Benjamin Franklin

[643] Kleine Schriften, herausgegeben von G. Schatz 1794. Zweiter Teil S. 324 f.

»Der Eindruck, den ein leuchtender Gegenstand auf die Sehnerven macht, dauert zwanzig bis dreißig Sekunden. Sieht man an einem heitern Tage, wenn man im Zimmer sitzt, eine Zeitlang in die Mitte eines Fensters und schließt sodann die Augen, so bleibt die Gestalt des Fensters eine Zeitlang im Auge, und zwar so deutlich, daß man imstande ist, die einzelnen Fächer zu zählen. Merkwürdig ist bei dieser Erfahrung der Umstand, daß der Eindruck der Form sich besser erhält als der Eindruck der Farbe. Denn sobald man die Augen schließt, scheinen die Glasfächer, wenn man das Bild des Fensters anfängt wahrzunehmen, dunkel, die Querhölzer der Kreuze aber, die Rahmen und die Wand umher weiß oder glänzend. Vermehrt man jedoch die Dunkelheit der Augen dadurch, daß man die Hände über sie hält, so erfolgt sogleich das Gegenteil. Die Fächer erscheinen leuchtend und die Querhölzer dunkel. Zieht man die Hand weg, so erfolgt eine neue Veränderung, die alles wieder in den ersten Stand setzt. Ein Phänomen, das ich so wenig zu erklären weiß, als folgendes. Hat man lange durch eine gemeine grüne oder sogenannte[643] Konservationsbrille gesehn und nimmt sie nun ab, so sieht das weiße Papier eines Buchs rötlich aus, so wie es grünlich aussieht, wenn man lange durch rote Brillen gesehen hat. Dies scheint eine noch nicht erklärte Verwandtschaft der grünen und roten Farbe anzuzeigen.«


Noch manches, was sich hier anschließt, ist von Buffon, Mazéas, Béguelin, Melville beobachtet und überliefert worden. Es findet sich beisammen in Priestleys Geschichte der Optik, Seite 327, woselbst es unsre Leser aufzusuchen belieben werden.

Quelle:
Johann Wolfgang Goethe. Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche. Band 1–24 und Erg.-Bände 1–3, Band 16, Zürich 1948 ff, S. 643-644.
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