Das Bunte

[229] 896. Bunt kann ein Gemälde leicht werden, in welchem man bloß empirisch, nach unsichern Eindrücken, die Farben in ihrer ganzen Kraft nebeneinander stellen wollte.

897. Wenn man dagegen schwache, obgleich widrige Farben nebeneinander setzt, so ist freilich der Effekt nicht auffallend.[229] Man trägt seine Unsicherheit auf den Zuschauer hinüber, der denn an seiner Seite weder loben noch tadeln kann.

898. Auch ist es eine wichtige Betrachtung, daß man zwar die Farben unter sich in einem Bilde richtig aufstellen könne, daß aber doch ein Bild bunt werden müsse, wenn man die Farben in Bezug auf Licht und Schatten falsch anwendet.

899. Es kann dieser Fall um so leichter eintreten, als Licht und Schatten schon durch die Zeichnung gegeben und in derselben gleichsam enthalten ist, dahingegen die Farbe der Wahl und Willkür noch unterworfen bleibt.

Quelle:
Johann Wolfgang Goethe. Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche. Band 1–24 und Erg.-Bände 1–3, Band 16, Zürich 1948 ff, S. 229-230.
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