Wunsch, ein Autor der sich rathen läßt ist eine seltene Erscheinung, und die Herren haben auch meist nicht Unrecht, jeder will sie nach seine Art zu denken modeln. Also, lieber Freund, hier keine Critik, sondern nur die Seite von der ich's ansehe. Unser Theater, seit Hanswurst verbannt ist, hat sich aus dem Gottschedianismus noch nicht losreißen können. Wir haben Sittlichkeit und lange Weile; denn an jeux d'esprit, die bei den Franzosen Zoten und Possen ersetzt, haben wir keinen Sinn, unsre Sozietät und Charakter bieten auch keine Modele dazu, also ennuyiren wir uns regelmäßig und willkommen wird jeder seyn, der eine Munterkeit, eine Bewegung auf's Theater bringt. Und ich hoffe von dieser Seite werden diese Lustspiele sehr Beyfall haben. Nur wissen Sie um in honette Gesellschaft zu entriren, bedarfs eines Kleids, zugeschnitten nach dem Sinn des Publikums, dem ich mich produziren will, und über dies Röckgen wollen wir rathschlagen. Zuvörderst keine Singularität ohne Zweck. Das ist was gegen die lateinischen Namen spricht. Die allerunbedeutentsten[!] sind besser. Leander,[66] Leonora sind Geschöpfe mit denen wir schon bekannt sind, wir sehen sie als gute Freunde wieder auftreten. Besonders da übrigens das Costüm neu ist, der König in Preußen vorkommt und der Teufel. Bey Gelegenheit des Teufels muß ich meine Gedanken über's Fluchen und Schwören im Drama sagen. Wenn gemeine Leute streiten, ist die Exposition der Gerechtsame sehr kurz, es geht in's Fluchen, Schimpfen und Schlagen über, und der Vorhang fällt zu. Leute von Sitten werden höchstens in einem Anfall von Leidenschaft in einen Fluch ausbrechen, und das sind die beiden Arten die ich dem Drama vergönnen möchte, doch nur als Gewürz, und daß sie nothwendig stehen müssen und sie niemand herausnehmen könnte ohne dem Ausdruck zu schaden. Nun aber die Art von Beteurungsflüchen möchte ich vom Theater ganz verbannen. Im gemeinen Leben sind sie schon lästig und zeugen von einer leeren Seele, wie alle Gewohnheitsworte, und im Drama mag es gar leicht für einen Mangel der dialogischen Verbindungsfähigkeit angesehen werden. Auch hat der Uebersetzter sie oft hingestellt wo Plautus gar nichts hat. Und das hercle kann ich für nichts als unser wahrhaftig nehmen. Sie werden diese Anmerkungen sehr wunderlich finden wenn Sie in meinem Berlichingen auf manchen Schimpf und Fluch treffen werden, davon ich jetzt nicht Rechenschaft geben kann. Vielleicht auch werden Sie mir um desto eher recht geben, da Sie[67] sehen es ist nicht eckles Gefühl, sondern nur relative Besorgniß um die Aufnahme dieser Stücke.

Das wäre nun also wie Sie sehen sehr weitläufig von Nebensachen gehandelt, und so gut als nichts gesagt. Hier will ich auch nur die Präliminarien unsrer künftigen Rathschlagungen eröfnen. Denn was die innere Ausführung betrifft, wie ich wünsche daß er an einigen Stellen dem Plautus wieder näher, bei andern noch weiter von ihm abrücken möchte, wie der Sprache, dem Ausdruck, dem Ganzen der Scenen an Rundheim nachgeholfen werden könnte; darüber möchte ich mich in kein Detail einlassen. Der Verfasser muß das selbst fühlen, und wenn er mir seine Gedanken über das Ganze mitzutheilen beliebt, will ich auch die meinigen sagen; denn ohne das würd ich in Wind schreiben. Was ihm alsdann an meiner Vorstellungsart beliebt, daß er's in sein Gefühl übertragen kann, und ob er nach einem neu bearbeiteten Gefühl wieder den Muth hat, hier und da umzuarbeiten, das muß der Ausgang lehren. Ich hasse alle Spezialkritik von Stellen und Worten. Ein Kopf, daraus es kam, also ein Ganzes und konsistent in sich, wenn der Arbeiter nur einigermaßen Original ist. Ich kann leiden, wenn meine Freunde eine Arbeit von mir zu Feuer verdammen, umgegossen oder verbrannt zu werden; aber sie sollen mir keine Worte rücken, keine Buchstaben versetzen. Nur müssen wir bedenken, daß wir diesmal mit dem Publikum zu thun haben, und besonders[68] alles anwenden müssen den Direktors der Truppen das Ding anschaulich und gefällig zu machen, welches vorzüglich durch ein äußerlich honnettes Kleid geschieht. Denn gespielt machen sie ihr Glück. Nimmt man aber lebendige Stimmen, Theaterglanz, Carikatur, Aktion und die Herrlichkeit weg, verlieren sie gar viel; selbst im Original versetzten uns wenig Scenen in's gemeine Leben; man sieht überall die Frazzen – Masquen mit denen sie gespielt wurden.

So leben Sie denn wohl und antworten Sie bald, so lang das Eisen glüht muß zugeschmiedet seyn, und wenn wir's bald zu Stande bringen, machen wir uns an was neues. Wär ich nur einen halben Tag unter Ihnen, es sollte mehr ausgemacht werden, als mit allen Episteln. Unterdessen ist's auch eine Wohlthat in der Ferne einander umfassen und zu lieben wie ich Sie, und es einander sagen zu können.

[Frankfurt] den 6. Merz 73.

Goethe.


2/131.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 15. März 1773.]

Danck euch lieber Kestner für eure Nachrichten und alles. Hier liegt ein Brief bey an Hansen der mir von acht zu acht Tagen schreiben soll wies euch im teutschen Haus geht, denn ihr seyd in einem Zustande in dem man keine Blumen pflückt, doch kann ich ihrer[69] nicht entbehren, und muß auch eine Connexion anspinnen mit dem teutschen Haus wenn ihr werdet den Mittelstein geraubt haben aus dem Ringe. Denn um ihrentwillen wird ich sie alle lieben mein lebenlang. und ihre Gesichter werden mir alle seyn wie die Erscheinung der Götter.

Adieu, wies mit euch ietzt kracht nach Weise des landenden Kahns so stürmts und krachts in der Flotte in der ich diene. Mein eigen Schiff kümmert mich am wenigsten. Gegen das Frühjahr und Sommer hangen mancherley Schicksaale über meine liebsten. Und ich verderbe die Zeit, welches denn auch eine Kunst ist. Adieu.


2/132.


An Hans Buff

[Frankfurt, 15. März 1773.]

Vielgeliebter Herr Hans.

Ihr Brief an die liebe Schwester hat mich so ergötzt, dass ich nicht länger mich halten kann an Sie zu schreiben, und Sie zu bitten mir wenigstens wöchentlich einmal Nachrichten von Ihrem Haus und Hof und was drinnen vorgeht zu geben.

Ich bitte Sie darum bey unsrer alten Freundschaft die auch vor die Zukunft dauerhaft bleiben wird. Sie wissen wie lieb und herzlich mir alles ist was aus dem teutschen Haus kommt, Sie haben mich eine gute Zeit so nahe gehabt als einen Vetter und näher[70] vielleicht. Drum, wie ich sage, lieber Hans schreiben Sie mir die Woche gewiß einmal was passirt, damit ich auch wisse wie meine Kleinen sich aufführen. Die Sie alle recht herzlich grüßen werden. Und empfehlen Sie mich Carlingen und Lengen und Lotten wenn sie wieder kommt viel hundert mal.

Der Ihrige

Goethe.


2/133.


An Johanna Fahlmer

[Frankfurt, März 1773.]

Einen Morgengruss hat Ihnen die liebe Sonne schon gegeben, der besser ist denn meiner. Doch ist auch der nicht zu verachten. Grüsse Sie also und schicke Worte und Wackefield und Was mehr ist – Wörterbuch. Wo Sie Bedeutung und Aussprache nach selbst beliebigem Gefallen forschen und finden können. Und dieses geschieht weil es scheinen will als ob Sie noch einige Tage an mir einen unfleissigen lehrmeister haben würden. Denn ich befinde mich in einem Stand von Perturbation in dem es den Seelen, sagen sie, nicht vorteilhafft ist aus der Welt zu gehen. Demohngeachtet, da sich nichts verdrüssliches noch ängstliches einmischt, binn ich dessen wohl zufrieden. Mögen Sie das auch seyn, und an dem so lieblich vorbey fliessenden Wasser nicht allzu lebhafft empfinden wie schön das wäre, wenn Sie geleitet von Frülingssonn[71] und Lufft dahinab seegelten zur Freude und Wonne der Auserwählten, dazu uns Gott allen Gnädiglich verhelfen wolle. Amen.


2/134.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, März 1773.]

Es ist höchst abscheulich und unartig von euch, mir die Comission von den Ringen nicht aufzutragen. Als wenns nicht natürlich wäre dass ich sie doch übernehmen müsste. Und trutz euch und des Teufels der euch eingab das zu vertragen will ich sie bestellen und sorgen dass sie schön werden wie Kronen der Auserwehlten. Adieu. Und eurem Engel nichts von mir. Hans ist brav, danckt ihm. Adieu.


2/135.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, Ende März 1773.]

Dass ihrs nicht schon acht Tage habt die Ringe ist meine Schuld nicht, hier sind sie und sie sollen euch gefallen. Wenigstens binn ich mit zufrieden. Es sind die zweyten. heut vor acht tage schickt mir der Kerl ein Paar so gehudelt und gesudelt. Marsch, er soll neue machen, und die sind denck ich gut. Lasst nun das die ersten Glieder zur Kette der Glückseeligkeit seyn die euch an die Erde wie an ein Paradies anbinden sollen, ich binn der eurige, aber von nun an[72] gar nicht neugierig euch zu sehn noch Lotten. Auch wird ihre Silhouette auf den ersten Ostertag, wird hoffentlich seyn euer Hochzeittag, oder wohl gar schon übermorgen, aus meiner Stube geschafft und nicht eher wieder hereingehängt biss ich höre daß sie in den Wochen liegt dann geht eine neue Epoche an und ich habe sie nicht mehr lieb sondern ihre Kinder, zwar ein bissgen um ihrentwillen, doch das tuht nichts und wenn ihr mich zu Gevatter bittet so soll mein Geist zwiefältig auf dem Knaben ruhen, und er soll gar zum Narren werden über Mädgen die seiner Mutter gleichen.

Gott Hymen findet sich durch einen schönen Zufall auf meinem Revers.

So seyd denn glücklich und geht. Nach Franckfurt kommt ihr doch nicht, das ist mir lieb, wenn ihr kämt so ging ich. Nach Hannover also und Adieu. Ich habe Lottens Ring eingesiegelt, wie ihrs hiest. Adieu.


2/136.


An Charlotte Buff

[Frankfurt, Ende März 1773]

Möge mein Andenken immer so bey Ihnen seyn wie dieser Ring, in Ihrer Glückseeligkeit. Liebe Lotte, nach viel Zeit wollen wir uns wiedersehn, Sie den Ring am Finger, und mich noch immer, für Sie

Da weis ich keinen Nahmen, keinen Beynahmen.

Sie kennen mich ja.[73]


2/138.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, zwischen 4. und 9. April 1773.]

Gott seegn euch denn ihr habt mich überrascht. Auf den Charfreytag wollt ich heilig Grab machen und Lottens Sillhouette begraben. So hängt sie noch und soll denn auch hängen biss ich sterbe. Lebt wohl. Grüsst mir euern Engel und Lengen sie soll die zweyte Lotte werden, und es soll ihr eben so wohl[74] gehen. Ich wandre in Wüsten da kein Wasser ist, meine Haare sind mir Schatten und mein Blut mein Brunnen. Und euer Schiff doch mit bunten flaggen und Jauchzen zuerst im Hafen freut mich. Ich gehe nicht in die Schweiz. Und unter und über Gottes Himmel binn ich euer Freund und Lottens.[75]


2/137.


An Johanna Fahlmer

[Frankfurt, Charfreitag, 9. April 1773.]

Einen so hohen heiligen Morgen haben wir noch dies Jahr nicht erlebt. Wie ich ans Fenster sprang und die Vöglein hörte und den Mandelbaum blühen sah und die Hecken alle grün unter dem herrlichen Himmel, konnt ich Ihnen liebe Tante liebe Nichte, länger nicht vorenthalten, warmer Jugend gute Frühlings Empfindungen, daran Sie Sich denn erbauen werden, an dem heiligen Leben, mehr als am heiligen Grabe, hoff ich. Daß Sie gestern nicht mit mir gingen, mögen Sie sich selbst verzeihen. Gott geb uns mehr solche Tage als den heutigen und bewahr uns vor Reifenröcken, Triset, Reversino und allem Zähnklappen. Addio.[74]


2/139.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 10. April 1773.]

Da tuht ihr wohl Kestner dass ihr mich beym Wort nehmt! O den trefflichen Menschen! »Ihr wollt ia nichts mehr von uns wissen.« Gar schön! Ich wollte freylich nichts von euch wissen, weil ich wusste ihr würdet mir nicht schreiben mögen. Sonst feiner Herre war der Tag eurem Fürsten, der Abend eurer Lotte, und die Nacht für mich und meinen Bruder Schlaff. Die Nacht fliesst nun in den Abend und der arme Goethe behilft sich wie immer. Es stünde euch wohl zu Gesichte – Doch das will ich nicht sagen, ich würde zum Teufel geben, wenn ich euch erst darauf bringen sollte. Also Hr. Kestner und Madame Kestner Gute Nacht.

Ich würde auch hier geschlossen haben wenn ich was bessers im Bett erwartete als meinen lieben Bruder. Sieh doch mein Bett da, so steril stehts wie ein Sandfeld. Und ich habe heut einen Schönen[75] Tag gehabt So schön dass mir Arbeit und Freude und Sterben und Geniessen zusammen flossen. Dass auch am schönen hohen Sternen Abend ganz mein Herz voll war von wunderbaren Augenblick da ich zu'n Füßen eurer an Lottens Garnirung spielte, und ach mit einem Herzen, das auch das nicht mehr genießen sollte, von drüben sprach, und nicht die Wolcken, nur die Berge meinte. Von der Lotte wegzugehn. Ich begreifs noch nicht wies möglich war. Denn seht nur seid kein Stock. Wer nun, oder vorher, oder nachher zu euch sagte geht weg von Lotten – Nun was würdet ihr –? Das ist keine Frage – Nun ich bin auch kein Stock, und binn gangen, und sagt ists Heldentaht oder was. Ich binn mit mir zufrieden und nicht. Es kostete mich wenig, und doch begreif ich nicht wies möglich war. – da liegt der Haas im Pfeffer. –

Wir redeten wies drüben aussäh über den Wolcken, das weis ich zwar nicht, das weis ich aber, dass unser Herr Gott ein sehr kaltblütiger Mann seyn muss der euch die Lotte lässt. Wenn ich sterbe und habe droben was zu sagen ich hohl sie auch warrlich. Drum betet fein für mein Leben und Gesundheit, Waden und Bauch pp. und sterb ich so versöhnt meine Seele mit Trähnen, Opfer, und dergleichen sonst Kestner siehts schief aus.

Ich weis nicht warum ich Narr so viel schreibe. eben um die Zeit da ihr bey eurer Lotte gewiß nicht[76] an mich denkt. doch bescheid ich mich gern nach dem Gesetz der Antipatie. Da wir die Liebenden fliehen, und die Fliehenden lieben.


2/140.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 11. April 1773.]

Den Brief von gestern Abend hab ich gleich zugemacht. also auf euer Pro Memoria.

1) Die Zugaben tähtet ihr wohl den Arsch dran zu wischen. Wenn ihr die Zeitung wollt binden lassen was soll das Sauzeug Reichswesen dabey. es war express so eingerichtet daß man sie wegschmeissen sollt. Auch wird der band zu dick. Doch will ich fragen nach den Nummern.

2) Will der Herr v. Hille einen Merkur für sich allein? und wie stehts mit Falcken, nimmt der jetzo das Exemplar allein was ihr mit theilen wolltet?

3) Die Plays sind in meinen Händen. Heute ists so ein schöner tag dass ich möchte mit euch spazieren gehen. Adieu grüsst Hansen.


2/141.


An Hans Buff

[Frankfurt, April 1773.]

Lieber Herr Hans. Ich danke von Herzen für Ihr Andencken, werden Sie nicht müde mit zu schreiben.[77] Ich binn manchmal sehr allein, und so ein lieb Brieflein freut mich sehr. Gott vergelts wenn ichs gleich nicht kann, und mache Sie gros und starck und so glücklich als Sie brav sind.

Goethe.


2/142.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 14. April 1773.]

Mittwochs. Ich habe Annchen gestern verfehlt, und will jetzo hingehen, ich fürchtet halb ihr mögtets seyn und mich anführen. denn ich geh morgen nach Darmstadt und da wär überall leid gewesen. Eure Plays kriegt Anngen mit. Auch an Hansen ein Paquet. Ich habe nach den Pränumerations Schein auf die Biblischen Kupfer, ich will ihn behalten, und wenn sie herauskommen disponirt drüber. Anngen bringt euch auch f. 2: 30 K. von der Caroline wieder. Der grose kostete einen Duckaten, der kleine 3f. 30. Auch euren Ring. Lottens granatring will ich behalten ich hab ihr ihn so Tausendmal am Finger gesehn und am Finger geküsst es soll unter meinen Bijous liegen biss ich ein Mädgen habe die soll ihn tragen. Grüsst mir euern Engel und Lengen lieb, und schreibt wegen des Merkurs an meine Schwester Die euch grüsst.

[78] Anngen ist lieb und brav, hat mir Lottens Brautstraus mitgebracht wohl conservirt, und ich hab ihn heut vorstecken. Ich höre Lotte soll noch schöner lieber und besser seyn als sonst, und dass ihr nicht mit kommen seyd, ist auf alle Art nicht hübsch. Grüsst mir Lengen und ihre Freundinn Dorthel, Anne hat mir alles erzählt, wie sie beysammen schlafen, und in alles nur nicht in die Liebhaber theilen, wie der quasi Hofrath fortfährt ein Esel zu seyn pp. Alles erzählt und ich mich ergötze zu hören von euch, gleich wie ich Johannistrauben zu pflücken und Deutschen zu schütteln mir ehedessen wünschte heute morgen übermorgen und mein ganzes Leben. Grüßt Schneidern wenn er mein denckt, und Kielmannsegg. Poccocelli hat mir gestern in der Messe einen Grus von ihm bracht. Wir haben einen Teufels Reuter hier, und Comödien und Schatten und Puppenspiel, das könnt ihr Lotte sagen hätt ich ihr all gewiesen wenn sie kommen wäre, nun aber – wärs auch gut – Schattenspiel Puppenspiel.


2/143.


An Hans Buff

[Frankfurt, April 1773.]

Hier schick ich mein lieber Hr. Hans, aus der Messe was. Wird hoffentlich zu West und Hose reichen, sollt was abgehn schreiben Sie ohne Umstände. Wenn Sie es anheben und herumspringen, auf die Jagd[79] gehen, oder sonst lustig sind, so gedenken Sie meiner. Küssen Sie Lotten die Hand und Lenchen von mir, und die Kleinen viel hundertmal von Ihrem Freunde

Goethe.


2/144.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 14.? April 1773.]

Nun will ich nichts weiter lieber Kestner, das wars was ich wünschte, was ich nicht verlangen wollte, denn den Geschencken der Liebe giebt die Freywilligkeit all den Werth, solltet mir aus dem Schoose eures Glücks an der Seite von Eurer Lotte, die ich euch, vor tausend andern gönne, wie all das Gute was mir die Götter versagen. Aber dass ihr, weil euch das Glück die Karten gemischt hat, mir der Spadille stecht, mir ein höhnisch gesicht zieht, und euch zu euerm Weibe legt find ich unartig, ihr sollt euch darüber bey Lotten verklagen und sie mag entscheiden. Mich einen Neider und Nexer zu heissen, und dergleichen mehr, das ist all nur seit ihr verheurathet seyd. Meine Grillen lieber müssen nun so drein gehn. Ich war mit Anngen in der Comödie. Es ist gut dass ich morgen nach Darmstadt gehe, ich verliebte mich warrlich in sie. Ihre Gegenwart hat alles Andencken an euch wieder aufbrausen gemacht, mein ganzes Leben unter euch, ich wollt alles erzählen biss auf die Kleider und Stellungen so lebhaft, sie mag[80] euch sagen was sie kann. O Kestner, wenn hab ich euch Lotten missgönnt im menschlichen Sinn, denn um sie euch nicht zu missgönnen im heiligen Sinn, müsst ich ein Engel seyn ohne Lung und Leber. Doch muß ich euch ein Geheimniss entdecken. Dass ihr erkennet und schauet. Wie ich mich an Lotten attachirte und das war ich wie ihr wisst von Herzen, redete Born mit mir davon, wie man spricht. »Wenn ich Kestner wäre, mir gefiels nicht. Worauf kann das hinausgehn? Du spannst sie ihm wohl gar ab?« und dergleichen. Da sagt ich ihm, Mit diesen Worten in seiner Stube, es war des Morgens: »Ich binn nun der Narr das Mädchen für was besonders zu halten, betrügt sie mich, und wäre so wie ordinair, und hätte den Kestner zum Fond ihrer Handlung um desto sicherer mit ihren Reizen zu wuchern, der erste Augenblick der mir das entdeckte, der erste der sie mir näher brächte, wäre der letzte unsrer Bekanntschaft,« und das beteuert ich und schwur. Und unter uns ohne Pralerey ich verstehe mich einigermassen auf die Mädgen, und ihr wißt wie ich geblieben binn, und bleibe für Sie und alles was sie gesehen angerührt und wo sie gewesen ist, biss an der Welt Ende. Und nun seht wie fern ich neidisch binn und es seyn muß, und das sag ich euch, wenn ihr euch einfallen lasst eifersüchtig zu werden so halt ich mirs aus mit den treffensten Zügen auf die Bühne zubringen und Juden und Christen sollen über euch lachen. Denn entweder ich binn ein Narr, das schwer zu glauben fällt, oder sie ist die feinste Betrügerinn, oder denn – Lotte, eben die Lotte von der die Rede ist. –

[81] Ich gehe morgen zu Fuß nach Darmstadt und hab auf meinem Hut die Reste ihres Brautstrausses. Adieu. Es tuht mir leid von Anngen zu gehen, was würds von euch seyn es ist besser so, nur dass ich ihr Portrait nicht gemacht habe, ärgert mich. Aber es ist in Herz und Sinn lebendig. Adieu. Ich habe nichts als ein Herz voll Wünsche. Gute Nacht Lotte. Anngen sagte heut ich hätte den Namen Lotte immer so schön ausgesprochen. Ausgesprochen! Dachte ich!


2/145.


An Johann Christian Kestner

Darmstadt. [21. April 1773.]

Danck euch Kestner für eure zwey liebe Briefe lieb wie alles was von euch kommt, und besonders jetzt. Der Todt einer teuer geliebten Freundinn ist noch um mich. Heut früh ward sie begraben und ich binn immer an ihrem Grabe, und verweile, da noch meines Lebens Hauch und Wärme hinzugeben, und eine Stimme zu seyn aus dem Steine dem Zukünftigen. Aber ach auch ist mir verboten einen Stein zu sezen ihrem Andencken, und mich verdriesst dass ich nicht streiten mag mit dem Gewäsch und Geträtsch.

Lieber Kestner, der du hast lebens in deinem Arm ein Füllhorn, lasse dir Gott dich freuen. Meine arme Existenz starrt zum öden Fels. Diesen Sommer[82] geht alles. Merck mit dem Hofe nach Berlin, sein Weib in die Schweiz, meine Schwester, die Flachsland, ihr alles. Und ich binn allein. Wenn ich kein Weib neheme oder mich erhänge, so sagt ich habe das Leben recht lieb, oder was, das mir mehr Ehre macht, wenn ihr wollt Adieu. Eurem Engeltausend Grüsse.


2/146.


An Johann Christian Kestner

Darmstadt. Sonntag. [25. April 1773.]

Lieber Kestner ihr wisst mein Leben läßt sich nie detailliren und vielleicht heute weniger als jemals, heut wars ein Gewirre, ein recht toll und wunderbaar Leben. Sonntag! Wie ruhig werdet ihr bei Lotten gesessen haben.

In 14 Tagen sind wir all auseinander, und es geht so in Hurry dass ich nicht weiss wo mir der Kopf steht, einem noch Hoffnung noch Furcht ist. Gott verzeihs den Götter die so mit uns spielen. Auf dem Grabe – Ich will nicht davon wissen will alles vergessen. Vergesst alles in Lottens Armen, und dann arbeitet euer Tagewerk. Genießt der Sonne, und wie ich euch liebe sey euch gegenwärtig in Stunden der Ruh.

Ich habe Hansens Brief kriegt und euer Nachschreiben. Sagt ihm er soll mehr ins Detail gehen. Er denkt nur er müsste Merkwürdigkeiten schreiben, ist nicht alles dorther merkwürdig?[83]


[84] 2/149.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, etwa 8. Mai 1773.]

Merck ist nun fort und Herder erwart ich und ihr geht auch. Adieu lieben alle. Der Wieland ist ein besserer Scribler als besorger, Ich habe noch keine Merkurs das ärgert mich verflucht. Falkens Manuscript, die euch fehlenden Anhänge alles sollt ihr haben. Wolltet ihr mir wohl ein Päckgen an Boje mitnehmen, wenn ihr auch nicht durch Göttingen Geht. Gott geleit euch. mein Guter Geist hat mir ein Herz gegeben auch das alles zu tragen. Ich binn gelassener als iemals.[85]


2/147.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 4. Mai 1773.]

Lieber Kestner ich binn wieder in Frankfurt und Gott sey Danck, wir haben wunderbare Scenen gehabt und bald wird alles ausgerauscht haben.

Wie lebt ihr und wie lang bleibt ihr noch?

Die Flachsland ist verheurathet, an Herdern. Wißt ihr schon was davon. Vorgestern war ich gegenwärtig der Trauung und gestern ging ich herüber.

Den Merkur in duplo schick ich euch, sorgt doch noch das ich das geld kriege. Die zwey machen just 9 F.

Adieu lieber küßt Lotten von meinetwegen auch einmal. Adieu.


2/148.


An Ludwig Julius Friedrich Höpfner

Ich dancke Ihnen lieber Höpfner für die Gestellgen. Die Freude die ich an den Köpfen habe, wird jetzo ganz, da sie auf meinem Tische eben so stehn als auf Ihrem Pult, da ich das erstemal hineintrat. Glauben Sie dass mir Ihre Güte und Liebe unvergesslich ist. Merck ist gestern hier durch, es thut mir weh ihn so lang zu missen. Unsre Hrn. Erfurter hätten wohl zeit gehabt, und auf Ostern hätten Sie kommen sollen. es war eine wunderbaare zusammentreffung der Gestirne,[84] ob Sie sich ganz behagt hätten weis ich nicht, wenigstens waren wir alle nicht wie wir sollten. So viel Planeten in einem Zeichen thut nicht gut, und kommt denn noch ein Gegenschein dazu, so weis kein Mensch vor böser Witterung wo er den Kopf hintuhn soll. Ihren Spinoza hat mir Merck geben. Ich darf ihn doch ein wenig behalten? Ich will nur sehn wie weit ich dem Menschen in seinen Schachten und Erdgängen nachkomme. Sie wissen doch dass Herder noch in Darmstadt und an unsre Flachsland verheurathet ist. Leben Sie wohl und gedencken Sie meiner in liebe. [Frankfurt] am 7. Mai 1773.

Goethe.[85]


2/150.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, Mai 1773.]

Ich hatte gleich auf eure Nachricht Kielmansegge sey hier in die meisten Wirthshäusser geschickt, konnt ihn aber nicht erfragen. Nun sagt mir Pokkozelli er sey wieder fort, und habe gehört ich sey nicht hier. Sagt ihm er hätte nicht so fort gehen sollen, ich war Montags schon wieder hier als er Mittwoch wegging, und ich hatte eben um die Zeit an ihn gedacht, und gewünscht mit ihm zu seyn. Sagt ihm, von unserm Nachdruck Ossians ist Fingal, ausmachend den ersten Teil fertig, kostet 36 Kr., wenn er ihn will, schick ich ihn mit dem übrigen und bitte mir meinen Ossian zurück. Ich weis nicht ob ich euch schon im vorigen Briefe gebeten habe was an Boje mit zu nehmen. bestimmt mir noch die Zeit wenn ihr geht. Wie stehts euerm Engel. Ich habe ein großes Commerz mit ihr. Ihre Silhouette ist mit Nadeln an die Wand befestigt und ich verliere meist alle Nadeln und wenn ich beim anziehen eine brauche, borg ich meist eine von Lotten, und frage auch erst um Erlaubniß pp.

Etwas verdrüsst mich. In Wetzlar hatte ich ein Gedicht gemacht, das von Rechtswegen Niemand besser verstehen sollte als ihr. Ich möchte es euch so gern schicken, hab aber keine Abschrift mehr davon. Boie[86] hat eine durch Mercken, und ich glaube, es wird in den Musenalmanach kommen. es ist überschrieben der Wandrer und fängt an: Gott seegne dich iunge Frau. Ihr würdets auch ohne das gleich gekannt haben.

So weit dann lieber Kestner. Lotte weis wie lieb ich sie habe. Adieu.

G.


2/151.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, Mai? 1773.]

Ich hab allerley tentirt, aber der Metz blieb steif und fest drauf. Endlich lies er die Xr. Da sind die Conti.

Der Merkur kommt auf den Freytag und das Päckel an Boie.

Seegnen alle gute Geister eure Reise. Ich binn beschäfftigt genug und vergnügt. Meine Einsamkeit bekommt mir wohl. Wie langs währt. Adieu liebe Lotte nun einmal in rechten Ernst Adieu.


2/152.


An Sophie von La Roche

Ich schreibe Ihnen diesmal nur in Handlungs Speditions Sachen, Merck und Comp. Hier sind zwölf Exemplare Ossian. Das eine der geheffteten bittet er Sie anzunehmen.

Leysering wird Ihnen wunderbaare Geschichten[87] erzählen, und auch ich habe Ihnen viel zu sagen; so balds ruhig um mich ist, wird mir's aller Trost seyn Ihnen schreiben zu können. Wie ich mich auch mit der Hoffnung nähre Sie noch diesen Sommer zu sehn. Denn ich binn allein, allein, und wird es täglich mehr. Und doch wollt ichs tragen, dass Seelen die für einander geschaffen sind, sich so selten finden, und meist getrennt werden. Aber dass sie in den Augenblicken der glücklichsten Vereinigung sich eben am meisten verkennen! das ist ein trauriges Rätzel. Erneuen Sie mein Andencken unter den Ihrigen, mit denen Sie so glücklich leben, und in den Herzen Ihres teuern Abwesenden. Geschrieben Franckfurt am 12. May 1773.

Goethe.


2/153.


An Christian Gottfried Hermann

Dieser Brief mag Sie überzeugen, lieber Assessor, daß Ihr Andenken noch in eben der Empfindung bei mir ist, als zur Zeit, da ich nach ein Paar Tage Raschwitzer Abwesenheit wieder in Ihr Zimmer trat und Ihnen einen guten tag bot.

So biet ich Ihnen nun einen guten tag, und trage die Angelegenheit vor, die mir am Herzen liegt.

Der Verleger der hiesigen Zeitung, gelehrten, versteht sich, kriegt über eine Götzische Recension nicht sowohl mit Götzen, als mit dem hiesigen Rath Händel,[88] er ward in 20 Thaler Strafe verdammt, und verlangte transmissionem in vim revisionis. Vielleicht kennen Sie die Sache schon aus den gedruckten Ackten, die in Leipzig bekannt sein müssen. Nun erfährt er, daß die Sache an die Leipziger Facultät gelangt ist, und daß sie willens sey, die Strafe zu vergrößern. Er bat mich flehentlich, ob ich niemanden kennte, der Einfluß hätte; ich kenne niemanden als Sie. Und nun ist die Frage, ob Sie in einer solchen Connexion mit den Facultisten stehn, daß Sie können, und ob Sie ferner so viel allgemeine Menschenliebe haben, daß Sie mögen. Sie sehen, die Entscheidung liegt in mero arbitrio, und also in der Art, wie sie sich dem Richter vorstellt. Es ist hier die Frage von keinem Recht. Wie Sie gar leicht sehen könnten, wenn Sie die Ackten ohnschwer lesen wollten. Also mein lieber, ein gut Wort, einem armen Teufel hundert Thaler zu schonen. Oder wenn Sie Sich nicht verwenden können, wissen Sie vielleicht einen Weg, und seyn Sie so gut uns den zu zeigen.

In wenigen Wochen kriegen Sie ein Stück Arbeit von mir, das wo Gott will Sie erfreuen soll. Dem lieben Oeser tausend Empfehlungen. Ich hoffe ein Freund von mir Merck aus Darmstadt hat ihn gesprochen; fragen Sie ihn doch darum. Und lieben Sie mich und schreiben Sie bald. Geschrieben Franckfurt am 15. May 1773.

Goethe.[89]


2/154.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, Mai 1773.]

Ich habe, lieber Kestner im letzten Pack vergessen euch die Anhänge zu schicken. Nr. 6 ist nie gedruckt worden aus Versehen. Lebt wohl und liebt mich und schreibt mir wies euch geht unterwegs und euerm Engel. Adieu Falckens Manuscript schick ich euch nach, Entschuldigt mich doch.


2/155.


An Hans Buff

[Frankfurt, Mai 1773.]

Lotte ist nun fort, und ich nehme so viel teil dran dass sie weg ist als eins vom Hause. Aber ohngeachtet dessen lieber Hans wollen wir nicht aufhören einander zu schreiben. Sie hören doch immer eher etwas von unsrer Lotte und das melden Sie mir treulich. Grüsen Sie mir das liebe Lengen und sagen Sie ihr, da nun Lotte weg sey und sie die zweyte Lotte sey für euch, so seys sies auch für mich, und ich sehne mich sie zu sehn, wenns möglich ist, so komm ich den Sommer. Adieu lieber Hans. Empfehlen Sie mich dem Papa. Und grüssen mir die Jungens.

Wenn Schwester Caroline sich meiner erinnert so küssen Sie ihr die Hand, und Sophien und Amalgen ein paar Mäulger von mir.

G.[90]


2/156.


An Hans Buff

[Frankfurt, 16. Juni 1773.]

Ich danke ihm lieber Hans für den braven Brief. Schicke er innliegenden Hrn. Kestner grüss er den Papa und alle. Und behalt er mich lieb.

Goethe.


2/157.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, Juni 1773.]

Euer Brief hat mich ergözt, ich wusste durch Hansen schon manches von euch. Heute Nacht hat mirs von Lotten wunderlich geträumt. Ich führte sie am Arm durch die Allee, und alle Leute blieben stehn und sahn sie an, Ich kann noch einige nennen die stehen blieben und uns nachsahen. Auf einmal zog eine Calesche über und die Leute waren sehr betreten. (Das kommt von Hansens Briefe der mir die Geschichte von Minden schrieb.) Ich bat sie sie mögte sie doch zurückschlagen das that sie. Und sah mich an mit den Augen, ihr wisst ja wies einem ist wenn sie einen ansieht. Wir gingen geschwind. Die Leute sahen wie vorher. O Lotte sagt ich zu ihr, Lotte, dass sie nur nicht erfahren dass du eines andern Frau bist. Wir kamen zu einem Tanzplaz pp.

Und so träume ich denn und gängle durchs Leben, führe garstige Prozesse schreibe Dramata, und Romanen[91] und dergleichen. Zeichne und poussire und treibe es so geschwind es gehen will. Und ihr seyd geseegnet wie der Mann der den Herren fürchtet. Von mir sagen die Leute der Fluch Cains läge auf mir. Keinen Bruder hab ich erschlagen! Und ich dencke die Leute sind Narren. Da hast du lieber Kestner ein Stück Arbeit, das lies deinem Weiblein vor, wenn ihr euch sammelt in Gott und euch und die Tühren zuschließt. NB. Die Frau Archivarius (ich hoffe das ist der rechte Titel) wird hoffentlich ihr blaugestrieftes Nachtjäckgen nicht etwa aus leidigem Hochmuth zurückgelassen, oder es einer kleinen Schwester geschenckt haben, es sollte mich sehr verdriessen, denn es scheint ich habe es fast lieber als sie selbst, wenigstens erscheint mir oft das Jäckgen wenn ihre Gesichtszüge sich aus dem Nebel der Imagination nicht losmachen können.


2/158.


An Hans Buff

[Frankfurt, Juni 1773.]

Ich habe, lieber Hans, allerley Angelegenheiten warum ich ihm schreiben Muss. Erstlich zu fragen wies bey euch aussieht? Ich habe so lang aus dem teutschen Haus nichts gehört.

Und hernach Commissionen, wenn er die Recht ausrichtet so soll er einmal Agent von Churfürsten, Fürsten und Ständen des Reichs werden.

[92] Erstlich bestellt er den Brief an Kestner, wie den Vorigen.

2tens ist er so gut zum Hrn. Hofrath Sachs zu gehen, und zu sagen: »Hier sey ein Brief an Hrn. Von Kielmansegg. Ob sie wohl so gütig seyn wollten ihn zu bestellen. Der Hr. Baron habe mir geschrieben ich soll meine Briefe an Hrn. Hofrath adressiren.«

Drittens. Fragt er den Hrn. von Hille ob er habe einen ersten Theil des teutschen Merkurs durch Hrn. Kestner bekommen, hat er ihm bekommen so lass ich ihn um die halbe Louisd'or bitten, und will den zweyten Theil gleich mit der fahrenden Post nach Wetzlar schicken.

Viertens fragt er den Papa ob er ein neues Schauspiel Götz von Berlichingen gelesen habe?

Fünftens grüßt er mir alle im teutschen Haus, Lengen und Carolingen und Dortelgen und Anngen und fragt sie ob sie sich mein noch erinnern in Ehre und Liebe. Und die Kleinen grüss er alle von mir, und schreibe er mir bald.

Goethe.


2/159.


An Friedrich Wilhelm Gotter

[Frankfurt, Juni? 1773.]

Schicke Dir hier den alten Götzen,

Magst ihn nun zu Deinen Heiligen setzen,

[93] Oder magst ihn in die Zahl

Der Ungeblätterten stellen zumal.

Hab's geschrieben in guter Zeit,

Tags, Abends und Nachts Herrlichkeit,

Und find' nicht halb die Freude mehr,

Da nun gedruckt ist ein ganzes Heer.

Find', daß es wie mit den Kindern ist,

Bei denen doch immer die schönste Frist

Bleibt, wenn man in der schönen Nacht

Sie hat der Lieben Frau gemacht;

Das andre geht dann seinen Gang

Mit Rechnen, Wehen, Tauf' und Sang.

Mögt Euch nun auch ergötzen dran,

So habt Ihr doppelt wohlgethan.

Läss'st, wie ich höre, auch allda

Agiren, tragiren Komödia

Vor Stadt und Land, vor Hof und Herrn,

Die säh'n das Trauerstück wol gern.

So such Dir denn in Deinem Haus

Einen recht tüchtigen Bengel aus,

Dem gieb die Roll' von meinem Götz

In Panzer, Blechhaub' und Geschwätz.

Dann nimm den Weisling vor Dich hin

Mit breitem Kragen, stolzen Kinn,

Mit Spada wohl nach Spanier Art,

Mit Weitnaslöchern, Stützleinbart,

Und sei ein Falscher an den Frauen,

Läßt sich zuletzt vergiftet schauen.

[94] Und bring, da hast Du meinen Dank,

Mich vor die Weiblein ohn' Gestank!

Mußt all' die garstigen Wörter lindern:

Aus Scheißkerl Schurk, aus Arsch mach Hintern,

Und gleich das alles so fortan,

Wie Du schon ehmals wohl gethan.


2/160.


An Sophie von La Roche

Ich will gern diesen Monat in Frankfurt harren, und noch einen in der Hoffnung Sie zu sehn; denn so erklär ich mir die dunkle Stelle Ihres Briefs. Lassen Sie mir immer meine Bedencklichkeit, dafür wird mir auch die Freude um so viel grösser, wenn mich eine so liebe Teilnehmung überrascht, wie die Ihrige an meinem Götz. Ich habe sie gewünscht das gestehe ich gerne, auch zum Teil gehofft, Sie wissen aber, wie man ist.

Mercken würden Sie einen Gefallen thun, denn er ist auch hier Verleger, wenn Sie beykommende Exemplare, sind 24 vor 48 Xr. Das Stück absezzen liessen. Ich weiß nicht hab ich Ihnen schon im Nahmen des Mahlers für das überschickte gedanckt.

Meinen Jahrmarkt halt ich mir vor, Ihnen selbst zu lesen, und Ihnen viel zu erzählen und so hundert Grüsse Ihren Lieben

[Frankfurt] 11ten Juli 1773.

Goethe.[95]


2/161.


An Demars

[Frankfurt, Juli 1773.]

Es ist Sommer, lieber Freund, und das ist keine Jahreszeit der Vertraulichkeit und Geselligkeit. Das eine lauft da, das andre dort hin, und so ist unsre schöne Sozietät zerfallen, und ich erhalte mit Noth die traurigen Reste. Ihreehemalige Liebste (:denn Abwesenheit des Mannes, wissen sie, scheidet in unserer Republik die Ehe:) hat sich in die Bäder begeben, um der Annehmichkeiten des Lärms und der glänzenden Welt zu geniessen; meine liebe Frau ist auf dem Lande, und das Regenwetter hat mir nicht erlaubt sie mehr als einmal zu besuchen. Die anderen sind auch bald da bald dort.

Wann wirst du wiederkommen, wohlthätiger Winter, die Wasser befestigen, daß wir unsern Schlittschuhtanz wieder anfangen! Wann wirst du unsre Mädchen wieder in die Stube iagen, dass wir uns an ihnen wärmen, wenn Schnee und Reif die Extremitäten u[nseres] Körpers erstarrt haben.

Und dann lieber Demars, sollen Sie auch hören wies geht, oder sich verändert und schreiben Sie mir auch. Hier schick ich Ihnen ein Drama meiner Arbeit. Sein Glück muß er unter Soldaten machen. Unter Franzosen, das weiß ich nicht. Adieu.

Goethe.


2/162.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, Juli 1773.]

Ihr sollt immer hören wie mirs geht lieber Kestner. Denn zum Laufe meines Lebens hoff ich immer auf euch und euer Weib die Gott seegne und ihr solche Freuden gebe als sie gut ist. Euch kanns an Beförderung nicht fehlen. Ihr seyd von der Art Menschen die auf der Erde gedeyen und wachsen, von den gerechte Leuten und die den Herren fürchten,[96] darob er dir auch hat ein tugendsam Weib gegeben des lebest du noch eins so lange.

Ich binn recht fleissig und wenns glück gut ist kriegt ihr bald wieder was, auf eine andre Manier. Ich wollt Lotte wäre nicht gleichgültig gegen mein Drama. Ich hab schon vielerley Beyfalls Kränzlein von allerley Laub und Blumen, Italienischen Blumen sogar, die ich wechselweise aufprobiret, und mich vorm Spiegel ausgelacht habe. Die Götter haben mir einen Bildhauer hergesendet, und wenn hier Arbeit findet wie wir hoffen so will ich viel vergessen. Heilige Musen reicht mir das Aurum potabile, Elixir Vitae aus euern Schaalen, ich verschmachte. Was das kostet in Wüsten Brunnen zu graben und eine Hütte zu zimmern. Und meine Papageyen die ich erzogen habe, die schwäzen mit mir, wie ich, werden kranck lassen die Flügel hängen. Heut vorm Jahr wars doch anders, ich wollt schwören in dieser Stunde vorm Jahr sass ich bey Lotten. Ich bearbeite meine Situation zum Schauspiel zum Trutz Gottes und der Menschen. Ich weis was Lotte sagen wird wenn sies zu sehn kriegt und ich weis was ich ihr antworten werde. Hört wenn ihr mir wolltet Exemplare vom Götz verkauffen, ihr thätet mir einen Gefallen und vielleicht allerley Leuten. Boje hat ihrer, schreibt ihm wieviel ihr wollt, ich habs ihm geschrieben euch abfolgen zu lassen soviel ihr wollt. Verkauft sie alsdenn für zwölf gute groschen und notirt das porto das sie[97] euch kostet. Der Verlag hört Mercken, der ist aber in Petersburg, ich schicke mich nicht zum Buchhändler, ich fürchte es bleibt hocken. Denn vielleicht kommt sonst in einem halben Jahr noch kein Exemplar zu euch. Schreibt mir doch wo ich die zweyten Stücke des Merkurs hinschaffen und wo ichs Geld herkriegen soll. Wenn verschiedne Sachen nach meinem Kopf gehen kriegt Lotte bald eine Schachtel von mir wo keine Confituren drinne sind, auch kein Putzwerk, auch keine Bücher, also-

Lassts euch wohl seyn, mich ergötzt eure Genüglichkeit und eure Aussichten. Und wenn euch was dran liegt von mir zu hören, so lasst von euch offt hören. Adieu.


2/163.


An Hans Buff

[Frankfurt, Juli 1773.]

Lieber Hans. bring er Hrn. von Hille den 2ten Teil des Merkurs den ersten hat Kestner aus Versehn mit nach Hannover genommen. Hr. von Falck wird ihn dem Hrn. v. Hille wieder zurück bringen. Und so dann bitt ich mir die Bezahlung aus.

Hier das Schauspiel gieb er dem Papa und wenn ders gelesen hat und die Schwestern es auch etwa gelesen haben so gib ers Angen und Dorthel und grüss er sie alle von mir. Der ich binn

Der alte

Doctor Goethe

Und ihm viel Prämia wünsche die er verdient.[98]


2/164.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, Mitte bis 21. August 1773.]

Viel Glück zu allem was ihr unternehmt und eurer besten Frau alle Freuden des Lebens.

Ich kann euch nicht tadeln dass ihr in der Welt lebt, und Bekanntschafft macht mit Lotten von Stand und Pläzzen. Der Umgang mit Grossen ist immer dem vortheilhaft der ihrer mit Maas zu brauchen weis. Wie ich das Schiespulver ehre dessen Gewalt mir einen Vogel aus der Lufft herunterholt, und wenns weiter nichts wäre. Aber auch sie wissen Edelmuth und Brauchbaarkeit zu schäzzen, und ein junger Mann wie ihr muss hoffen, muss auf den besten Platz aspiriren. Sakerment und wenn ihrs nur eures Weibes willen tähtet. Was die häuslichen Freuden betrifft, die hat dünckt mich der Canzlar sogut als der Sekretarius, und ich wollte Fürst seyn und mir sie nicht nehmen lassen. Also treibts in Gottes Nahmen nach eurem Herzen und kümmert euch nicht um Urteile und verschliesst euer Herz dem Tadler wie dem Schmeichler. Hören mag ich sie beyde gern, hören, biss sie mich ennüiren. Mad. la Roche war hier, sie hat uns acht glückliche Tage gemacht, es ist ein Ergötzen mit solchen Geschöpfen zu leben. O Kestner und wie wohl ist mir's, hab ich sie nicht bey mir so stehen sie doch vor mir immer die Lieben all. Der Kreis von edlen[99] Menschen ist das wehrteste alles dessen was ich errungen habe. Und nun meinen lieben Götz! Auf seine gute Natur verlass ich mich, er wird fortkommen und dauern. Er ist ein Menschen Kind mit viel Gebrechen und doch immer der besten einer. Viele werden sich am Kleid stosen und einigen rauhen Ecken. Doch hab ich schon so viel Beyfall dass ich erstaune. Ich glaube nicht dass ich so bald werde das wieder das Publikum findet. Unterdessen arbeit ich so fort, ob etwa dem Strudel der Dinge belieben mögte was gescheuters mit mir anzufangen.

am 21. August.

Das war lang geschrieben biss einmal die Zeit zu siegeln bey mir kommt. Da ich euch nichts mehr zu sagen habe als liebt mich immer fort. und Lotte soll mich liebbehalten und glücklich ist sie. Adieu.


2/165.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, Ende August 1773.]

Ich habe über Ihre Briefe gesagt nicht was ich wollte sondern was ich musste. Und so wars vom Herzen zum Herzen, und da geht kein Wort verlohren denn eigentlich sinds keine Worte.

Sie fragen mich ob Sie meiner Schwester die Iris empfehlen sollen? was sagt Ihnen Ihr Gewissen?[100] und wenn es ia sagt warum fragen Sie mich? ich hab ihr meine Meinung geschrieben, mich dünckte sie solle sich haus lassen, solle ihre Freunde nicht in Contribution sezzen um eines Fremden willen mit dem sie nie etwas gemein gehabt hat, noch haben kann und dessen Keckheit unverzeihlich ist, mit der er zu seiner Geldschneyderey die Spediteurs zusammenbettelt, und übrigens möge sie nun thun, wies ihr vorkommt.

Das hab ich geschrieben, und nun thun Sie was Sie können, und meine Schwester mag thun was sie will, mir ist die Kleinheit des Menschen wieder bey der Gelegenheit recht merckwürdig worden, und mir geht's wie dem D.[om] Dechant der die Sotisen seiner Wiedersacher wie eine Perlenschnur am Hals trägt. –

Ich wünsche Jacobi viel halbe Pistolen, und in die ser Rücksicht hab ich ihm das andre verziehen: Dass die Kerls mit ihrem Nahmen Wucher treiben ist recht gut, nur mich und die Meinigen sollen sie ungeschoren lassen, da sie auch dünckt mich überzeugt seyn könnten dass man mit ihnen nichts zu thun haben will.

Da ich fertig bin liebe Mama fällt mir ein dass ich ungerecht gegen die Jacobis binn, hab ich mich denn nicht auch bei ihren Weibern Tanten und Schwestern eingenisstelt, das giebt ihnen nach der strengsten Compensation ein Recht auf meine Cornelie. Oho! Meine Eltern und Fräulein v. Klettenberg[101] grüsen Sie herzlich, von Ihrer Max kann ich nicht lassen so lang ich lebe, und ich werde sie immer lieben dürfen.


2/166.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, Ende August 1773.]

Wegen des Buchs liebe Mama etwas Bestimtes.

Man wünscht das Büchelgen übersezt. Will man die Ubersezzung auf eigne Kosten machen lassen und nachhero einen Buchhändler suchen? oder wär es nicht besser das Büchlein dem Buchhändler so zu übergeben, und ihn selbst dafür sorgen zu lassen. Man will dem Buchhändler gleich 500 Exemplare gegen baare Bezahlung wiederabnehmen. Er will für die Übersezzung sorgen, und drucken mit dem Beding der 500 Exemplare. Allein der Preiss lässt sich nicht bestimmen biß es fertig ist. Was wollte man wohl anwenden? Zu welchem Gebrauch solls werden, was für Papier wünschte man?

Addio, beste Mama.

Guten Tag liebe Schwester –

Hrn. v Hohenfeld einen Grus.

Ich wollte Sie hätten die paar Tage her meine Wirtschaft mit dem Apoll gesehen.

G.[102]


2/179.


An Helene Elisabeth Jacobi

[Frankfurt, etwa 10. September 1773.]

Ich kann Ihnen das Mährgen nicht schaffen, und habe nichts als das Ding da, das Sie vielleicht nicht[118] interessirt. Unterdessen guckt man in einen Schöneraritätenkasten wenn man keine Oper haben kann.

geben Sie's der la Roche und leben Sie recht herzlich wohl. So kurz ich Sie auch gesehen habe, ist mirs doch immer ein so ganz lieber Eindruck Ihrer Gegenwart und dass Sie mich noch ein bissgen mögen.

G.[119]


2/167.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 15. September 1773.]

Heut Abend des 15. September erhalt ich euern Brief, und habe mir eine Feder geschnitten um recht viel zu schreiben. Dass meine Geister biss zu Lotten reichen hoff ich. Wenn sie auch die Taschengelder ihrer Empfindung, daran der Mann keine Prätension hat, nicht an mich wenden wollte, der ich sie so liebe. Neulich hatte ich viel Angst in einem Traum über sie. Die Gefahr war so dringend, meine Anschläge all keine Aussicht. Wir waren bewacht, und ich hoffte alles, wenn ich den Fürsten sprechen könnte. Ich stand am Fenster, und überlegte hinunter zu springen, es war zwey Stock hoch, ein Bein brichst du, dacht ich, da kannst du dich wieder gefangen geben. Ja dacht ich, wenn nur ein guter Freund vorbey ging, so spräng ich hinunter und bräch ich ein Bein, so müsst mich der auf den Schultern zum Fürsten tragen. Siehst du alles erinnr ich mich noch, biss auf den bunten Teppich des Tisches an dem sie sas und Filet machte, und ihr strohern Kistgen bey sich stehen hatte. Ihre Hand habe ich tausendmal geküsst. Ihre Hand wars selbst! die Hand! So lebhafft ist mirs noch, und sieh wie ich mich noch immer mit Träumen schleppe.

Meine Schwester ist mit Schlossern vor wie nach. Er sitzt noch in Carlsruh wo man ihn herumzieht,[103] Gott weis wie. Ich verstehs nicht. Meine Schwester ist ietzt in Darmstadt bey ihren Freunden. Ich verliere viel an ihr, sie versteht und trägt meine Grillen.

Ich lieber Mann, lasse meinen Vater iezt ganz gewähren, der mich täglich mehr in Stadt Civil Verhältnisse einzuspinnen sucht, und ich lasse es geschehn. So lang meine Kraft noch in mir ist! Ein Riss! und all die Siebenfache Bastseile sind entzwey. Ich binn auch viel gelassner und sehe dass man überall den Menschen, überall groses und kleines schönes und hässliches finden kann. Auch arbeit ich sonst brav fort. und dencke den Winter allerley zu fördern. Dem alten Amtmann hab ich einen Götz geschickt der viel Freude dran gehabt hat, es ist auch gleich (wahrscheinlich durch Brandts) weiter kommen, und der Kammer Richter und v. Folz habens begehrt; das schreibt mir Hans mit dem ich viel Correspondenz pflege. Aber alles das lieber Kestner vergess ich dir zu sagen, dass drunten im Visitenzimmer, diesen Augenblick sitzt – die liebe Fr. Grostante Lange von Wetzlar mit der so teuren ältsten Jfr. Nichte. Die haben nun schon in ihrem Leben mehr, um Lottens Willen, gesessen wo ich sie nicht hohlte, mögen sie auch diesmal sich behelfen. Hanngen ist nicht mit da. Sie haben viel Liebs und Guts von meiner Lotte geredet! Dancks ihnen der Teufel. – Meiner Lotte! Das schrieb ich so recht in Gedancken. Und doch ist sie gewissermassen mein. Hierinn Geht mirs wie andern ehrlichen[104] Leuten, ich bin gescheut – biss auf diesen Punct. Also nichts mehr davon.

Und zum Merkur um uns abzukühlen. Ich weiß nicht ob Wiel.[ands] Grossprecherey dem Zeug mehr Schaden tuht, oder das Zeug der Großsprecherey. Das ist ein Wind und Gewäsch dass eine Schand ist. Man ist durchgängig unzufrieden gewesen, der zweyte Teil ist was besser.

Der Hans und die Hänsgen. Wieland und die Jackerls haben sich eben prostituirt! Glück zu! Für mich haben sie ohnedem nicht geschrieben. Fahr hin. Des Cammerrath Jakobis Frau war hier, eine recht liebe brave Frau, ich habe recht wohl mit ihr leben können, binn allen Erklärungen ausgewichen, und habe getahn als hätte sie weder Mann noch Schwager. Sie würde gesucht haben uns zu vergleichen, und ich mag ihre Freundschafft nicht. Sie sollen mich zwingen sie zu achten wie ich sie iezt verachte, und dann will und muss ich sie lieben.

Heut früh hab ich von Falcken einen Brief kriegt, mit den ersten Bogen des Musen Almanach. Du wirst auf der 15. S. den Wandrer antreffen den ich Lotten ans Herz binde. Er ist in meinen Garten, an einem der besten Tage gemacht. Lotte ganz im Herzen und in einer ruhigen Genüglichkeit all eure künftige Glückseeligkeit vor meiner Seele. De wirst, wenn dus recht ansiehst mehr Individualität in dem Dinge finden als es scheinen sollte, du wirst unter[105] der Allegorie Lotten und mich, und was ich so hunderttausendmal bey ihr gefühlt erkennen. Aber verraths keinem Menschen. Darob solls euch aber heilig seyn, und ich hab euch immer bey mir wenn ich was schreibe. Jezt arbeit ich einen Roman, es geht aber langsam. Und ein Drama fürs Aufführen damit die Kerls sehn dass nur an mir liegt Regeln zu beobachten und Sittlichkeit Empfindsamkeit darzustellen. Adieu. Noch ein Wort im Vertrauen als Schriftsteller, meine Ideale wachsen täglich aus an Schönheit und Grösse, und wenn mich meine Lebhafftigkeit nicht verlässt und meine Liebe, so solls noch viel geben für meine Lieben, und das Publikum nimmt auch sein Teil.

Und so gute Nacht liebe Lotte. Im Couvert sind Verse die wollt ich zu einem Portrait von mir an Lotten legen, da es aber nicht gerathen ist so hat sie inzwischen das. Biss auf weiteres.


2/168.


An Charlotte Kestner

[Frankfurt, September 1773.]

Wenn einen seeligen Biedermann

Pastorn oder Rathsherrn lobesan

Die Wittib lässt in Kupfer stechen

Und drunter ein Verslein radebrechen

Da heissts:

[106] Seht hier von Kopf und Ohren,

Den Herrn ehrwürdig, wohlgebohren

Seht seine Mienen und seine Stirn

Aber sein verständig Gehirn

So manch Verdienst ums gemeine Wesen

Könnt ihr ihm nicht an der Nase lesen.


So liebe Lotte heissts auch hier

Ich schicke da mein Bildniss dir!

Magst wohl die lange Nase sehn,

Der Augen Blick, der Locken Wehn,

's ist ohngefähr das garstge Gesicht

Aber meine Liebe siehst du nicht.

G.


2/169.


An Hans Buff

[Frankfurt, October 1773.]

Gratulire lieber Hans zur glücklichen Genesung und wünsche dass mein Brief euch alle wieder gesund treffen möge. Geben Sie innliegenden Brief Hrn. Krafft Bremischen Canzellisten der so gut seyn wird ihn Hrn. Kestner zu übermachen. Empfehlen Sie mich dem lieben Papa und Schwester Carlingen. Viel Grüsse an Msll. Lengen, Dorthel und Angen, und die andern Mädgens und Bubens sollen brav seyn, und Mandeln haben und Bilder wenn ich komme.

G.[107]


Sagen Sie doch Lengen sie soll Lotten die Läppgen zum Flicken des blaugestrieften Nachtjäckgens schicken, die sie vergessen hat. sie werden sich wohl finden. Oder besser lass er sich sie von Lengen geben und schick er mir sie mit der fahrenden Post ich will sie Lotten schicken es muß ihr aber niemand davon was schreiben.


2/170.


An Hans Buff

[Frankfurt, October 1773.]

Mich freuts lieber Hans dass er so brav ist, und sich das Primat nicht nehmen lässt. Wenn nun auch alles wieder hergestellt ist im Hause so wünsch ich guten bestand. Ich danke für die Läppgen, dass nur niemand Lotten was davon schreibt. Meld er mir doch baldigst wann der Fuhrmann nach Hannover geht, ich hab ein Kästgen, allein er müssts dem Manne wohl rekommandiren, denn es ist zerbrechliche Waar, daß säuberlich mit umgegangen würde.

Adieu lieber Hans lassts euch das Obst recht schmecken, und grüss er den Papa und das ganze liebe Wesen im deutschen Haus. Adieu.

G.


2/171.


An Johann Daniel Salzmann

[Frankfurt, October 1773.]

Sie haben lange nichts von mir selbst, wohl aber gewiß von Lenz und einigen Freunden allerley von[108] mir gehört. Ich treibe immer das Getriebe; denn die Plaut. Comödien fangen an sich heraus zu machen. Lenz soll mir doch schreiben. Ich habe was für ihn aufm Herzen.

Wenn Sie das Exemplar Berlichingen noch haben, so schicken Sies nach Sessenheim unter Aufschrift an Msll..., ohne Vornahmen. Die arme Friederike wird einigermassen sich getröstet finden, wenn der Untreue vergiftet wird. Sollte das Exemplar fort seyn, so besorgen Sie wohl ein anders.

Ich möchte wohl wieder einmal hören wie's Ihnen geht, was das Camin macht u.s.w.

Meine Schwester heurathet nach Carlsruh.

G.


2/172.


An Sophie von La Roche

Wir haben so lange nichts von Ihnen gehört. Doch muss ich Ihnen in aller Eile sagen dass Schlosser angekommen ist, und morgen feyerliches Verlöbniß seyn wird. Ich freue mich in ihre Freude ob ich gleich am meisten dabey verliere. Sie werden wenig Wochen noch hier bleiben, und dann an den Ort ihrer Bestimmung. Leben Sie wohl beste Freundin, grüsen Sie Ihre Lieben und vergessen Sie uns nicht.

[Frankfurt] 12. Oct. 1773.

Goethe.[109]


2/173.


An Johanna Fahlmer

Ihr Stillschweigen liebe Tante wissen wir ohngefähr zu brechen, da wir uns wohl eher gleicher Sünden schuldig gemacht haben. Sünde bleibts aber immer und soll Ihnen in Rücksicht künftiger Besserung verziehen werden. Ich hoffe die Ankunft des neuen Mädgens zu vernehmen, es nimmt sich Zeit wie ich merke.

Das merkwürdigste das ich Ihnen melden kann, ist Schlossers Ankunft. Das iunge Paar ist schon aufgeboten, wird in 14 Tagen Hochzeit machen und dann gleich nach Carlsruh gehen. Meine Schwester Braut grüßt Sie. Sie ist ietzt im Packen ganz und ich sehe einer fatalen Einsamkeit entgegen. Sie wissen was ich an meiner Schwester hatte – doch was thuts, ein rechter Kerl muß sich an alles gewöhnen. Die Zeit sind einige sehr brave Menschen aus der Weiten Welt, besonders einer, zu mir kommen die mir viel gute Tage gemacht haben. Um unsern kleinen Zirkel siehts etwas scheu aus. Meine schwester macht einen großen Riss, und ich – Betty versteht mich. Ich möchts wohl einmal so weit bringen mit Ihnen einen Ritt vom Gallenthor durch die Terminey bis zum Allerheiligen zu thun. Indeß will den Winter meiner Schlittschue mich freuen.

Daß Sie Jungen lieben müßten, sagte ich Ihnen[110] zum Voraus, nur wollt ich dass Sie auch Leute lieben könnten die nicht sind wie er.

Grüßen Sie mir die liebe Frau hundertmal. Lotte wird meinen Brief haben.

Mit meiner Autorschaft stehts windig. Gearbeitet hab ich, aber nichts zu Stande gebracht. Den Jahrmarkt sollen Sie haben, aufs Wort ihn nicht aus der Hand zu geben, noch – Ich brauche keine Conditionen mit Ihnen. Der Musenalmanach von Göttingen ist recht sehr gut dies Jahr. Sie werden viel wahres und warmes finden. Auch einige Dinge wo nicht von mir, doch die ich Ihnen gelesen habe.

Was Sie vom Merkur schreiben scheint mich auf ein ungünstigen Urtheil vorbereiten zu wollen. Hat nichts zu sagen, ich bin dergleichen gewohnt. Mir kommts darauf an ob der Rezensent ein rechter Kerl ist, er mag mich loben oder tadeln, und was ich von ihm halte will ich Ihnen wohl sagen. Noch haben wir Ihn nicht. Sie kennen die geflügelte Expedition des Götterboten.

Ein schöner neuer Plan hat sich in meiner Seele aufgewickelt zu einem grosen Drama. Ich will nur erst zusehen, ob ich aus dem Lob und Tadel des Publikums was lernen kann.

Und mein gewonnen Drama, und Wielands Ausspruch. Daß nicht der so lange hangt als in Wezlar ein Spruch. Ich hab gewonnen liebe Tante, ohne Umstände gewonnen ergeben Sie Sich nur eh Sie[111] durch Urteil und Exekution angehalten werden. Lesen Sie die Stellen aber und abermal und verdancken Sie Ihre Sinnesänderung wenigstens Ihren eignen Augen.

Adieu liebe Tante, und lassen Sie uns manchmal ein sichtbares Zeichen Ihrer Erinnerungen sehen. Sie wissen wir sind sinnliche Menschen. Franckfurt am 18. O. 1773.

Goethe.


2/174.


An Heinrich Wilhelm Gerstenberg

Ich kenne Sie schon so lang, und Ihr Freund Schönborn, der mich nun auch kennt, will zwischen uns einen Briefwechsel stifften. Wie Noth mir an meinem Ende der Welt offt eine Erscheinung thut, werden Sie auch an dem Ihrigen fühlen. Mein bester Wunsch ist immer gewesen, mit den Guten meines Zeitalters verbunden zu seyn, das wird einem aber so sehr vergällt, daß man schnell in sich wieder zurück kriecht. Sie haben in Ihrem Freunde all mein Zutrauen, ob ichs Ihm zu verdienen scheine mag er selbst sagen. da ich in der Welt noch keine Rolle spiele bring meine besten Stunden, im Aufzeichnen meiner Phantasien zu, und meine grösste Freude ist wenn iemand den ich ehre und liebe mit Theil daran nehmen will. Ich hoffe noch viel auf Sie, und wünschte auch Ihnen[112] einige Stunden dieses wetterwendischen Lebens versüssen zu können.

Franckfurt am 18. Oktr. 1773.

Goethe.[113]


2/176.


An Ernst Theodor Langer

Als ich meinen Götz herausgab, war das eine meiner angenehmsten Hoffnungen, meine Freunde, deren ich doch manchen in der weiten Welt habe,[114] würden sich nach mir umsehen, und angenehmer sich mein erinnern, als wenn ich eine lange unbedeutende Verbindung mit ihnen unterhalten hätte.

Und es ist eingetroffen. Ihr Brief, lieber Langer, hat mir eine außerordentliche Freude gemacht. Ich habe Sie nicht vergessen, und die Geschichte Ihres Lebens war mir unerwartet und höchst interessant. Mein Wandern hat keine große Tagreisen gemacht. Ich bin fast immer auf diesem Fleck geblieben. Meine Gesundheit nahm, seitdem Sie mich verließen, immer zu, aber weil sie mir doch nicht erlauben wollte, im bürgerlichen Leben meine Rolle zu spielen, wie ich wohl wünschte, so habe ich dem Trieb der Wissenschafften und Künste gefolgt, und nicht ehe geruht, biss ich glaubte, mich darstellen zu dürfen. Ich habe sogleich an die Herzen des Volks angefragt, ohne erst am Stapel der Kritik anzufahren. Doch gesteh ich gern den Beyfall der mir worden ist, überstieg meine Hoffnungen. Auch soll so lang Krafft in mir ist, sie nicht lässig werden, um mehr zu leisten.

In die bürgerlichen Geschäffte misch ich mich nach und nach und auch da giebt mir der Genius gute Stunden.

Horn ist Gerichts Schreiber Adjunkt worden. Das trägt ihm jetzt 300 fl. wenn der Alte stirbt, hat er 1000 fl. und freye Wohnung. Er grüßt Sie vielmal.

Mellin ist vor wenigen Wochen nach Sachsen, in Kondition als Hofmeister, bei einem Herrn v. Zedtwitz[115] denk ich, in der Gegend von Grosen Hayn. Er war hier lange außer Kondition, vertrauerte und verlappte sich, und ist sehr gut, daß er wieder in's Leben kommen ist.

Empfelen Sie mich Hrn. Graf Marschall. Und behalten Sie mich lieb.

Wenn Sie nach Hannover kommen, besuchen Sie doch ja einen gewissen Archiv Sekretar Kestner, Sie werden an ihm und seiner Frau warme Freunde meiner finden. Ich sag Ihnen nichts weiter von dem Werth dieses Paars und von unsren Relationen.

Sollten Sie an Beyrisch schreiben, oder sonst ihn grüsen lassen, viel Grüse auch von mir.

Franckfurt am 27. Oktober 1773.

Goethe.


2/177.


An Charlotte Kestner, geb. Buff

Ich weis nicht liebe Lotte ob meine Muthmasung Grund hat, dass Sie in kurzem ein Negligee brauchen werden, wenigstens kommts mir so vor. Und da ich über diesen wichtigen Punckt nachdachte, sprach ich zu mir selbst: Sie geht gerne weis, alles Nesseltuch ist verbannt im Winter, außer gesteppt und da sieht sie zu altmütterlich drinn aus pp. hierüber trat die vorsichtige Göttinn der Mode zu mir und überreichte mir beykommendes Zeug, das ausser der Dauer alle Qualitäten hat. Es ist Nesseltuch, hat also alle[116] dessen Tugenden, die Atlassstreifen machen es zur Wintertracht; kurz und gut, zum Schneider mit, dass der aber fein säuberlich verfahre. NB. es darf mit keiner andern Farbe als weis gefüttert werden, die ich gesehen habe, hatten weis Leinwand drunter. Das Stück gibt iust ein Negligee, über Poschen.

Zugleich überschicke auch die hinterlassnen Läppgen des blau und weisen Nachtiäckchens, und bitte über die neu angekommne vornehme Freundschafft die alte treue nicht zu vergessen. Adieu liebe Lotte grüssen Sie mir das Männgen, erinnern Sie sich der alten Zeit wie ich.

Franckfurt am 31. Octbr. 1773 als am Tage Wolfgang – – Goethe.


2/178.


An Johanna Fahlmer

Dass unsre Expedition schnell gehe zu beyderseitiger Ergözzung, folgt hier das Schönbartspiel, und die Läppgen.

Sonst ist alles hier wohl, laufft durch einander, und packt.

Und ich wie immer binn wechselnden Humors, und habe mich zu was verleiten lassen darüber Sie mich von Herzen – werden. Indess Adieu, und behalten Sie einige Neigung zu uns weil Sie doch wieder her müssen.

Goethe.[117]


Von beykommenden Mustern kommt wie drauf steht die einen 17 Fl. die andern 19 Fl. das Stück, Man bittet sich aber die Muster alle bald möglichst wieder zurück, mit denen gezeichneten, auf die die Wahl fällt.

Noch was. Hr. Andre schickt Ihnen hier ein Exemplar Töpfer, wünscht im Merkur eine höfliche wo möglich anlockende Rezension zu sehen. Der Mann hat Frau und Kinder, und Geld hinein gesteckt. Blos in der Rücksicht, wenn auch das Ding nicht würcklich musikalischen und andern Werth hätte, sollte man ihm den Liebesdienst nicht versagen. Die Herren Thuns ja bey andern Gelegenheiten, werden sies auch wohl da thun. Er empfielt sich ihnen aufs beste, zwar wüsst ich nichts erbärmlichers als ein Autor der sich empfielt. Doch es ist hier nur der Kaufmann. Denn das Ding will nicht rutschen, ich hätts ihm freylich voraus sagen wollen. Viel Grüse der lieben Frau und Lotten.

[Frankfurt] am 31. Okbr. 1773.

G.

NB. Das Zettelgen ist liegen bleiben und muss ietzt mit der fahrenden Post.[118]


2/180.


An Johann Gottfried Röderer

[Frankfurt, Herbst 1773.]

So gut ich weis, lieber Freund, daß schweigen besser ist als viel reden, so gesteh ich Ihnen doch gerne, daß ich mir Ihr allerseitiges Stillschweigen nicht ganz vorteilhafft ausgelegen habe. Hr. Wunschold kann Ihnen sagen, daß Ihr Brief mich überrascht hat, ich danke Ihnen für die Bekanntschafft dieses lieben Mannes. Daß Sie in Ihren eiffrigen Bemühungen fortfahren würden, hatte ich keinen Zweifel, und daß Sie in ecclesia pressa die Griechen fortstudiren, das traut ich Ihrem Herzen zu; doch hab ich immer gewünscht zu hören wie und was. Es würde mich aufmuntern, ich würde aufhören so ganz allein zu seyn wie ich hier binn. Wenn ich Ihrer viere hier hätte, nur drey, auch wollt ich noch tiefer herunter zu kapituliren, es sollte viel anders seyn. Denn so wie Deukalion über den fruchtbaaren Boden der unendlichen Erde hinzusäen, und doch eines[119] Geschlechts zu ermangeln – Wenn einem da der Genius nicht aus Steinen und Bäumen Kinder erweckte, man möchte das Leben nicht.

In der Nachbarschafft hab ich einen werthen Freund und das apameibein unsrer tähtigkeit erhält uns beyde.

Die bildenden Künste haben mich nun fast ganz. Was ich lese und treibe tuh ich um ihrentwillen, und lerne täglich mehr, wie viel mehr wehrt es in allem ist, am kleinsten die Hand anlegen und sich bearbeiten, als von der vollkommensten Meisterschafft eines andern kritische Rechenschaft zu geben. Ich habe das in meiner Baukunst und anders wo von Herzen gesagt, und ich weiß daß das Wort, an jungen warmen Seelen, die im Schlamme der Theorien und Literaturen noch nicht verlohren sind fassen wird. Mich freut von Herzen, daß Sie Anteil dran nehmen, wie offt hab ich im Schreiben an Sie alle gedacht denn ich war ganz wieder um den Münster in meiner Wonne. Hier schick ich Ihnen der biblischen Fragen vier Exemplare sie sind hier nicht zu haben und auch 1. Baukunst. Und binn nun weitläuffig genug gewesen über mich, um Sie zu locken und Ihre Freunde, deßgleichen zu tuhn. Grüßen Sie mir sie alle.

Der ihrige

Goethe.[120]


2/181.


An Betty Jacobi

Hier schick ich Mamagen ein Geles, ists nicht das beste; ists doch das neuste und so gut als ich's habe.

Die Bogen der Comödien heben Sie auf, ich schicke die übrigen nach und nach.

Auch ein Paar Hochzeitkarmens, und dann viel Grüse von uns allen. Ists dem lieben Bübchen wohl? und wie heissts? Ubrigens wird Tante und Lolo Ihnen erzählt haben von uns und unsrer Wirtschaft, die sich zwar nicht mit Worten beschreiben lässt, sie ist bunter und monotoner als eine Chinoise.

Meine Wette sodann, liebe Frau meine Wette! Gehts denn überall wie bey Gericht? Halb Part hab ich ia schon gesagt, und drüber versprech ich Ihnen noch zwei Sinngedichte.

Der Töpfer ist hier mit grosem Beyfall aufgeführt worden. Dass aber ia keine Freude rein sey, will der Verlag seiner Partitur nicht aus der Stelle.

Nun Adieu wieder auf eine Weile, und Täntgen und Lotten versichert dass ich immer der alte binn. Franckfurt am 3. Nov. 1773.

Goethe.[121]


2/182.


An Heinrich Christian Boie

[Frankfurt, zwischen 10. und 18. November 1773.]

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Der Torus ist angelegt; nun nur noch Flamme und Windstoß; aber das hängt von den Göttern ab.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .


2/183.


An Betty Jacobi

[Frankfurt] Am 7. Nov. 1773.

Ich möchte Ihnen nicht schreiben beste Frau, in der Laune in der ich binn, und möchte Ihnen doch gleich sagen wie viel Freude mir Ihr Brief gemacht hat. Ihre Stimme, Ihr Wesen ward um mich lebendig, und Sie müssen fühlen wie werth mir Ihre Gegenwart ist. Schon eine Stunde steh ich da und bespiegle mich in Ihrem Brief, und binn an Ihrem Bette, und – aber gute Nacht beste Frau. Wenn ich mit Ihnen nicht von Herzen reden kann, lieber stille.

am 16. Nov.

Vor zwey Tagen ist Schlosser und meine Schwester abgangen. So viel für diesmal

ganz der Ihrige

Goethe.[122]


2/184.


An Johanna Fahlmer

[Frankfurt, 17. November 1773.]

Liebe Tante.

Dass meine Agentcie so langsam geht ist das Hurry burry schuld das seit acht Tagen um mich summt. Ehvorgestern ist die Schwester Adieu. und ich binn Hahn im Korb. Der Esel hat keine zwey Stücke mehr von dem Franzlein und von allem was helbweg hübsch ist wird das zweyte Stück schon angeschnitten seyn. Ich hab darum die Muster nicht mit schicken wollen. Vom Töpfer nächstens. ich binn in aller Verworrenheit der Ihrige

G.


2/185.


An Johanna Fahlmer

Diesmal liebe Tante vom Töpfer. Ich danck Ihnen dass Sie wollen meine Meynung darüber transpiriren lassen. Das Stück ist um der Musick willen da, zeugt von der guten menschenfreundlichen Seele des Verfassers und ist dem Bedürfniss unsers Theaters gewachsen, dass Ackteur und Zuschauer ihm folgen können. Hier und da ist eine gute Laune doch würde seine Einformigkeit sich ohne Musick nicht erhalten.

Die Musick selbst ist auch mit vieler Kenntniss der gegenwärtigen Kräffte unsrer Theater komponirt.[123] Der Verfasser hat gesucht richtige Deklamation, mit leichter fliessender Melodie zu verbinden, und es wird nicht mehr Kunst erfordert seine Arietten zu singen als zu den beliebten Kompositionen Hrn. Hillers und Wolfs nötig ist. Um nun dabey das Ohr nicht leer zu lassen, wendete er all seinen Fleis auf Akkompagnement, welches er so vollstimmig und harmonisch zu sezen suchte als es ohne Nachteil der Eingmelodie thunlich war. Zu dem Ende hat er offt Blasinstrumente gebraucht, und manchmal eins von diesen unisono mit der Eingstimme gesetzt, damit sie dadurch verstarckt und angenehm werde. wie z.B. in dem ersten Duett mit der einen Flöte geschehen. Man kann ihm nicht nachsagen dass er kopirt noch raubt. Und es lässt sich immer mehr von ihm hoffen. In einigen Arien könnte das da Capo kürzer seyn wie z. E. in der Ariette: wie mancher plumper Baueriunge p. 78.

Dass er die ganze Partitur hat stechen lassen billig ich, wenn es mehrere thäten würde der Kenner und Liebhaber befriedigt werden. Auch zum Behuf auswärtiger und privat Theater gut seyn.

So was, auf oder ab könnte der Merkur sagen ohne sich zu prostituiren ich saue das so in der Eil. Verzeihts lieb Täntchen. Die liebe Frau und Lotten grüsen Sie mir. Ich binn wie immer bald leidlich bald unleidlich. Hab einige Tage Kopfweh gehabt und war sehr menschenfreundlich. Lasse Sie bald[124] was von sich hören. Bölling ist von seiner Reise wieder da. Er hätte bald den Bassa zu Weimar besucht. Was macht unsre Wette. Adieu Täntchen. Meine Schwester ist glücklich angelandet, und bald eingerichtet. Ade

Franckfurt am 23. Novb. 1773.

Goethe.


2/186.


An Johanna Fahlmer

Liebe Tante.

Wenn wir nur erst ins gleiche kommen, dass iedes seinen Gang geht, ohne den andern mitnehmen zu wollen, wird alles gut werden. Wir treffen uns doch wieder, wenn wir auch hier und dort abweichen! Nur waren wir vielleicht beyde das Hand in Hand gehen zu gewohnt. und wer ist das nicht. pppp.

Meine Schwester führt sich wohl auf. Ihre Wanderschafft, Einrichtung alles macht sie gut. Sie erinnern sich noch des Schimpf und Scheltweegs zwischen Bornheim und Franckfurt!

Jezt watet sie nach Art und Lust, und lässt euch alle grüsen.

Wenn der Geist der Erfindung vor mir überstreicht, will ich ihn um so ein Meubel fragen. a l'imitation – das thut er sonst nicht gern.

Aber im Ernst wenns keine Posse ist, so freu ich mich dass der Moralische Wortkram sich abermal[125] prostituirt. Ich mögte einen Pot-pourri oder was für einen sie wollen, mit Moralischen Emblemen und Sprüchen vorschlagen.

Für die Romanze danck ich, bitte um mehre.

Dagegen stehn all die zu Diensten die ich aus Elsas mitbrachte.

Das Violingen will ich ausfragen. Und erst Nachricht geben.

Im Packet kommt eine Rezension der hiesigen Zeitung über den Merkur, wo die Herren Wieland den Staub von den Füssen lecken. Ich hab das meinige gethan um den Deinet gegen Wielanden aufzubringen. Hab ihm vorgestellt: wie schändlich es sey dass der Merkur sagt: Die Franckfurter Zeitung sei mit dem Ende 72 verschwunden, da sie doch würcklich noch en toutes lettres existire. Demohngeachtet musst ich die Höflichkeit und Frömmlammsfreundlichkeit pag. 773 sqq. von Seel aus bewundern. Adieu liebe Tante, ich dancke Ihnen in Anders Seele.

Auch für die Communikation der Meynungen über mich. Sie interessiren einen immer, so wenig sie auch Einfluss über und in einen haben mögen oder können.

Addio.

[Frankfurt] 29. Nov. 1773.

G.[126]


2/187.


An Betty Jacobi

[Frankfurt, Ende November 1773.]

Verzeihen Sie mir beste Frau meine Wische. Ein Händedruck ist ia immer werther als ein lang Compliment. Dafür gehts auch immer von Herzen wenn ich schreibe und wenn ich erst nachdenken oder studieren und rücken sollte: was? kriegten Sie in Ewigkeit keinen Brief. Mit der fahrenden kriegen Sie ein Allerley, darinn die folgenden Bogen zum Väterchen, davon Sie zum Troste Hrn. Jungs kristgläubiger Seele sagen können daß ichs nicht gemacht habe. Ich habs nicht gemacht Mamagen, aber ein Junge, den ich liebe wie meine Seele, und der ein trefflicher Junge ist. Aber warum richtet man nach den Wercken! Zwar steht geschrieben: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Aber sind das unsere Früchte was wir aufs Papier sudeln, geschrieben oder gedruckt. So viel, liebe Frau, weil ich wünschte dass Sie dem Verfasser des Vätergen gut blieben, und zugleich wüssten, dass ichs nicht binn. Sie haben den ehrlichen Jungen wieder bey sich, vielleicht hat ihn sein Cristelgen schon zurückgefordert, und Ihr lezter Knabe ist wohl und frisch hoff ich, weil Sie nichts davon schreiben. Ich kann mir Sie ohne den Knaben nicht dencken. Und dann mag ich mich gern nicht beklagen liebe Frau über meine gegenwärtigen Umstände,[127] dass wenn ich nicht neuerdings wieder bissiger geworden wäre ich gar nicht auslangte.

Ich habe gar keine Zeit meine Sinnen zu sammeln, und habe dazu ein Stückgen Arbeit angefangen, stricte für Sie, und alle liebe Seelen die Ihnen gleichen nicht zur Nahrung doch aber hoff ich zur Ergözung. Auf Fassnacht könnts anmarschieren, wenn die Sterne nicht gar grob zuwieder sind.

Grüßen Sie mir Lolotgen. Von meiner Schwester die Sie grüsst, werden Sie in Täntgens Briefe lesen, und die Gerocks haben Sie von Herzen lieb, sind aber übel dran. Kethgen ist kranck, die Antoinet hatt mehr Begierden, als für diesmal befriedigen werden können. Und ich meide sie, weil ich nichts bessers zu würcken Krafft habe. Daran liegts auch daß Sie noch kein Portrait haben. Adieu.


2/188.


An Johann Georg Christoph Steche

Wohlgebohrner

Hochgeehrtester Herr,

Dero geehrtes vom 1sten Novemb. welches mit einer Vollmacht und einem Spezies Dukaten begleitet war, habe nicht ehe beantworten mögen, biss ich etwas relevantes Denenselben zugleich mit zu melden im Stande wäre.

Aus beygebognen Billet Hrn. Amtmann Luthers[128] können Dieselbe ersehen, wie ich ihn zuförderst freundlich gemahnet, und sich mit Hrn. Registrator Horn gütlich abzufinden angetragen, Ew. Wohlgeb. sehen aber auch wie fest er darauf beharret, die Schuld zwar gemacht, aber auch schon längst bezahlt zu haben.

Weil es nun also zur Klage kommen muß, so will Denenselben noch vorher verschiednes zu bedencken geben.

Zuförderst muß ich Dieselben benachrichtigen dass die mir zugeschickte Rechnung falsch summirt war, und bey genauerer Durchsicht, nicht 61 Thlr. 18 gr. 4 Pfg. sondern 62 : 7 : 4 sich ergeben; und obgleich Error calculi sonst von keinem Belang, so ist doch bey einer Rechnung die dereinst wahrscheinlich beschworen seyn muss, alle Akkuratesse nötig.

Sodann hätte ich gewünscht dass gedachte Rechnung mit denen ehemaligen Hrn. Luther überschickten gleichförmig gewesen wäre, doch hat auch dieses nichts zu sagen, weil sie nicht durch Veränderung der Summen, sondern durch Zufügen eines neuen Posten verstärckt worden.

Der Beweis der uns beym Läugnen des Gegenteils obliegt, wird freylich am leichtsten durch Beschwörung des Buches geführt, nur ist die Frage, wie dasselbe beschaffen, und ob es kauffmannisch und ordentlich genug geführt ist, (denn wie ich vermuthe ists nur ein Buch derer, für, im Hause verköstigte Studiosen, geschehenen Auslagen) um semiplenam probationem[129] zu geben. Wäre ia daran einiger Mangel, so müsste man seine Zuflucht zu einem Zeugen Verhöre nehmen, um dadurch gegenseitige Einwendungen zu balanziren.

Ferner werden Dieselbe für eine Caution Sorge tragen müssen, weil ohne dieselbe pro reconventione et expensis, niemand fremdes bey unsern Gerichten zu Verfolgung seines Rechts gelassen wird. Sie mögte wenigstens auf 50 heilige Thaler, vielleicht drüber angesetzt werden.

Dieses alles habe Denenselben zur weitern Beherzigung vorerst melden wollen, eh ich Hand ans Werck lege. Ich bitte um ausführliche Information obiger Punckte, und verharre mit schuldigster Empfehlung an Hrn. Registrator Horn.

Franckfurt

Ew. Wohlgeb.

am 4. Dez. 1773.

ergebenster

Des Hrn. Luthers Original Billet

bitte mir wieder zurück.

JWGoethe Dr.


2/189.


An Johanna Fahlmer

[Frankfurt, December 1773.]

Habe ein Geiglein gefunden, will es zurechte machen lassen, und mit einem Bogen, auf der fahrenden Post wohl einballirt übersenden.

Der Hr. Friz oder Hr. Gorge werdens von mir[130] als einen geringen heiligen Crist annehmen. Wünsche nur dem herren der von der Hand sein Glück drauf probiren will, so viel zu lernen, als das liebe Geschöpf das es vor ihm unterm Kinn hatte. Und dann mög er ein Virtuos werden oder wenigstens fühlen lernen einen Virtuosen.

Anbey sende das Liedlein unter den Bekanndten Bedingnissen. Und grüse die liebe Frau, und Lollo, die ihren Eifer über mich wohl in einem Brieflein ausschütten könnte von Herzen.

Auf dem Land und in der Stadt

Hat man eitel Plagen,

Muss ums bissgen das man hat,

Sich mi':m Nachbaar schlagen.

Rings auf Gottes Erde weit

Ist nur Hunger, Kummer, Neid.

Mögt eins 'nausser lauffen.

Erdennoth ist kein Noth,

Als dem Feig' und Matten.

Arbeit schafft Dir täglich Brod,

Dach, und Fach und Schatten.

Rings wo Gottes Sonne scheint

Findst ein Mädgen findst ein' Freund

Lass uns immer bleiben!


2/190.


An Hans Buff

[Frankfurt, December? 1773.]

Hier ist ein guter Freund von mir, ich wäre gern mitgekommen lieber Hans aber das will nicht gehn.[131] Wenn ihr mich lieb behaltet, so hoff ich doch einmal zu erleben, dass ich euch wiedersehe. Was er an Hrn. Plitt thut will ich für mich annehmen. Bring er ihn zu Brandts, und grüst er die Schwestern denen der junge Mann auch ohne mein Empfehl wohl gefallen wird. Meine Buben sollen mich lieb behalten. Ich schick ihnen was aus der Mess. Sophie und Ammel haben mich hoff ich nicht vergessen. Sey er immer brav. Die Frankfurter Zeitung kauff er sich nicht, er kann sie zu nichts brauchen. Wenn ich ein gut Buch für ihn finde schick ichs ihm. Adieu und vergiss er nicht zu schreiben.

Goethe.


2/191.


An Hans Buff

[Frankfurt, December 1773.]

Lieber Hans bitt er Anngen um Verzeihung dass ich nicht ihr meine Comission ausgerichtet. Hr. Schmidt kann keine Muster geben, aber Stücke will er einige schicken. Nun soll Anngen so gut seyn und schreiben was für Farben und Art sie verlangen, so will ichs besorgen.

Noch eine Comission: bey Hrn. v. Falck hab ich 9 fl. zu gut, hohl er sie doch ab und schick er sie mit der Post.

Grüß er das ganze Haus. Msll. Dorthel – er weis wohl – und Lengen. Und was Lotte schreibt und schickt mögt ich gern hören.

G.[132]


2/192.


An Hans Buff

[Frankfurt, December 1773.]

Lieber Hans ich habe seinen letzten Brief unglücklicher Weise verlegt, also muss ich ihn bitten: mir Anngens und Carlingens Commission noch einmal zu melden, was sie für farben haben wollen. Grüs er alles. Adieu.

G.


2/193.


An Hans Buff

[Frankfurt, December 1773.]

Lieber Hans es ist da wieder ein Anstos an der Commission. Er schreibt mir, ich soll Anngen von beyliegenden Stälgen 3/4 Ellen schicken. Nun begreiff ich nicht was sie mit drey Viertel Ellen machen will. Sollens aber drey Ellen und ein Viertel seyn : 3 1/4 : so ists was anders weil aber das ins Geld laufft und über 16 f. käme so hab ich noch einmal anfragen wollen, grüs er sie alle. Und meld er mir was neues mit.

G.


2/194.


An Hans Buff

[Frankfurt, December 1773.]

Da schick ich lieber Hans indessen was für die Kleinen, theil er die Rosinen Feigen und Bilder unter sie,[133] und das Buch mögen sie in Gemeinschaft haben, es kommt vom Hrn. Kestner.

behaltet mich lieb. Grüß er den Papa die Schwester und Brandts. Adieu.

G.


2/195.


An Caroline Buff

[Frankfurt, December 1773.]

Hier liebe Caroline, schick ich Ihnen die Muster vom Atlass, und die Preise, und das Elen Maas stehen drauf. Wenn Ihnen eins gefällt, so schreiben Sie nur, so will ichs auch besorgen. Grüssen Sie mir das ganze teutsche Haus und behalten Sie mich lieb.

Goethe.


2/196.


An Johann Christian Kestner

Am ersten Christtage, morgends nach sechs.

[Frankfurt 1773.]

Es ist ein Jahr dass ich nun eben die Stunde an euch schreib meine lieben, wie manches hat sich verändert seit der Zeit.

Ich hab euch lange nicht geschrieben, das macht dass es bunt um mich zugeht.

Ich dancke dir liebe Lotte dass du mir für meine Spinnweben einen Brief geschenckt hast. Wenn ich das gehofft hätte wäre mein Geschenck eigennützig gewesen.[134] Ich habe ihn wohl hundertmal geküßt. Es giebt Augenblicke wo man erst merkt wie lieb man seine Freunde hat.

Ich kann euch die Freude nicht beschreiben die ich hatte Mercken wieder zu sehn, er kam acht Tage eh ich's vermuthete, und sas bey meinem Vater in der Stube ich kam nach Hause, ohne was zu wissen, tret ich hinein und höre seine Stimme eher als ich ihn sehe. Du kennst mich Lotte.

Die Stelle in deinem Brief die einen Winck enthält von möglicher Näherung zu euch, ist mir durch die Seele gegangen. Ach es ist das schon so lange mein Traum als ihr weg seyd. Aber es wird wohl auch Traum bleiben. Mein Vater hätte zwar nichts dagegen wenn ich in fremde Dienste ginge, auch hält mich hier weder Liebe noch Hoffnung eines Amts – und so scheint es könnt ich wohl einen Versuch wagen, wieder einmal wie's draussen aussieht.

Aber Kestner, die Talente und Kräffte die ich habe, brauch ich für mich selbst gar zu sehr, ich binn von ieher gewohnt nur nach meinem Instinkt zu handlen, und damit könnte keinem Fürsten gedient seyn. Und dann biss ich politische Subordination lernte – Es ist ein verfluchtes Volck, die Frankfurter, pflegt der Präsident v. Moser zu sagen, man kan ihre eigensinnige Köpfe nirgends hin brauchen. Und wenn auch das nicht wäre, unter allen meinen Talenten ist meine Jurisprudenz der geringsten eins.[135] Das bissgen Theorie, und Menschenverstand richtens nicht aus – Hier geht meine Praxis mit meinen Kenntnissen Hand in Hand. ich lerne ieden Tag und haudere mich weiter. – Aber in einem Justiz Collegio – Ich habe mich von ieher gehütet ein Spiel zu spielen da ich der unerfahrenste am Tisch war – Also – doch möcht ich wissen ob deine Worte etwas mehr als Wunsch und Einfall waren.

Meine Schwester ist brav. Sie lernt leben! und nur bey verwickelten misslichen Fällen erkennt der Mensch was in ihm stickt. Es geht ihr wohl und Schlosser ist der beste Ehmann wie er der zärtlichste und unverrückteste Liebhaber war.


Die liebe Max de la Roche heurathet – hierher einen angesehnen Handelsmann. Schön! Gar schön.

Euer Hans schreibt mir immer wies im deutschen Haus hergeht, und so hab ich eine komplete Chronick aller Löcher, Beulen, und Händel von einigem Belang seit eurer Abreise.

Obs wahr ist dass Dorthel heurathet?

In unsrer Stadt ist ein unerhörter Stern, seit einem halben Jahre haben wir zwanzig Heurathen von Bedeutung. Unsre zwo nächsten Nachbarinnen haben mit meiner Schwester fast in einer Woche sich vergeben.

Der Türner bläst, die Glocken läuten, die Trommel geht, und dort hinten fängst an zu tagen.

Ich bin auch Zeit her fleisig gewesen hab viele kleine Sachen gearbeitet, und ein Lustspiel mit Gesängen ist bald fertig, auch einige Stücke in Grund gelegen, und nun wird drüber studirt.

Obiges Lustspiel ist ohne grossen Aufwand von Geist und Gefühl, auf den Horizont unsrer Ackteurs[113] und unsrer Bühne gearbeitet. Und doch sagen die Leute es wären Stellen drinn die sie nicht prästiren würden. Dafür kann ich nachher nicht.

Ihr sollts im Msspt. haben.

Hat Lotte den Canonicus Jacobi gesehn, gesprochen. Er ist auf sie aufmercksam gewesen, merck ich. Ist er noch da.

Falcke ist ein trefflicher Junge, mich freuts dass er Liebe zu mir hat, er schreibt mir manchmal. Merck und ich haben eine wunderliche Scene gehabt, über eine Silhouette die Lavater mir schickte und die Lotten viel änlich sieht. Es lässt sich nicht sagen wies war. Es war den Abend seiner Ankunft, und ich habe draus gesehen dass er Lotten noch recht liebt. Denn wer Lotten kennt und nicht recht liebt den mag ich auch nicht recht.

Adieu ihr Kinder es wird Tag.

Wisst ihr schon dass Höpfner die Jfr. Thomä geheurathet hat.

Schreibt mir bald. Und ergözt euch an der Erinnerung meiner, wie ich mich an euch ergötze.

G.[114]


2/197.


An Betty Jacobi

Den letzten Tag im Jahr. [Frankfurt 1773.]

Um um um! herum um um! ists nun. Lassen Sie Sichs das nächste auch wohl seyn, und rechnen Sie mich zu Ihrer Welt, wie ich Sie zu meiner, und so bleibts vice versa im alten. Welches ich herzlich gern habe, dass niemand mercke, dass Vergänglichkeit überall die Nase im Spiel hat.

Aufs neue Jahr haben sich die Aussichten für mich recht Raritätenkastenmässig aufgeputzt. Max la Roche heurathet hierher. Ihr künftiger scheint ein[136] Mann zu seyn mit dem zu leben ist und also heysa!! wieder die Anzahl der lieben Geschöpfe vermehrt, die nichts weniger als geistig sind, wie Sie freylich vermuthen mussten. Denn unter uns, weils so eine gar missliche Sache auf der Erde mit Bekanntschafften, Freund und Liebschafften ist, daß, meynt man offt man habs an allen vier Zipfeln pumps reist der Teufel ein Loch mitten drein und alles verschütt'. Wie mirs noch neuerdings gangen ist, das mich sehr verdrossen hat. Und also auf mein Wort zu kommen, binn ich weit geschäftiger zu suchen wo was liebs freundlichs und gut stickt als bisher, und guten Humors, weil ich allerley unvermuthetes finde pp. dass ich einigemal auf dem Sprunge gestanden habe mich zu verlieben. Davor doch Gott seye. Auf allen Fall aber sich ereignenden Unglücks sogleich Mamagen überschrieben werden soll.

Wie schön ich zeither gezeichnet habe mag nicht sagen, weil ich noch in ansehnlichen Rest stehe.

Und dann ist der Schildrer der die Hannoversche Lotte zeichnete einer der sich drauf versteht. Sie ists von Kopf zu Fusse, nur dass ichs nicht so im Detail hätte herbeten können, das macht ich war ins Ganze so verliebt, und Gott hat gewollt dass ein Liebhaber ein schlechter Beobachter seye.

An der Rezension binn ich so unschuldig wie ein Kind, und diesmal haben Sie Gespenster gesehen, weil Sie sie suchten. Ich schickte es eigentlich dass Sie[137] über mich lachen sollten. Ich hatte der Tante geschrieben, wie ich den Deinet gehezzt habe, und würklich, ich hoffte er sollte sich prostituiren, und siehe da er ist so höflich wie ein Hündlein. Auf mein Wort, von mir ist kein Milch und Gall Tropfen drinn.

Gott vergelts dem Hauptmann Dobel daß er Ihnen durch diese Finsterniss und trübseelige Zeit durchhaudern hilft. Doch er hat seinen Lohn dahin. Auf Fassnacht bleibts dabey kommt was angefahren. Und so Adieu. Nimmt der Kleine wohl zu. Ach liebe Frau seit drei viertel Jahren hab ich drey vier Paare verheurathet, und noch will mir niemand gute Hoffnung melden.

G.


Der Tante viel Grüsse, ich wollte ihr schreiben, kann mir aber kein Bild von ihr machen wie sie zu Düsseldorf trägt, faul, und schnupfenhaftet ist, da läßt mich mein dramatischer Genius stecken.


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung, Bd. 2, S. 52-138.
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