[169] Sonntag, den 1ten October.

Altorf. Regen Wolken, Nebel, Schnee auf den nächsten Gipfeln. Kühe wurden durchgetrieben. Die Leute tragen kleine hölzerne Gefäße, die Thiere einige Melkstühle; denn die Leute nähren sich unterweges von der Milch.

Der Wirth zum Schwarzen Löwen heißt Franz Maria Arnold.

[169] Höflicher Abschied, Schein wechselseitiger Zufriedenheit, Weltgleichniß.

Halb neune gingen wir ab. Schöne Matten rechts und links. Nebelwesen; man weiß nicht ob sie steigen, sinken, sich erzeugen oder verzehren, wegziehen oder sich herabstürzen. Herrliche Felswände, Kalk.

Breite klare Quelle, Sonne, blauer Himmel durchblickend, an den Bergen Wolkengebilde. Kindergeschrey aus der Höhle. Steile Kalkfelsen links bis auf die Wiese herab, wie vorher bis auf die Oberfläche des Sees. Rückwärts und niedrig erschien ein fast horizontales Stück eines sehr breiten Regenbogens. Das Zickzack der Felslager erscheint wieder. An die Reus. Granitgeschiebe. Artig bemahlte saubere Kirche mit einem Jagdwunder, ohngefähr wie des heiligen Hubertus.

Rastende Kühe auf der Weide. 16 Stück kosten ohngefähr einen Louisd'or des Tags.

Zusammengestürzte Massen Gneis. Man geht von der Straße ab und kommt auf einen meist angenehmen bequemen Fußpfad bis zum Steg.

Bisher hatte das Thal meist gleiche Weite; nun schließt ein Felsstock die eine Hälfte ab, er besteht aus einem sehr quarzhaften Glimmerschiefer.

Nachmittag war das Wetter völlig schön. Gleich hinter dem Orte kommt das Wasser aus dem Maderaner Thal; man sieht einen Pilger- und Mineralogen-Weg den Berg hinauf gehen.

Wir traten unsern Weg nach dem Gotthardt an.

[170] Schiefricht Talkgestein. Etwas höher schöner Rückblick nach dem Steg. Eigenthümlicher Charakter der Gegend. Der Einblick hinaufwärts verkündigt das Ungeheure. Um halb Viere war die Sonne schon hinter dem Berge. Erster Wasserfall, zweyter schönerer. Grünlich Gestein mit viel Glimmer, Granit, schöner Wasserfall, etwas Baumtrockniß. Herrlicher Blick auf die Reus, an einer alten Fichte und einem großen Felsen vorbey. Immer Granit, mit Talk gemischtes Quarzgestein. Prächtiger Rückblick in die hinabstürzende Reus. Die Felsmassen werden immer ganzer, ungeheurer. Echo, sehr schlechter Weg, flacheres Bette der Reus. Brücke. Zweyte Brücke. Nacht. Von der Höhe Rückblick in die Tiefe; die Lichter in den Häusern und Sägemühlen nahmen sich, in der ungeheuern nächtlichen Schlucht, gar vertraulich aus. Die Herrlichkeit des Herrn nach der neusten Exegese. Wasen.

Alte Wirthin, ihre Familiengeschichten, so wie ihre Geduldslehre.


Montag, den 2ten October.

Wasen. Früh 6 Uhr, war es klar in der Nähe, Nebel an den Höhen, bald Anzeichen des blauen Himmels, und der durchdringenden Sonne.

Um 7 Uhr ab, die Nebel zertheilten sich, Schatten der Berggipfel in den Wolken. Karge Vegetation, horizontale Wolkensoffitten, unter Wasen, grüne[171] Matten mit Granitblöcken und geringen Fichtengruppen. Schöner mannigfaltiger Wasserfall, erst kleine Absätze, dann ein großer, dann theilt sich das Wasser in die Breite, sammelt sich wieder in der Mitte, und trennt sich wieder, bis es endlich zusammen in die Reus stürzt. Brücke; Wasserfall über Felsen, die noch ganz scharfkantig sind; schöne Austheilung des Wassers darüber. Man ist eigentlich in der Region der Wasserfälle. Betrachtung, daß der Vierwaldstädtersee auch darum einen sehr ruhigen Eindruck macht, weil kein Wasser in denselben hineinstürzt.

Alles sieht fast grau umher aus, von zerstreutem Granit, verwittertem Holz und graugewordnen Häusern; man sieht noch etwas Kartoffelbau und kleine Gärtchen. Granitwände unzerstörlich scheinend. Verwitterter Granit. Brücke. Die Steine derselben, die Felsen, besonders die, welche das Wasser bey hohem Strome bespült, hellgrau; Nebel, gleichsam als Gehänge über das Thal hin, Sonne an den Gipfeln, rechts die Berge durch die leichten Nebel, die sich an ihnen hinziehen, noch erleuchtend. Pflanzen werden immer dürftiger, man kommt noch vor einem ansehnlichen Wasserfall vorbey, an den Höhen sieht man durch den Nebel lange Wasserstreifen sich herunterbewegen. Granitfelsen wie aufgebaute Pyramiden, ganz glatte Wände der losen Felsstücke, Obeliskenform. Vorwärts steiles Amphitheater der Schneeberge im Sonnenlichte.

[172] Nach 8 Uhr waren wir in Göschenen. Starker Stieg. Maulthierzug. Man hatte kaum den Weg, der durch einen großen Sturz von Granitblöcken versperrt gewesen war, wieder aufgeräumt, durch Sprengen und Wegschaffen derselben. Die Holz schleppenden Weiber begegneten uns: sie erhalten im Urseler Thal 6 gr. für die Last, das Holz kostet sie 3 gr. bey Göschenen, die andere Hälfte ist ihr Tragelohn. Sturz der Reus in großen Parthien. Brücke. Inschrift in Granit dabey, Schricker; wahrscheinlich der Vorgesetzte beym Brückenbau. Das Thal Urseren baut den Weg fast bis Göschenen. Sonderbare Aussicht in die Tiefe rückwärts: Kühe und Holzträgerinnen stiegen herauf, Nebel zugleich mit. Granitwände, die trocknen Stellen sehen grau, die feuchten violett aus. Zum erstenmal beschien heut die Sonne unsern Weg und die durch ungeheure Granitblöcke schäumende Reus. Aufgeräumte, vor kurzem verschüttete Straße. Die Nebel zogen schnell die Schlucht herauf und verhüllten die Sonne. Harter Stieg. Vogelbeerbaum, mit den schönsten Früchten. Wir ließen die Kühe an uns vorbey. Fichten verschwinden ganz, Teufelsbrücke, rechts ungeheure Wand, Sturz des Wassers, Stieg, Sonne, Nebel, starker Stieg, Wandsteile der ungeheuern Felsen, Enge der Schlucht, drey große Raben kamen geflogen, die Nebel schlugen sich nieder, die Sonne war hell. Urner Loch, Urner Thal, ganz heiter, die[173] flache grüne Wiese, die Urserer Kirche, Hospital mit seinem alten Thurme, völlig wie vor Alters, der Schnee ging nicht ganz bis an die Wiese herab. Weidendes Vieh, die Berge hinter Realp waren völlig beschneyt, unten vom grünen vorstehenden Abhang, oben vom blauen Himmel begränzt. Schon war alle Mühe vergessen, der Appetit stellte sich ein. Glimmerschiefer zeigte sich an allen Seiten, Jade in einer Mauer. Schlitten mit Käsen durch den Schmutz fahrend, Bächlein zur Wässerung, übermäßige Düngung der Matten. Granit mit viel Feldspath, aber noch immer sich zum blättrigen neigend. Brücke über die Reus. Hospital, zum goldnen Löwen oder der Post eingekehrt.


Dienstag, den 3. October.

Um halb neune von Hospital aufwärts. Glimmerschiefer mit vielem und schönen Quarz, den ersten Schnee neben uns, schöner breiter gleichförmiger Wasserfall, Glimmerschieferplatten stürzen gegen den Berg ein, über die denn das Wasser hinüberströmen muß, schöne Sonne. Kahles leeres Thal, abhängige abgewitterte Seiten. Ultramarin zu 30 Scudi. Ungeheuere ganz glatte Wände des blättrigen Granites, große Massen, Platten und Blöcke desselben Gesteines, Wasserfall, ganz heiterer Himmel. Wir nahten uns nun nach und nach dem Gipfel. Moor, Glimmersand, Schnee, alles quillt um einen herum. Seen.

[174] Ich fand den Pater Lorenz noch so munter und gutes Muthes, als vor zwanzig Jahren. Seine verständigen und mäßigen Urtheile über die gegenwärtigen Verhältnisse in Mailand. Stammbuch eingeführt seit einigen Jahren. Jost Has, ein junger Mensch von Luzern, künftig zum Postboten bestimmt, 8 Monate beym Pater wohnhaft. Mineralienhandel der Köchin, große Menge Adularien. Erzählung, wo sie solche hernimmt. Mineralogische Moden: erst fragte man nach Quarzkrystallen, dann nach Feldspäthen, darauf nach Adularien und jetzt nach rothen Schörlen (Titanit).

Nach Tische gingen wir wieder herunter und waren so leicht und bald in Hospital, daß wir uns verwunderten und der Bergluft diese Wirkung zuschrieben.

Nach der Observation eines gewissen Johnston, die in des Capuziners Buch eingeschrieben ist, soll das Kloster 46'33"45''' nördlicher Breite liegen.

Im Heruntergehen bemerkten wir eigens zackige Gipfel hinter Realp, die daher entstehen, wenn die obersten Ende einiger Granitwände verwittern, die andern aber stehen bleiben. Das Wetter war ganz klar. Aus der Reusschlucht, von der Teufelsbrücke herauf, quollen starke Nebel, die sich aber gleich an den Berg anlegten.


Mittwoch, den 4ten October.

Um halb neun von Hospital ab. Völlig klarer Himmel ohne eine Spur von Wolken, es war frisch,[175] ein wenig Reif war gefallen; über Urseren, wo die Sonne hinschien, zog ein horizontaler leichter Duft. In Urseren besuchten wir die Cabinette des Landammann Nagers und Dr. Halters. Von ihren Cabinetten siehe ein mehreres Fol... Auch ist ein Specereyhändler, Carl Andreas Christen daselbst, der mit Mineralien handelt; wollte man an sie schreiben, so müßte man nicht versäumen Urselen an der Matt auf die Adresse zu setzen. Wir kehrten in den 3 Königen ein, aßen zu Mittag, der Wirth heißt Meyer. Als wir wieder gegen die Teufelsbrücke kamen, stiegen feuchte Nebel uns entgegen, vermischten sich mit dem Wasserstaub, so daß man nicht wußte, woher sie kamen und wohin sie gingen. Gleichheit der Steinart. Das Ungeheuere läßt keine Mannigfaltigkeit zu. Schnee, der die Vögel in die Schlingen jagt. Maulthierzug. Ton des Kühhornes. Mist für ein Rittergut auf dem Wege zerstreut und verderbt. Bey Göschenen ein schöner Sonnenblick, das Seitenthal herein. Nebel und Wolken vermehrten sich an den Gipfeln, unter Wasen hingen sie schon soffittenmäßig. Wir kehrten wieder am Zoll ein. 5 Franzosen des Nachts.


Donnerstag, den 5ten October.

Früh um 7 Uhr von Wasen ab. Oben war der Nebel schon vertheilt, wir kamen wieder in denselben hinab. Sonderbarer Anblick der Gebirge in Nebel[176] als ganz flacher Massen. Resoluter Wasserfall. Allgemeine Klage, daß die Bauern so geldgierig wären. Ähnlichkeit der Weiber. Reise als Halbroman zu Schreiben. Scherz über so viele halbe Genres. Wir kamen wieder in die Region der Nußbäume, und nahmen im Gasthof zum Stern am Steg wieder etwas zu uns, und gingen nachher den Fußweg gegen Altorf. Wasser- und Brodgelübde der geizigen Wirthin. Grüne Farbe des Wassers mit dem Grünen des durchscheinenden Talkes verglichen, Orangenfarbe des abgehauenen Erlenstocks. Schwaches Bret am Stieg, das gebrochen war, inzwischen wir abwesend gewesen. Anmuthige Gegend an der Reus. Naiver Ausspruch: es ist gut, aber es gefällt mir nicht. Gneis, Zickzack des Kalkes, nur im Großen. Es ist ein Fehler bei Fußreisen, daß man nicht oft genug rückwärts sieht, wodurch man die schönsten Aussichten verliert.

Wir kamen wieder zur Kirche an der Jagd-Matt, Jäger und Hunde knien vor dem Hirsch, der eine Veronika zwischen dem Geweihe hat. Die Kirche war offen und geputzt, niemand weit und breit, der darauf Acht gehabt hätte. Begriff von geistlicher und Weltlicher Polizey. Der Glimmerschiefer geht noch weit ins Thal hinunter auf beyden Seiten. Der Charakter des Gebirge zeigt zugleich an, wo der Kalk anfängt. Beschneyte höhere Gebirge in der Nähe. Frage, ob das Schnee-Niveau mit dem[177] Urseler dasselbe sey. Über Verkürzung des Wegs und Verbreiterung der Plätze in Gedanken. Geschichte des Jägers, der einen Mann Statt der Gemse erschoß: zur Strafe war ihm verboten, 10 Jahre kein Gewehr zu führen. Gemsen kommen noch öfters vor, es ward eben eine ausgehauen. Murmelthier-Felle hatten wir in Hospital gesehen. Kleine Vögel werden unzählig in Schlingen gefangen. In Altorf verzehrten wir ein gutes und wohlbereitetes Berghuhn.


Freytag, d. 6. October.

Wolken auf den Bergen in Klippenform. Unter verschiedenen theoretischen Gesprächen gingen wir von Altorf zeitig ab und kamen zum See. Um 9 Uhr ab. Leichtes Gebäude der Schiffe, es hält eins nur drey Jahr. Die größten Stürme erregt der Föhnwind, der im Frühjahr, besonders aber im Herbst über die Berge von Mittag kommt; es entstehen große Wellen und Wirbel. Die Bagage der Reisenden wird auf das Vordertheil der Schiffe gelegt, so wie man sich überhaupt mehr vorwärts setzt. Kleiner Fußtritt des Steuermanns. Es ward von Gemsen und Lauinen gesprochen. Wir kamen der Axe Flue näher; ungeheuere Felswand und Halbbucht, dann folgt eine zweyte etwas tiefere, dann die Platten. Das Steuerruder ist, wie die andern, nur mit einem leichten Ringe von Schlingholz befestigt. Die Beleuchtung war schön, die Capelle lag im Schatten, die Kronalp[178] im Lichten; sie wird wegen der Krone von Flötzen auf ihrer Höhe so genannt. Matten, Wald, Abhang und Steile. Alles Menschenwerk, wie auch alle Vegetation, erscheint klein gegen die ungeheuren Felsmassen und Höhen.

Wir fuhren nun quer über den See nach der linken Landspitze zu. Die Schweyzer Mythenberge erscheinen wieder. Ein Reiger flog auf. Wir kamen am Rütli vorbey. Kurz vor der Ecke sind Flötze wie Mauerwerk und Thürme. Den See hinauf wars trübe und die Sonne stach. Gegen Brunnen über die Ecke anmuthig überhangende Bäume. Man sah die Mythen in völliger Breite, Brunnen, einen Theil der Landbucht von Schwitz, die schönen nicht allzusteilen Matten der Schwitzer rechts am See. Wir hielten uns an der linken Seite. Ein Wirthshaus steht in Fels und Waldgebüsch, am See. Wir nahmen Piemonteser Soldaten und Lucerner Frauen ein. Man sah Beckerieth von weiten, Pilatusberg in Wolken. Es entstand ein Gegenwind, wir kamen an der Grenze von Uri und Unterwalden vorbey, die sehr leicht gezeichnet ist.

Hier ist der Anblick vorwärts mannichfaltig, groß und interessant: das linke Ufer ist waldig und schön bewachsen, man sieht Beckerrieth an einem fruchtbaren Abhange eines Berges liegen, dessen steiler Gipfel nach und nach sanft bis in die Mitte des Bildes abläuft; hinter diesen schönbewachsnen Strichen ahndet man[179] die Fläche von Stanz. Der Wolkenbedeckte Pilatus blickt hervor; alsdann sieht man den Bergrücken, der, theils fruchtbar, theils mit Holz bewachsen, Unterwalden nordwärts, gegen den Lucerner See begrenzt. Rechts liegt Gersau, und bald sieht man die Enge, durch die der See seine Wendung nordwestwärts nimmt.

Eine beliebte Äpfelsorte wird in dieser Gegend Breitacher genannt; die Italiäner nennen sie Melaruzzi.

Näher Beckerrieth sahen wir die Seiten des Rigi in den Wolken, der Gipfel war klar. In der Entfernung vom See sahen wir Weggis, einen Ort, der durch einen langsam vorschiebenden Kiesboden, nicht etwa durch einen Felsensturz, vor kurzer Zeit von der Stelle geschoben wurde. Das Schieben des Erdreichs, wobey alles zu Grunde ging, was sich auf der Oberfläche befand, dauerte 14 Tage, so daß die Leute ihre Häuser abtragen und das Holz wegschaffen konnten. Ein Haus wurde dergestalt herumgedreht, daß es jetzt nach einer andern Seite hinsieht. Man fängt wieder an zu bauen. Man sieht nun Beckerrieth näher. Die Gegend bleibt ohngefähr, wie sie oben beschrieben worden, nur daß die Proportionen und Distanzen sich verändern.

Wir langten um halb ein Uhr an, und gingen den Fußpfad nach Stanz. Es ist der angenehmste Weg, den man sich denken kann. Er geht unmittelbar am See hin, und steigt sanft in die Höhe durch grüne[180] Matten, hohe Nuß- und andere Fruchtbäume und reinliche Häuser, die an dem sanften Abhang liegen, dessen oben gedacht ist. Wir kamen über eine breite Steinrütsche, die durch einen Giesbach heruntergeschoben worden; es hat diese Naturwirkung schon viel gutes Terrain weggenommen, und wird noch mehr wegnehmen. Die Landleute haben ein fremdes Ansehen, sie sind wohlgebildet aber blaß; der feuchte Boden setzt sie Scrophel- und Hautkrankheiten aus. Der See macht nun hier einen Busen gegen ein niedriges Land zu, dieses ist, nordwärts, durch die Mittagsseite eines sanft abhängenden Berges begrenzt, welcher sehr gut bebaut ist. Die Bäume hingen voll Obst, die Nüsse wurden abgeschlagen. Die Bucht endigt sich mit flachen Sumpfigen Wiesen. Wir kamen durch Buochs, wobey ein Landungsplatz für diese Seite ist. Landleute mit Hanf beschäftigt. Schön gepflasterter Weg über eine Höhe, zwischen Matten, auf welchen Kühe schwelgten. Dergleichen Matten werden im Frühjahr abgeätzt und, wenn das Heu gemacht ist, wachsen sie abermals stark genug, daß die Kühe bis auf den Winter hinreichende Nahrung finden. Man kommt durch ein schmales Thal, zwischen eingezäunten Matten, und endlich auf die schöne, völlig ebene Fläche, worauf Stanz, nicht zu nahe von hohen Bergen umgeben, liegt. Wir traten im Gasthof zur Krone ein, welcher der Kirche gegenüber auf einem hübschen Platze liegt. In der Mitte steht ein Brunnen,[181] aus dem der alte Winkelried mit den Speeren im Arm gestellt ist. Nikolaus von der Flüe hing in der Stube. Auf gemahlten Fensterscheiben waren über verschiedenen Wappen die Hauptmomente der Schweizer Chronik aufgezeichnet. Wir lasen in einem Buche: Kleiner Versuch einer besondern Geschichte des Freystaats Unterwalden. Lucern 1789. In der Dedikation der sonderbare Titel: Helvetisch großmächtige.

Heilige, Helden, Staatsleute und Frauen aus der Geschichte des Landes.


Sonnabend, den 7ten October.

Stanz. Früh Nebel; doch der Schein der Morgensonne hie und da auf den Berggipfeln. Gegen 8 Uhr ab; flache Matten zwischen Bergen, man glaubt zu sehen, wie der ehemals höhere See hier hereingewirkt und das Erdreich zubereitet; gegen Stanz Stade wird es sumpfiger. Am Landungsplatze selbst ist rings herum die Ansicht gar angenehm. Wegen den mannichfaltigen Bergen, Buchten und Armen des Sees, die man sieht oder ahndet. Schöne Sand- oder graue Wackenplatten lagen am See, hierher aus dem Lucernischen transportirt. Die Mädchen haben auf den kleinen Strohhüten vier Schleifen, wechselsweise roth und grün. Wir fuhren ab, es war etwas neblich. In der Mitte des Kreuzes, das der See bildet, ist der Anblick höchst interessant, der Charakter[182] der Ufer variirt nach allen Seiten. Lucern liegt in seiner Bucht, umgeben von sanften fruchtbaren Höhen, welche sich rechts an dem Ufer des Arms, der nach Küßnacht hineinreicht, erstrecken. Blickt man nordwärts nach Küßnacht, so liegt rechts ein artiges Vorgebürge, von mannichfaltiger Gestalt, das gut bewachsen und bebaut ist. Ostwärts ist das Wasser zwischen steilen und dunkelbewachsnen Wänden eingefaßt, und die Spitze von Gersau scheint nur einen geringen Durchgang in den obern Theil des Sees zu lassen. Südwärts sieht man nun den berühmten Wartthurm von Stanz Stade, den kleinen Ort auf seiner Fläche, umgeben von den mannichfaltigsten Gebürgen und Vorgebürgen, hinter denen südwestwärts der Pilatus hervorsieht.

Wir sahen uns überall nach dem Raynaldischen Monument um, aber vergebens; man wies uns den Felsen wo es gestanden hatte. Durch die Zuleitung des goldnen Knopfs auf der Spitze, ward es vom Gewitter getroffen, beschädigt und abgetragen.

Wir fuhren an dem artigen Vorgebürge vorbey; es besteht aus sehr neuen Kalk und Thonflözen. In Stanz, so wie in Uri, ziehen sie Birn an den Häusern; wir hatten einige vom erstern Ort mitgenommen, die von einem unglaublichen Trieb des Saftes aufgeschwollen waren, so daß die Epiderm in Höckern ausgetrieben ist, ja sogar der Stiel saftige Exantheme an sich hatte.

[183] Küßnacht, Gasthof zum Engel. Nach Tische gingen wir ab und fanden einen sanften, in die Höhe steigenden angenehmen Weg; gesprengte Granitblöcke lagen an der Seite, man hatte sie von einer Matte, die man reinigte, herüber an die Straße geschafft, wahrscheinlich liegen sie dort als ungeheure Geschiebe. Die Steinart ist die des Gotthardts, nur weniger blättrig. Man erreicht die Höhe der kleinen Erdzunge, welche den Vierwaldtstädter und den Zuger See trennt. Capelle zum Andenken von Geßlers Tod. Man sieht nun rückwärts von oben herunter eine anmuthig gebaute, aufsteigende Bucht vom Lucerner See herauf. Wir fanden einige Kastanienbäume, sehr schönbestandne Matten und Baumstücke, deren hohes Graf und Kraut von den Kühen mehr zertreten als gefressen ward. Wir erblickten den Zug-See, eigner Character desselben, sanft abhängende Berge. Art liegt rechts im Winkel. Besondere Bauart der kleinen Schiffe, sie sind nur aus zwey Stücken zusammengesetzt und gleichen also völlig einem großen ausgehöhlten Baumstamm; die Bänke stehen durchaus quer und passen sauber in die Fugen; an den Seiten sind noch Bretter ausgesetzt, an denen die Ruder angebracht sind; man fährt sehr schnell damit. Die Ruder sind klein und der Tact viel geschwinder. Links wird ein Sandstein gebrochen. Man fährt nun um die Ecke; der See nimmt nordwärts einen sehr heitern Charakter an, indem er, nur von Hügeln umgeben,[184] die Berge des untern Landes in der Ferne zeigt. Im Grunde beym Ausfluß sieht man Cham, über den ein ferner, flacher Berg hervorragt. Rechts besteht das Ufer aus Thonflötzen, über denen sich ein mit artigen Gruppen bewachsner Berg hervorhebt. Dann erscheint eine angenehme Fläche am See, mit fruchtbaren Höhen begrenzt, ein weitläufiges Dorf Oberwiel darin erbaut. Man sieht wieder etwas Weinbau. Man kommt nach Zug. Eingekehrt im Ochsen. Der Ort ist reinlich und alt, aber gut gebauet, liegt an einer Anhöhe, ist der Stapelort von den Gütern, die nach Zürch gehen und daher kommen. Er liefert den kleinen Kantonen Töpferwaare, weil diesen aller Thon zu dem Endzweck mangelt. Es sind auch verschiedene Feuerhandwerke daselbst in guter Nahrung.

Schöne gemahlte Scheiben im Wirthshaus.


Sonntag, den 8ten October.

Um 8 Uhr aus Zug, angenehmes fruchtbares Thal hinaufwärts, etwas Fruchtbau hie und da, in den Tiefen und Flächen Moorland. Halbbedeckter Tag.

Baar. Fläche umher, Mannigfaltigkeit. Gute Wiesen, Baumstücke, nasse Wiesen, Weiden, Erlen, auf den besten Wiesen wächst viel Leontodon. Der Ort ist artig gebaut, eine geräumige Gasse und dann zerstreute Häuser, zwischen Wiesen und Gärten. Man findet[185] dahinter eine große Gemeinweide, mit Obstbäumen. Man kommt an einen Bach und Steigt aufwärts. Ilex aquifolium, das wir auf den Mittelbergen gefunden. Artiges Buschholz, Knüppelstieg dadurch. Auf der Höhe Fruchtbau, etwas magrer, doch gemischter Boden. Man sieht rückwärts einen Theil des Zuger Sees. Weiter hin wird der Boden sumpfig, man findet keine Häuser mehr. Der Fahrweg ist abscheulich. Saures Graf und niedres Röhrich wird zum Streuen gehauen.

Man kommt über die Sihlbrücke. Der Aufstieg gegenüber im Zürcher Gebiet ist Steil, aber der Weg gut. Endlich gelangt man wieder zur Aussicht des Zürcher Sees, den man rechts hat, links das nördliche Ende des Zugsees. Man steigt hinab, große Mannichfaltigkeit nach dem See zu, schöner Torf. Claußen, ein kleiner Ort, der letzte Theil des Weges ist ein abscheulich unterhaltenes Pflaster. Horgen, dieser Stapelort der Waaren, die von Zürch und Zug kommen. Wir aßen im Löwen, schöne Aussicht des Gasthauses. Wir fuhren bey einem warmen Abend in zwey Stunden nach Stäfe.


Montag, den 9ten October.

Stäfe. Früh am Tagebuch dictirt. Die Schweitzerchronik wegen der Tellischen Geschichte. Mit Meyer über die Behandlung derselben, über Behandlung überhaupt bey Gelegenheit der Schillerschen Briefe.[186]


Dienstag, den 10ten.

Abschrift des Tagebuchs. Verzeichniß der Mineralien und Einpacken derselben. Tschudis Chronik. Zeichnung Tells mit dem Knaben. Niobe Vorlesung.


Mittwoch, den 11ten.

Abschrift des Tagebuchs fortgesetzt. Friese des Julius Roman. Andrea del Sarto Vorlesung. Einpacken der Steine.


Donnerstag, den 12ten.

Abschrift des Tagebuchs fortgesetzt. Ferneres Einpacken und Vorlesung der florentinischen Kunstgeschichte.


Freytag, den 13ten.

Dictirt den Entwurf zu einer Abhandlung über die Gegenstände der bildenden Kunst. Vorlesung wie gestern.


Sonnabend, den 14ten.

Brief an Schiller. Vorlesung wie gestern.


Sonntag, den 15ten.

Über die Motive und die übrigen Theile der bildenden Kunst. Vorlesung wie gestern. Abends Friese des Julius Roman detaillirt. (Wir kamen diese Tage wegen des Regenwetters nicht aus dem Hause.)


Montag, den 16ten October.

Sehr schönes Wetter. Früh einiges dictirt, bey Zeiten gegessen. Nach Tische nach Herrliberg zu Hrn. Escher.[187]


Dienstag, den 17ten October

Früh Briefe dictirt, kam die Aldobrandinische Hochzeit an.


Mittwoch, den 18ten October.

Eingepackt, kam zu Mittag der junge Escher. Wir gingen spatzieren und beschauten uns noch die Cultur des Ortes. Abends den Anfang von Tschudis Chronik gelesen.


Donnerstag, den 19ten.

Mit Einpacken beschäftigt. Verschiedene Spatziergänge.


Freytag, den 20ten.

Absicht zu verreisen durch Gegenwind gehindert.


Sonnabend, den 21ten.

Früh 10 Uhr von Stäfe ab. Mittags zu Herrliberg bey Herrn Hauptmann Escher.


Sonntag, den 22ten.

Früh Herrn Eschers Cabinett, das sehr schöne Suiten des Schweizergebirges enthält.


Montag, den 23ten.

Bey Professor Fäsi und Hauptmann Bürkli; dann zu Chorherr Rahn, dessen Cabinett kostbare Stücke der Schweizer Mineralien enthält. Nach Tische zu Chorherr Hottinger und Dr. Lavater. Abends bey Frau Schultheß.[188]


Dienstag, den 24ten.

Früh Briefe, dann das Bild von Füßli im Rathhause; darauf in die Kunsthandlung. Nach Tische zu Mako, sodann zu Herrn Antiftes Heß.


Mittwoch, am 25ten October.

Meist mit Vorbereitungen zur Abreise von Zürch beschäftigt.


Donnerstag, den 26ten.

Früh 8 Uhr aus Zürch. Um 11 Uhr in Bulach, wir fanden den Weinstock in dieser Gegend niedergelegt, welches am Zürcher See nicht geschieht. Um 12 Uhr in Eglisau. Gasthof zum Hirsch. Aussicht auf den Rhein, ab um halb zwey. Dunkler Streif zwischen den Regenbogen sehr sichtbar. Mistsotte auf die Saat gegossen. Vom Wege herab nach dem Rheinfall gegangen. Dämmerung, böser Fußweg nach Schafhausen.


Freytag, den 27ten.

Die drey Basaltfelsen Hohentwiel, Hohenkrähen und der dritte bey Engen. Gegen Mittag in Engen. Geschichte des Bauers, der sein schlechtes Häuschen anmahlen ließ und darüber immer Einquartirung bekam. Abends in Tuttlingen.


Sonnabend, den 28ten.

Bis Bahlingen.[189]


Sonntag, den 29ten.

Bis Tübingen.


Montag, den 30ten.

Dienstag, den 31ten.

Blieb man daselbst.


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, III. Abteilung, Bd. 2, S. 169-190.
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