Juli.

[87] Mercks Gegenwart. Verdruss mit Knebeln dessen Tour nach Pöllniz. Kraffts Nachrichten von Ilmenau, Battys Nachr vom Zustand der Kammergüter, Arbeit im Steuerwesen pp. traffen ziemlich zusammen um viele Ideen bey mir aufzuklären. [*Herzog Carl August] machte es ein Vergnügen die Rolle des Pylades zu lernen. Er nimmt sich auserordentlich zusammen, und an innrer Krafft, Fassung, Ausdauern, Begriff, Resolution fast täglich zu.

12 Iphigenie in Ettersburg gespielt.

13 Ging Merck früh fort. [*Herzog Carl August] und ich ritten herein. erzählte mir [*Herzog Carl August] seine Unterred mit Knebeln. as bey [*Frau v. Stein]. nach Tisch schrieb die Aphorismen an K. und ein Zettelgen an den Prinzen.

Gute Würckung auf mich von Mercks Gegenwart, sie hat mir nichts verschoben, nur wenige dürre Schaalen abgestreifft und im alten Guten mich befestigt. Durch Erinnerung des Vergangnen und seine Vorstellungs Art, mir meine Handlungen in einem wunderbaaren Spiegel gezeigt. Da er der einzige Mensch ist der ganz erkennt was ich thu und wie ich's thu, und es[87] doch wieder anders sieht wie ich, von anderm Standort, so giebt das schöne Gewissheit.

Auch dünckt mich sey mein Stand mit Cronen fester und besser. Aber auch ausser dem Herzog ist niemand im Werden, die andern sind fertig wie Dresselpuppen, wo höchstens noch der Anstrich fehlt.

14) Machte früh meine Sachen zusammen. Dann Conseil. Mit [*Herzog Carl August] und d. Prinzen gessen. leidliche Erklärung zwischen den Brüdern. Nach Tisch wenig in den neuen Weegen, alsdann auf die Kr. Casse und Ackten geordnet dann nach Hause Abendsession und gute Unterredung mit Batty über seine lezte Exkursion. Wills Gott dass mir Acker und Wiese noch werden und ich für dies simpleste Erwerb der Menschen Sinn kriege.

Gedancken über den Instinckt zu irgend einer Sache. Jedes Werck was der Mensch treibt, hat möcht ich sagen einen Geruch. Wie im groben Sinn der Reuter nach Pferden riecht, der Buchladen nach leichtem Moder und um den Jäger nach Hunden. So ists auch im Feinern. Die Materie woraus einer formt, die Werckzeuge die einer braucht, die Glieder die er dazu anstrengt das alles zusammen giebt eine gewisse Häuslichkeit und Ehstand dem Künstler mit seinem Instrument. Diese Nähe zu allen Saiten der Harfe, die Gewissheit und Sicherheit wo mit er sie rührt mag den Meister anzeigen in ieder Art. Er geht wenn er bemercken soll grad auf das los, wie[88] Batty auf einem Landgut, er träumt nicht im allgemeinen wie unser einer ehmals um Bildende Kunst. Wenn er handeln soll greift er grad das an was iezt nötig ist. Gar schön ist der Feldbau weil alles so rein antwortet wenn ich was dumm oder was gut mache, und Glück und Unglück die primas vias der Menschheit trifft. Aber ich spüre zum voraus, es ist auch nicht für mich. Ich darf nicht von dem mir vorgeschriebnen Weeg abgehn, mein Daseyn ist einmal nicht einfach, nur wünsch ich dass nach und nach alles anmasliche versiege, mir aber schöne Krafft übrig bleïbe die wahren Röhren neben einander in gleicher Höhe aufzuplumpen. Man beneidet ieden Menschen den man auf seine Töpferscheibe gebannt sieht, wenn vor einem unter seinen Händen bald ein Krug bald eine Schaale, nach seinem Willen hervorkommt. Den Punckt der Vereinigung des manigfaltigen zu finden bleibt immer ein Geheimniss, weil die Individualitet eines ieden darinn besonders zu Rathe gehn muss und niemanden anhören darf.

18) Wollt ich nach Bercka. Hinter Legefeld kam mir der Bote entgegen dass der Amtmann abwesend sey. Ritt auf Tiefurt. As mit dem Prinzen fand Knebeln weich und gut. Versprach Mayen mich für die Herzogin von Würtenb. mahlen zu lassen. Alsdenn nach Dennstädt. Abends herein.

19. Zu Hause. Früh Kriegs C. Repos. Kam Abends der Stadthalter. Auf der Wiese gessen.[89]

20. Früh zum Herzog. Dann Conseil. Zu [*Frau v. Stein] essen blieb da nach Tische sizzen und las. Abends Crone die L. und P. Waren die Affen sehr närrisch.

21. War ich still in mir mancherley Gedancken Plane, Eintheilung der Zeit auf die nächste Woche, mit Battys Relationen beschäfftigt. Wollte Sonntags

d. 25 aus Bercka. in der Nacht ward ein gewaltsam Feuer zu Apolda, ich früh da ich's erst erfuhr hin, und ward den ganzen Tag gebraten und gesotten. d. Herzog war auswärts in Bendeleben und Erfurt. Verbrannten mir auch meine Plane, Gedancken, Eintheilung der Zeit zum theil mit. So geht das Leben durch bis ans Ende, so werdens andre nach uns leben. Ich dancke nur Gott dass ich im Feuer und Wasser den Kopf oben habe, doch erwart ich sittsam noch starcke Prüfungen, vielleicht binnen vier Wochen. Meine Ideen über Feuerordnung wieder bestätigt. Uber hiesige besonders wo man doch nur das Spiel, wie in allem, mit denen Karten spielt, die man in diesem Moment auf hebt. Der Herzog wird endlich glauben. Die Augen brennen mich von der Glut und dem Rauch und die Fussolen schmerzen mich.

Das Elend wird mir nach und nach so prosaisch wie ein Kaminfeuer. Aber ich lasse doch nicht ab von meinen gedancken und ringe mit dem unerkannten Engel sollt ich mir die Hüfte ausrencken. Es weis kein Mensch was ich thue und mit wieviel Feinden[90] ich kämpfe um das wenige hervorzubringen. Bey meinem Streben und Streiten und Bemühen bitt ich euch nicht zu lachen, zuschauende Götter. Allenfalls lächlen mögt ihr, und mir beystehen.

d. 26. lies mich versprochner Massen von Mayen mahlen. Und bat Wielanden mir dabey seinen Oberon zu lesen er thats zur Hälfte. Es ist ein schäzbaar Werck für Kinder und Kenner, so was macht ihm niemand nach. Es ist grose Kunst in dem Ganzen soweit ichs gehört habe und im einzelnen. Es sezt eine unsägliche Ubung voraus, und ist mit einem grosen Dichter Verstand, Wahrheit der Characktere, der Empfindungen, der Beschreibungen, der Folge der Dinge, und Lüge der Formen, Begebenheiten, Mährgen Frazzen, und Plattheiten zusammen gewoben, dass es an ihm nicht liegt wenn es nicht unterhält und vergnügt. Nur wehe dem Stück wenns einer ausser Laune und Lage, ober einer der für dies Wesen taub ist hört, so einer der fragt a quoi bon.

Der Herzog kam Abends mit der Gräfin Werther von Erfurt.

Diese lezten Tage des Monats wurden mir viele Wünsche und Ahndungen erfüllt.

d. 29 Untered mit [*Herzog Carl August] über Fr..

d. 30 Dessen Brief an Schnaus wegen Burgsdorf und seine Entlassung. Auch dies hat uns das Schicksaal schön eingeleitet durch seine lezte Abwesenheit[91] sind wir geprüft und er fällt ab wie ein überreifer Apfel.

Neue Conduite fürs künftige. Vorsicht mit dem Herzog. Von einem gewissen Gang nicht abzuweichen, und im Anfang nichts zu rühren.

War wieder Streit mit [*Herzog Carl August] und f. Fr. die leidige Undanckbarkeit drückt ihn sehr, und dass man ihn so scheuslich verkennt.

D. [*Herzog Carl August] abzuhalten dass er nur nichts für sich thut, denn er ist noch sehr unerfahren besonders mit Fremden, und hat wenig Gefühl zu anfangs wie neue Menschen mit ihm stehen.

Projeckt zur Reise nach Frf. überlegt.

d. 31. Verthan. Früh noch Mayen gesessen. Mittag bey Hofe Abends in Ettersburg, wo sie die Gouvernante aufführten von Boden imitirt.


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, III. Abteilung, Bd. 1, S. 87-92.
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