1787

58.*


1787, 25. Februar(?).


Mit Johann Heinrich Wilhelm Tischbein

Sie [Goethe] werden sich noch erinnern, als wir in Neapel in der Locanda al Largo di castello abgestiegen waren, forderten Sie ein Glas Wasser zum Trinken, und als man es Ihnen gereicht, wurde ich gewahr, daß viele Insecten darin waren; ich wollte verhindern, es zu trinken, und forderte reineres, aber wurde von dem Mädchen versichert, daß das das beste sei, welches sie hätten, und jeder trinke es gern. Sie nahmen das Glas und tranken es ruhig aus und sagten: »essen wir doch Krebse und Aal, und schaden nicht, so werden diese kleinen, zarten Thierchen es auch nicht thun, und nähren vielleicht.« Dann ließen wir uns den Ort zeigen und schöpften selbst aus der Cisterne ein Glas recht aus dem Grunde, wo unzählige Geschöpfe in waren von ungeheuern Gestalten.[86]


59.*


1787, Mai.


Mit Adalbert Gyrowetz

Zur nämlichen Zeit war es, daß Goethe aus Sicilien nach Neapel zurückkam und Gyrowetz auf der Promenade alla giardino Reale traf, wo sie beide öfters zusammen auf- und abgingen und nebst andern Gegenständen vieles über Musik und den Zustand der Musik in Italien überhaupt sprachen. Goethe bewies dabei, daß er sehr große Kenntniß in der Musik besitze. Er behauptete auch, daß die alten italienischen Meister in ihren Opern mehr contrapunctische Figuren anzubringen suchten und mehr für den Sänger, als für das Orchester in ihrem Satz gesorgt hätten. Auch hätten die alten Meister vermieden, die Stimme des Sängers durch starke Instrumentirung und besonders durch zu viele Anwendung von Blasinstrumenten zu verdecken.

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Zu jener Zeit wurden auch bei dem österreichischen Gesandten Baron Thugut mehrere Concerte durch den Herrn Legationsrath Hradawa veranstaltet, wozu auch Goethe wie Gyrowetz geladen wurden. Als Gyrowetz dort eingetreten war, fand er Goethe zwischen einer Thürschwelle, die in den großen Saal führte, ganz allein und unbeachtet dastehen. Gyrowetz ging sogleich zu ihm und sagte ihm, er möchte doch vorwärts in den[87] Saal schreiten und nicht so versteckt dastehen. Goethe dankte höflich und bat, man möge ihn nur ruhig stehen lassen; er höre alles und liebe nicht, in die große Welt zu treten. Überhaupt war in dieser Zeit das Benehmen Goethes sehr freundlich, ja sogar etwas schüchtern und demüthig.[88]


60.*


1787.


Mit Karl Philipp Moritz

Reiser [d.i. Moritz] suchte .... viel in der Maurerei und war auch, bis zu seinem Tode, fest überzeugt, daß viel Gutes dadurch bewirkt werden könne, wenn man sie recht zu nutzen verstehe.

Er sahe indessen bald, daß dies wohl schwerlich geschehn dürfte, – daß seine großen Ideen über diesen Punkt fromme Wünsche sein und bleiben würden und zog sich nach und nach mißvergnügt zurück.

Ganz kalt wurde er dagegen auf seiner Reise in Italien, durch seine genauere Bekanntschaft mit dem Herrn Geheimrath von Goethe. Dieser große Mann hat in seinem Faust deutlich genug gezeigt, wie wenig er von der Maurerei hält – ob mit Recht oder Unrecht, bin ich zu schwach zu entscheiden.

Nur so viel weiß ich, daß seine Demonstrationen und – ehrlich zu sein – vielleicht noch mehr sein Spott:[88] »Mein Gott und auch Sie können noch so schwach sein, darin etwas zu suchen,« bei Reisern die Wirkung hervorbrachte, daß er nun das Kind mit dem Bade ausschüttete.[89]


Quelle:
Goethes Gespräche. Herausgegeben von Woldemar Freiherr von Biedermann, Band 1–10, Leipzig 1889–1896, Band 1, S. 86-90.
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