1832

[184] 49/137.


An Carl Friedrich Zelter

Die heilsame Quelle, welche aus deinem Schwanenziel schwarz, aber jederzeit phosphorescirend zu mir herüberströmte, ist auf einmal, nach dem bekannten Sprichwort, ausgeblieben wie's Röhrenwasser. Dieß versetzte mich zuletzt wirklich in einige Sorge; die gehoffte Ankunft der guten Doris erfolgte nicht und das alles schien mir bedenklich.

Die Correspondenz von 1830 ist, was die Schreibefehler betrifft, revidirt; dem guten Riemer bleibt nunmehr Erwägung und Beurtheilung wegen auszulassender oder zu modificirender Stellen; er wird hoffentlich bey überströmenden Schwall der allmächtigen Preßfreyheit nicht allzu genau und knapp zu Werke gehn. Den Künftigen sey dieß überlassen!


So weit waren wir gelangt, als dein Brief vom 31. December willkommen hereintritt und sich nun ein recht hübscher anmuthiger Abschluß des Jahres 1831 hervorthut.

[184] Dir glücklichen Ton- und Gehörmenschen, der du unter Trompetenklang und vielfachen Chorgesang dein Fest feyertest, möge auch das eintretende Jahr in seinem ganzen Laufe fortwährend harmonisch klingen! Dagegen hätt ich von meinen hundertundeinem klanglosen Bemühen große Lust zunächst ein Quodlibet vorzutragen.

Wir haben uns zwar recht artig eingerichtet, um Doris bey uns aufnehmen zu können, doch möchte bey der eingetretenen Kälte eine Reise für die Frauenzimmer jetzt nicht räthlich seyn. Möge sie es bis auf bessere Tage aufsparen und eine fröhliche Zeit bey uns genießen. Der Papa holte sie ab und so würden einige Wochen ganz auferbaulich werden. Und nun noch ein allenfalls abzuschneidendes Beyblatt.

Soviel für heute in eiligster Kürze; versäume nicht, mir zu melden was um dich lebt und darauf du wirkst. Von den Gespenster mit denen ich mich herumschlage sollst du gleichfalls Nachricht erhalten.

und so fortan!

Weimar den 3. Januar 1832.

G.


Das Anerbieten des Herrn Friedlaenders der schönsten und seltenen Medaille von Sperandeus nehme mit vergnüglichstem Dank an. Ich habe wohl ein halb Dutzend Medaille dieses vorzüglichen Mannes, der, wenn man ihn in seinem Jahrhundert betrachtet, als höchst bedeutend anzusehen ist. Aber gerade die[185] gemeldete auf Lud. Carbo pp. besitz ich nicht, kenne sie aber aus Mazzuchelli und werde, da ich sie sehr hoch schätze, meine Genfer Medaille dagegen sehr gern einliefern. Das allersorgfälltigste Einpacken mir erbittend.

Weimar den 3. Januar 1832.

G.


49/138.


An Carl Gustav Börner

[Concept.]

Ew. Wohlgeboren

sende anbey die schuldigen 21 eh. 20 gr. sächsisch und also nach dem bisher bestehenden Curse um so eher, da Sie in jedem Falle mir die billigsten Ansätze machen werden.

Es ist Ihnen bekannt genug worauf ich ausgehe, und Sie werden mir gewiß von Zeit zu Zeit einiges zur Auswahl zusenden. Das Beste, auch zum eigetretenen Jahre, wünschend. Weimar den 3. Januar 1832.


49/139.


An Wilhelm Reichel

Ew. Wohlgeboren

haben die Gefälligkeit, beykommenden Aufsatz in die Beylage der allgemeinen Zeitung aufzunehmen und[186] mir ein Halb Dutzend Exemplare des Stücks in Kreuzband zu übersenden. Wollten Sie mir zugleich melden wieviel ich dafür schuldig geworden, so sollte alsobald der Abtrag erfolgen. Wie ich denn, wenn es zu Ihren Zwecken diente, von Zeit zu Zeit einigen Nachtrag zu übersenden Gelegenheit nehmen würde.

Der ich zum eintritt des neuen Jahres alles Stück wünsche und zugleich bedeutenden Angelegenheit mehre Jahre fortgesetzten Bemühungen mich jederzeit dankbar erinnere.

In vorzüglicher Hochachtung.

ergebenst

Weimar den 3. Januar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/140.


An Friedrich Jacob Soret

Hätte ich, mein theuerster Herr und Freund, die mannichfaltigen Unterhaltungen, die ich bisher im Geiste mit Ihnen gepflogen, zu Papiere gebracht, so würden Sie manches nicht Uninteressante zu lesen haben. Verschiedenes Hübsche und aller Aufmerksamkeit Werthe ist dies Zeit her bey mir eigekommen, das ich so gern mitgetheilt und dadurch doppelt genossen hätte. Lassen Sie mich also von dem Letzten anfangen, von dem was ich Ihnen schuldig geworden, und nehmen Sie meinen Dank zum schönsten.

[187] Die drey mir übersendeten, durch Schrift und Zeichnung merkwürdigen verdient gern aufzeichnen jeder ein besonders Lob, welches ich zunächst gern aufzeichne und übersende.

Was die Mineralien für Princeß Auguste betrifft, bin ich in einiger Verlegenheit; in dieser Kälte sind meine Sammlungen unzugänglich und, wie ich sie im Gedächtniß habe, möchte sehr weniges zu dem ausgesprochenen Zwecke wünschenswerth seyn. Bedeutende Krystallisationen gibt der Liebhaber nicht gerne her; Massen von Bleyglanz, wie sie hiezu gefordert werden, besitz ich nicht, und sogar wegen der sogenannter Speerkiese hab ich mich auch verrechnet. Als Schwefelkiese haben sie schon ihren Glaz verloren und als freye Krystallisation ( man sieht den Stiel wo sie angesessen haben, die Stelle wovon sie ausgegangen sind). Sodann ist die Form der Krystalle so merkwürdig daß sie jeden Liebhaber interessiren müssen; wie ich denn ein paar für Ihr Kabinett beylege, welche zum Zeugniß des Gesagten dienen werden. Auch haben sich nur wenige gefunden. Ob ich mich wegen ihrer Zahl geirrt, da ich aus Böhmen succesiv mehre glaubte geirrt, da ich aus Böhmen successiv mehre glaubte mitgebracht zu haben, oder ob sie sich in eine Schublade versteckten, kann ich jetzt nicht untersuchen.

Diese vielen Worte, welche nöthig scheinen um die traurige Negative zu entschuldigen, wünsch ich nicht umsonst ausgesprochen zu haben, ich mag aber umherdenken[188] wie ich will, so find ich nichts, wodurch ich meine Dienstwilligkeit in diesem Momente bethätigen könnte.

Wenn Sie eine von Ihro des Prinzen Carl von Preußen Königl. Hoheit an mich gesendete Abbildung des neuen, zwischen Sicilien und der Barbarey entstandenen Vulkans etwa nicht schon gesehen haben, so wird sie Ihnen viel Vergnügen machen. Es ist immer wichtig, von einem so bedeutenden Naturphänomen sich einen angemessenen Begriff in dessen ganzer Macht und Gewalt vorbilden zu können.

Auch zähl ich unter die Glücksfälle: daß mir der Backzahn eines Elephanten-Ferkels (wenn man so sagen darf) zugekommen ist; die eigentliche Zahnwerdung ist hier in ihren ersten Anfängen höchst belehrend zu betrachten.

An Büchern, Heften, Kupferstichen hat es gleichfalls nicht gefehlt und ich schriebe dieß nieder in Absicht und Hoffnung, Ihre Genesung zu befördern, damit ich dergleichen Erwünschtes bald möge vorweisen können.

Deßhalb denn auch immer

das alte Loosungswort!

Und so fort an!

treulichst

Weimar den 3. Januar 1832.

J. W. v. Goethe.[189]


49/141.


An Carl Julius Moritz Seebeck

Auf Ihr sehr werthes Schreiben, mein Theuerster, habe wahrhaftest zu erwidern: daß das frühzeitige Scheiden Ihres trefflichen Vaters für mich ein großer persönlicher Verlust sey. Ich denke mir gar zu gern die wackeren Männer, welche gleichzeitig bestrebt sind, Kenntnisse zu vermelden und Einsichten zu erweitern, in voller Thätigkeit.

Wenn zwischen entfernten Freunden sich erst ein Schweigen einschleicht, sodann ein Verstummen erfolgt und daraus ohne Grund und Noth sich eine Mißstimmung erzeugt, so müssen wir darin leider eine Art von Unbehülflichkeit entdecken, die in wohlwollenden guten Charakteren sich hervorthun kann und die wir, wie andere Fehler, zu überwinden und zu beseitigen mit Bewußtseyn trachten sollten. Ich habe in meinen bewegten und gedrängten Leben mich einer solchen Versäumniß öfters schuldig gemacht und will auch in dem gegenwärtigen Fall den Vorwurf nicht ganz von mir ablehnen. Soviel aber kann ich versichern, daß ich es für den zu früh Dahingegangenen weder als Freund an Neigung, noch als Forscher an Theilnahme und Bewunderung je habe fehlen lassen, ja daß ich oft irgend etwas Wichtiges zur Anfrage zu bringen gedachte, wodurch denn auf einmal alle bösen Geister des Mißtrauens wären verscheucht gewesen.

[190] Doch hat das vorüberrauschende Leben unter andern Wunderlichkeit auch diese, daß wir, in Thätigkeit so bestrebsam, auf Genuß so begierig, gar selten die angebotenen Einzelnheiten des Augenblicks zu schätzen und festzuhalten wissen.

Uns so bleibt denn im höchsten Alter uns die Pflicht noch übrig, das Menschliche, das uns nie verläßt, wenigstens in seinen Eigenheiten anzuerkennen und uns durch Reflexion über die Mängel zu beruhigen, deren Zurechnung nicht ganz abzuwenden ist.

Mich Ihnen und Ihren theuren Angehörigen zu geneigtem Wohlwollen bestens empfehlend.

ergebenst

Weimar den 3. Januar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/142.


An Peter Christian Wilhelm Beuth

[4. Januar 1832.]

Ew. Hochwohlgeboren

bereiteten mir, indem Sie einen lang gehegten stillen Wunsch erfüllen, daß ich, insofern es meine Lage erlaubt, mannichfache Monumente älterer und neuerer zeit um mich zu versammeln suche, wozu Sie ja, seit so manchen Jahren, die freundlichsten und wichtigsten Beyträge mir gegönnt haben, und was kann endlich interessanter seyn als zu erfahren, wie sich in den[191] letzten Augenblicken die Kunst im Vaterlande bildet, wie sie erregt, gefördert und belohnt wird.

Ihre wichtige Sendung, für deren Mittheilungen ich dem verehrten und in so hohem Grade wirksamen Kunstverein meinen lebhaften Dank auszudrücken bitte, hat mich schon viel denken und überlegten gemacht; denn nichts ist dazu auffordernder, als wenn mir die mannichfaltigsten Resultate vor uns sehen, welche aus zweckmäßiger Anwendung großer Mittel hervorgehen.

Mehr darf ich in diesem Augenblick zu sagen mir nicht erlauben, weil ich fürchten muß, Gegenwärtiges zu verspäten, wobey ich mir jedoch vorbehalte, zu nächst einige weitere Äußerungen nachzubringen, besonders über Gegenstände, die den Künstlern vielleicht zu empfehlen wären, und wovon, bey den vielfach zu empfehlen wären, und wovon, bey den vielfach sich manifestirenden Talenten, vielleicht hie und da etwas Angenehmes zu hoffen stände.

Ohne mit vielen Worten zu versichern und zu betheuren, daß ich Ew. Hochwohlgeboren unermüdete Thätigkeit zu bewundern und deren gränzenlose Folgen zu segnen weiß, darf ich mich wohl unterzeichnen als einen treu Theilnehmenden und aufrichtig Verpflichteten.[192]


49/143.


An Carl August Varnhagen von Ense

Leider muß ich diesen meinen Brief auch mit dem tief empfundenen Bedauern anfangen, daß wir den hochbegabten bedeutenden Reihenführer, so wohlgegründeten und mannichfaltig thätigen Mann und Freund, obgleich nicht ganz unbefürchtet, verloren haben. Das Fundament seiner Lehre lag außer meinem Gesichtskreise, wo aber sein Thun an mich heranreichte oder auch wohl ihn meine Bestrebungen eingriff, habe ich immer davon wahren geistigen Vortheil gehabt.

Das mir angemeldete Exemplar der Briefe des Lebenden aus der Unterwelt ist im zierlichsten Band bey mir angekommen. Mein bester Dank an den geistreichen Verfasser folgt hierbey. Etwas darüber öffentlich zu sagen, würde mir jetzt nicht gelingen, und ich darf es um so weniger unternehmen, als ich leider auf den ersten Seiten mir selbst begegnet bin. Ich glaube mich in dem Danksagungsschreiben an den trefflichen Verfasser noch mäßig genug in einem sehr unangenehmen Fall ausgedruckt zu haben. Wenn ein namhafter Mann Ursache findet, so sollte man ihn billig keine Schlafsrockspredigten halten lassen.

Ihnen, mein Theuerster, gelingt überhaupt jedes Biographische im weitesten Sinne zum allerbesten.[193] Der unselige Schlabrendorf ist Ihnen trefflich gerathen, wenn seine hinterlassenen Papiere leider auf's greulichste gegen ihn zeugen. Daß doch, eben in dem vergangenen Jahrhundert, vorzüglich gute Menschen sich im Absonderlichen, Abstrusen bis in's Absurde hinein gefielen und nur Stahl- und Steinfunken in die Nacht, in den Tag aber Dunstgranaten hineinzuwerfen sich erlustigten. Ich wollte, es wäre alles anders gewesen und ich irrte mich.

Jenen Aufsatz über die französischen wissenschaftlichen Händel, die jetzt vor der großen Bewegung wenigstens unsern Augen entschwunden, habe damals gleich fortgesetzt, mit demselbigen Motto. Er ist weitläufig und wunderlich geworden und doch keineswegs erschöpfend, an Hin- und Herdeuten hat es nicht gefehlt. Ich sende es nächstens; müßte Sie es zu Ihren Zwecken nicht zu benutzen, so erbitte mir solches wieder zurück.

Die Anzeige unsres werthen Carus von meinem letzten deutsch-französischen Hefte wird mich höchlich erfreuen und fördern. Mit den neu hervortretenden Betrachtungen über die Spiralität übergeben wir den Nachkommen mehr einen gordischen Knoten als einen liebevollen Knaul. Auf diesen Punct hab ich große Aufmerksamkeit verwendet, andere mögen auch sehen wie sie zurecht kommen.

Soweit war geschrieben, als Ihre angenehme Zuschrift mich zum neuen Jahre erfreute. Gegenwärtiges[194] sende jedoch sogleich ab, da Sie daraus ersehen daß sich alles so schön und gut als möglich anläßt. Ich fahre sogleich fort, eine weitere Mittheilung zu dictiren, da ich noch manchen höchst interessanter Anlaß finde. Lassen Sie uns versuchen, ob nicht, bey so manchem Veränderlichen, Anlaß, ein folgerechtes Zusammenwirken wenigstens für die nächste Zeit einzuleiten, sey. Diejenigen, die sich eigentlich immer einzelner zusammen. Der treffliche Seebeck hat uns auch verlassen, ohne daß die letzte Zeit unsre Thätigkeiten genugsam in einander gegriffen hätten. Mehr sag ich nicht, vielleicht ist das schon zuviel. Möge Ihnen im Äußern und Innern das Vorzüglichste gelingen!

und so fortan!

Weimar den 5. Januar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/144.


An Hermann Ludwig Heinrichvon Pückler-Muskau

Willkomm

dem

unter die Lebendigen

glücklich

Wiederkehrenden.

Wenn der edle Scheintodte auf seinen zurückgelegten Reisewegen freudig von mir begleitet ward, so muß[195] der in's Leben Zurückkehrende mich gewiß auf Schritten und Tritten theilnehmend an seine Seite ziehen.

Leider begegnete ich auf den ersten Schritten mir selbst, und, wie man weiß, hat jedes Doppelsehen, vom Schielen und Schwindel an bis zum double sight, immer etwas Apprehensives, ja Sinneverwirrendes.

Davon mich wieder herzustellen, so eiligst als möglich, halte als Langelebender für Pflicht, um einen freyen Dank für die mir übersendeten höchst willkommenden Bände desto heiterer abstatten zu können.

Als treuster und bequemsten Reisegefährten indessen hochachtungsvoll sich unterzeichnend, allerbestens empfohlen zu seyn wünscht

Weimar den 5. Januar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/145.


An David Knoll

Sie erhalten durch die fahrende Post, mein werther Herr Knoll, ein Paquet, wodurch ich meine Zusage zu erfüllen gedenke. Es enthält:

1) Ein neues Vorwort zu der ehemalig Joseph Müllerischen, nun David Knollischen Sammlung. Ich habe das alte Manuscript des früheren Aufsatz mit eingelegt, damit Ihnen deutlich werde wie alles gemeynt sey.

2) Ein Vorwort zu der David Knollischen Sammlung vom Sprudelstein, sowohl rohem als geschliffenem.[196] Hierauf würde das Verzeichniß der 50 Stücke folgen, welches Sie selbst am besten revidiren werden. Sie haben soviel Sorgfalt auf die Stellung der Exemplare nach ihren Eigenschaften und Farben gewendet, daß ich Ihnen das Weitere gern überlassen kann.

Für die geschliffene Sammlung danke zum schönsten, sie ist wirklich höchst erfreulich durch Mannichfaltigkeit und gute Anordnung und sehr saubere Behandlung. Das kleine Format macht die Sache noch annehmlicher und ich zweifle nicht an gutem Succeß.

Sehen Sie diese meine Sendung recht genau an; finden Sie noch etwas zu erinnern und zu wünschen, so melden Sie mir's. Es ist noch eine gute Zeit hin, bis die Curgäste anlangen. Auch wünsche baldige Nachricht, daß das Paquet glücklich angekommen.

Mit den besten Wünschen zum angetretenen neuen Jahre schließend, empfehl ich mich zu geneigtem Andenken.

ergebenst

Weimar den 6. Januar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/146.


An Friedrich Jacob Soret

In dem lebhaften Mitgefühl, theuerster Herr und Freund, welcher diplomatisch Wendungen und zwar in französischer Sprache es bedarf, um einer geliebten Prinzessin eine wo nicht ablehnende, doch retardirende Antwort zu ertheilen, so folgt hierbey[197] eiligst die bezeichnete Medaille, deren Absendung ich jedoch mit den besten und freundlichsten Worten zu begleiten bitte.

Außerdem bin ich auf einen Gedanken getrieben, dessen Ausführung hoffetlich uns in der höchsten Gunst völlig wieder herstellen und bestetigen soll.

und so fort an!

Weimar den 7. Januar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/147.


An Ottilie von Goethe

[Concept.]

Vielleicht benutzt Herr v. Froriep beykommendes Blättchen in seine Notizen, da ich mir denn einen Abdruck der Tafel worauf es sich bezieht zu meinen Acten ausbitten würde.

Weimar den 10. Januar 1832.


49/148.


An Sulpiz Boisserée

Für Ihren werthen Brief im Allgemeinen und zum allerschönsten dankend, will ich nur eiligst die wichtige Frage wegen des Regenbogens zu erwidern anfangen. Hier ist mit Worten nichts ausgerichtet, nichts mit Linien und Buchstaben; unmittelbare Anschauung ist Noth und eigens Thun und Denken. Schaffen Sie also augenblicklich (siehe beyliegende Zeichnung) eine hohe Glaskugel an a, etwa 5 Zoll[198] mehr oder weniger im Durchmesser, wie sie Schuster und Schneider überall brauchen, um das Lampenlicht auf den Punct ihrer Arbeit zu concentriren, füllen solche mit Wasser durch das Hälschen und verschließen solche durch einen Stöpfel b, stellen sie auf ein fester Gestelle gegen ein verschlossenes Fenster d, treten alsdann, mit dem Rücken gegen das Fenster gekehrt in e, etwas zur Seite, um das in der Rückseite der Kugel sich präsentirende umgekehrte Fensterbild f zu schauen, fixiren solches und bewegen sich ganz wenig nach Ihrer rechten Hand zu, wo Sie denn sehen werden daß die Glastafeln zwischen den Fensterleisten sich verengen und zuletzt, von den dunklen Kreuzen völlig zusammengedrängt, mit einer schon vorher bemerkbaren Farbenerscheinung verschwinden und zwar ganz am äußersten Rande g, die rothe Farbe glänzend zuletzt.

Diese Kugel entfernen Sie nicht aus Ihrer Gegenwart, sondern betrachten sie hin- hergehend bey'm hellsten Sonnenschein, Abends bey Licht. Immer werden Sie finden daß ein gebrochenes Bild an der einen Seite der Kugel sich abspiegelt und so, nach innen gefärbt, sich, wie Sie Ihr Auge nach dem Rande zu bewegen, verengt und, bey nicht ganz deutlichen mittlern Farben, entschieden roth verschwindet.

Es ist also ein Bild, und immer ein Bild, welches refrangirt und bewegt werden muß; die Sonne selbst ist hier weiter nichts als ein Bild. Von Strahlen ist gar die Rede nicht; sie sind eine Abstraction, die[199] erfunden wurde, um das Phänomen in seiner größten Einfalt allenfalls darzustellen, von welcher Abstraction aber fortoperirt, auf welche weiter gebaut, oder vielmehr aufgehäuft, die Angelegenheit zuletzt in's Unbegreifliche gespielt worden. Man braucht die Linien zu einer Art von mathematischer Demonstration, sie sagen aber wenig oder gar nichts, weil von Massen und Bildern die Rede ist, wie man sie nichts darstellen und also im Buche nicht brauchen kann.

Haben Sie das angegebene ganz einfache Experiment recht zu Herzen genommen, so schreiben Sie mir auf welche Weise es Ihnen zusagt, und wir wollen sehen, wie wir immer weiter schreiten, bis wir es endlich im Regenbogen wiederfinden.

Mehr nicht für heute, damit Gegenwärtiges als das Nothwendigste nicht aufgehalten werde.

Treu beharrend

Weimar den 11. Januar 1832.

J. W. v. Goethe.


1832

[200] 49/149.


An Friedrich August von Fritsch

Ew. Hochwohlgeboren

möchte nicht gern unbequem seyn und doch geschähe mir, da eine Berliner Freundin bey mir eingetreten ist, eine große Beyhülfe für ihre Bewirthung, wenn ein Reh durch Ihre Gunst in meinen Küche gelangte.

Die Gewährung dieses Wunsches würde mir zwar viel Vergnügen machen, doch auch bey einer abschläglichen Antwort von Seiten eines verehrten, immer so geneigten Freundes würde ich mich ohne weiteres bescheiden.

Mich und die Meinigen zum allerschönsten empfehlend.

Hochachtungsvoll

Weimar den 11. Januar 1832.


49/150.


An Marianne von Willemer

Das vorübergehende Jahr wollen wir wenigstens bey seiner Sylvesterschleppe fassen, um unsre theuersten Freunde noch eiligst zu begrüßen.

Herzlich leid war es mir zu erfahren, daß Sie einen Theil der letzten Monate in krankhaften Zuständen verbracht haben, denn gar zu gern denke ich[201] mir Sie in den Augenblicken, in welchen Sie immer gleich heiter, liebenswürdig und wohlthuend die Gegenwart ergriffen.

Wir in diesen Gegenden sind wie aus einem widerwärtigen Traum erwacht. Das asiatische Ungeheuer entfaltete immer mehr Hälfte, Köpfe und Rachen, je näher es heranrückte, man machte, was ich sehr billige, fürchterliche Anstalten dagegen, um die Furcht zu balanciren. Wir aber, auf der Allerweltslandstraße, wurden durch scheue, flüchtende, aufgeregte Durchreisende in der Apprehension eines Übels fort- und fortzuleben genöthigt, das endlich auf die bewundernswürdigste Weise sich im Norden dämpfte, und gleichsam erlosch. Jetzt, ohngeachtet alle Sperren aufgehoben sind, wir keine durchstochen Briefe und Paquete mehr erhalten, ruhig fortleben, auch bey uns nicht die mindeste Andeutung davon sich spüren ließ; jetzt, da alles leidlich ablief, triumphiren die Ärzte, welche es für nicht ansteckend erklärten, obgleich es durch Ansteckung verbreitet worden war. Wir wollen den freundlichen Wesen die in der Luft herrschen zutrauen, daß sie im Frühling die Wiederkehr des Ungeheuers abhalten, damit nicht der Spectakel, von vorn angeht und die größer ist als das Übel, dem doch nur ein Theil unterliegt.

Daß meine treusten Wünsche, meine wahrhafte Theilnahme Sie immer umgeben und gerühren, davon[202] sind Sie überzeugt, und so bin ich wirklich wegen unsres Trefflichen Willemers in einiger Sorge. Seiner thätigen Sinnes- und Handelsweise muß freylich die Hemmung später Tage höchst widerwärtig seyn. Ich will nicht läugnen daß ich es für ein Kunststück halte, als entbehrlich anzusehen was die Jahre uns nehmen, dagegen aber hoch und höher zu schätzen was sie uns lassen, am höchsten aber, wenn sie so artig sind uns mit neuer Gabe zu erfreuen, welche meistens von guten Menschen kaum bemerkt und selten dankbar aufgenommen wird.

Wenn Sie, meine Beste, wie im Sommer, so auch im Winter für meine Tafel und Haushaltung sorgen wollten, deren persönliche genaue Behandlung Sie komisch finden würden, wenn Sie mich dieses Geschäft nothwending consequent durchführen sähen: so vermelde ich nächstens einige Wünsche durch deren Erfüllung ich meinen Gästen wohl ein besonderes Lächeln abgewinnen möchte. Wollen Sie mir indeß freundliche Gesichter von meinen Enkeln erwecken, so erbitte mir, etwa im Februar, etwas Offenbacher Pfefernüsse; bis dahin werden die magenverderblichen Weichnachtsgaben wohl schon aufgespeis't seyn. Die Menschheit, merke ich, mag noch sehr zu ihrem höchsten Ziele vorschreiten, die Zuckerbäcker rucken immer nach; indem sich Geist und Herz immerfort reinigt, wird, wie ich fürchte, der Magen immer weiter seiner Verderbniß entgegengeführt.

[203] Damit dieses lange zaudernde Blatt endlich seinen Weg antrete

eiligst unwandelbar

Weimar den 13. Januar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/151.


An Carl Friedrich Zelter

Und so wären wir denn durch die Ankunst der guten Doris dir wirklich um soviel näher gerückt, und ob mir gleich Berlin und dein Wirkungskreis in dieser Königstadt ziemlich gegenwärtig sind, so ist es denn doch höchst erfreulich, gewisse Einzelnheiten sich aufklären zu sehen.

Sie hat so mancherlei mitgebracht, daß ich nicht begreife wie man dergleichen Gepäck im Eilwagen unterbringt. Zuvörderst also meine Briefe, welche schon zwischen die deinigen eingeschoben sind. Die Summe der letzten betragen 41, die der ersten 32. Du hast also um soviel Schritte Vorsprung; versäume nicht, in diesem Jahr mich abermals zu überbieten. Gesteh ich's nur, meine Zustände sind aus soviel kleinen Theilen zusammengesetzt, daß man beynahe fürchten müßte, das Ganze würde sich zunächst verkrümeln; bey dir gibt's doch noch Massen, daraus lebendige Genüsse hervorgehen, wodurch der unausweichliche Verdruß wieder verschmerzt und aufgehoben wird.

[204] Herrn Friedländer kannst du vorkäufig für die Medaille schönsten danken; sie hat mich und Meyern als ein wahres Kleinod höchlich erfreut, auch nimmt sie sich in der Reihe ihrer Geschwister gar vortheilhaft aus. Da die freundlichen Sender schon mit meiner Medaille versehen sind, so sollen einige ältere schätzenswerthe Stücke dankbar sich einfinden. Unter den von meinem Sohn aus Mailand gesendeten Münzen haben sich einige Dubletten gefunden.

Das Büchlein von Judas Makkabäus nimmt sich gut aus; die alten Fabel: Überwundete, Bedrückte erst buldend, dann sich auflehnend, nach wechselndem Erfolg sich zuletzt doch befreyend, ist ein sehr günstiges Thema, der Musik besonders zusagend.

Der Text von Jouy zur Spontini'schen Oper ist wirklich bewundernswürdig. Ich hab ihn erst einmal durchgelesen. Große Einsicht in das theatralisch Wirksame, glückliche erneute Benutzung solcher Situationen, denen man niemals ausweicht, mitten im Strome einer theils feyerlichen, theils leidenschaftlichen Bewegung recht hübsche Ruhepuncte, wo sich gemüthlicher Gesang ergehen kann, brausende, gut gruppirte und bewegte Finales. Wer den dritten Act auszuhalten hat, der mag eine Herz- und Sinnenstärkung bey der Hand haben. Übrigens wüßt ich keine Stelle abzurathen und zu verändern, ich werde nur loben können und aus dem rechten Standpuncte meine gute Meynung gründlich motiviren.

[205] Wegen der gewünschten Mittheilung hab ich Scrupel, es ist eine gar kitzliche Sache. Doch wollen wir das Weitere bedenken und überlegen.

Mit der kleinen Facius wird sich's machen, die Sustentation noch auf ein Jahr ist schon so gut wie gewährt; die Gegenwart des Professor Rauch in Berlin wird ihr auf alle Fälle höchst förderlich seyn. Wer aufhört, mit den Meistern seiner Kunst zu conversiren, der kommt nicht vorwärts und ist immer in Gefahr zurückzuschwanken. Von jedem Talent soll man ein unermüdetes Bestreben, eine Selbstverläugnung fordern, von der sich aber niemand einen Begriff macht noch machen will. Jeder möchte die Kunst gern auf seine eigne Weise besitzen, sie aber will nur auf die ihrige geworben und erworben seyn. Wie oft sey ich Talente die sich gebärden wie eine Wespe an der Fensterscheibe; sie möchten das Undurchdringliche mit dem Kopf durchbohren; das ginge, denken sie, weil es durchsichtig ist.

Die Eigenheit deiner Tonwelt vernehm ich nun genauer durch die gute Doeis. Wie viele haben denn eine Ahnung von der einsichtigen Gewalt die erfordert wird, um einen solchen Körper zusammenzuhalten.

Ungesäumt, unverwandt,

so fort an!

W. d. 14. Jan. 1832.

G.[206]


49/152.


An den KronprinzenFriedrich Wilhelm von Preußen

Durchlauchstigster Prinz,

Gnädigster Fürst und Herr.

Ew. Königliche Hoheit haben meinen Eintritt in das neue Jahr durch ein einziges Fest zu eröffnen geruht, indem Höchstdieselben mich zu dem seltensten Feuerwerck einzuladen die Gnade hatten.

Gesteh ich gerne daß ich mir längst gewünscht dieses merckwürdige Naturereigniß unserer Tage mit Augen zu sehen. Denck ich nun gegenwärtig, bey Erblickung des sehr bedeutenden Bildes: daß Höchstdieselben, es anschauend, zugleich meiner und meines leidenschaftlichen Antheils an dergleichen Phänomenen Sich erinnern und den Schluß fassen mögen mich dadurch zu beglücken; so gibt mir dieser schreckenerregende Anblick zugleich das anmuthigste Gefühl von Höchster Gunst und einem entschiedenen gnädigen Wohlwollen.

Ew. Königliche Hoheit überzeugen Sich daß mein verpflichteter Danck sich der überraschenden köstlichen Gabe, so innig als schuldig gleichzustellen trachtet, und so unabläßig wircksam in mir bleiben wird, als die Verehrung, mit welcher ich mich hier im reinsten Sinne unterschreiben darf:

Ew. Königlichen Hoheit

unterthänigsten Diener

Weimar, d. 19. Januar 1832.

J. W. v. Goethe.[207]


49/153.


An Gasparo Luigi Pacifico Spontini

Weimar den 19. Januar 1832.

Ohne die Abreise der Demoiselle Zelter abzuwarten, welche wir länger bey uns zu beyhalten wünschen, verfehle ich nicht, für die gefällige Übersendung der unternommenen Oper: »Die Athenerinnen« bestens zu danken.

Gleich bey dem ersten Lesen übersah ich wohl, wie ein glücklich ausgewähltes Sujet auf das vollkommenste ausgeführt durchgearbeitet worden.

Statt aller Kritik wird nur der Beyfall, den ich hier im Allgemeinen ausspreche, im einzelnen zu motiviren seyn, welches jedoch keine geringe Aufgabe ist, wozu ich mir also einige Zeit erbitte, um mich sowohl dem Dichter als dem Componisten durch ein treuliches Schauen, Aufnehmen, Hören und Empfinden als den dankbarsten Theilnehmer durchaus zu erweisen.

Mich desto aufrichtiger als ein solcher unterzeichnen zu können, bediente ich mich meiner Muttersprache, in welcher ich mich auch zu wohlwollendem Andenken hiermit bestens empfehle.

J. W. v. Goethe.[208]


49/154.


An Heinrich Wilhelm Ferdinand Wackenroder

Ew. Wohlgeboren

bin ich für verschiedene Sendungen und Mittheilungen einen aufrichtigen Dank schuldig geblieben, welchen ich nicht länger, und wäre es auch nur einigermaßen, auszudrücken zaudern darf.

Lassen Sie mich daher bey dem Letztern verweilen und bey der Pflanzen-Chemie mich aufhalten. Es interessirt mich höchlich, inwiefern es möglich sey, der organisch-chemischen Operation des Lebens beyzukommen, durch welche die Metamorphose der Pflanzen nach einem und demselben Gesetz auf die mannichfaltigste Weise bewirkt wird.

Daß die Steigerung, die wir bey Bildung der Pflanzen von Knoten gewahr werden, durch eine Sonderung und Mischung der von der Wurzel aufgesogenen Feuchtigkeiten, verbunden mit den aus der Atmosphäre einwirkenden Ingredienzen bewirkt wird, glauben wir mit Augen zusehen, indem eine immer vollkommnere Gestaltung sich zuletzt bis zu der neuen Fortpflanzung erhebt; dieß ist ein Factum, das wir anstauen, mit Augen sehen und doch kaum glauben können; denn wer wird die fünf bis sechs Fuß langen Stengelblätter des Heracleum speciosum als identisch mit den kleinen Blättchen der letzten Quirlblumen sich denken können? Und[209] wenn er sogar das Zusammenziehen jener und die Achsenstellung dieser nach und nach sich bekannt gemacht und ihre Folgen eingesehen hat, so müssen wir doch immer Einbildungskraft, Erinnerung, Urtheil, Vergleichung, alle Geisteskräfte beysammen haben, um das Unbegreifliche gewissermaßen in die Enge zu bringen.

Ich habe in meiner Darstellung der Metamorphose mich nur des Ausdrucks eines immer verfeinten Saftes bedient, als wenn hier nur von einem Mehr oder Weniger die Rede seyn könnte; allein mir scheint offenbar, daß die durch sie verändert wird und, wie die Pflanze sich gegen das Licht erhebt, sich die Differenz immer mehr ausweisen muß.

Da wir nun in Unterschreibung der greif- und wägbaren Elemente, so wie der gasartigen, durch die Chemiker immer weiter vorrücken, so bin ich geneigt zu glauben, es müsse sich eine Succession von Entwicklungen und Aneigungen noch bestimmter anzeigen lassen. Daher kam der Wunsch, dem Sie so freundlich entgegenarbeiten, die Luftart, wodurch die Schoten der Colutea arborescens sich aufblähen, näher bestimmt zu sehen.

Daß Sie sich immerfort mit dieser Aufgabe beschäftigten, ist mir von großem Werth; denn ob wir gleich gern der Natur ihre geheime Encheiresis, wodurch sie Leben schafft und fördert, zugeben und, wenn auch keine Mystiker, doch zuletzt ein Unerforschliches[210] eingestehen müssen, so kann der Mensch, wenn es ihm Ernst ist, doch nicht von dem Versuche abstehen, das Unerforschliche so in die Enge zu treiben, bis er sich dabey begnügen und sich willig überwunden geben mag.

Fahren Sie fort, mit allem dem was Sie interessirt mich bekannt zu machen, es schließt sich irgendwo an meine Betrachtungen an, und ich finde mich im hohen Alter sehr glücklich, daß ich das Neuste in den Wissenschaften nicht zu bestreiten nöthig habe, sondern durchaus mich erfreuen kann, in Wissen eine Lücke ausgefüllt und zugleich die lebendigen Ramificationen der Wissenschaft sich anastomosiren zu sehen.

Ergebenst

Weimar den 21. Januar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/155.


An den FreiherrnCarl von Stein zum Altenstein

Hochwohlgeboren Freyherr,

hochzuverehrender Herr.

Ew. Excellenz erzeigt mir, es wird nicht ganz ein Jahr seyn, die überraschende Geneigtheit, mich in Kenntniß zu setzen: es sey Hochdenenselben gefällig gewesen, gnädige Einleitung zu treffen, auf welche Weise und unter welchen Bedingungen der Privatlehrer Schubarth zu Hirschberg in dem Staatsdienst angestellt werden könne. Ich verehrte darin im Stillen die hohe Vorsorge, daß kein Unwürdiger zu so bedeutenden[211] Zwecken aufgenommen werde, und zugleich die Übersicht, wie allenfalls die Hindernisse in Ermangelung einer Förmlichkeit zu beseitigen seyn möchten.

Nun erst erfahr ich daß es schon längst sich fügen konnte, genannten Mann zu einer Lehrerstelle an einer öffentlichen Anstalt bemeldeter Stadt zu befördern und ihm einen lebenslänglichen hinreichenden Unterhalt zu ertheilen.

Indem ich nun für meine Schuldigkeit erachte, die Erfüllung dieser Wünsche auf das dankbarste anzuerkennen, so bleibt mir nichts übrig als eine der Überzeugung sich nähernde Hoffnung, es werde der Begünstigte durchaus bemüht seyn, die Anlagen welche ihm die Natur gegönnt, die Talente die er sich durch Fleiß erworben, auch zu den unmittelbaren, ihm vorgezeichneten Zwecken anzuwenden und sich des hohen, in ihn gesetzten Vertrauens würdig zu machen.

Danckbar, verehrend

Ew. Exzell.

ganz gehorsamster Diener

Weimar d. 22. Januar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/156.


An Melchior Meyr

Außer beyliegendem Allgemeinen wäre dem Verfasser hier zurückkommender Gedichte vielleicht Folgendes angenehm und nützlich.

[212] Man muß ihm zugestehen, er habe kindlich-jugendliche, menschliche-allgemeine, ländlich-eifache Stoffe, wie sie ihm vorlagen, wie sie in ihm sich bildeten, treu, mit Leichtigkeit und Anmuth behandelt. Gewährt ihm die Folgezeit derberen Gehalt und weiß er denselben auf gleimäßig-gehörige Weise zu benutzen, so ist kein Zweifel, daß er auch im erhöhten Kreise sich glücklich bewegen werde. Seine prosaischen Eröffnungen geben dazu eine willkommene Aussicht, veranlassen aber jedoch zugleich ein gewissen Bedenken, indem das als Zweck angedeutet steht, was wird sich der junge muthige Mann aus diesen Gefahren selbst herausfinden.

Und so fortan!

Weimar d. 22. Januar 1832.

J. W. v. Goethe.


[Beilage.]

Wohlgemeinte Erwiderung.


Nur allzu oft werden mir von jungen Männern deutsche Gedichte zugesendet mit dem Wunsch, ich möge sie nicht allein beurtheilen, sondern auch über den eigentlichen dichterischen Beruf des Verfasser meine Gedanken eröffnen. So sehr ich aber dieses Zutrauen meine Gedanken eröffnen. So sehr ich aber dieses Zutrauen anzuerkennen habe, bleibt es doch im einzelnen Falle unmöglich, das Gehörige schriftlich zu erwidern, welches mündlich auszusprechen schon schwierig genug seyn[213] würde. Im Allgemeinen jedoch kommen diese Sendungen bis auf einen gewissen Grad überein, so daß ich mich entschließen mag, für die Zukunft einiges hier auszusprechen.

Die deutsche Sprache ist auf einen so hohen Grad der Ausbildung gelangt, daß einem jeden in die Hand gegeben ist, sowohl in Prosa als in Rythmen und Reimen sich dem Gegenstande wie der Empfindung gemäß nach seinem Vermögen glücklich auszudrücken. Hieraus erfolgt nun daß ein jeder, welcher durch Hören und Lesen sich auf einen gewissen Grad gebildet hat, wo er sich selbst gewissermaßen deutlich wird, [sich] alsobald gedrängt fühlt, seine Gedanken und Urtheile, sein Erkennen und Fühlen mit einer gewissen Leichtigkeit auszusprechen.

Schwer, vielleicht unmöglich wird es aber dem Jüngeren einzusehen, daß hiedurch im Höhern Sinne noch wenig gethan ist. Betrachtet man solche Erzeugnisse genau, so wird alles was im Innern vorgeht, alles was sich auf die Person selbst bezieht, mehr oder weniger gelungen seyn und manches auf einen so hohen Grad, daß es so tief als klar und so sicher als anmuthig ausgesprochen ist. Alles Allgemeine, das höchste Wesen wie das Vaterland, die gränzenlose Natur so wie ihre einzelnen unschätzbaren Erscheinungen überraschen uns in einzelnen Gedichten junger Männer, woran wir den sittlichen Werth nicht verkennen dürfen und die Ausführung lobenswürdig finden müssen.

[214] Hierinne liegt aber gerade das Bedenkliche: denn viele, die auf demselben Wege gehn, werden sich zusammengesellen und eine freudige Wanderung zusammen antreten, ohne sich zu prüfen, ob nicht ihr Ziel allzu fern im Blauen liege.

Denn leiden hat ein wohlwollender Beobachter gar bald zu bemerken, daß ein inneres jugendliches Behagen auf einmal abnimmt, Trauer über verschwundene Freunden, Schmachten nach dem Verloren, Sehnsucht nach dem Unbekannten, Unerreichbaren, Mißmuth, Invectiven gegen Hindernisse jeder Art, Kampf gegen Mißgunst, Neid und Verfolgung die klare Quelle trübt, und die heitere Gesellschaft vereinzelt und zerstreut sich in misanthropische Eremiten.

Wie schwer ist es daher, dem Talente jeder Art und jedes Grades begreiflich zu machen daß die Muse das Leben zwar gern begleitet, aber es keineswegs zu leiten versteht. Wenn wir bey'm Eintritt in das thätige und kräftige, mitunter unerfreuliche Leben, wo wir uns alle wie wir sind als abhängig von einem großen Ganzen empfinden müssen, alle früheren Träume, Wünsche, Hoffnungen und die Behaglichkeit früherer Mährchen zurückfordern, da entfernt sich die Muse und sucht die Gesellschaft des heiter Entsagenden, sich leicht Wiederherstellenden auf, der jeder Jahrszeit etwas abzugewinnen weiß, der Eisbahn wie dem Rosenarten die gehörige Zeit gönnt, seine eignen Leiden beschwichtigt und um sich her recht empfing forscht,[215] wo er irgend ein Leiden zu lindern, er Freue zu fördern Gelegenheit findet.

Keine Jahre trennen ihn sodann von den holden Göttinnen, die, wenn sie sich der befangenen Unschuld erfreuen, auch der umsichtigen Klugheit gerne zur Seite stehen, dort das hoffnungsvolle Werden im Keim begünstigen, hier eines Vollendeten in seiner ganzen Entwicklung sich freuen, und so sey mir erlaubt, diese Herzensergießung mit einem Reimwort zu schließen:

Jünglich, merke dir in Zeiten,

Wo sich Geist und Sinn erhöht:

Daß die Muse zu begleiten,

Doch zu leiten nicht versteht.

Weimar den 19. Januar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/157.


An Wilhelm August Boden

[Concept.]

[23. Januar 1832.]

Anbey die mitgetheilten Gedichte nach Verlangen zurück; findet sich Muße, vielleicht nächstens das Nähere.

Weimar den 29. December 1831.


49/158.


An Carl Emil Helbig

Ew. Hochwohlgeboren

ersehen aus der Beylage, was zu Gunsten der jungen Facius in diesen Tagen eingeleitet worden. Wenn[216] nun Dieselben die Geneigtheit hätten, die noch gewünschte Summe von 100 Thaler bey unserm gnädigsten Herrn zur Sprache und zum günstigen Entschlusse zu bringen, so würde das gute Kind auf Ein Jahr wieder gedeckt seyn, welches ihr zum großen Vortheil gereichen würde, da Herr Professor Rauch anwesend seyn wird und sich ihrer besonders anzunehmen verspricht.

In Bezug auf die Medaille, welche die junge Künstlerin fertigen soll, möcht ich die Frage aufwerfen, wo sich die Bildnisse der höchsten Herrschaften befinden, welche der treffliche Posch bey seinem Hierseyn bossirt hat. Da mein Vorschlag dahin gehen würde, unsres regierenden Fürsten Bildniß zum Avers zu nehmen; wovon das Weitere nächstens.

Zugleich wünsche durch beykommende Porcellantafel mein und der guten Künstlerin Andenken bey Ew. Hochwohlgeboren anzufrischen und zu erhalten.

Weimar den 23. Januar 1832.

Goethe.


[Beilage.]

Geneigtest zu gedenken.


Da Ihro Königliche Hoheit, unser Gnädigster Herr, der jungen Künstlerin Angelica Facius die Erlaubniß gegeben, sein Profil zu bossiren, welches wohl gerathen zu seyn scheint, so wäre nunmehr an die Medaille zu denken, welche durch Herrn Rauch zur Sprache gebracht worden.

[217] Man könnte vorerst eine kleinere veranstalten, wie die ist, welche von dem seligen Herrn ausgeprägt worden und als Civil-Verdienst-Medaille verliehen wird. Es würde dieselbe zu gar manchen Zwecken dienlich seyn. Bey der Zeichenschule z.B. sind alle zu dem Zwecke für Prämien aufgebraucht und würde daher eine neue höchst willkommen seyn.

So findet sich auch mancher Fall, wo Serenissimus eine Artigkeit erzeigen wollen, ohne gerade den Orden zu ertheilen. Ließe man sie in Goldblech ausprägen, so gäb es, wie vordem, eine Dose einen höhern Werth verliehe, mancher andern Betrachtungen nicht zu gedenken.

Hier würde ich nun auch bloß zu dem Kopfe rathen, weil er doch immer von bedeutender Größe wird. Eine Achselzierde, nach bekannter antiker Weise, würde auch gut kleiden.

Auf die Rückseite würde ich das großherzogliche Wappen wünschen, mit der Königskrone und dem Fürstenmantel. Die Inschrift: Carolus Fridericus, Magnus Dux Saxoniae, auf beide Seiten vertheilt, vielleicht mit der Jahrzahl, würde wohl schicklich gefunden. Allegorische Bezüge sind immer schwer zu erdenken, eben so wie Sinnsprüche nicht leicht auf alle Fälle passen.

Hierüber erbiete ich mich, mit Herrn Rauch zu conferiren, um eine Berechnung der Kosten, sowohl[218] der erforderlichen Materiellen als besonders auch der Ausprägung, zu erfahren und die Bestellung ohne Bedenken machen zu können.

Geriethe diese, wie kein Zweifel, so könnte man zu einer größern schreiten, welche freylich schon bedeutendere Kosten erfordert.

Vorläufig aber will ich noch eins zur Sprache bringen.

Wenn auch nicht einträglich, so ist es doch schicklich, ja nothwendig, daß der regierende Herr eine Anzahl Conventionsthaler schlagen lasse, und da würde ich dringend wünschen, daß sie mit Bildniß und Wappen geprägt würden und nicht so laconischcalvinisch, wie es in der Zwischenheit geschah. Neuerlich haben die Großherzoge von Baden und Darmstadt, auch der Herzog von Coburg ihre Bildnisse auf die Münzen prägen lassen, ja der König von Preußen verschmäht nicht, sein Bildniß selbst auf geringern Münzen zu sehen; es ist das höchste Recht der Souveränetät, dessen man sich auf eine wunderliche Weise einzeln begeben hat.

Zugleich aber müßte man sorgen, daß diese Münze auch als Kunstwerk sich dürste sehen lassen, welches um so möglichen ist, als die Physiognomie unsres Fürsten sich höchst vortheilhaft im Profil ausnimmt, wovon man sich an kleinen Modell der jungen Facius überzeugen kann.

S. m.

Goethe.[219]


49/159.


An Carl Friedrich Zelter

Auf deine reichen wohlausgestatteten Briefe steht schon von Zeit zu Zeit eine freundliche Erwiderung auf dem Papiere. Nach einigen Tagen aber will's mir schon nicht recht geeignet seyn, da es in allzu großer Zerstreuung dictirt ist. Ich mußte vor allem die Existenz guter Menschen wenigstens auf ein Jahr sichern, und so kommt denn die artige Facius mit Doris wieder zu euch zurück. Herrn Rauch schreibe ich ausführlich und es wird sich alles, wie ich hoffe, zu Nutzen und erfreulicher Förderniß fügen und richten.

Die werthe Doris scheint sich hier ganz munter und theilnehmend zu befinden; sie kommt gerade zur rechten Zeit, wo alles in Bewegung bey uns ist und es sogar in meinem Hause ein wenig verrückt zugeht. Vor einigen Tagen führten sie in einem Privathause ein Quodlibet von Repräsentation-Fragmenten auf, unter Direction von Ottilien, welche sich auf dergleichen Dinge gar gut versteht und deshalben aufgefordert und gehorcht wird.

Doris ist jetzt nach Jena und hat etwas von den Fischen mitgenommen, weil es dazu gehört; wie ich mir denn überhaupt deine Historie merken werde.

Nun von deinen Medaille zu reden, so kann man mit derselben gar wohl zufrieden seyn; der Kopf ist natürlich[220] und tüchtig, mit dem Wappen bin ich erst recht einig, seit es Hofrath Meyer, bey'm ersten Anblick, gleichsam überrascht, welches ihm nicht leicht begegnet, für hübsch und gut erklärte. Er wußte nämlich zeither von der ganzen Sache nichts.

Und so wären wir denn zwischen Scylla und Charybdis, zwischen den altmodernen Allegorien und den calvinischen trocknen Inschriften durchgeschlüpft. Wenn es greift, finden wir viele Nachfolger; denn, da man den Adel der alten Familien aufheben will, so müssen die neuen sich in Besitz setzen und wieder eine Familie gründen, so gut es gehen will, deshalb auch ihre Wappen und Decorationen aufhängen.

In Gefolg dessen darf ich nicht aussprechen wie sehr mir die Rückseite von Hegels Medaille mißfällt. Man weiß gar nicht was es heißen soll. Daß ich das Kreuz als Mensch und als Dichter zu ehren und zu schmücken verstand, hab ich in meinen Stanzen bewiesen; aber daß ein Philosoph, durch einen Umweg über die Ur- und Ungründe des Wesens und Nicht-Wesens, seine Schüler zu dieser trocknen Contignation hinführt, will mir nicht behagen. Das kann man wohlfeiler und besser aussprechen.

Ich besitze eine Medaille aus dem 17. Jahrhundert mit dem Bildnisse eines hohen römischen Geistlichen; auf der Rückseite Theologia und Philosophia, zwey edle Frauen gegen einander über, das Verhältniß[221] so schön und rein gedacht, so vollkommen genugthuend und liebenswürdig ausgedrückt, daß ich das Bild geheim Würdigen anzueignen.

Wegen der jungen Leute, deren Wesen und Treiben man nicht billigen kann und sie doch nicht los wird, lebt man in- und auswendig immerfort im Streite. Oft bedaure ich sie daß sie in eine verrückte Zeit gekommen, wo ein starr-zähler Egoismus auf halbem oder gar falschem Wege sich verstrockt und die reine Selbstheit sich auszubilden hindert. In der Folge, wenn ein freyer Geist gewahr wird und ausspricht was gar wohl einzusehen und auszusprechen ist, so müssen gar viele gute Menschen in Verzweiflung gerathen. Jetzt gängeln sie sich in schlendrianischen Labyrinthen und merken nicht was ihnen unterwegs bevorsteht. Ich werde mich hüten deutlicher zu seyn, aber ich weiß am besten was mich im höchsten Alter jung erhält, und zwar im praktisch-productiven Sinne, worauf denn doch zuletzt alles ankommt.

und so fortan!

W. d. 27. Jan. 1832.

J. W. v. Goethe.


49/160.


An Friedrich Jacob Soret

Die hierbey mit vielem Dank zurückkommenden Büchlein haben den Weimarischen Kunstfreunden sehr[222] viel Vergnügen gemacht. Sie sind sich alle gleich in glücklich auffassendem Humor. Die Reise nach Chamouny bezeugt eine entschiedene Herrschaft über die Feder, so wie die nach Italien über den Pinsel. In den Staffagen läßt sich, doch mit besonderer Mäßigkeit, eine gewisse Neigung gegen die Caricatur bemerken, die sich in dem kleinen barocken Roman voll Muthwillen und Lebendigkeit hervorthut.

Man muß im höchsten Grade bewundern, ein solch Gespenst, unter dem Namen des Herrn Jabot, in geeigneter Umgebung, in der Einbildungskraft des Zeichners unter den mannichfaltigsten Gestalten sich immer wieder erzeugen und sein unmögliches Individuum, als wenn es ein wirkliches wäre, durch eine geistreiche Feder auf das seltsamste fixirt zusehen. Danken Sie dem vorzüglichen Manne und versichern ihn daß jede Mittheilung dankbar und beyfällig werde aufgenommen seyn.

Mit dem Wunsche baldigen, belebten Zusammenseyns

treu angeeignet

W. d. 28. Jan. 1832.

J. W. v. Goethe.


49/161.


An Carl Emil Helbig

[Concept.]

Ew. Hochwohlgeboren

wünschte in der Angelegenheit unsrer guten jungen Facius einiges vorzutragen und mir Ihren gefälligen[223] Rath zu erbitten; welches mir jede Stunde angenehm seyn sollte.

Weimar den 29. Januar 1832.


49/162.


An Friedrich Jacob Soret

Vermelden Sie, mein theuerster Herr und Freund, mit den besten Grüßen an Herrn Töpfer das Wenige was ich zu Gunsten seiner schätzbaren Arbeiten sagen konnte. Es hätte viel mehr seyn sollte und können, aber auch in meiner stillen Einsamkeit wogt es von Stund zu Stunde so hin und wider, daß ich mich selten in dem ruhigen Zustand einer behaglichen Beschaulichkeit finde.

Die Berechnung der Correspondenz ist allerliebst. Es ziemt dem Mathematiker, alles dem Calcul zu unterwerfen, und ich bin auf den Punct, mich durch Ihren Vorgang verführen zu lassen ein Gleiches zu thun. Gefährlich möchte es immer seyn, das Ab- und Zunehmen gewisser besonders interessanter Correspondenzen nachzurechnen.

Aus Böhmen sind mir gewisse, zwar schon bekannte, aber doch sehr hübsche Exemplare von Mineralien zugekommen, die ich nächstens hoffe.

Überhaupt bin ich der Jahreszeit und ihren krankhaften Folgen von Herzen Feind, da sie jedes Versammeln der Freunde von Tag zu Tag verhindert.[224] Es gehen bey mir so viele hübsche Sachen vorüber die ich vergnüglich mittheilen könnte, wenn nicht die Stockungen aller Art Halt machten, da wo man fortzuschreiten wünschte. Möge doch bey wiederkehrenden Sonne auch jener gesellige Kreislauf zurückkehren.

Wie jeder Zeit,

Weimar den 4. Februar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/163.


An Eugen Napoleon Neureuther

Sie haben mir, mein Werthester, in einem Schreiben vom 8. Januar d. J. gemeldet, daß sechs Exemplare Ihres neusten Heftes zunächst bey mir eintreffen würden, worüber [wir] uns alle, Künstler, Kunstfreunde und Liebhaber, wirklich erfreuten.

Das Paquet ist noch nicht angekommen, ich habe aber gezaudert es zu melden, jetzt enthalt ich mich nicht mehr es Ihnen anzuzeigen.

Da Sie diese Hefte leider selbst verlegen, so müssen Sie sich freylich auf Ihren Commissionär verlassen. Haben Sie die Güte nachzufragen; ich würde suchen, hier noch mehrere Abnehmer zu finden.

Ihre Reise nach Paris hat mich betrübt. Ihr Talent ist unmittelbar an der unschuldigen Natur, an der Harmlosen Poesie wirksam, und da wird es Ihnen immer wohl seyn und immer glücken; jetzt,[225] da jenes wilde Wesen auch noch gewisse unangenehme Folgen für Sie hat, ist es mir trauriger.

Die treuste Wünsche und besten Hoffnungen für die nächsten und fernste Zeit.

In Hochschätzung theilnehmend

Weimar den 4. Februar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/164.


An Peter Christian Wilhelm Beuth

[Concept.]

Ew. Hochwohlgeboren

sehen Beykommendes mit günstigen Augen an, denn ich habe sehr zu wünschen daß Sie diese kleine Sendung nicht als eine Zudringlichkeit betrachten. Mein Fall ist der: indem ich die Masse meiner ungenützten Papiere durchsehe, so sind ich gar manches dem ich ein Fortleben und ein praktisches Eingreifen wünschte. Wo aber sollte ich dergleichen mit mehr Vertrauen niederlegen als da, wo Männern von Kenntniß, Einsicht, Urtheil und Geschmack so viele auslangende Mittel in die Hände gegeben sind, um allgemein wirksam aufzutreten? Gar wohl ist es möglich daß fromme Wünsche der Art sich mit schon ausgeführten Zwecken begegnen könnten; ist es oft doch nur ein Moment der entscheidet. Verzeihen Sie, wenn noch einiges Verwandte dem Gegenwärtigen nachfolgt. Ich habe lange mehr Zeit und muß[226] daher eilen das Mögliche zu thun, anderes zuverlässigen Freunden anzuvertrauen.

In vollkommenster Hochachtung.

Weimar den 4. Februar 1832.


49/165.


An Carl Friedrich Zelter

Alles macht sich recht hübsch; Doris ist wirklich zu guter munterer Zeit gekommen und hat sogar einige Abendunterhaltungen versäumen müssen. Sie wird viel zu erzählen haben und man wird daraus ersehen, daß Weimar immer eine Art von kleinem Hexenkreise bleibt, wo ein Tag vom andern, ein Jahr vom andern lernt, und wo man versteht, für dasjenige was allenfalls vermißt wird ein Surrogat zu finden. Da gar vieles durch Ottilien geschieht, so helf ich im Stillen nach; man muß nur nicht immer dasselbe verlangen und guten Humor genug haben, um sogar zu fördern was uns mißfällt.

Das Gelingen deines Bildes und der Beyfall den es in Berlin genoß freut mich gar sehr, ich lasse mir eins dergleichen in meine Sammlung zeichnen; es hat sehr viel Charakter und Anmuth zugleich. Herr Begas wird nicht unzufrieden seyn, zu so erfreulicher Kunstnachbildung die erste meisterhafte Veranlassung gegeben zu haben.

Schon vor einiger Zeit hast du mir gemeldet: daß einige gebildete Berliner sich freuten, außer deinem[227] Exemplare meiner Farbenlehre vielleicht kein andres in Berlin zu wissen. Ist etwa eins auf der Königlichen Bibliothek, so wird man es dort secretiren und als ein verbotenes Werk verläugnen. Zwey Octav-Bände und ein Quart-Heft sind seit dreyundzwanzig Jahres gedruckt, und es gehört zu den wichtigsten Erfahrungen meines hohen Alters, daß seit jener Zeit die Gilden und Societäten sich dagegen immer wehren und in greulicher Furcht davor begriffen sind. Sie haben Recht! und ich lobe sie darum. Warum sollten sie den Besen nicht verfluchen der ihre Spinneweben, früher oder später, zu zerstören Miene macht? Damals schwieg ich, jetzt will ich doch einige Worte nicht sparen.

Es sind alles ehrenhafte wohldenkende Männer in der Gesellschaft von der du erzählst; aber freylich gehören sie einer Gilde, einer Confession, einer Partei an, welche durchaus wohlthut, alles widerwärtig Eingreifende, das sie nicht vernichten können, zu beseitigen.

Was ist ein Minister anders als das Haupt einer Partei, die er zu beschützen hat und von der er abhängt? Was ist der Akademiker anders als ein eingelerntes und angeeignetes Glied einer großen Verneigung? hinge er mit dieser nicht zusammen, so wär er nichts, sie aber muß das Überlieferte, Angenommene weiterführen und nur eine gewisse Art neuer einzelner Beobachtungen und Entdeckungen hereinlassen[228] und sich assimiliren, alles Andere muß beseitigt werden als Ketzerey.

Seebeck, ein ernster Mann im höchsten besten Sinne, wußte recht gut wie er zu mir und meiner Denkweise in naturwissenschaftlichen Dingen stand; war er aber einmal in die herrschende Kirche aufgenommen, so wäre er für einen Thoren zu halten gewesen, wenn er nur eine Spur von Arianismus hätte merken lassen. Sobald die Masse, wegen gewisser schwierigen und bedenklichen Vorkommenheiten, mit Worten und Phrasen befriedigt ist, so muß man sie nicht irre machen. Wie du mir schreibst, gestehen jene Interlocutoren selbst daß er mäßig gewesen sey, d.h. daß er sich über die Hauptpuncte nicht erklärte, stillschweigend anhörend anhören konnte was ihm mißfiel und, hinter wohlanschaulichen Einzelnheiten, ich meyne durch entschieden glückliches Experimenten, worin er große Geschicklichkeit bewies, seine Gesinnungen verhüllte, indem er seinen akademischen Pflichten genugthat. Sein Sohn versicherte mich noch vor kurzem der reinen Sinnesweise seines trefflichen Vaters gegen mich.

Der wunderliche Fall der sich so eben erreignet pp.

Fortsetzung folgt.

Folgerecht

Weimar den 4. Februar 1832.

G.


Der liebe und wahrhaft schätzbare Ferdinand Nicolovius bringt eben deinen Brief und ist um desto willkommender.[229] Schreibe nach Bequemlichkeit, laß dir aber jede Gelegenheit bequem seyn; ich will es auch so manchen. Eine unterbrochene Correspondenz ist keine. Dafür soll aber auch die Fortsetzung alsobald nachfolgen.

Zum 4. Februar 32.

G.


Den ersten Dank für die Pariser Nachricht. Es ist ein großer Schritt, höchst nöthig, aber kaum denkbar, ein großer Sieg über die Anarchie. Möge es ferner gelingen!


49/166.


An Friedrich Jacob Soret

Dürft ich heute um zwölf Uhr die Gegenwart unsres lieben Prinzen und die Ihrige hoffen, so würde manches wechselseitig mitzutheilen seyn.

W. d. 5. Febr. 1832.

G.


49/167.


An Marianne von Willemer

Die anmuthigen Süßigkeiten sind glücklich angekommen und, was wirklich merkwürdigen ist, haben Sie durch die obere Schicht eine frühere Geschmackslust Ihres bejahrten Freundes wieder aufgeregt, wenn die andern beiden Schichten, im Gegensatz der trübsten Wintertage, mir sonnenfreundliche Gesichter zu entwickeln nicht versehen werden.

[230] Was übrigens mich betrifft, so genügt mir bey Tisch das Wenigste, Einfachste, dächt ich nicht manchmal an die übrigen mitgenießenden Hausgenossen und Gäste. Deswegen möcht ich Sie jetzt nur um eine mäßige Sendung von Kastanien bitten, von welchen diesen Winter kaum einige Musterbilder zu uns gekommen sind.

Sodann fällt mir aber doch ein: Sie um ein paar Schwartenmagen zu bitten, welche, bey mäßiger Kälte, wohl möchten zu transportiren seyn. Während meiner Mutter Lebzeiten kamen dergleichen zu gehörger Zeit regelmäßig an, und nur zwey der ältesten Freunde erinnern sich derselben als fabelhafter mythologischer Productionen.

Gewiß werden Sie billig finden daß ich mein culi narisches Regiment mit Seltenheiten zu illustriren geneigt bin, und werden mir als liebe sorgliche Freundin hierzu gern einigen Beytrag thun. Unsre wunderliche weimarische Stellung in Absicht auf fremde Eßbarkeiten schildere ich Ihnen zunächst.

Nun aber zu einem Entgegengesetzten, welches Ihnen durch den Zeitungsklatsch zwar schon wird bekannt geworden seyn. Das asiatische Ungeheuer schlecht und drückt sich und immer näher; es soll in Merseburg sich eingefunden haben, etwa 12 Stunden von hier; freylich liegen wir schon um so vielen höher, so daß es sich noch immer eine Weile zu unsern Füßen herumdrücken kann. Mehr sag ich nicht. Hier am[231] Orte und im Lande ist man sehr gefaßt, indem man es abzuwehren für unmöglich hält. Alle dergleichen Anstalten sind aufgehoben. Besieht man es genauer, so haben sich die Menschen, um sich von der furchtbaren Angst zu befeyen, durch einen heilsamen Leichtsinn in den Islam geworfen und vertrauen Gottes unerforschlichen Rathschlüssen.

Soviel für heute; Ihrem liebenswürdigen Antheil sende nach und nach die eintretenden Vorkommenheiten, deshalb ich Sie bitte um unseretwillen unbesorgt zu seyn.

Weimar den 9. Februar 1832.


49/168.


An Marianne von Willemer

Meinem neuesten Briefe sende sogleich einen Andern nach, einiges Versäumniß zu entschuldigen. Und also vor allen Dingen Dank für den Cauponarius! Alle Freunde eines wohlgeordneten und durchdachten Styls haben große Freude an diesem Musterbilde. Nicht leicht hat jemand das Vielfältige was er verpflicht so deutlich eingesehen und so eindringlich anzupreisen gewußt, und so absurd auch der Vortrag ist, so muß er doch anziehend seyn für diejenigen die nach dergleichen lüstern sind. Hieran will ich aber ein ernstes Bekenntniß anschließen.

Indem ich die mir gegönnte Zeit ernstlich anwende, die gränzenlosen Papiere, die sich um mich versammelt[232] haben, um sie zu sichten und darüber zu bestimmen, so leuchten mir besonders gewisse Blätter entgegen, die auf die schönsten Tage meines Lebens hindeuten; dergleichen sind manche von jeher abgesondert, nunmehr aber eingepackt und versiegelt.

Ein solcher Paquet liegt nun mit Ihrer Adresse vor mir und ich möcht es Ihnen gleich jetzt, allen Zufälligkeiten vorzubeugen, zusenden; nur würde mir das einzige Versprechen ausbitten, daß Sie es uneröffnet bey sich, bis zu unbestimmter Stunde, liegen lassen. Dergleichen Blätter geben uns das frohe Gefühl daß wir gelebt haben; dieß sind die schönsten Documente auf denen man ruhen darf.

Zu dem kleinen Römerberg wünsche Glück. Auch die Erfahrung ist wichtig: daß, wenn wir uns in eine gewisse Freyheit zu setzen gedenken, sich gleich wieder ein neues Hinderniß hervorthun; ich könnte schmerzlich-lächerliche Beyspiele hievon erzählen.

Da Sie es übrigens halten wie ich: den Tag zu sichern und zu schmücken wie möglich und dem Dulden sogleich eine Thätigkeit entgegenzusetzen, so bleiben Sie auch wie ich unwandelbar in freundlicher Neigung. Schreiben Sie öfter. Eine Correspondenz die dauern soll muß nicht Zug für Zug gehen; man schickliche doch ja ein Blatt nach, um irgend ein Stockendes flott zu machen.

und so fort an!

Weimar den 10. Februar 1832.

J. W. v. Goethe.[233]


49/169.


An Friedrich Theodor von Müller

Ew. Hochwohlgeboren

übersende einen Brief des Herrn Grafen Reinhard, wovon sich der Anfang auf Dieselben bezieht. Der Brief jedoch im Ganzen macht mir Bedenken, da er der Sendung meiner fünf letzten Bändchen nicht erwährt, die den 14. v. M. abgegangen ist. Möchten Sie wohl bey gelegentlicher Antwort dieses Umstandes gedenken.

Das Beste wünschend.

verpflichtet

Weimar den 11. Februar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/170.


An Carl Friedrich Bachmann

Die hier wieder zurückkommende zu quittiren, die Ablieferung der Exemplare an das Museum durch Herrn Prodirector zu attestiren seyn, worauf denn die hier vorläufig gegebene Autorisation eher als gegründet erscheinen kann.

Weimar den 13. Februar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/171.


An Carl Ernst Schulbarth

Die Nachricht, daß Sie, mein Theuerster, wirklich angestellt und für Ihre künftige Lebenszeit beruhigt[234] sind, war mir sehr angenehm, und ich hab es für meine Schuldigkeit Excellenz auch in meinem Namen deshalb zu danken.

Was ich Sie nun inständig: beobachten Sie ja recht genau was für eine Höhe von Bildung Ihr Kreis eigentlich bedarf und verlangt. Alles Voreilige schadet, die Mittelstufen zu überspringen ist nicht heilsam, und doch ist jetzt alles voreilig und fast jedermann sprungweise zu verfahren geneigt. Indessen ist es zwar schwer, aber doch nicht unmöglich, den Menschen auf den eigentlichen Punct, wo er praktisch wirken kann und soll, zurückzuführen; ich kenne jetzt keine andere Pädagogik. Sie sind von einer trefflichen Masse thätiger Menschen umgeben und es wird Ihnen leicht seyn, jeden auf den Sie Einfluß haben an seinen Tag, an seine Hand anzuweisen, damit er leiste was er vermag. Hierin liegt das wahre Verdienst um die Menschheit, das wir alle zu erwerben suchen sollen, ohne uns um den Wirrwarr zu bekümmernder fern oder nah die Stunde auf die unseligste Weise verdirbt.

Mein Faust ist abgeschlossen; erscheint er dereinst, so werden Sie selbst beurtheilen, inwiefern Sie sich meiner Gesinnung und Behandlungsweise genähert oder inwiefern Sie sich davon fern gehalten haben.

Über die Tragödie kann ich keine Meynung äußern. Wähernd der vielen Jahre in denen ich einem bedeutend[235] Theatervorstand hab ich die Stücke niemals anders als in Bezug auf die Bühne und ganz eigentlich meine Bühne betrachtet. Und so könnt ich auch jetzt ein Stück in keiner andern Rücksicht beurtheilen, wenn ich anders meine Gedanken in ein Feld zurückwenden dürfte, auf dem ich längst für immer Abschied genommen.

Auch bedenkt man nicht was für Momente bey Beurtheilung einer Tragödie zu beachten sind. Ein solches Stück kann psychologische und pathologische Verdienste haben, sogar dramatisch zu schätzen seyn, und es ist doch noch nicht theatralisch. Alles dieses, wenn ich nicht irre, wäre bey dem gegenwärtigen Trauerspiel zu bedenken. Eine wahrhaft belehrende Entwicklung würde an Volumen vielleicht das Stück selbst übertreffen; weiter an Volumen vielleicht das Stück selbst übertreffen; weiter darf ich mich nicht einlassen.

Möge Ihnen alles gelingen, welches Sie nach Erkenntniß Ihres Kreises mit gutem Willen und ruhiger That unternehmen und wirken. Auch sollte es mir angenehm seyn, wenn Sie, so lange wir diesen irdischen Boden gemeinsam betreten, mir von Zeit zu Zeit Nachricht von sich und was Sie zunächst berührt mittheilen wollten. Wie ich denn auch wünsche daß Sie mir das Gymnasium wobey Sie angestellt und dessen Verfassung näher bezeichnen möchten.

Unwandelbar theilnehmend

Weimar den 14. Februar 1832.

J. W. v. Goethe.[236]


49/172.


An Benoni Friedlaender

Indem ich meinen verpflichteten Dank für die bedeutende mir gefällig überlassene Medaille hierdurch schuldigst abtrage, ist mein angelegener Wunsch: die beiden hier anliegenden möchten noch nicht in Ihrem Besitz und deshalb willkommen seyn.

Von Cardinal Alidoxius, dessen seltsamen Lebenslaufe und tragischem Enge berichtet das Nähere: Auberey, Histoire des Cardinaux, Tom. III Seite 103, und von Cardinal Santa Croce meldet das Museum Mazzuchellianum Tom. II Tab. 121 fol. 93 einiges und erklärt das Land- und Lufthaus auf der Rückseite.

Daß ich bey Durchsicht meiner Medaillen-Sammlung die schätzbare Gabe die ich Ihnen verdanke als ein sicheres Zeichen Ihrer Wohlgewogenheit jedesmal freundlichst betrachten werde, darf ich nicht betheuern, der ich die Ehre habe mich hochachtungsvoll zu unterzeichnen

Ew. Wohlgeb.

ergebenster Diener

Weimar den 18. Februar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/173.


An Gasparo Luigi Pacifico Spontini

Weimar den 20. Februar 1832.

Das mir geneigtest anvertraute Manuscript dankbar zurücksendend, kann ich nichts weiter hinzufügen[237] als: daß ich den beiden trefflichen Männern, dem Dichter sowohl als dem Composnisten, Glück wünsche zu einer so günstigen Unterlage, welche, poetisch und theatralisch vorzüglich behandelt, die beste Gelegenheit gibt, ein Ganzes durch Musik zu verherrlichen.

Mögen die in beyliegenden Blättern verfaßten Bemerkungen wenigstens einen Beweis geben, daß ich in die Ökonomie des Stückes einzudringen gesucht habe, wenn gleich es den beiden vorzüglichen Männern durchaus überlassen bleibt, darauf mehr oder weniger zu reflectiren. Sie werden ihr Publicum an besten kennen, was es erwartet und fordert, dann aber auch, was man ihm zumuthen kann.

Daß ich in meiner Sprache geschrieben, bedarf wohl keiner Entschuldigung; ein geistreicher Übersetzer wird meinem Vortrage mehr Vortheile verleihen, als ich einer fremdem Sprache abzugewinnen jemals hoffen dürfte. Wobey ich bemerke, daß mit der nächsten fahrebden Post das anvertraute Manuscript erfolgen werde.

Zu geneigtem Andenken mich bestens empfehlend

hochachtungsvoll

J. W. v. Goethe.


49/174.


An Carl August Varnhagen von Ense

Für die verschiedenen interessanten Mittheilungen danke zum allerschönsten, worunter der liebenswürdigen[238] Anzeige meiner neusten botanischen Bemühungen von Herrn Carus vor andern erwähnen muß. Es ist so erfreulich, ein klares Wort über das zu hören was uns im Innersten glücklich macht! Er durchschaut die Natur und wird am besten und reinsten beurtheilen was redlich geschieht, um ihr das Mögliche abzugewinnen. Danken Sie ihm auf's beste, bis ich Raum finde es selbst zu thun. Sie wissen, wenn man sich zur Abreise anschickt, so finden sich am Ende mehr Schulden und Reste abzuthun als man denken konnte.

Gegenwärtiges soll auch nur vermelden: daß jene Betrachtungen über die naturhistorischen französischen Händel, fortgesetzt, mit der nächsten Fahrpost zu Ihnen abgehn. Diese Hefte sind nur zu lange liegen geblieben, ein gewisser Unglaube ließ mich damit zaudern. Sollten sie, bey der wunderlichen Form, zu Ihren Zwecken nicht tauglich befunden werden, so erbitte sie mir ohne weiters zurück; nur lassen Sie solche außer Ihrem geschlossenen Kreise niemand seyn.

Gar vieles im Sinne hegend und bewegend, manchem gar freundlich Zudringenden wirksam entgegengehend und hierüber und folgerechte vertrauliche Theilnahme vorbehaltend, empfehle mich, nach langem Zaudern, eiligst zum allerschönsten, mit Bitte, mein Andenken in Ihrem nächsten Kreise lebendig zu erhalten.

Hochachtungsvoll

Weimar den 20. Februar 1832.

J. W. v. Goethe.[239]


49/175.


An Christian Daniel Rauch

Heute ist unsre gute Doris Zelter mit der kleinen Facius abgereis't; sie werde manches Freundliche von Weimar zu erzählen haben.

Nun sey auch für Ew. Wohlgeboren liebwerthen Brief der treulichste Dank gesagt und mit Freundigkeit versichert: daß es mir in mehr als einem Sinne zu Beruhigung und Trost gereichte, Sie wieder in Berlin zu wissen, ich lebe dort mehr als ich sagen kann und vergegenwärtige mir möglichst das mannigfaltigste Große, was für die Königstadt, für Preußen und für den ganzen Umfang der Kunst und Technik, der Wissenschaft und der Geschäftsordnung geleistet und gegründet wird.

Ihre Abwesenheit, während welcher ich Sie den bestrebsamen Bayern und ihrem wohl- und edelgesinnten König gern gönnen mochte, hat mir gar manche Angelegenheit verdüstert die mir wirklich am Herzen liegt.

Lassen Sie nunmehr das geschickte wundersame Mädchen Ihrer fernern anleitenden Gunst genießen. Ich habe ihr auf das ausführliche empfohlen: sich an Ew. Wohlgeboren ausschließlich zu halten und jeder Anordnung Folge zu leisten. Wie ich denn alles was Sie in Ihrem Schreiben bestimmten für gut[240] und nützlich halte, welches denn auch jetzt wie künftighin zur Richtschnur dienen mag.

Wegen der Medaille war ich vollkommen Ihrer Meynung, weshalb ich denn auch einleitete daß die Künstlerin unsern gnädigsten Herrn in Wachs bossirte; das ist denn auch, wie Sie sehen werden, ganz leidlich gerathen.

Indessen kam unser gute Fürst auf den Gedanken, sie, wohlwollend, auf seine Weise zu beschäftigen und das Bild durch sie in Stein schneiden zu lassen; auch gab er zu diesem Zweck einen zwar sehr dunklen, aber sehr schönen Carneol, der sich noch von Gotha herschreibt.

Hiedurch veranlaßt, hat das gute Kind den metallnen Apparat ihrer Maschine schon eingepackt; der Vater wird ihn nachsenden, das hölzerne Gestell wird in Berlin zu fertigen seyn.

Nun aber ist meine Sorge, dieses Zwischengeschäft möchte jenen Plan stören, indem statt der projectirten Medaille dieses Intaglio eintreten würde.

Da aber auf alle Fälle einige Zeit verfließen wird, bis die Maschine ankommt, bis Gestell und sonstiges Zuhörige fertig ist und das Technische vorgenommen werden kann, so würde ich rathen, Sie verführen gleich nach jenem Vorschlag und ließen eine Medaille in Arbeit nehmen.

Indessen wäre das Andere zu überlegen, und Sie würden mir Ihre Gedanken darüber gefällig anzeigen.

[241] Findet sich denn wohl ein Steinschneider daselbst den man um einige Theilnahme ansprechen könnte? und wie wäre es wegen der Localität zu halten, wo eine dergleichen zarte Arbeit ungestört unternommen weren könnte? Alles dieses werden Sie mit einem Blick übersehen und, wie gesagt, die Einleitung treffen daß die Zeit nützlich angewendet würde.

Was die Medaille betrifft, würde ich vorerst für eine kleinere stimmen, etwa von

beygezeichneter Größe,


1832

und nur Kopf und Hals, mit Andeutung einer antiken Schulterverzierung. Die Rückseite würde sich besprechen lassen. Soviel für diesmal! Ihre geneigte Einwirkung für's Nächste und Fernere dankbarlichst anerkennend.

Den trefflichen Männern, die mit Ihnen zu verwandten Zwecken hinarbeiten, bitte mich bestens zu empfehlen. Herrn Beuth habe ich neulich ein Anliegen eröffnet, das sich so nah an Ihre Kunst anschließt, daß Ihre Mitwirkung unentbehrlich ist. Interessirte sich mit Ihnen Herr Tieck dafür und fände auch Herr Beuth die Sache von Bedeutung und möchte sie wie ich wirklich als eine Weltangelegenheit[242] ansehen, so wäre alles gewonnen. Soviel darf man sich sagen: es geschehe Heilsames und Folgereiches gethan. Ich habe die Wichtigkeit des Unternehmens nach Gefühl und Überzeugung darstellt und so darf ich wohl hoffen daß sich irgendwo ein gleiches Interesse hervorthun werde; ich mag mich aber umsehn wo ich will, außer Berlin scheint mir was nöthig wäre, und es käme nur darauf an daß es lebendig zusammenwirkte.

Verschweigen kann ich jedoch nicht daß ich mir manchmal selbst hiebey wunderlich vorkomme, denn ich finde mich fast zum ersten Mal auf propagandistischem Wege. Sonst stellte ich meine Überzeugungen hin und ließt sie gewähren; dießmal möcht ich sie lebendig durchgeführt sehen. Es scheint, das Alter wird ungeduldig durchgeführt sehen. Es scheint, das Alter wird ungeduldig, wo die Jugend langmüthig war.

Unser wackrer Coudray empfiehlt sich mit mir allen dort werthen Thätigen, und so auch Herrn Schinkel. Da wir die architecktonischen Werke in ihrer imposanten Größe nicht beschauen können, so halten wir uns an bildliche Darstellungen und an das was durch das Wort zu überliefern ist.

Auch bewundern wir jetzt die Anordnung wegen des Baufachs und dabey die Übersicht aller Forderungen so wie die Strenge der Bedingungen, denen[243] sich die Anzustellenden zu unterwerfen haben. Bey einer so weitgreifenden Staatsanstalt ist es freylich unerläßlich, Anmaßung und Pfuscherey möglichst zu entfernen.

Hier aber muß ich schließen, mich zu freundlichem wohlwollendem Andenken bestens empfehlend, weil ich schon befürchten muß, unsre Frauenzimmer möchten diesem Spätling vorgeeilt seyn.

Vorzüglich hochschätzend,

Treulichst theilnehmend

Weimar den 20. Februar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/176.


An Carl Friedrich Zelter

Forsetzung des letzten Schreibens.

Der wunderlichste Fall der sich so eben ereignet darf nicht verschwiegen werden. Wie ich Vorstehendes dictire, erhalt ich eine Dissertation aus Prag, wo vor einem Jahr unter den Auspicien des Erzbischofs meine Farbenlehre ganz ordentlich in der Reihe der übrigen physikalischen Capitel aufgeführt ist und sich ganz gut daselbst ausnimmt. Dieser Gegensatz hat mir viel Spaß gemacht, daß man in katholischen Landen gelten läßt, was in calvinischen nicht nur verboten, sondern sogar discreditirt ist. Ich weiß es recht gut: man muß nur lange und in Breite zu wirken suchen, da macht sich denn zuletzt doch alles wie es kann.


[244] Vorstehendes war freylich schon seit dem Abgange meines letzten Briefes geschrieben und es schien bisher, als wenn die Gegenwart der wacker Doris an deiner Statt erschienen sey. Nun sind die Frauenzimmer wieder abgereis't und kommen wahrscheinlich früher als das Gegenwärtige.

Doris wird manches Freundliche von Weimar zu erzählen haben; sie fand hier an Frau v. Poswisch, Fräulein Ulrike, Emma Froriep schon längst bekannte vertraute Freunde und so erwarb ihr verständiges, ruhiges und doch lebhaft-theilnehmens Betragen manche neue Wohlgewogene. Auch gab es Gelegenheit, unsre Exhibitionen, insofern sie schaubar und genießbar sind, kennen zu lernen und sich bis auf einen gewissen Grad daran zu ergötzen. In unserm stillen Haushalt konnte sie sich an mäßiger Bequemlichkeit genügen und sie kommt gewiß in manchem Sinne erholt und gefördert in ein lebhaftes thätiges Haus- und Tageswesen zurück. Der kleinen Facius ist es auch gut gegangen, und wenn ihr die Deinigen noch eine Zeitlang nachhelfen, so hoff ich sie wird noch diesen Sommer von Rauchs Gegenwart genug profitiren.

Deine letzte Schilderung des Theaters und Gesangwesens erhalt ich so eben, zu meiner großen Erbauung. Hier sieht man das Menschliche zugleich mit dem Kunst reichen in seinem eigenen und immerwährenden Conflict. Du hast über Talent und dessen Ausbildung einige goldne Worte gesprochen die mit einem[245] Commentar zurücksenden werde. Fahre fort mitzutheilen was du gewahr wirst und was du denkst, und überzeuge dich daß du uns und andern einen Schatz sammelst. Ich will das Gleiche, wenn auch von anderer Seite, beyzubringen suchen.

In der Mitte treffen wir doch immer gewiß zusammen, und deshalb wollen wir keine Zeit versäumen.

Für dießmal das beste Lebewohl und die schönsten Grüße an die Deinigen.

und so fort an!

Weimar den 20. Februar 1832.

G.


49/177.


An Marianne von Willemer

Die kunstgemäße Ausbildung einer bedeutenden Naturlage bewirkt zu haben bleibt eines unserer schönsten Gefühle, weil es die größte Wohlthat ist die man den Menschen erweisen kann. Zu unsren Zeiten ist es für ein größeres Verdienst zu achten als ehmals, wo noch jeder Anfänger an Schule, Regel, Meisterschaft glaubte und sich der Grammatik seines Fachs bescheiden unterwarf. Die lebhaftesten Glückwünsche daher unsrer lieben Freundin, der es in einem so eminenten Falle gelungen. Möge das Gleiche der gegenwärtigen Schülerin zu Gute kommen und die gründlichen Lehren so wie die heitern Wünsche des[246] anmuthigen Liedchens bey ihr fruchten und erfüllt werden.


Das war kaum geschrieben, als noch eine angenehme Sendung nachfolgte; Herr Dr. Engelmann hat die Hauptidee, woraus alles herfließt, vollkommen gefaßt und an vielen Beyspielen auf das glücklichste entwickelt. Lebte er neben mir, so sollte er die vielen gleichen oder ähnlichen Vorkommenheiten, die ich in Zeichnungen und Bemerkungen gesammelt, auf das beste zu Nutz machen. Seine Geschicklichkeit im Zeichnen so wie die Ruhe und Reinheit seiner Betrachtungen legitimiren ihn zu diesem Beruf. Sagen Sie mir doch etwas von seinen äußern Verhältnissen.


Und nun, um die Dreye auf eigene Weise voll zu machen, erscheint ein Kasten mir den wünschenswerthesten Speisewaren, dem Hauswirth höchst willkommen, seinen Tisch- und Tafelgenossen zu unerwartetem Genusse.

Dreyfachen Dank also für das verschiedenste Gute, aus einfachem Sinn und Gemüthe; Glück zu allem Thun! Freunde an allem Gelingen!

Und nun, zu eiligster Absendung, das treulichste: fort an!

W. d. 23. Febr. 1832.

J. W. v. Goethe.[247]


49/178.


An Carl Friedrich Zelter

Die Anwesenheit unsrer wackern Doris hat uns deine Zustände recht anmuthig aufgestellt und uns gar gemüthlich so gut wie hineinversetzt. Glück zu der gränzenlosen Thätigkeit: die dem Menschen angeborne Vocalität zu regeln und das Gesetzliche der großen Kunst immerfort praktisch zu handhaben. Man hat schon grausam an ihren Verächtern, du sprichst es in deinem letzten Briefe durch das Wort nemesisch gar vortrefflich aus; denn durch ein falsches Bestreben wird der ganze Organismus, Leid und Geist, aus den Fugen gerückt, und es ist gleich, ob eins oder das andere erkrankt und zuletzt bey verworrener Anstrengung zu Grunde geht. Hier schalte ich ein was ich vor einigen Tagen niederzuschreiben Verablassung gefunden.

»Die kunstgemäße Ausbildung einer bedeutenden Naturlage bewirkt zu haben bleibt eins unsrer schönsten Gefühle; es ist aber zur laufenden Zeit ein größeres Verdienst als ehmals, wo noch jeder Anfänger an Schule, Regel, Meisterschaft glaubte und sich der Grammatik seines Faches bescheiden unterwarf, wovon die jetzige Jugend meistens nichts wissen will.

Die deutschen bildenden Künstler sind seit dreyßig Jahren in dem Wahn: ein könne sich selbst[248] ausbilden, und ein Heer von leidenschaftlichen Liebhabern, die auch kein Fundament haben, bestärken sie darin. Hundertmal höre ich einen Künstler rühmen: Er sey nur sich selbst alles schuldig! Das hör ich meist geduldig an, doch versetzt ich auch manchmal verdrießlich: Es ist auch darnach.

Was ist denn auch der Mensch an sich selbst und durch er Gegenstand, Beyspiel, Überlieferung nicht vermeiden; daran bildet er sich, nach individuellen Lüsten und Bequemlichkeit, so gut es eine Weile gehen will. Aber grade auf der Höhe der Hauptpuncte langt das zersplitterte Wesen nicht aus, und das Unbehagen, die eigentliche Noth des praktischen Menschen, tritt ein. Wohl dem der bald begreift was Kunst heißt!«


Soviel ich auch in's Ganze gewirkt habe und so manches durch mich angeregt worden ist, so kann ich doch nur Einen Menschen, der sich ganz nach meinem Sinne von Grund auf gebildeten hat, nennen; das war der Schauspieler Wolff, der auch noch in Berlin in gedeihlichem Andenken steht.

Freindlichem Erwiedern entgegen sehend, das Weitere nächstens.

W. d. 23. Febr. 1832.

J. W. v. Goethe.[249]


49/179.


An Sulpiz Boisserée

Es ist ein großer Fehler dessen man sich bey der Naturforschung schuldig macht, wenn wir hoffen, ein complicirtes Phänomen als solches erklären zu können, da schon viel dazu gehört, dasselbe aus seine ersten Elemente zurückzubringen; es aber durch alle verwickelten Fälle mir eben der Klarheit durchführen zu wollen, ist ein vergebenes Bestreben. Wir müssen einsehen lernen daß wir dasjenige, was wir im Einfachsten geschaut und erkannt, im Zusammengesetzten supponiren und glauben müssen. Denn das Einfache verbirgt sich im Mannigfaltigen, und da ist's, wo bey ir der Glaube eintritt, der nicht der Anfang, sondern das Ende alles Wissens ist.

Der Regenbogen ist ein Refractionsfall, und vielleicht der complicirteste von allen, wozu sich noch Reflexion gesellt. Wir können also sagen: daß das Besondere dieser Erscheinung alles, was von dem Allgemeinen der Refraction und Reflexion erkennbar ist, enthalten muß.

Nehmen Sie ferner das Heft meiner Tafel und deren Erklärung vor sich, und betrachten auf der zweyten die vier Figuren in der obersten Reihe, bezeichnet mit A. B. C. D., lesen Sie was Seite 5 zur Erklärung gesagt ist und gehen Sie nun darauf los, sich diesen Anfängen völlig zu befreunden. Und[250] zwar müde ich vorschlagen, zuerst die objectiven Versuche bey durchfallendem Sonnenlichte vorzunehmen.

Versehen Sie sich mit verschiedenen Linsen, besonders mit bedeutenden Durchmesser und ziemlich ferner Brennweite, so werden Sie, wenn [Sie] Lichtmasse hindurch und auf ein Papier fallen lassen, sehen wie sich ein abgebildeter Kreis verengt und einen gelben, zunächst am Dunklen einen gelbrothen Saum erzeugt. Wie Sie nun die Erscheinung näher betrachten, so bemerken Sie daß sich ein sehr heller Kreis an den farbigen anschließt, aus der Mitte des Bildes an den farbigen anschließt, aus der Mitte des Bildes jedoch sich ein graulich-dunkler Raum entwickelt. Dieser läßt nun nach dem Hellen zu einen blauen Saum sehen welcher violett das mittlere Dunkel umgränzt, welches sich hinter dem Focus über das ganze Feld ausbreitet und durchaus blaugesäumt erscheint.

Lassen Sie sich diese Phänomene auf das wiederholteste angelegen seyn, so werden Sie alsdann zu gesäumt erscheint.

Lassen Sie nunmehr Ihre mit Wasser gefüllte Kugel (die Sie als eine gesetzlich aufgeblasene Linse ansehen können) in's freye Sonnenlicht, stellen Sie sich alsdann, gerade wie in meiner Zeichnung des er sten Versuchs angegeben ist, schauen Sie in die Kugel, so werden Sie, statt jenes reflectirten Fensters, die auf die Kugel fallende Lichtmasse in einen Kreis zusammengezogen sehen, indessen derselbige Kreis durch[251] das Glas durchgeht, um hinter der äußern Fläche einen Brennpunct zu suchen. Der Kreis aber innerhalb der Kugel, welcher durch Reflexion und Refraction nunmehr in Ihr Auge kommt, ist der eigentliche Grund jener Zurückstrahlung wodurch der Regenbogen möglich werden soll.

Bewegen Sie sich nunmehr, wie in den andern bisherigen Fällen, so werden Sie bemerken, daß, indem Sie eine schiefere Stellung annehmen, der Kreis sich nach und nach oval macht, bis er sich dergestalt zusammenzieht, daß er Ihnen zuletzt auf der Seite sichtbar zu werden scheint und entlich als ein rother Punct verschwindet. Zugleich, wenn Sie aufmerksam sind, werden Sie bemerken, daß das Innere dieses rothgesäumten Kreses dunkel ist und mit einem blauvioletten Saume, welcher, mit dem Gelben des äußern Kreises zusammentreffend, zuerst das Grüne hervorbringt, sich sodann als Blau manifestirt und zuletzt bey völligem Zusammendrängen als Roth erscheint.

Dabey müssen Sie sich nicht irre machen lassen, daß noch ein paar kleine Sonnenbilder sich an den Rand des Kreises gesellen, die ebenfalls ihre kleineren Höfe um sich haben, die denn auch bey obenbe wirktem Zusammenziehen ihr Farbenspiel gleichfalls treiben und deren zusammengedrängte Kreise, als an ihren nach Roth des Hauptkreises kurz vor dem Verschwinden noch erhöhen müssen. Haben Sie alles dieses sich[252] bekannt und durch wiederholtes Schauen ganz zu eigen gemacht, so werden Sie finden daß doch noch nicht alles getan ist, wobey ich denn auf den allgemein betrachtenden Anfang meiner unternommenen Mittheilung hinweise muß, Ihnen Gegenwärtiges zur Beherzigung und Ausübung bestens empfehlend; worauf wir denn nach und nach in unsern Andeutungen fortzufahren und des eigentlichen reinen Glaubens uns immer würdiger zu machen suchen werden.

Nun aber denken Sie nicht daß Sie diese Angelegenheit jemals los werden. Wenn sie Ihnen das ganze Leben über zu schaffen macht, müssen Sie sich's gefallen lassen. Entfernen Sie die Kugel den Sommer über nicht aus Ihrer Nähe, wiederholen Sie an ihr die sämmtlichen Erfahrungen, auch jene mit Linsen und Prismen; es ist immer eins und eben dasselbe, das aber in Labyrinthen Versteckens spielt, wenn wir täppisch, hypothetisch, mathematisch, linearisch, angularisch darnach zu greifen wagen. Ich kehre zu meinem Anfang zurück und spreche nach aus, wie folgt.

Ich habe immer gesucht, das möglichst Erkennbare, Wißbare, Anwendbare zu ergreifen, und habe es zu eigener Zufriedenheit, ja auch zu Billigung anderer darin weit gebracht. Hiedurch bin ich für mich an die Gränze gelangt, dergestalt daß ich da anfange zu glauben wo andere verzweifeln, und zwar diejenigen,[253] die von Erkennen zuviel verlangen und, wenn sie nur ein gewisses, dem Menschen Beschiedenes erreichen können, die größten Schätze der Menschheit für nichts achten. So wird man aus dem Ganzen in's Einzelne und aus dem Einzelnen in's Ganze getrieben, man mag wollen oder nicht.

Für freundliche Theilnahme dankbar,

Fortgesetzte Geduld wünschend,

Ferneres Vertrauen hoffend.

unwandelbar

Weimar den 25. Februar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/180.


An Johann Gottlob von Quandt

Ew. Hochwohlgeboren

finde mich schuldig anzuzeigen, daß die beiden Landschaften im Sinne des achtzehnten, eine andere im Sinne des neunzehnten Jahrhunderts neben einander zu sehen. Hochdieselben wissen besser was ich sagen will, alsich es auslegen könnte. Auch dieß halte ich für ein großes Verdienst der Vereine, daß jede Kunstart, die einige Zeit unter den Lebendigen gilt, weit umher verbreitet[254] werde; das gibt in der Folge eine Übersicht der Kunstgeschichte, wie wir die Weltgeschichte auch nur nach wechselnden Ereignissen begreifen.

Mehr nicht für dießmal; nur darf gar sonderbar seyn müßte, wenn ich nicht um und in Dittersbach manchmal spukte, so oft gehe ich auf Ihren Wegen und Stegen spazieren.

Doch will ich noch eins, mit Ihrer Vergünstigung, nachbringen: wenn sich in jenem problematisch-zerstückten Sandstein noch hie und da Spuren eines Organismus finden, so bitte ich ja, es für mich aufzuheben und gelegentlich zu übersenden. Sie befördern dadurch ein vieljähriges Studium, dem ich nicht entsagen kann, indem ich, auf meine Art und Weise immer im Stillen fortschreitend, beobachte und zu denken nicht unterlasse.

Hochachtungsvoll

Weimar den 27. Februar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/181.


An Eugen Napoleon Neureuther

Daß die sechs Exemplare Ihrer werthen Hefte bey mir glücklich angekommen sind will ich sogleich zu melden nicht verfehlen. Wenn man sich wegen des kleinen Formats beruhigen und allenfalls eine mäßig vergrößernde Linse zur Hand genommen hat, so erkennt[255] man freylich den alten, geliebten, vielgeschätzten Neureuther immer wieder, in seiner unbestechlichen Naivetät lebendig, in diesen Miniaturzügen.

Die Glorie (und man darf die Fülle so nennen, womit Sie das königliche verehrungswürdige Gedicht zu umgeben gewußt) ist höchst würdig und herrlich; ich habe das Blatt Zug vor Zug, Strich vor Strich durch eine bequeme Linse betrachtet und bewundere die ganz eigene weite Conception so wie die gehörige Ausführung. Das Unerwartete ist richtig gedacht und bis in's Einzelne sinnig, ohne Pedanterie durchgeführt. Was ließe sich hierüber nicht alles noch sprechen und auslegen.

So ist auch der Taucher von großem Verlag; ich vermeide zu sagen, welche ernste Gedanken sich dabey aufdringen.

Desto heiterer mag man sich ergehen über die Behandlungen des Zauberlehrlings, welcher aus der schwellend hinrollenden Überlieferung des Mährchens in eine überphantastische Mannichfaltigste gerückt ist. Sie haben sich glücklicher Weise von dem historisch-prosaischen Abenteuer losgemacht, die Besen als Standarte aufgestellt und ihren Einfluß der Einbildungskraft überlassen, die Wasserfülle dagegen durchaus auf's geistreichste ausgesprudelt. Der bedachtsam herrschende Meister, auf der Blumnekrone, erscheint im gehörigsten erscheint Ausdruck von Gesicht- und Händemiene. Ich sage dieß in Gegenwart des durch[256] die Linse vergrößerten Bildes, mit Sinnen die mich nicht leicht betrügen.

Dem Vogelsang mußten Sie zuviel verleihen; das letzte Blatt: der Sänger unten, das Mädchen oben, sind bestechend für jedermann.

Soviel in einem eilenden Augenblick, um Sie meines fortdauernden Antheils und wahrhafter Hochschätzung zu versichern.

Doch kann ich nicht unterlassen noch einiges hinzuzufügen: In allen diesen Blättern, wie in den früheren, findet sich kein Zug der nicht gefühlt wäre, und selbst die Elemente, die Sie zu Uhren Schöpfungen genialisch zusammenrufen, verwandeln sich einer zwar phantastischen, durchaus aber geistreichen Natur gemäß. Ich bin sehr verlangend auf die Folge; denn bisher mußt ich mir immer sagen: Ihre Werke bestehen mich, indem sie meine verschiedensten Erzeugnisse auf eine eigene wunderbare Art, in einer eignen Sphäre, zu einem seltsamen Leben befördern.


Indem ich nun zugleich vermelde daß der Betrag der sechs Exemplare mit 5 Thaler sächsisch durch die fahrende Post unter Ihrer Adresse ist, so will ich nicht eins bemerken, worum Sie Ihren Commissionär auf das dringendste zu ersuchen haben, d. i. auf das sorgfältigste das Einpacken zu besorgen. Dießmal waren die Exemplare zur rechten Hand des Lesers und unten in derselben Ecke geknillt und gestaucht,[257] auf eine Art die der Buchbinder wohl wieder zurechte bringen konnte. Sollten aber bedeutendere Beschädigungen in der Folge entstehen, so kämen wir in Gefahr, daß die Subscribenten die Exemplare nicht annehmend wollten, wodurch unangenehme Weiterungen entstünden. Das Heft, wie es liegt, ist in allem so schön und reinlich daß auch wohl für fernere Beschützung Sorge zu tragen billig ist. Ja man kann hierin eine übertriebene Sorgfalt nicht genugsam anempfehlen; man hat mir verschiedene Male die köstlichen Dinge zugedacht, welche durch schlechtes Einpacken zu meinem größten Schmerz durchaus unerfreulich geworden sind.

Möge dieses Blatt Sie auf's neue von meiner lebhaften Theilnahme überzeugen.

Weimar den 28. Februar 1832.

J. W. v. Goethe.


49/182.


An Carl Friedrich Bachmann

Nach einem so thätigen und eigenes wirksamen Leben ist unserm guten verdienten Lenz die schließliche Ruhe freundlich zu gönnen.

Nur um den Empfang der aufmerksam beeilten Anmeldung anzuerkennen, sende diese wenigen flüchtigen Zeilen.

Das Nächste Ew. Wohlgebornen erprobter Sorgfalt, das Fernere prüfender Überlegung anheimgebend.

Weimar den 29. Februar 1832.

J. W. v. Goethe.[258]


49/182a.


An Friedrich Theodor Kräuter?

Der Philosoph nach dem ich mich erkundigte, heißt Herbard, als Psycholog geschätzt und wird mit dieser Veränderung des Buchstabens wohl aufzufinden seyn.

Weimar den 29. Febr. 1832.

G.[78]


49/183.


An Friedrich Wilhelm Riemer

Sie erhalten hierbey, mein Theuerster, das höchst interessante Schreiben unsres Zahn, zugleich mit der Antwort, die ich zunächst darauf erlassen möchte. Wollen Sie das Concept geneigt durch sehen. Freylich wünsche ich mit mehr Sodez darauf zu antworten; aber ich fürchte, der gute mann entwischt mir, und ich darf hoffen daß ein eiliger Brief ihn noch erreicht. Mögen Sie sich einrichten, Freytag mit mir zu speisen, und etwa um 1 Uhr eintreffen, da wir denn die Zeichnung betrachten, die Angelegenheit näher überdenken und die Antwort schicklichst ausfertigen mögen. In diesem Falle wird soviel rege daß man nicht recht weiß was und wie man's sagen soll.

Das Beste wünschend.

Weimar den 7. März 1832.

G.


49/184.


An Friedrich Theodor von Müller

Ew. Hochwohlgeboren

empfangen geneigtest als einige Erwiderung der schmackhaften Segmente nachmals zu osteologischen Studien gefällg überlassenen Schweinshaupts eine verwandte Speise, auf unsern Tafeln ebenmäßig als eine Seltenheit[259] anzusehen, womit ich mich bis zu mündlicher weiterer Erörterung wohlwollendem Andenken allerbestens empfehle.

treulichst

Weimar den 9. März 1832.

J. W. v. Goethe.


49/185.


An Wilhelm Johann Carl Zahn

Da ich, mein Theuerster, Ihren lieben Brief vom 18. Februar heute am 6. März erhalte und ich daher hoffen darf, ein Blatt von mir könne Sie noch vor Ende des Monats erreichen, so weil ich freundlichst zu erwidern daß Ihre Sendung mich unendlich erfreut hat.

Kaum, ich will es wohl gestehen, konnt ich bey mir festsetzen und vertrauen: jene ehrenvolle Widmung werde sich auch für die Folge aufrecht erhalten, mein Name könne, dort bewahrt, Freunden zum Versammlungspunct dienen. Wie sehr weiß ich deshalb zu schätzen wenn meine werthen Landsleute, vereint mit jener verehrlichen Gesinnungen lebendig fortwirken zu lassen.

Freylich Sonderbares mußte hier zusammentreffen! Es war in den Sternen geschrieben (ich bediene mich dieses tropischen Ausdrucks für eins der Ereignisse wofür kein Wort zu finden ist), daß mein Sohn, an dem ich so viele Freude, Sorge und Hoffnung erlebt, auf seiner parabolischen Bahn durch Italien, ehe er[260] sein Ziel in der Nähe der Pyramide des Cestius erreichte, soviel theilnehmende Freunde fand und auch dort erwarb, um seinem Vater für alle liebevolle Mühe, treue Sorgfalt und bedeutende Aufopferungen unter einem eigenen Zusammenwirken so mancher von einander unabhängiger Ereignisse das würdigste Denkmal zu gewinnen. Ich weiß recht wohl daß wir Ihrem Einfluß diese Gute schuldig sind, und erkenne nicht allein, wie immer, Ihre rastlose zweckmäßige Thätigkeit, sondern auch zugleich das Beharren in dem Wohlwollen gegen die, denen Sie eine gründliche Neigung gewidmet haben.

Indem Sie die mir so erfreuliche Sendung bereiteten, haben Sie durchaus empfunden, daß ich dergleichen Abbildungen sehnlich zu erhalten wünschte. Zwar sind durch Ihre Sorgfalt und durch Vermittelung wackrer Landsleute in den öffentlichen Blättern umständliche und im Allgemeinen genugthuende Nachrichten zu uns gelangt; aber je ausführlicher der Bericht ist, desto lebhafter sehnt sich der Geist nach dem Urbilde. Nun ist mein Wunsch erfüllt, und es möchte wohl keine Frage seyn daß jenes Mosaik den Alexander als Überwinder, den Darius in dem Seinigsten überwunden und persönlich zur Flucht hingerissen vorstellt. Es ist ein höchster Gedanke daß, indessen der Perserkönig sich vor der unmittelbaren Gefahr weniger als über den Untergang seines Getreusten entsetzt, sein Wagenlenker mit[261] dem Peitschenstiele die nachdringenden, schon siegwähnenden tapfern treuen Perser aus einander winkt, dem flüchtigen Königswagen Platz zu machen, da denn der Wald der gegen die Griechen gesenkten Speere durch diesen einzigen Gest dem Zuschauer paralysirt erscheint. Mitwelt und Nachwelt werden nicht hinreichen, solches Wunder der Kunst würdig zu commentiren, und wir genöthigt seyn, nach aufklärender Betrachtung und Untersuchung immer wieder zur einfachen reinen Bewunderung zurückzukehren.

Unwiderstehlich wird man, ich kann es nicht übergehen, an die Schlacht Constantins erinnert, die nun künftighin der Siegestriumph des römischen Christenthums heißen müßte. Es beruhigt mich einigermaßen, ein zweytes Kunstwerk zu kennen, welches den Geist befähigt, durch Vergleichung und Gegensatz sich aus diesem antiken Knotengewirre herauszuwinden und sich den würdigsten Betrachtungen im Stillen zu überlassen.

Bey dem Gebäude selbst, dessen Grundriß Sie vorsorglich beygelegt, ist gar manches zu denken, vorzüglich aber Ihre Bemerkung über das Abweichen von einer strengen Symmetrie als von der größten Wichtigkeit zu betrachten. Es läßt sich dieses ansehen wie die Ausweichungen in der Musik, die man nicht Mißtöne nennen sollte, weil sie zu einem sonst unerreichbaren Schönen hinführen und uns die anmuthigste Befriedigung vorbereiten.[262]

Wie sehr es sich auch selbst versteht, so darf ich doch nicht unausgesprochen lassen, ja ich muß wiederholen, daß es mir ein durchdringend-würdiges Gefühl in meinen hohen Jahren gibt, jüngere Heranwirkende zu sehen, die nicht allein was ich bisher allenfalls geleistet billigen, sondern zugleich empfinden daß der Weg auf dem ich unverrückt gewandelt auch derjenige sey auf welchem sie prosperiren. Ich war, stets aufmerksam auf diejenigen Puncte der Welt-Kunst- und Culturgeschichte, wo ich mich immer mehr vergewissen konnte, hier sey eine hohe wahre menschliche Bildung zu gewinnen.

Lassen Sie mich von dem Architekten und Oberaufseher von Pompeji Herrn Michele Rusca sprechen. Empfehlen Sie mich ihm und versichern ihn der Aberkennung seiner Geneigtheit. Ich werde nicht allein alles was er mir zusenden möchte mit Dank empfangen, sondern ihm sowohl die Medaille von Brandt als auch jene Bovy zu übermachen nicht versehen. Durch Vermittelung der preußischen Gestandtschaft ist es wohl am sichersten, etwas nach Neapel zu bringen.

Zu Ihren Ausgrabungen an verschiedenen Stellen wünsche Glück. Was in jenen Gegend durch den furchtbarsten Zufall in den Grund gelegt worden, möchte bey näherer Untersuchung ganz unerschöpflich seyn. Haben wir so großen Vortheil von diesen Entdeckungen gehabt, so müssen wir unser Enkeln und Urenkeln auch[263] was gönnen. Sie, mein Theuerster, führen sie auf die rechte Spur und der echte Sinn wird bey succesiver Entdeckung echter Gegenstände gewiß erhalten und in echten Menschen zur gelegnen Zeit fortleben und wieder aufleben.

Zu Ihren Unternehmungen, die Sie auf diesem Erd- und Wasserball vorhaben, wünsch ich das herzlichste Wohlergehen, wenn auch nicht ganz gern, weil Sie mir gar zu sehr in's Weite rücken. Doch, da ich wohl begreife, daß Sie Ihrer Thätigkeit nicht leicht Gränzen setzen können noch dürfen, so will ich mit freunden erwarten: ob das Unschätzbare was Sie uns gewiß zurückbringen mir auch noch zu Lust und Gedeihen zu rechter Zeit anlangen wird. Erhalten Sie mir daher Ihr treues und wohlthätiges Andenken.

Sollte Herr Walter Scott noch in Ihrer Nähe seyn, so versichern Sie denselben daß er sich bey uns durchaus einheimisch finden werde, und nicht nur als Verfasser so vieler und bedeutender Werke, sondern zugleich als ein Wohl- und Edeldenkender, der allgemeinen Ausbildung sich widmender. Und ich für meine Person darf wohl sagen daß diese durchgängige Anerkennung bey mir durch eine gewisse Zärtlichkeit einer vieljährigen Verwandtschaft noch erhöht wird.

Meine gute Tochter, die Ihr freundliches Andenken zum besten erwidert, wünscht, wenn es Gelegenheit gibt, der unverheiratheten Tochter des Sir Walter[264] Scott, die wie man sagt, ihren Herrn Vater begleitet, bestens empfohlen zu sey und versichert von ihrer Seite den lebhaftesten Empfang.

Alle hiesigen Freunde, die Sie kennen und nennen, grüßen und danken mit mir auf's beste und freuen sich nach gelungener Reise auf Ihre reiche Gegenwart.

Sodann bitte ich, die Geneigtheit dortiger Gelehrten, Kunstfreunde, Künstler und Kunstgenossen auf das treulichste dankbar zu erwidern. Lassen Sie mich hoffen, durch irgend eine Vermittelung auch während Ihrer Abwesenheit aus diesem Welttheile einige Nachricht von Ihnen zu erhalten.

Weimar den 10. März 1832.

J. W. v. Goethe.


49/186.


An Carl Friedrich Zelter

So ist es recht! Nachdem du dir deine Citadelle durch den Aufwand deines ganzen Lebens erbaut und gegründet, einer tüchtigen Leibgrade und trefflicher alliirter Mitkämpfer nicht ermangelt, so schlägst du dich nun tüchtig herum, das Erworbenen zu erhalten, den Hauptsinn zu fördern und dadurch die Lasten zu mindern, die eine solche Lage sich aufbürden mußte.

Es kommen mir hier allerlei Beyspiele aus der alten Geschichte in die Quere, die ich aber beseitige, weil man meistentheils keinen Trost darin findet: daß es den größten unsrer Ahnherrn noch viel schlimmer als uns selbst ergehen mußte.

[265] Glücklicher Weise ist ein Talent-Charakter auf den Ton, d.h. auf den Augenbilck angewiesen. Da nun eine Folge von consequenten Augenblicken immer eine Art von Ewigen selbst ist, so war dir gegeben, im vorübergehenden stets beständig zu seyn und also mir sowohl als Hegels Geist, insofern ich ihn verstehe, völlig zu thun.

Sieh mich dagegen an, der ich hauptsächlich in der Vergangenheit, weniger in der Zukunft und für den Augenblick in der Ferne lebe, und denke dabey: daß ich nach meiner Weise ganz wohl zufrieden bin.

Aus Neapel habe ich eine sehr angenehme Sendung von Zahn erhalten, von dem jungen vorzüglichthätigen Manne, dessen du dich noch wohl erinnerst. Sie haben dem neusten ausgegrabenen und noch nicht ganz enthüllten Hause meinen Namen gegeben, welches mir auch ganz recht ist. Ein Echo aus der Ferne, welches den Verlust meines Sohnes mildern soll. Es wird für eins der schönsten bisher entdeckten Häuser anerkannt, merkwürdig durch ein Mosaik, dergleichen uns aus dem Alterthum noch nicht bekannt geworden. Dieß meldeten die Zeitungen schon lange, vielleicht hast du auch schon einiges davon vernommen.

Mir aber senden sie eine ausführliche Zeichnung des großen behaupten und besäulten Raumes, und zugleich eine Nachbildung im Kleinen von jenem berufenen Gemählde. Man muß sich hüten daß es uns nicht wie Wielanden gehe, bey dessen zarter Beweglichkeit[266] das Letzte was er las alles Vorhergehende gleichsam auslöschte; denn hier möchte man wohl sagen, dergleichen von mahlerischer Composition und Ausbildung sey uns bisher aus dem Altertum nichts überkommen.

Was würdest du sagen, wenn man dir ein verständliches Chifferblatt aus jener Zeit vorlegte, woran du einen Meister der Fuge mit ihren innern und äußern Kriterien erkennen müßtest? Ich sage: aus jener Zeit, welche auf ältere griechische Vorbilder hindeutet.

Daran haben nun die wenigen, aber gründlichen Freunde, die du kennst, schon einige Tage genugsamen Stoff zur Unterhaltung und zur Erbauung; dabey hat denn ein völlig Entgegengesetztes und doch vollkommen Gleiches bey mir eingefunden; ich sage: manche Exemplare einer vor allen geschichtlichen Zeiten versenkten organischen Welt. Fossile Thier- und Pflanzenreste versammeln sich um mich, wobey man sich nothwendig nur an Raum und Platz des Fundorts halten muß, weil man bey fernerer Vertiefung in die Betrachtung der Zeiten wahnsinnig werden müßte. Ich möchte zum Scherze dir einmal, wenn du mit deinen lebendigen Jünglingen lebensthätige Chöre durchprüfft, einen uralten Elephanten-Backenzahn aus unsern Kiesgruben vorlegen, damit ihr den Contrast recht lebhaft und mit einiger Anmuth fühlen möchtet.

[267] Nun bitte ich aber: fahre fort, wie du in deinem letzten Briefe gethan, die alten ewigen Naturmaximen, wornach der Mensch durch die Sprache verständlich wird, aphoristisch auszusprechen, damit in der Folge auch wohl einmal erfüllt werde was geschrieben steht. Es ist wundersam, Engländer, Franzosen und nun auch Deutsche erfreuen sich unverständlich zu sprechen, so wie auch andere das Unverständliche zu hören. Ich wünschte nur daß manchmal ein Italiäner hereinträte und seine emphatische Sprache hören ließe.

Also gescheh es

Weimar den 11. März 1832.

J. W. v. Goethe.


49/187.


An Friedrich Theodor Kräuter

Das Nähere über

Ocsatres

Bruder des Darius

erbittet sich

D. 11. März 1832.

G.


49/188.


An Kaspar von Sternberg

Schon längst hätte ich meine mentalen Conversationen mit dem verehrten Freunde zu Papier bringen sollen, wär es nicht mein Wunsch und Vorsatz gewesen, etwas mir bedeutend Scheinendes mitzuüberliefern.[268] Durch Worte läßt sich nicht alles machen, vielleicht gelingt eine kleine Zeichnung in diesen Tagen. Soviel zum voraus.

In einem schwankenden Zustand, wie alle Welt, haben wir uns gegen das asiatische Ungeheuer verhalten: erst voller Sorge, Abwehrungsanstalten, Heilungseinleitungen, horchend, lesend und denkend, in voller Thätigkeit. Diese Anstrengung ging zuletzt in Gleichgültigkeit über, und wir leben wie zuvor, in völliger Sorglosigkeit, jeder nach seiner Weise, im zutrauen auf unsre Gebirgshöhe die es nicht heranlassen soll. Näher daher der verehrte Freund auf seiner noch höhern Höhe gleichfalls davor in Sicherheit gesetzt seyn. Freylich wird die große Wanderung der Naturforscher nach Wien deshalb noch einige Zeit problematisch bleiben, welches gar sehr zu bedauern ist.

Die neuen Stücke der böhmischen Zeitschrift haben in mir abermals den Wunsch erregt, das werthe Reich wieder zu besuchen, wo ich soviel Jahre Genuß und Unterricht fand, auch nun alle Ursache hätte, mich jenen freundschaftlich anblickenden Gegenden zu nähern. Von der ältern Geschichte des Reichs bin ich im Allgemeinen genugsam unterrichtet, so manche Localitäten sind mir genau bekannt; daher ist denn immer willkommen, was mir das Einzelne klar macht und mir einen deutlichen Begriff gibt von dem was dort in[269] jedem Zweige der Administration, der Wissenschaften und Künste sich lebendig hervorthut.

Der Katalog jener höchst bedeutenden Kupferstichsammlung gab mir Gelegenheit mich zu examiniren: was ich denn eigentlich in diesem Fache durch Anschauen selbst kennen gelernt? da ich denn freylich noch manches Sehens- Wünschenswerthe verzeichnet fand. Viele kostbare Stücke fehlen bey uns in öffentlichen sowohl als Privatsammlungen; doch glaub ich kaum daß man in dem Falle seyn wird, dorthin Aufträge zu geben. Überhaupt ist es immer bedenklich, Kupferstiche nach Geldeswerth zu schätzen, ohne daß man sie sieht und untersucht. Das was ihren Preis steigert oder herabzieht ist oft ein Minimum, dem geübten Auge nur bey genauer Untersuchung fühlbar.

An fossilen Exemplaren hat uns die Umgegend manches Bedeutende gewährt; einen sehr gut erhaltenen Elephanten-Eckzahn von 7 Fuß haben wir in dem Tufflager bey Weimar gefunden, und aus den Kiesgruben, etwa eine Stunde die Ilm hinabwärts, sind uns völlig ausgebildete Elephanten-Backzähe geliefrt worden, zu 14 bis 16 Pfunden. Noch merkwürdiger war mir ein kleiner junger Backzahn eines Elephanten-Ferkels, wenn ich so sagen darf, wo die Principien der Dentition höchst klar hervorzutreten scheinen.

Durch die Gunst des Herrn Baron Cuvier hoffen wir nun colorirte Gypsabgüsse von den wichtigsten[270] fossilen, durch genannten, höchst verdienten Mann entdeckten und zur Sprache gebrachten Resten der Urwelt zu erhalten. Wir fahren fort, was möglich ist in dem engen Raum unsrer Zustände zu versammeln und überzeugen uns: daß für einen ersten gründlichen Unterricht nicht so gar vieles nöthig sey, wenn das Wenigere methodisch aufgestellt ist. Die Flora subterranea wird, wie oben gesagt, immer mit Aufmerksamkeit verfolgt und es muß mir eine halb traurige Freude seyn, die Sammlung von Fossilien meines Sohns, der durch Ew. Excellenz freundliche Gunst so hoch beglückt wurde, bey eintretendem Frühling wieder zu revidiren.

Bey dieser lange gesparten Relation darf ich nicht umgehen: daß ich in der Vielleicht niemals ganz aufzuklärenden Geschichte der Gebirgsgänge von Freyberg aus auf das freundlichste bin gefördert worden. Eine reiche Sammlung von ausgesuchten Exemplaren bedeutender Gangarten von ausgesuchten Exemplaren bedeutender Gangarten, die vor mir liegt, beschäftigt mich nun fast ein Jahr. Eine Dämmerung von Einsicht, der ich schon lange gefolgt bin, wie man in dunkler Nacht auf einen fernen Lichtschein zureitet, in Hoffnung, es werde kein Irrlicht seyn, scheint mich auch hier weiterzuführen. Das Wunderbarste ist dabey daß das Beste unsrer Überzeugungen nicht in Worte zu fassen ist. Die Sprache ist nicht auf alles eingerichtet und wir oft nicht recht, ob wir endlich sehen, denken, erinnern, phantasiren oder[271] glauben. Das ist es was mich manchmal betrübt, besonders da in diesem Fache mir gegenwärtig kein Wechselgespräch zu Hülfe kommt.

Auch der nächsten Fortsetzung freundliche Aufnahme wünschend

treulichst

W. d. 15. März 1832.

J. W. v. Goethe.


49/189.


An Joseph Sebastian Grüner

Euer Wohlgeboren

Schreiben und Sendungen sind mir immer höchst angenehm, denn sie bringen mir die schönen Tage wieder lebhaft vor die Seele, wo wir heiterm Himmel in vertraulich-belehrender Unterhaltung so manche gute Stunde behaglich verlebten, auch davon immer die entschiedensten Vortheile zu gewinnen wußten mußten.

Lassen Sie mich also jetzt, da die wiederkehrende Sonne das Frühjahr ankündigt, auf Ihre Zuschrift einiges erwidern, mit welcher Sie mich in den tiefen Wintertagen erfreut haben. Zuvörderst will ich großen Dank an Herrn Professor Dietrich abstatten für die übersendete Differtation, worin ich die Einführung meiner Farbenlehre in die Reihe der übrigen physikalischen Capitel auf das freundlichste anzuerkennen hatte. Es ist dieses ganz in meinem Sinne und meinem älteren Wunsch nach bequem; denn die Natur wird allein verständlich, wenn man die verschiedensten[272] isolirt scheinenden Phänomene in methodischer Folge darzustellen bemüth ist; da man denn wohl begreifen lernt, daß es kein Erstes und Letztes gibt, sondern daß alles, in einem lebendigen Kreis eingeschlossen, anstatt sich zu widersprechen, sich aufklärt und die zartesten Bezüge dem forschenden Geiste darlegt. Möge mir ein solcher Antheil auch bey Ihnen und den werthen geistverwandten Männern immerfort lebendig und wirksam verbleiben.

Denn allerdings muß es mich höchlich freuen, wenn ich meine Arbeit, mit der ich es so ernst wie mit jeder andern viele Jahre genommen, mitten in einem katholischen Lande anerkannt und an die rechte Stelle gesetzt finde, mittlerweile die protestantischen Universitäten und Akademien, welche sich so großer Liberalität und Preßfreiheit rühmen, mein Werk in Verruf gethan, weil es ihren Beschränktheiten widerspricht, und solches dergestalt auf alle Weise beseitigt, daß gleich verboten Buche ein Exemplar nirgends vorgewiesen werden darf und freyeren jüngeren Geistern jede Aussicht versperrt und dadurch gar manche praktisch-nützliche Kenntniß verhindert wird. Dieses weiter auszuführen trage Bedenken und sage nur soviel, um zu zeigen, wie sehr ich Ursache habe, jene in Prag geschehen Vorschritte zu schätzen und anzuerkennen.

Sämmtliche Exemplare der früheren sowohl als letzten Sendung sind mir höchst werth und willkommen,[273] selbst diejenigen wovon ich schon einiges besitze sind vorzüglicher als meine bisherigen. Die Zeiten waren gar zu schön wo wir dem Andalusit auf die Spur kamen und den pseudovulkanischen Problemen einfrigst nachgingen. Nicht unerwartet war mir daher, da Sie sich selbst die Angelegenheit so klar zu machen suchten, daß Sie auch andern einen leichten Weg in dieses herrliche Feld zu eröffnen sich gedrängt fühlen mußten; alles was Sie mir deshalb mitzutheilen und zu melden geneigt sind, wird mir durchaus angenehm seyn, so wie Ihre Enthüllung der archivarisch en Schätze auf unserer Großherzoglichen Bibliothek einen würdigen Platz gefunden hat.

Was Sie von der Cholera melden ist dem bisherigen Verlauf bey uns völlig gleich; im Anfang Apprehension, allgemeine Aufregung, Furcht, Angst Sorge, Abwehrungsanstalten, Heilungseinleitung, so war alles horchend, lesend, denkend, zweifelnd in voller Thätigkeit. Diese Anstrengung ging zuletzt in Gleichgültigkeit über, und wir leben wie zuvor völlig sorglos, jeder nach seiner Weise, die Weimaraner besonders in Vertrauen auf unsre Gebirgshöhe, die das sumpfliebende Ungeheuer nicht ersteigen sollte.

Indem ich das Gegenwärtige vorläufig abschließe, um nicht länger allzusehr Ihr Schuldner zu bleiben, bedaure ich freylich daß die herantretende günstigere Jahrszeit mir nicht auch eine Reise zu Ihnen verkündigt. In meinen Jahren entschließt man sich schwer,[274] alte Gewohnheiten, die, erst willkürlich, dann zum Bedürfniß werden, zu unterbrechen und sich jenen Zufälligkeiten auszusetzen, die man bey einer Ortsveränderung immer zu erwarten oder wohl auch zu befürchten hat.

Unsre dieses Jahr nach Böhmen reisenden Badegäste entlaß ich nicht ohne Brief und Sendung.

treu-freundlichst

Weimar d. 15. März 1832.

J. W. v. Goethe.


49/190.


An Carl Bernhard Cotta

Der eifrige Kunstkenner, wenn er die Ausgrabungen von Pompeji und Herculanum mit Entzücken betrachtet, wird doch immer zunächst von einem schmerzlichen Gefühl überrascht, daß soviel Glück durch ein einzelnes Naturereigniß zu Grunde gehen mußte, um solche Schätze für ihn niederzulegen und zu bewahren.

Von einer ähnlichen Empfindung wird derjenige bedrängt, das zu schauen und zu kennen, was in der Urzeit allgemeinere unbegreifliche Naturwirkungen in einer großen Weltbreite niedergeschlämmt, niedergedrückt und verschüttet, damit mir von verschwundenen Organismen genugsam erführen, welche in der Vornacht der Zeiten doch auch das Tageslicht und seiner Wärme genossen, um kräftig und fröhlicht zu leben und sich auf das gedrängteste zu versammeln.

[275] Wenn aber der Mensch sein eigenes Mißgeschick zu übertragen berufen ist, so ergibt er sich denn wohl auch in ein fremdes verjährtes Mißgeschick und sucht daher für seinen überschauenden Geist, für seine gränzenlose Thätigkeit Nahrung und Beschäftigung.

Daß ich für alle fossilen Gegenstände seit geraumer Zeit eine besondere Vorliebe gehegt, ist Ihnen nicht verborgen geliebten; ich habe selbst durch anhaltende Bemühungen und Freundesgunst sehr schöne Beyspiele zusammengestellt, wobey denn immer mehr offenbar wird, daß Abbildungen und genaue Beschreibungen ganz allein geeignet sind, uns in einem so unermeßlichen Felde zurechtzuweisen.

Sie statten sich daher selbst den Dank ab, den wir Ihnen für eine so merkwürdige Mittheilung schuldig geworden. Sie haben die Natur auf eine so vollkommene Weise nachgeahmt, daß man Ihre Arbeiten eben so gut als die Originale dem Vergrößerungsglase unterwerfen und sich dadurch von Ihrer eben so großen Aufmerksamkeit als Geschicklichkeit überzeugen muß.

Doch indem man bewundert, was Sie zu leisten befähigt waren, muß man sich, so wie Sie selbst, gestehen waren, muß man sich, so wie Sie selbst, gestehen, daß ein so bedeutend-wirksames Leben wie das Ihres Herrn Vaters vorausgehen mußte, um in dessen Fülle sein entschiedenes Talent sich bequem[276] ergehen und Wünschenswerthes leisten konnte. Empfehlen Sie mich demselben auf's beste, wie ich denn die Gelegenheit sehr gern ergreife auszusprechen, wieviel ich seinen frühern Bemühungen um das Pflanzenwachsthum schuldig geworden.

Indem ich nun eine so merkwürdig-auslangende Arbeit als erfreulichsten Beytrag zu den wenigen, aber doch bedeutenden Exemplaren dieser Art hinzufüge, bemerke ich, daß mir irgend ein Musterstück dieser oder jener Geschlechtabtheilungen sehr angenehm seyn würde. Es bedürfte keines der seltensten, nur solche, die in Ihrem Kreise ohne besondere Beschwere zu erhalten sind.

Möge ich bald vernehmen, daß dieses Ihr sogenanntes Specimen, welches Wohl schwerlich viele seines Gleichen anerkennen dürfte, Ihnen die praktische Laufbahn eröffnet habe, in welcher Sie sich gewiß nach dem Vorgangene Ihres Herrn Vaters auszuzeichnen berufen sind.

Lassen Sie mich, insofern ich noch einige Zeit auf der wunderlichen Erdoberfläche verweile, gelegentlich einiges von Ihren Fortschritten vernehmen.

Ew. Wohlgeboren

ergebenster Diener

Weimar den 15. März 1832.

J. W. v. Goethe.[277]


49/191.


An Johann Christian Mahr

Ew. Wohlgeboren

hätte schon längst meinen besten Dank abstatten sollen für das letztere mit dem ersteren correspondirende Stück jenes seltenen Fossils; davon bin ich abgehalten worden durch die Absicht, etwas Bedeutendes von Bemerkung hierüber mitzutheilen. Ich halt es nämlich für einen höchst wichtigen Übergang vom Farnkraut zum Cactus, durch Anastomose der Zweigblätter; ich habe hiernächst in der unterirdischen Flora annähernde Beyspiele gesucht, welches aber durch Zeichnungen erläutert werden müßte. Dazu habe ich noch nicht gelangen können und behalte mir vor, sobald ich meinen Zweck erreiche, davon Mittheilung zu thun.

Es ist übrigens höchst merkwürdig daß in soviel Jahren dergleichen hier nicht vorkommen. Man sieht daraus wie löblich es ist, wenn die Beamteten auf einem solchen Grade von Kenntniß stehen, um nicht allein das Gemeinnütze, sondern das auch im Allgemeinen Nützliche beurtheilen zu können.

Durch den Sohn des Herrn Cotta in Tharand kommen die sogenannten Staarsteine im weitesten Umfang zur Sprache; ich habe dergleichen, theils roh, theils angeschliffen, durch den abgeschiedenen Herrn[278] Bergrath Voigt früher empfangen, weiß aber nicht ob sie in Kammerberg und Manebach vorgekommen, welches ich kaum glaube; worüber Ew. Wohlgeboren mir ja wohl einige Auskunst geben können.

Meine Naturstudien waren geistig zwar immer zusammenhängend, in ihrem Vorschreiten aber immer desultorisch, so daß ich mir den Gewinn irgend einer Mittheilung immer nach dem Verlauf einiger Zeit erst zueignen konnte.

In der Hoffnung, Sie nächstens bey uns zu begrüßen oder, wenn Glück und Witterung begünstigt, mich mit Ihnen einmal wieder in Ihren Gebirgen zu erfreuen, wünsch ich das Allerbeste und empfehle mich zu geneigtem Andenken.

Ew. Wohlgeb.

ergebenster Diener

Weimar d. 15. März 182.

J. W. v. Goethe.


49/192.


An Friedrich Carl Weyland

[Concept.]

Dem Verlangen, Ew. Wohlgeboren zum Eintritt in eine so wohl verdiente Stelle Glück zu wünschen und Sie zugleich an die angenehmen Augenblicke in Dornburg zu erinnern, sind Sie durch eine besondere Gefälligkeit zuvorgekommen, wodurch ich einen alten Wunsch auf das vollkommenste erfüllt sehe.

[279] Herr Baron Cuvier hat uns auf die wichtigen Documente, welche uns die Naturerzeugnisse der Vorwelt aufbewahren, nicht allein aufmerksam gemacht, sondern durch seine unermüdeten, über das Ganze sich ausbreiteten Leistungen zu genugsamer Wissenschaft gefördert. Weil nun aber Worte und Nachbildungen immer wieder auf die wirklichen Gegenstände hinweisen, so mußten meine Gedanken sich immerhin wo nicht nach den Originalen selbst, sondern auf gleichsam identische Gegenstände erstrecken.

Der große Naturforscher, welchem zugleich so viele Mittel zu Gebote stehen, daß was er angeregt kräftig zu befördern, hatte schon früher die Geneigtheit, mir in meinen eigentlich-nächsten Studien zu Hülfe zu kommen, wovon ich den Einfluß dankbar anzuerkennen habe. Nun aber will er, wie Sie melden, geneigt seyn, auch der öffentlich Anstalt, die mir nicht weniger am Herzen liegt, dieselbige Gunst zu erweisen und zwar in einem größeren Maaßstabe.

Möge der edle Mann versichert seyn daß die Vorkenntnisse, die unsre jungen Männern dadurch erlangen, sie eigentlich befähigen werden, bey einer Reise in die große Stadt dasjenige mehr zu bewundern und besser zu nutzen, was unter einer so vieljährigen entschiedenen Leitung für die Naturwissenschaften überhaupt und besonders auch in diesem Fache geschehen ist. Haben Sie die Güte, indem Sie den lebhaftesten Dank dafür aussprechen, auch den Theil[280] freundlich anzunehmen, der Ihnen daran mit vollem Rechte gebührt.

Hochachtungsvoll mich unterzeichnend.

Weimar den 15. März 1832.


49/193.


An Wilhelm von Humboldt

Nach einer langen unwillkührlichen Pause beginne folgendermaßen und doch nur aus dem Stegreife. Die Thiere werden durch nur aus dem Stegreise. Die Thiere werden durch ihre Organe belehrt, sagten die Alten; ich setze hinzu: die Menschen gleichfalls, sie haben jedoch den Vorzug, ihre Organe dagegen wieder zu belehren.

Zu jedem Thun, daher zu jedem Talent, wird ein Angebornes gefordert, das von selbst wirkt und die nöthigen Anlagen unbewußt mit sich führt, deswegen auch so geradehin fortwirkt, daß, ob es gleich die Regel in sich hat, es doch zuletzt ziel- und zwecklos ablaufen kann.

Je früher der Mensch gewahr wird daß es ein Handwerk, daß es eine Kunst gibt, die ihm zur geregelten Steigerung seiner natürlichen Anlagen verhelfen, desto glücklicher ist er; was er auch von außen empfange, schadet seiner eingebornen Individualität nichts. Das beste Genie ist das, welches alles in sich aufnimmt, sich alles zuzueignen weiß, ohne daß es[281] der eigentlichen Grundbestimmung, demjenigen was man Charakter nennt, im mindesten Eintrag thue, vielmehr solches noch erst recht erhebe und durchaus nach Möglichkeit befähige.

Hier treten nun die mannichfaltigen Bezüge ein zwischen dem Bewußten und Unbewußten; denke man sich ein musikalisches Talent, das eine bedeutende Partitur aufstellen soll: Bewußtseyn und Bewußtlosigkeit werden sich verhalten wie Zettel und Einschlag, ein Gleichniß das ich so gerne brauchte.

Die Organe des Menschen durch Übung, Lehre, Nachdenken, Gelingen, Mißlingen, Förderniß und Widerstand und immer wieder Nachdenken verknüpfen ohne Bewußtseyn in einer freyen Thätigkeit das Erworbene mit dem Angebornen, so daß es eine Einheit hervorbringt welche die Welt in Erstaunen setzt.

Dieses Allgemeine diene zu schneller Beantwortung der Frage und zur Erläuterung des wieder zurückkehrenden Blättchen.

Es sind über sechzig Jahre, daß die Conception des Faust bey mir jugendlich von vorne herein klar, die ganze Reihenfolge hin weniger ausführlich vorlag. Nun hab ich die Absicht immer sachte neben mir hergehen lassen, und nur die mir gerade interessantesten Stellen einzeln durchgearbeitet, so daß im zweyten Theil Lücken blieben, durch ein gleichmäßiges Interesse mit dem Übrigen zu verbinden. Hier trat nun freylich die große Schwierigkeit ein, dasjenige durch Vorsatz[282] und Charakter zu erreichen, was eigentlich der freywillig thätigen Natur allein zukommen sollte. Es wäre aber nicht gut, wenn es nicht auch nach einem so langen, thätig nachdenkenden Leben möglich geworden wäre, und ich lasse mich keine Furcht angehen, man werde das Ältere vom Neueren, welches wir denn den künftigen Lesern zur geneigten Einsicht übergeben wollen.

Ganz ohne Frage würd es mir unendliche Freude machen, meinen werthen, durchaus dankbar anerkannten, weit vertheilten Freunden auch bey Lebzeiten diese sehr ernsten Scherze zu widmen, mitzutheilen und ihre Erwiderung zu vernehmen. Der Tag aber ist wirklich so absurd und confus, daß ich mich überzeuge, meine redlichen, lange verfolgten Bemühungen um dieses seltsame Gebäu würden schlecht belohnt und an den Strand getrieben, wie ein Wrack in Trümmern daliegen und von dem Dünnenschutt der Stunden zunächst überschüttet werden. Verwirrende Lehre zu verwirrtem Handel waltet über die Welt, und ich habe nichts angelegentlicher zu thun als dasjenige was an mir ist und geliebten ist wo möglich zu steigern und meine Eigenthümlichkeiten zu cohobiren, wie Sie es, würdiger Freund, auf Ihrer Burg ja auch bewerkstelligen.

Theilen Sie mir deshalb auch etwas von Ihren Arbeiten mit; Riemer ist, wie Sie wohl wissen, an die gleichen und ähnlichen Studien geheftet und unsere[283] Abendgespräche führen oft auf die Gränzen dieses Faches.

Verzeichnung diesem verspäteten Blatte! Ohngeachtet meiner Abgeschlossenheit findet sich selten eine Stunde, wo man sich diese Geheimnisse des Lebens vergegenwärtigen mag.

treu angehörig

Weimar den 17. März 1832.

J. W. v. Goethe.

Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung, Bd. 49, S. 259-284.
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