August.

[92] 1) den ganzen Tag allein, ausser mit [*Herzog Carl August] und umgeworfen den künftigen Zustand, die Reise nach F. und wie Merck herbeizuziehn. Abends nach Belvedere zu Fus.

2. Merckwürdig! früh rein aufgestanden. [*Herzog Carl August] hatte versprochen um 8 zukommen. Da er ausblieb sezt ich meine Gedancken von gestern weiter fort, machte mein Absteigquartiergen richtig. Schickte 10 in die weite Welt. kam um 10 [*Herzog Carl August]. Sprachen wir unaussprechliche Dinge durch, er hatte gestern schon angefangen,[92] über unser inner Regiments Verhältniss das äussere, meine Ideen einer Reise die ich vornehmen muss wie die Weinhändler auf ihre Art. Von dem Hof, der Frau, den andern Leuten, von Menschen kennen. Erklärt ihm warum ihm dies und das so schweer würde, warum er nicht so sehr im Kleinen umgreifen solle. Er erklärte sich dagegen und es ward eine grose interessante Umredung. zu [*Frau v. Stein] zu Tische nach Tisch zu Schn. der über die Resolution erschüttert war. Ich schlug in dem Modo eine Auskunft vor. dann mit [*Herzog Carl August] lange Unterred über eben das. Nachher allein. Propria qui curat neminis arma timet

Vom 3ten zum 6. anhaltend in stiller innrer Arbeit, und schöne reine Blicke. Auf der Kriegs Comm der lezten Ordnung der Repos. näher.

In Tiefurt gros Soupee den 5ten.

den 6ten Abends nach Apolda.

d. 7. Zu Hause aufgeräumt, meine Papiere durchgesehen und alle alten Schaalen verbrannt. Andre Zeiten andre Sorgen. Stiller Rückblick aufs Leben, auf die Verworrenheit, Betriebsamkeit Wissbegierde der Jugend, wie sie überall herumschweift um etwas befriedigendes zu finden. Wie ich besonders in Geheimnissen, dunklen Imaginativen Verhältnissen eine Wollust gefunden habe. Wie ich alles Wissenschafftliche nur halb angegriffen und bald wieder habe fahren lassen, wie eine Art von demütiger Selbstgefälligkeit durch[93] alles geht was ich damals schrieb. Wie kurzsinnig in Menschlichen und göttlichen Dingen ich mich umgedreht habe. Wie des Thuns, auch des Zweckmäsigen Denckens und Dichtens so wenig, wie in zeitverderbender Empfindung und Schatten Leidenschafft gar viel Tage verthan, wie wenig mir davon zu Nuz kommen und da die Hälfte nun des Lebens vorüber ist, wie nun kein Weeg zurückgelegt sondern vielmehr ich nur dastehe wie einer der sich aus dem Wasser rettet und den die Sonne anfängt wohlthätig abzutrocknen. Die Zeit dass ich im Treiben der Welt bin seit 75 Oktbr. getrau ich noch nicht zu übersehen. Gott helfe weiter. und gebe Lichter, dass wir uns nicht selbst so viel im Weege stehn. Lasse uns von Morgen zum Abend das gehörige thun und gebe uns klare Begriffe von den Folgen der Dinge. Dass man nicht sey wie Menschen die den ganzen Tag über Kopfweh klagen und gegen Kopfweh brauchen und alle Abend zu viel Wein zu sich nehmen. Möge die Idee des reinen die sich bis auf den Bissen erstreckt den ich in Mund nehme, immer lichter in mir werden.

d. 11 früh ging [*Frau v. Stein] nach Kochberg. Abends ich nach Ettersb. blieb das.

d. 12. hatte eine starcke Erklärung mit [*Herzogin Anna Amalia] die auf das alte hinauslief. bey Verhältnissen die nicht zu ändern sind müssen gewisse Schärfigkeiten sich sammeln, und zulezt irgendwo ausbrechen. Von Zeit zu Zeit wiederhohlt sich das. Ubrigens gings[94] gut. Bode war lustig, bis auf die Ehrlichkeit die ihn manchmal Ausfälle thun lässt die Gräfin war von unsrem Diskurs in Confusion ihrer Ideen gebracht.

d. 13 ging ich zeitig weg. Abends kam Fritsch. [*Herzog Carl August] kam Mittags von Gotha wieder, wohin er d. 12ten gegangen war.

d. 14 Conseil. Mittags mit [*Herzog Carl August] und Wedel in dem Kloster gessen. Die paar lezten Tage waren nicht rein gleich den Vorigen.

Vom 15. bis zum 21. die ganze Woche mehr gewatet als geschwommen. Freytags fatalen Druck dass Batty mir die mancherley Sauereyen denen nicht gleich abzuhelfen ist lebendig machte. Sonst mit Cr. gut gelebt und einiges mit Liebe gezeichnet, wenns nur anhielte. Auf dem Troistädter Jagen d. 18ten einen vergnügten Tag mit Wedeln.

d. 22 Nachmitt nach Kochberg. Rein und gut da gelebt. Das erste mahl dass mirs da wohl war, doch kann ich mich noch nicht mit dem Ort noch der Gegend Befreunden. Was es ist weis ich nicht ob die fatale Erinnerung p. Zeichnete frisch, hoffte auf ein wenig Talent.

d. 25. kam ein Husar mit der Nachricht Grothausen wolle mich zu sehen heraus kommen, ich wählte nach Weim. zu gehn um mancher Ursachen willen. Kam Abends 9 Uhr an, fandt d Herzog Knebeln Herdern Groth. auf der Wiese. es ist ein schöner braver edler Mensch und es thut einem wohl ihn zu[95] sehen, sein Landstreicherisch Wesen hat einen guten Schnitt. eigentlich ist er so eine seltsame Erscheinung dass man Wohlthut sich nicht Rechenschafft über den Eindruck zu fordern den er auf einen macht.

d. 26. Früh dejeune d. Hofdamen. Getanzt in Kalbs Saal, mit Wedeln lustige Projeckte zur nächsten Reise. Mittags mit [*Herzog Carl August] Prinz. Knebel. Grothaus, Wedel, Wieland unter den Aschen gegessen Er erzählte sein Corsisches Abentheuer aber obenhin. Nach Tische ging er weg nach Jena. Ich blieb mit Knebeln. Ward mir eine Erscheinung über die Conduiteder Picks womit ich gleich d. Anfang zu machen beschloss – Abends kam H. Louise mit d. Fräulein Wöllwarth auf die Wiese und Knebel und ich gingen mit, es ward gut geschwäzzt. – und auch

d. 27. gleich that. Es Geht, nur muss frisch gewirthschafftet werden. Die Pesanteur der Leute druckt einen gleich nieder. Ich wills auf dem Weeg eine Weile fort treiben. Früh alles abgethan, Mittags zu Cronen. Dann zu Herdern dem Vorgestern Nacht ein Knabe gebohren war dann zur kl. Schardt. Dann mit Boden auf die Tobacks Acker.

d. 28 zum Geburtstage frey und froh. Nachmittag sagte mir d. Herz seine Gedancken über Schn. und meinen Tittel.

30. Mittags Cr. Abends gingen wir nach Belv. War ein überschöner Abend und Nacht.

31 Früh sechs spazieren nach Tiefurt viel Gedancken[96] über die bevorstehende Reise und Veränderung. sonst muthig und gut. Bewegung ist mir ewig nötig.


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, III. Abteilung, Bd. 1, S. 92-97.
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