Zehnter Auftritt.

[488] Oronzio. Stefano. Caliban im Hintergrunde. Ariel hinter einem Busche.


ORONZIO UND STEFANO trinkend, nach einer Volksmelodie.

Mögen unsre Weiber doch

Dort nach Willkühr hausen,[488]

Wenn wir, frey vom Ehejoch,

Hier in Ruhe schmausen!


Sie stoßen an, trinken, und schenken wieder ein.


Lieber aber möchten wir,

Dort in Ruhe schmausen,

Und statt unsrer möchten hier

Unsre Weiber hausen!


Sie greifen wieder nach ihren Gläsern um aufzustoßen.


Terzett


CALIBAN von Weitem.

Dieser Tausch gefiel auch mir!

STEFANO setzt alsbald sein Glas erschrocken nieder.

Still!

ORONZIO.

Was?

STEFANO.

Still!

ORONZIO.

Was giebts?

STEFANO.

Ich lausche.

[489] CALIBAN.

Dieser Tausch gefiel auch mir.

STEFANO.

Ja, es spricht wer hinter mir.

ORONZIO.

Außer uns spricht niemand hier.

Pause.


STEFANO.

Gieb acht!

ORONZIO.

Ich lausche.

Pause.


ORONZIO.

Du schwärmst im Rausche.

STEFANO.

Es sprach vom Tausche.

CALIBAN.

Dieser Tausch gefiel auch mir!

STEFANO.

Ja, es spricht wer hinter mir.

ORONZIO.

Außer uns spricht niemand hier.


Sie greifen wieder nach den Gläsern und wiederhohlen die erste Strophe.
[490]

Mögen unsre Weiber doch,

Dort nach Willkühr hausen,

Wenn wir frey vom Ehejoch,

Hier in Ruhe schmausen!


Sie stoßen an und wollen trinken.


CALIBAN.

Aber lieber möchtet ihr

Dort in Ruhe schmausen,

Und statt eurer, möchten hier

Eure Weiber hausen!

Oronzio und Stefano, haben, ohne zu trinken, die Gläser niedergesetzt und sich in eine Ecke geschlichen.


CALIBAN mit lautem Gelächter näher kommend.

Das war ein Spaß!

ORONZIO UND STEFANO zu einander.

Ach, wer ist das?

CALIBAN nimmt Besitz vom Tische.

Seyd mir willkommen!

Ihr zechet baß!

ORONZIO UND STEFANO zu einander.

Du bist beklommen

Und leichenblaß![491]

CALIBAN sich einschenkend.

Euch gilt dies Glas!

Laßt meinen Spaß

Euch wohl bekommen!

ORONZIO sich munter stellend.

Das war ein Spaß!

Nimm auch dein Glas!

Heiß' ihn willkommen!

STEFANO.

Der schlechte Spaß

Wird uns, wie Gras

Dem Hund, bekommen.

CALIBAN sich setzend.

Steht nicht so fern!

ORONZIO will den Stefano hinschieben.

Geh doch zum Herrn!

STEFANO sich sträubend.

O, laß mich fern!

CALIBAN.

Laßt uns beym Zechen

Vertraulich sprechen,

Kommt her, ihr Herrn![492]

ORONZIO.

Der Muth zu sprechen

Erwacht im Zechen,

Komm nur zum Herrn!

STEFANO.

Ich mag nicht zechen,

Ich kann nicht sprechen,

O, laß mich fern!

ORONZIO. Laß uns in einen sauern Apfel beissen. Komm! Zieht ihn mit sich an den Tisch.

STEFANO hält sich die Augen zu und schreyt. Au!

CALIBAN. Du hast gewiß böse Augen, daß du nicht in die Sonne sehen kannst. Setze dich zu mir, so hast du sie im Rücken.

STEFANO. Erlauben sie! ich hab' ein Malum, daß ich nicht sitzen kann.

CALIBAN. Du scheinst mir vom Kopf bis zum Fuß ein närrischer Kerl.[493]

ORONZIO halb laut zu Stefano. Sieh ihn nur an! Er ist so übel nicht – weiter nichts als ein monströses Monstrum.

CALIBAN indem er ihm einschenkt. Gute Bekanntschaft, ihr Herren! Nimmt sein Glas.

ORONZIO nimmt sein Glas, und giebt Stefano das seinige. Uns gehorsamst zu bedanken.

CALIBAN. Stoßt an!

ORONZIO stößt mit ihm an. Mit hoher Permission.

Stefano will auch mit zugemachten Augen anstossen, fährt aber dem Caliban mit dem Glase unter die Rase und verschüttet den Wein.


CALIBAN brummend. Na du blinder Maulwurf!

ORONZIO halb laut. Er wird böse! Mach deine Kalbsaugen auf![494]

CALIBAN. Hört nur! – aber setzt euch erst!

ORONZIO. Wenn sie gnädigst befehlen. Setzt sich schüchtern neben Caliban, Oronzio ganz am Ende der Bank.

CALIBAN. Na, wie gefällt's euch bey mir?

ORONZIO. O, ganz vortrefflich, Herr –

STEFANO zu gleicher Zeit. O, über alle Massen, Herr –

ORONZIO. Um Vergebung, wir wissen dero Respect noch nicht zu geben.

CALIBAN. Wie?

STEFANO. Wie lassen sich dieselben unmaßgeblich tituliren?

CALIBAN. Was?[495]

ORONZIO. Ob wir uns Dero hohen Namen ausbitten dürfen?

CALIBAN. Ich heisse Caliban.

BEYDE. Unterthäniger Diener, Herr von Caliban!

CALIBAN. Was wollt Ihr mit dem von?

ORONZIO. Wir wissen zu leben, Herr von Caliban!

STEFANO. Wir sind Hofleute, Herr von Caliban.

CALIBAN. Hört nur! ich habe mich lange nach Gesellschaft gesehnt, und heute kommt ihr mir wie gerufen.

BEYDE. Allzu gnädig, Herr von Caliban.[496]

CALIBAN. Hört nur! die Insel ist mein. Es soll euch hier an nichts fehlen. Aber ihr müßt mir auch einen Gefallen thun! wollt ihr?

ORONZIO. O, eine unschätzbare Ehre und Vergnügen, Denenselben unsre schlechten Dienste zu Füssen zu legen!

CALIBAN. Schlechte Dienste? Na, damit ist mir nicht gedient.

ORONZIO. Um Vergebung, es ist nur so eine höfliche Redensart.

STEFANO. So zu sagen, ein gehorsamstes Kompliment.

CALIBAN. Hört nur, ihr werft da mit einen Unrath von Worten um euch, die ich gar nicht verstehe. Ihr seyd doch ein Paar ehrliche Kerl?[497]

BEYDE. O, was das betrift, wir sind das ehrlichste Paar in ganz Neapel.

ARIEL ungesehen von den andern. Ihr lügt.

BEYDE. Gewiß und wahrhaftig, wir sinds!

ARIEL. Ihr lügt, sag' ich.

BEYDE. Wir könnens beschwören, gestrenger Herr.

CALIBAN lachend. Warum ereifert ihr euch denn? ich glaubs ja.

ORONZIO. Dieselben liessen doch so etwas von Zweifel fallen.

CALIBAN. Wenn ich zweifelte, wurde ich euch nicht zu meinen Gehülfen nehmen.

ORONZIO UND STEFANO zu einander. Zu seinen Gehülfen?[498]

CALIBAN. Hört nur! Ich habe einen Feine – er heißt Prospero. Es ist der Herr der Insel.

ORONZIO. Ich dachte, es wäre Dere Insel?

CALIBAN. Morgen ist sie wieder mein. Mein Mütterchen kommt diese Nacht zurück. Ich werde Prinz Wunderschön. Ich schnappe Mirandchen weg; und ihr schlagt unterdessen den Alten todt.

ORONZIO UND STEFANO zu einander. Ein Todtschlag?

CALIBAN. Was murmelt ihr?

ORONZIO. Ich habe gar ein zartes Gewissen.

STEFANO. Ich kann kein Blut sehen.

CALIBAN. Desto schlimmer für euch. Wenn ihr ihn heute leben laßt, so seyd ihr morgen verwandelt.[499]

BEYDE erschrecken. Verwandelt?

CALIBAN. Er verwandelt alles, was ihm in den Wurf kömmt. Zu Oronzio. Du mit dem Schmerbauche, du schickst dich am besten zum Eber,Zu Stefano. und du mit den steifen Beinen, du bist ein gebohrner Waldesel!

BEYDE ängstlich. Allerbester Herr von Caliban, wenden sie das Unglück von uns ab!

CALIBAN. Gut, so macht mit mir gemeinschaftliche Sache! Wollt ihr?

BEYDE. Ja doch, ja! mit Leib und Seele.

CALIBAN.

Vertrauet meiner Macht,

Hört auf mit Furcht zu ringen;

Der Streich, er muß gelingen –

Uns schützen Glück und Nacht!

ALLE DREYE.

Uns schützen Glück und Nacht![500]

CALIBAN.

Wohlan, ein Wort ein Mann!

Wir haben ihn im Netze,

Wir theilen seine Schätze, –

Es sterbe der Tyrann!

ALLE DREYE.

Es sterbe der Tyrann!

CALIBAN.

Raubt nach vollbrachter That,

Raubt, was des Raubes lohnet!

Mirandchen nur verschonet –

Weh dem, der sich ihr naht.

ALLE DREYE.

Weh dem, der sich ihr naht.


Sie reichen sich einander die Hände als Zeichen des geschlossenen Bundes.
[501]


Quelle:
Johann Friedrich Reichardt: Die Geisterinsel, in: Friedrich Wilhelm Gotter: Literarischer Nachlass, Gotha 1802, S. 419–564, S. 488-502.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Der gute Mond / Er laßt die Hand küssen / Ihr Traum. Drei Erzählungen

Der gute Mond / Er laßt die Hand küssen / Ihr Traum. Drei Erzählungen

Drei Erzählungen aus den »Neuen Dorf- und Schloßgeschichten«, die 1886 erschienen.

64 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon