Mai.

[289] Den 1ten May. Gingen der Fürst von Dessau und der Herzog von Weimar fort. Bey Bause. Portrait von Mosnier. Gouache Landschaften von Kaaz. Gemälde Sammlung im Slasischen Hause. Pfarr Kunsthändler. In verschiedenen Läden mit Kanzl. Hofmann Dautens Gartenhaus. Bey Frege. Wollenwaaren, Leinwand, Leder sehr guter Abgang; feinere Musseline, Katune geringrer Abgang.


Den 2ten May. Kam Graf Reden. Mit demselben an verschiednen Orten, mit ihm und Kanzler Hofmann zu Mittag gespeist. Nach Tische verschiedne Gänge mit demselben. In der Comödie. Abends wieder zu drey zusammengespeist. Auch war ich früh bey Pfarr gewesen und hatte das englische Portefeuille durchgesehen. Von Füeßli, wie von jedem genialen Manieristen, kann man sagen, daß er sich selbst parodire. Fast in allen übrigen Blättern zur Shakespears Gallerie Composition und Behandlung völlig motiv- und charakterlos. Graf Reden über die Forderung der Menschen an denjenigen, der wirken will, daß er sich aufopfern soll. Über die verschiednen Arten Steinkohlen. Im preußischen haben sie das letzte Jahr so viel gefördert, daß es eine Million Klafter Holz aufwiegt. Name eines geschickten Geologen in diesem Fache.


[289] Den 3ten May. Früh noch einige Wege mit Kanzler Hofmann. Französisches Porzellan, geringere Sorte nicht wolfeiler als Berliner. Die bessere Sorte aber viel wolfeiler. Bey Benjamin Eichel. Teppiche bey Crayen. Abends Conzert bey Frege, wo die Pixis spielten, Mad. Plomer sang und Herr Capellmeister Himmel einiges von seiner Composition vortrug. Seine Wahl witziger Lieder. Allgemeinere Faßlichkeit des Witzes.

Bey dem Leipziger Theater völliger Mangel von Kunst und Anstand, der Naturalism und ein loses, unüberdachtes Betragen im Ganzen wie im Einzelnen. Eine Wiener Dame sagte sehr treffend, sie thäten doch auch nicht im geringsten, als wenn Zuschauer gegenwärtig wären. So ist es auch mit dem Sprechen, es ist auch nicht eine Spur zu sehen von Absicht, verstanden zu werden; was eben der Zuhörer nicht hört, das hört er nicht, des Rückenwendens, nach dem Grunde Sprechens ist kein Ende, und demohngeachtet muß man sagen, daß sie von Zeit zu Zeit mehr als billig ist manierirt sind, denn gerade aus der sogenannten Natürlichkeit ist bey bedeutenden Stellen keine andere Zuflucht als in die Manier. Übrigens ist nichts begreiflicher, als daß Liebhabertheater sich neben einer solchen Gesellschaft recht viel einbilden dürfen.

Ich fand Herrn ......, der für Frege in Pensylvanien gewesen war, mit dem ich verschiedenes über dortige Verhältnisse sprach. Er hat eine schöne Tischplatte[290] mitgebracht von einer Kieselbreccie, jener ähnlich, wovon die Voigtische Mecklenburger Dose gemacht ist.


Den 4ten May. Früh bey geheime Kriegsrath Müller. Nachmittags im Panorama. Abends in Abtnaundorf bey Frege. Er besitzt sehr schöne Mineralien. Besonders merkwürdig war mir eine Juno als Herme, von orientalischem Alabaster, weiß, mit wenigen rothen Streifen; der Kopf von Erz, so wie der linke Fuß, der rechte fehlt; die Hände im Schleyer von bewundernswürdiger Schönheit, der Kopf fehl wohl erhalten und scharf, der Körper und das Gewand sehr weichlich gearbeitet von außerordentlich schöner Faltenanlage und Behandlung.


Am 5ten May. Früh Herr Cotta. Mit Herrn Cotta viel über seine Reise nach Paris, seinen Aufenthalt daselbst, das Verhältniß von Reinhard, Talleyrand und anderer bedeutender Personen, von den Büreaus, den Ministern, den Parisern und Franzosen überhaupt.

Nachher zu Fleischern, wo ich den jungem Campe aus Hamburg fand, der mir manches interessante von Paris erzählte. Nachmittag ums Thor und in die Gärten, vorher in die Kupferstichauction.

Gleichfalls las ich des jüngern Hedwigs Aphorismen, an denen ich mich nicht sehr erbaute. Abends kam Herr von Hendrich und ich bezog eine andere Stube.


[291] Am 6ten May. Karte von Leipzig und Betrachtung über die Lage der Stadt. Bey Cotta über die neuen Kupfer zum Damenkalender. Bey Eßlinger großer französischer Virgil. Girodet hat mehr Stil in der Composition und geht auf Kunstzwecke aus, wird aber manchmal kalt. Gerard denkt natürlich, seine Arbeiten befriedigen, aber nicht als Kunstproducte; sein Leidenschaftliches nähert sich dem Theatralischen und Manierirten. Nach Tische chalkographisches Büreau. Nachher ins Concert. Wenig Trost, einiges interessante Gespräch mit Herrn Magister Rochlitz und Thieriot. Vor dem Concert die sogenannten schwarzen Perlen des Grafen Piccolomini. Sie sind eigentlich stahlgrün und spielen ins violette; da sie ferner an der Lichtseite heller erscheinen und im Reflex die Farbe des Gegenstandes annehmen, dem sie nahe sind, so erhalten sie eine wunderbare Spielung. Wenn man nur die eine Schnur sähe, davon die Perlen kleiner sind, woran ein unreines violett dominirt, würde man einen schlechten Begriff von ihrem Werthe fassen; aber die Schnur der größern ist wirklich vortrefflich, indem sie die ernsthafte Farbe mit dem Glanz und der Spielung der Perle verbindet.


Den 7ten May. Mit Herrn Cotta spatzieren und verschiedne litterarische Verhältnisse durchgesprochen. Sodann einen kleinen Spatziergang allein die Pleiße hinaufwärts um des Terrains willen. Dann zu[292] Prof. Hermann; er ist mit dem Äschylus und Plautus beschäftigt, über mancherley philologische Gegenstände, über Euripides; zuletzt über Prosodie und Rhythmik. Herr Fleischer sagte mir, daß das Werk über die Sylbenmaße stark nach England gehe. Nachmittags in das Taubstummen-Institut. Abends mit Herrn und Mad. Sander und Herrn Rochlitz erst im Rosenthal, dann in einem öffentlichen Garten und mit beyden ersten sodann im Hotel de Saxe zu Nacht gegessen. Heute erhielt ich die Probe von Bitaubés Übersetzung von Hermann und Dorothea.


Am 8ten May. Bey Härtel in der Musikhandlung wegen der musikalischen Zeitung. Über die Breitkopsische Familie, besonders den letztverstorbenen Breitkops gesprochen. Bey Eßlinger. Er fordert für den französischen Virgil 140 Thlr.. Über französische Compendien. Zinober angeschafft. Bey Frege, wo von Landwirthschaft die Rede war. Er wird einen dreyjährigen Versuch mit Bewirthschaftung eines 150 Acker enthaltenden Gutes machen. Zu Tische Herr und Mad. Sander, Abends Concert der jungen Pixis, wobey sie viel Beyfall einerndeten, sodann Abends bey Sanders. Früh morgens war ich auch vors Gerberthor gegangen, um die Lage von Leipzig von dieser Seite zu beobachten sowie den Lauf der Parthe gegen das Rosenthal hin.


[293] Am 9ten May. Bey Herrn La Garde von Berlin, der mir sehr viel interessantes von seinem zweymaligen Aufenthalt in Paris erzählte. Bey Hrn. Legat.R. Bertuch. Bey Bürgemeister Hermann. Bey Küttner. Mittags im Hotel de Saxe. Nachmittags bey Frauenholz. Verschiednes interessante. Ein paar Gemählde von Seele: Scenen aus dem gegenwärtigen Kriege. Bisterzeichnungen von Koch, einem Tyroler in Rom. Die eine, wo die Landschaft mit der Geschichte des Orpheus, der von tragischen Weibern getödtet wird, vorgestellt ist, hat viel Verdienst. Einige andere mit Gegenständen aus dem Oberen sind keineswegs glücklich gerathen. Landschaften von Molitor in Wien, eine sehr ausgearbeitete freye Manier, Effect und glückliche Stellen, aber unruhig und nicht zusammengedacht. Tusche und Rothstein mit einem kecken Pinsel aufgetragen. Eine bunte Zeichnung von Carstens: Apollo spielt auf der Leyer, die Musen tanzen um die Grazien, ein merkwürdiges Blatt, woraus man die Art und Weise seines Denkens und Arbeitens erkennen kann. Hebe, die dem Adler zu trinken reicht, in schwarzer Kunst nach Unterberger, und zwar nach dem Bilde, von dessen Effect und Haltung so viel schon gesprochen worden. Abends im Garten mit Magister Rochlitz und Gesellschaft.


Am 10ten May. Früh im Industrie-Comptoir, den Bücher-Catalogus zur Hälfte durchgesehen. Die[294] Herrn Unger und Woltmann angetroffen. Zu Gontards wegen des Ameublements. Don Quixote gelesen. Nachmittags kamen die Meinigen. Abends spatzieren und im Garten gegessen.


Am 11ten May. Früh durch die Stadt gegangen, in die Nikolaikirche. In Auerbachs Keller. Mittags zusammen an der Table d'hote. Nach Tische um die Stadt gefahren. Nach Gaschwitz und Connewitz. Abends nach der Funkenburg, zusammen zu Nacht gespeist.


Am 12ten May. Früh verschiednes einzukaufen ausgegangen, dann zu Herrn Unger Kattuntapeten und Bordüren besehen. Mittags zusammen an der Table d'hote. Nach Tische kam Hr. Rath Schlegel. Abends noch durch die Buden, verschiedne Waaren aufgesucht. Sodann in die Comödie. Ariadne auf Naxos. Die Entdeckung von Steigentesch. Abends im Hotel de Saxe mit Loder, Frommann, Bohn von Hamburg.


Den 13ten May. Früh auf dem Observatorium bey Eßlinger. Mittags bey Vieweg in großer Gesellschaft. Waren gegenwärtig: v. Retzer von Wien. la Garde von Berlin. Nicolovius von Königsberg. Sauber von Berlin. Unger von Berlin. Nach Tische zu dem Optikus Hofmann mit Geheime Hofrath Loder. Abends in die Comödie ward Abällino gegeben.


[295] Den 14ten May. Früh verschiedne Abschiedsbesuche. Der Handel mit Hrn. v. Hendrich wegen des Wagens ward richtig. Mittags erst an Table d'hote mit Loder und Sanders, nachher bey Frege. Abends ins Requiem, sodann in Rudolphs Garten zu Herrn Unger und Gesellschaft.


16. Von Leipzig zurückgekommen. Bey Serenissimo.

17. Bey Geh.R. Schmidt zum Mittagessen mit den Ständen. Abends Macbeth.

18. Das neue Stück der Propyläen vorbereitet, zu Hause gegessen. Verschiedne Geschäfte, besonders auf den Schloßbau bezüglich.

19. Mittags an Hof.

20. Früh mit Serenissimo im Schlosse. Mittags bey Kanzler v. Koppenfels mit den Ständen, Abends mit Geh.R. Voigt über die nächsten Geschäfte.

21. Einiges die Propyläen betreffend. Mittags bey Geh.R. Voigt mit den Ständen. Bey Fouquet, Fräulein Fouquet ging nach Paris ab.

22. Früh einiges die Propyläen betreffend, einiges an Faust.

23. Mittags die Landstände zu Tische. Durchl. der Prinz. v. Haren. v. Seebach. Ludecus. Schmidt. v. Milckau. v. Egloffstein. v. Einsiedel. v. Schardt. Gr. Beust. G.R. Voigt. v. Koppenfels. v. Egloffstein. v. Helldorf.[296]

24. Mittags bey Hrn. K.H. v. Egloffstein.

25. Die Exposition der Zauberflöte. Mittags Gäste. R.R. Voigt und Frau. D. Herder und Frau. Hr. Cotta und Frau. Hr. H. Schiller und Frau. R. Schlegel.

26. Exposition der Zauberflöte. Besuch von Haßlochs. Abends nach Ettersburg zu Schiller.

27. Früh von Ettersburg zurück.

28. Abends die Räuber, spielte Mad. Haßloch die Amalia.

29. Gegenüberstehende Gäste. Hr. Sander und Frau. Leg.Rath Bertuch Frau und Tochter G. Hofr. Loder Frau und Tochter St.R. Ludekus Frau. Haßloch und Frau. H.K.Rath Kirms Schwester Weiland und Frau Reg.R. Voigt und Frau Paulus und Frau. Geh.R. Voigt. Bergrath Voigt. Reg.R. Osan. Bury. Pr. Meyer Abends Don Juan.

30. Exposition der Zauberflöte geendigt. Kam die Juno als Herme von Frege. Mittags bey Hof einige Gemählde, besonders merkwürdig eine todte Cäcilie. Abends Spielten die kleinen Pixis. An Herrn Wilmans nach Bremen, den 2ten Theil der Zauberflöte.


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, III. Abteilung, Bd. 2, S. 289-297.
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