Neunter Auftritt.

[32] Florindo, Truffaldino.


FLORINDO. Wo willst du hin?

TRUFFALDINO für sich. Potz Wetter!

FLORINDO. Wo willst du mit dem Essen hin?

TRUFFALDINO. Ich wollte es auf den Tisch stellen.

FLORINDO. Auf wessen Tisch?

TRUFFALDINO. Auf Ihren.

FLORINDO. Und du trägst eher auf, als ich zu Hause bin?

TRUFFALDINO. Ich sah Sie vom Fenster aus kommen.

FLORINDO. Und du trägst das Fleisch eher auf als die Suppe.

TRUFFALDINO. Wissen Sie denn nicht, daß man hier die Suppe zuletzt nach dem Salat ißt?

FLORINDO. Ich bin das anders gewöhnt. Trag' das Fleisch wieder nach der Küche und bring' die Suppe.

TRUFFALDINO. Aufzuwarten!

FLORINDO. Geschwind! Ich will hernach schlafen. Er geht in sein Zimmer.

TRUFFALDINO. Aufzuwarten! Sobald er weg ist, läuft Truffaldino mit dem Fleische in Beatrices Zimmer.

AUFWÄRTER mit dem Frikassee. Der Mensch läßt doch immer auf sich warten. Truffaldino!

TRUFFALDINO aus Beatrices Zimmer. Da bin ich! – Fix, Freund! Deck den Tisch in jenem Zimmer. Der andere Fremde ist nach Hause gekommen. Bring' gleich die Suppe.

AUFWÄRTER. Gut, gut! Geht durch die Mitte.

TRUFFALDINO. Was ist denn das für ein Gericht? Es wird wohl das Frikassee sein. Er kostet. Nicht übel! nicht übel! Indem er gehen will, kommt der Aufwärter mit dem Deckelkorbe und geht nach Florindos Zimmer.

AUFWÄRTER. Ist Er noch da? Ich glaube, Er nascht. Geht ab.

TRUFFALDINO. Hat sich was zu naschen! Trägt das Frikassee in Beatrices Zimmer und kommt gleich wieder heraus. Das muß man sagen, es geht hurtig genug in diesem Gasthofe. O, wenn es mir doch gelingen wollte, beide Herren zu bedienen; es würde etwas Ungeheures sein!

AUFWÄRTER kommt aus Florindos Zimmer und geht nach der Mitte.

TRUFFALDINO. Geschwind, Freund, die Suppe! –

AUFWÄRTER. Sorg' Er nur für seinen Herrn; den anderen will ich schon bedienen.

TRUFFALDINO. Nein, ich will beide bedienen.


Ein zweiter Aufwärter gibt die Suppe für Florindo dem ersten und geht wieder ab. Der erste Aufwärter will sie nach Florindos Zimmer tragen.
[32]

TRUFFALDINO. Nein, nein, gib her, ich will die Suppe hineintragen; bring' indessen ein ander Gericht für diesen Herrn; Er geht mit der Suppe in Florindos Zimmer.

AUFWÄRTER. Das ist ein närrischer Kerl, er will allen beiden aufwarten! Meinetwegen! Mein Trinkgeld kann mir doch nicht entgehen.

TRUFFALDINO kommt aus Florindos Zimmer.

BEATRICE ruft in ihrem Zimmer. Truffaldino!

AUFWÄRTER. Hört Er? Sein Herr ruft!

TRUFFALDINO. Gleich! Er geht in Beatrices Zimmer.


Der zweite Aufwärter gibt dem ersten das Fleisch für Florindo.


AUFWÄRTER. Gib nur her und bring' für die beiden.


Der zweite Aufwärter geht ab.


TRUFFALDINO kommt aus Beatrices Zimmer.

FLORINDO ruft in seinem Zimmer. Truffaldino!

TRUFFALDINO. Gleich, mein Herr! Will dem Aufwärter das Fleisch abnehmen.

AUFWÄRTER. Das will ich hineintragen.

TRUFFALDINO. Hörst du denn nicht, daß er mich ruft? Er trägt das Fleisch in Florindos Zimmer.

AUFWÄRTER. Das ist lustig, er will alles allein tun.


Der zweite Aufwärter bringt dem ersten eine Schüssel mit Krammetsvögeln und geht ab.


AUFWÄRTER. Ich muß wohl warten; trag' ich sie hinein, so bekomm' ich Händel mit dem Menschen.

TRUFFALDINO kommt aus Florindos Zimmer. Was ist das?

AUFWÄRTER. Hier sind Krammetsvögel für Seinen Herrn.

TRUFFALDINO. Krammetsvögel?

AUFWÄRTER. Ja, Sein Herr hat sie bestellt. Geht ab.

TRUFFALDINO. Nun, das ist wieder gut! Wem soll ich sie bringen? Der Teufel weiß, welcher von meinen Herren sie bestellt hat. Bring' ich sie dem, der sie nicht bestellt hat, so bin ich verraten, und frag' ich in der Küche, so kann ich mich auch verraten. Ich will es so machen – hu! was bin ich für ein kluger Kopf! ich will jedem die Hälfte geben, dann ist alles in Ordnung. Er nimmt einen Teller und legt vier von den Vögeln darauf. Vier und vier – aber es ist einer übrig; wem soll ich den geben? Ich will ihn selbst essen, so wird keiner böse. Er ißt den Vogel. – Nun ist alles in Ordnung. Nun will ich erst diesem seine Portion bringen. Er setzt einen Teller auf den Tisch und trägt den anderen nach Beatrices Zimmer; wenn er drinnen ist, kommt der.

AUFWÄRTER mit dem Pudding und ruft: Truffaldino![33]

TRUFFALDINO. Da bin ich.

AUFWÄRTER. Bring' Er diesen Pudding –

TRUFFALDINO. Wart' einen Augenblick; ich komme gleich wieder. Er nimmt den andern Teller mit den Vögeln.

AUFWÄRTER. Das ist unrecht; die Vögel gehören hierher.

TRUFFALDINO. Ich weiß wohl; aber mein Herr schickt vier davon an diesen Fremden. Er geht in Federigos Zimmer mit dem Teller.

AUFWÄRTER. Nun, wenn sie sich kennen, wenn es gute Freunde sind, so hätten sie auch zusammen speisen können.

TRUFFALDINO kommt zurück. Nun, was ist das für ein Ding?

AUFWÄRTER. Ein englischer Pudding.

TRUFFALDINO. Wer soll es haben?

AUFWÄRTER. Sein Herr. Er geht ab.

TRUFFALDINO. Was Henker muß das sein, ein Pudding? Der Geruch ist prächtig, es sieht aus wie Mus. Hm! Wenn es auch eine Art Mus ist, so kann's nicht schlecht sein. – Wir wollen sehen! Er nimmt den Löffel und probiert. Potz Wetter! das ist kein Mus, das ist besser wie Mus. Er ißt hastig.

BEATRICE ruft in ihrem Zimmer: Truffaldino!

TRUFFALDINO mit vollem Munde. Ich komme gleich!

FLORINDO ruft in seinem Zimmer: Truffaldino!

TRUFFALDINO wie vorhin. Ich komme gleich! – O, was für ein prächtiger Fraß! Noch einen Mundvoll, dann geh' ich.

BEATRICE kommt aus ihrem Zimmer; da sie ihn essen sieht, gibt sie ihm einen Stoß. Wirst du kommen und aufwarten, Vielfraß! Sie geht zurück.

TRUFFALDINO setzt die Schüssel auf die Erde, deckt die Serviette darauf und folgt.

FLORINDO kommt aus seinem Zimmer. Truffaldino! Wo Teufel ist der Kerl?

TRUFFALDINO. Hier bin ich, mein Herr!

FLORINDO. Kommt noch etwas zu essen?

TRUFFALDINO. Ich will fragen.

FLORINDO. Hurtig! Ich will hernach schlafen. Er geht zurück.

TRUFFALDINO ruft zur Tür hinaus. He, Kamerad! bringst du noch etwas? – Diesen Pudding will ich für mich behalten. Er versteckt die Schüssel.

AUFWÄRTER mit dem Braten und Salat. Hier ist Braten und Salat.

TRUFFALDINO. Geschwind, die Früchte!

AUFWÄRTER. Nun, nun, nur nicht so hitzig! Geht ab.

TRUFFALDINO trägt den Braten und Salat in Florindos Zimmer. Den Braten will ich diesem bringen.[34]

AUFWÄRTER mit Früchten. Hier sind die Früchte. – Wo Teufel ist er denn nun?

TRUFFALDINO kommt wieder. Was gibt's da?

AUFWÄRTER. Früchte! – Will Er sonst noch etwas?

TRUFFALDINO. Warte! Geht mit den Früchten in Beatrices Zimmer.

AUFWÄRTER. Das ist ein verwünschter Kerl! Er ist wie Quecksilber. Hier und dort und überall.

TRUFFALDINO kommt wieder. Alles ist satt.

AUFWÄRTER. Das ist mir lieb.

TRUFFALDINO. Nur ich noch nicht. – Nun decke für mich.

AUFWÄRTER. Ja, ja. Er trägt den kleinen Tisch ab.

TRUFFALDINO. Bravo! Diesen Pudding hab' ich erbeutet und beide Parteien sind mit meiner Aufwartung zufrieden. Aber wenn ich ihrer zwei bedient habe, will ich auch nun für vier essen. Er will gehen.


Quelle:
Goldoni, Carlo: Der Diener zweier Herren. Halle a. d. S. [o. J.], S. 32-35.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Diener zweier Herren
Der Diener zweier Herren
Der Diener zweier Herren (Italienisch/Deutsch)
Der Diener zweier Herren / Mirandolina
5 Stücke von Goldoni: Der Diener zweier Herren / Der Lügenbold / Der Impresario von Smyrna / Die Ungehobelten / Das Kaffeehaus
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