Dreyzehnter Auftritt.

[94] Der Obriste. Der Lieutenant. Bärbchen. Die Vorigen.


DER OBRISTE sich in den Weg stellend. Wo geht der Marsch hin, Feldwebel?

Fikfak und die Soldaten stehen still, und grüßen militarisch.


FIKFAK bestürzt. Unterthäniger Diener, Herr Obrister.

DER OBRISTE. Wohin? frag' ich.

FIKFAK. Mit einem Rekruten nach der Stadt.

DER OBRISTE. Wer ist er?

FIKFAK. Ich gratulir' auch Ihro Gnaden unterthänig zur glücklichen Retour.

DER OBRISTE. Antwort auf meine Frage![94]

FIKFAK. Gnädiger Herr, es ist ein Bauer aus dem Orte, er heißt Lukas Stark.

DER OBRISTE. Wie hat er ihn bekommen?

FIKFAK. Gnädiger Herr – er hat sich – er hat sich –

DER LIEUTENANT nachdem er Fikfak vorher gewinkt hat. Heraus mit der Sprache! Ist's wahr, was dieses Mädchen gegen dich ausgesagt hat? Ist Gewalt oder Betrug mit untergelaufen?

FIKFAK. Keines von beiden, Herr Lieutenant. Ist es meine Schuld, daß der Pursche über einen Zank mit seinem Mädchen desperat worden war? Er mag selbst sprechen. Rede, Lukas. – Sehn Sie, gnädiger Herr, daß er nichts vorbringen kann.

DER LIEUTENANT. Ja nun, Herr Obrister, so kann ich nicht helfen, so muß es dabey bleiben.

DER OBRISTE ernsthaft. Mit nichten, Herr Lieutenant, mit nichten. – Ich sag' es Ihnen auf den Kopf zu, daß es ein abgekartetes Spiel war, daß Sie sich den verliebten Zwist der beiden[95] Leutchen aus andern Absichten zu Nutze machen wollten.

DER LIEUTENANT. Sagen Sie, was Ihnen beliebt, Herr Vetter. Der Transport geht morgen ab. Ein Mann fehlte noch daran, und hier ist er. Können Sie ihn in der Folge vom Regimente losbitten, desto besser für ihn. Aber fort muß er. In mein Werbegeschäffte darf mir kein Mensch reden.

DER OBRISTE. Auch der König nicht?

DER LIEUTENANT. Wie kömmt der König hierher?

DER OBRISTE ihm ein Papier reichend. Lesen Sie, Herr Lieutenant. Mit dem Augenblick meiner Ankunft sollte Ihre Worbordre zu Ende gehen. Sie sind verrathen. Man weiß Ihre ganze Art zu leben und zu werben, und lader Sie nach der Hauptstadt zu einer kleinen moralischen Vorlesung ein. Es giebt dort noch bessere Professoren, als ich bin. Bereiten Sie sich nur, mit dem Transport abzureisen.[96]

DER LIEUTENANT für sich. Verdammt! Will ab, kömmt beschämt wieder. Herr Vetter, ich darf doch wohl noch übermorgen zur Gräfinn Wachtel auf den Ball?

DER OBRISTE. Uebermorgen philosophirt der Herr Lieutenant schon seit vier und zwanzig Stunden auf dem Marsche. – Was wollt' er auch mit seinem gequetschten Füßchen auf dem Balle?

Der Lieutenant geht trotzig ab, Fikfak will ihm nachschleichen.


DER OBRISTE. Mir Erlaubniß, Herr Fikfak, ich bitte mir nachher von Ihnen die Ehre aus –

TOBIS halblaut. Gratulire zum voraus, Herr Fikfak.

DER OBRISTE sich gegen Bärbchen und Lukas wendend. Hier, Bärbchen, hast du deinen Bräutigam wieder.

BÄRBCHEN, LUKAS ihm zu Füßen. Ach, gnädiger Herr, wie können wir Ihnen –

DER OBRISTE. Steht auf, ihr Kinder. Meine Belohnung ist in meinem Herzen.[97]

In andrer Glück sein eignes finden,

Ist edler Herzen Seligkeit.

Doch selbst der andern Wohlfahrt gründen,

Zu frohem Dank ihr Herz entzünden,

Ist göttliche Zufriedenheit.


Will ab.


BÄRBCHEN zupft ihn beym Rocke. Gnädiger Herr –

DER OBRISTE. Was beliebt?

BÄRBCHEN. Sie versprachen mir diesen Mittag –

DER OBRISTE. Selbst mit deinem Vater zu reden. Ich erinnere mich. – Ist er nicht hier?

LUKAS. Ja, gnädiger Herr, dort lehnt er.

JEREMIS. Wär' um ein Haar gar eingeschlafen.

TOBIS flößt Paulen vor. Ih so geh doch vor, Dicker!

PAUL kömmt zitternd und gebückt. Ihro Excellenz –[98]

DER OBRISTE. Warum will er die jungen Leute nicht zusammengeben?

PAUL. Ihro Excellenz – ich habe – ich bin's völlig zufrieden – aber Frau Eve –

EVE. Ey ich habe nichts dagegen – wenn's Gevatter Paul zufrieden ist –

PAUL. Wenn Ihro Excellenz befehlen –

DER OBRISTE. So etwas befehl' ich nicht. Aber es geschähe mir ein Gefallen, und am liebsten säh' ich, wenn die Hochzeit noch heute seyn könnte.

PAUL. Noch heute?

EVE. Noch heute? Da könnt' ich nicht einmal einen Kuchen gebacken kriegen.

GREIF. Um Vergebung. Hier ist Vorrath an Kuchen und Gebackniß zu drey Hochzeiten.

DER OBRISTE. Ich sorge für alles. Bittet dazu, wen ihr wollt, und seyd lustig.

LUKAS ihm die Hand küssend. Ach Gnade über Gnade!

BÄRBCHEN ihm den Rock küssend. Ach Gnade über Gnade![99]

TOBIS. Juchheh! da wollen wir springen.

BÄRBCHEN.

Mein Retter, mein Befreyer,

Empfang aus warmen Herzen

Der Liebe besten Dank.

Nimm Theil an unsrer Feyer,

An unsern ländlichen Scherzen,

An unserm Freudegesang.

DER OBRISTE spöttelnd. Wohlan! Ich will kommen, um dem Tanze zuzusehen, und dir das Strumpfband zu lösen. Daß aber Lukas nur nicht einen neuen Stoß von Eifersucht bekömmt, und sich zum zweytenmal anwerben läßt!

BÄRBCHEN. Nun und nimmermehr. Nicht wahr, Lukas? – Sehn Sie nur, gnädiger Herr, wie er beschämt ist!

DER OBRISTE. Ernstlich, mein Sohn. Könnt' ich vorhersehen, daß du ein eifersüchtiger Ehemann würdest, ich schickte dich auf der Stelle fort, und Bärbchen sollte mir's danken.

TOBIS schadenfroh zu Lukas. Das war recht.[100]

DER OBRISTE. Nun zu ihm, Herr Fikfak!

FIKFAK. Was steht zu Ihro Gnaden Befehl?

DER OBRISTE. Ihn acht Tage krumm geschlossen und dann fortgejagt zu sehn.

TOBIS halblaut. Hat er mit ihm geredt, Herr Fikfak, heh?

FIKFAK. Herr Obrister – wie soll ich das verstehen?

DER OBRISTE. Stellt euch nur unschuldig. Ich lese doch auf eurem Gesichte, daß ihr um den Zusammenhang gewußt habt. Wann der Befehlshaber Unrecht verlangt, hört die Subordination auf. Ihr hättet es mir sogleich anzeigen sollen. Also, junger Herr, ins Gefängniß! Bringt ihn nach dem Schlosse! Fort mit ihm! Marsch!

FIKFAK. Gnädiger Herr, ich habe dreyßig Jahre gedient, und dem König manchen schönen Rekruten verschafft. Ich bin ein Unterthan von Ihnen, und nur aus allzugroßer Ergebenheit für Sie und Ihre hohe Familie hab' ich mich so weit verleiten lassen. Ich schwör' Ihnen –[101]

DER OBRISTE. Keinen Meyneid! Dießmal sey es euch geschenkt. Aber bey der ersten Gelegenheit –

FIKFAK. Sie sind auch der allerbeste Herr zwischen Himmel und Erde.

ALLE. Das ist wahr, das muß wahr seyn.

Schlußgesang.


Muster guter Herren, lebe!

Glück und Fröhlichkeit umgebe

Lange, lange, lange dich!

O, daß jeder Herr dir glich!

Ende.


Quelle:
Georg Anton Benda: Der Dorfjahrmarkt. Leipzig 1778, S. 94-102.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Musset, Alfred de

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon