Der Drachenkampf.

[101] Nun, Tristan ist zu Frieden kommen.

Doch hat Niemand bis jetzt vernommen,

Was er wolle beginnen nun.

Das soll man euch zu wissen thun,

Eh daß euch's an der Geduld gebricht.

Dieselbe Märe sagt und spricht

Von einem gräulichen Serpant,

Der zu den Zeiten war im Land.

Die leide Teufelsschlange,

Die hatte schon seit lange

Land und Leute mit Schaden

So schädlich überladen,

Daß der König schwur einen Eid

Bei königlicher Wahrhaftigkeit,

Wer diesem Drachen nähme das Leben,

Dem wollte er seine Tochter geben,

So er edel und Ritter wäre.

Und diese gemeine Märe

Und das viel wonnigliche Weib

Verdarben Tausenden den Leib,

Die zu dem Kampfe kamen

Und da ihr Ende nahmen.

Der Märe war die Insel voll.

Die Märe kannte auch Tristan wohl:

Dies Eine stärkte und trieb ihn an,

Daß er die Reise je begann;

Dies war seine meiste Zuversicht,

Denn andern Trost, den hatte er nicht.

Nun ist es Zeit, nun kehre zu!


Des andern Tages in der Fruh,

Da waffnet' er sich also wohl,

Als sich ein Mann zu Nöthen soll.

Dann auf ein starkes Roß saß er

Und hieß ihm reichen einen Speer,

Der war groß und war feste,

Der stärkste und der beste,

Den man da in dem Kiele fand.

Nun ritt er seinen Weg durchs Land

Ueber Feld und über Gefilde

Und machte in der Wilde

Manche Kehre und manche Fahrt.

Und als es aber Mittag ward,

Da ritt er wacker drauf und dran

Wider das Thal von Anfergynan:

Dort war des Drachen Hof und Haus,

Das weiset die Historie aus.

Nun sah er fern von dannen

Vier gewaffnete Mannen

All über Stock und Stein fürbaß

Ein wenig schneller denn im Paß

Fliehen und galoppiren;

Und Einer von den Vieren,

Der war Truchsäße der Königin;

Derselbe war auch in seinem Sinn

Der jungen Königin Amis

Zu ihrem Aerger und Verdrieß;

Und wenn Jemand zu Felde zog,

Das Glück versuchte, der Mannheit pflog,

So war auch der Truchseß bei der Hand

Zu jeder Zeit und auf jedem Sand,

Nur daß man von ihm sage,

Daß er sich auch hinwage,

Wo Ritter auf Abenteuer gehn;[101]

Und war's auch nicht anders zu verstehn,

Denn er erblickte nie den Drachen,

Ohne sich tapfer davon zu machen.


Nun ward Tristan gar wohl gewahr

An dieser flüchtigen Ritterschaar,

Der Drache wäre nicht weit vom Ort;

Da ritt er in gutem Passe fort

Und ritt nicht lange, bis er da

Seiner Augen Ungemach ersah,

Den scheusäligen Drachen;

Der warf aus seinem Rachen

Rauch und Flammen und Brausewind,

Recht wie des schlimmen Teufels Kind,

Und kehrte gegen ihn alldorther.

Tristan, der senkte seinen Speer,

Das Roß er mit den Sporen nahm,

So schnell er dar gerühret kam

Und nach dem Maul mit dem Speere stach,

Daß der ihm durch den Rachen brach

Und innen bis aufs Herze schoß,

So daß er selber mit dem Roß

So heftig auf den Drachen stieß,

Daß er das Roß todt liegen ließ

Und er davon mit Noth entrann.

Der Drache ging es aber an

Mit Schnauben und mit Feuer,

So daß es vom Ungeheuer

Bis an den Sattel verzehret ward.

Nun fiel dem Drachen aber hart

Der Speer, der ihn versehrte,

So daß er vom Rosse kehrte

Und wider ein Steingeklüft entwich.


Tristan, sein Kampfgeselle, strich

Ihm sachte nach in seiner Spur,

Indeß voraus das Unthier fuhr

Und so im Unmuth brüllte,

Daß es den Wald erfüllte

Mit grausenvoller Stimme,

Und Büsche viel im Grimme

Verbrannte und aus dem Boden schlug.

Das trieb der Drache so viel und gnug,

Bis daß der Schmerz ihn überwand,

Und unter eine Felsenwand

Gar nahe dort sich drückte.

Tristan das Schwert da zückte

Und meint', er fände ihn ohne Streit.

Nein, es ward ängstlicher zur Zeit,

Als es je vor gewesen.

Doch sollte er noch genesen.

Tristan fiel aber den Drachen an,

Der Drache wiederum den Mann

Und brachte den in solche Noth,

Daß er schon wähnte, er wäre todt.

Er ließ ihn zur Wehr nicht kommen

Und hätte ihm schier benommen

Des Schwertes Schlag und des Schildes Wehr.

Auch hatte er ein starkes Heer:

Er führte mit ihm in den Kampf

Häßlichen Rauch und heißen Dampf

Und andere Kriegessteuer

An Schlägen und an Feuer,

An Zähnen und an Griffen,

Die waren wohl geschliffen,

Ja wohl schärfer und besser

Denn irgend ein scharfes Messer.

Damit trieb er ihn um und um

Manch ängstliche Wendung grad und krumm,

Und mußt er von Baum zu Busche

Sehn, wie er sich vertusche

Und friste seine Tage

Baß denn mit Schirm und Schlage;

Und hatte es doch versucht so sehr

Mit Widerstreben und Wiederkehr,

Daß ihm der Schild vor seiner Hand

Beinahe zu Kohlen war verbrannt;

Denn er ging ihn mit Feuer an:

Daß er mit Noth vor ihm entrann.


Doch währte es nicht viel lange:

Die mörderische Schlange,

Die kam der Tod so mächtig an,

Daß sie zu taumeln da begann

Und so versehret war vom Spieß,

Daß sie sich aber niederließ

Und wand sich schwer und bange.

Nicht harrte Tristan lange,

Er kam gesauset schnell daher,

Das Schwert, das stach er zu dem Speer

Tief in das Herz, als wie im Sturm.

Da erhub der leidige Teufelswurm

Einen Schall und eine Stimme[102]

So gräulich und so grimme

Aus seinem schnöden Rachen,

Als sollte die Welt erkrachen,

Daß der Mordschrei den Wald durchdrang

Und weit hinein ins Land erklang

Und Tristan sehr erschrocken war.

Und wie er nahm des Drachen wahr,

Daß der todt vor ihm lag zu Hauf,

Da brach er ihm den Rachen auf

Mit großer Arbeit, Noth und Graus

Und schnitt ihm von der Zungen aus

Ein Stück mit seinem Schwerte,

So viel er davon begehrte;

In seinen Busen er sie stieß,

Den Rachen wieder zusammen ließ.


So kehrte er gegen die Wildniß hin.

Da hatte er aber dies im Sinn,

Er wollte sich verbergen dort,

Den Tag ausruhen an einem Ort

Und wieder kommen zu Kraft und Macht

Und wollte alsdann auf die Nacht

Zu seinen Landgesellen wieder.

Nun zog ihn aber die Hitze nieder,

Die er vom Jäst, mit dem er stritt,

Dazu auch von dem Drachen litt;

Und die ermüdete ihn so sehr,

Daß er sich kaum hielt aufrecht mehr

Und kaum noch konnte leben.

Nun sah er ein Seelein schweben,

Dasselbe war schmal und mäßig groß,

Darein von einem Felsen floß

Ein kühles klares Brünnelein.

Da fiel er in voller Wehr hinein

Und senkte sich bis auf den Grund;

Er ließ nichts außen als den Mund.

Da lag er den Tag und auch die Nacht;

Denn ihm benahm all seine Macht

Die leide Zunge, die er trug:

Der Rauch, der von ihr an ihn schlug,

Der machte ihn so ganz und gar

Der Kräfte und der Farbe baar,

Daß er auch nicht von dannen kam,

Bis ihn die Königin entnahm.


Der Truchseß, der, wie ich gesagt,

Der auserwählten Königsmagd

Ein Freund und Ritter wollte sein,

Dem begannen die Gedanken sein

Aufzuschwellen in Fülle

Von des Drachen Gebrülle,

Das also stark und grauenvoll

Ueber Wald und über Feld erscholl.

Er nahm in seinem Herzen wahr

Recht, wie auch alles ergangen war,

Und dachte: Er ist wahrlich todt,

Oder aber in so großer Noth,

Daß ich ihn mag gewinnen

Mit etlichem Beginnen.

Von jenen Dreien er sich entstahl

Ritt eine Halden im Paß zu Thal

Und sprengte nach der Seite dar,

Von wo der Schrei geschehen war;

Und als er zu dem Rosse kam,

Er ihm dort eine Ruhe nahm.

Bei dem hielt er sich lange

Kleinmüthig auf und bange:

Er sah auf die kurze Reise

Mit Angst und bittrem Schweiße.

Doch endlich stärkte er seinen Sinn

Und ritt halb wider Willen hin

Erschrocken und in großer Noth,

Wo es sich seinen Augen bot,

Daß Laub und Gras viel grauenbar

Vor ihm her abgesenget war.

Nun traf er aber in kurzer Stund,

Eh daß er seiner wurde kund,

Recht auf den Drachen, da er lag:

Das war dem Truchseß wie ein Schlag,

Der war erschrocken im Ueberfluß

Und hätte beinahe einen Schuß

Zu Boden hin genommen,

Daß er so dran gekommen

Und ihm so nahe geritten war.

Nun aber besann er sich nicht so gar:

So schnell warf er herum das Roß,

Daß er mit ihm zur Erde schoß

Auf Einen Haufen nicht gar sacht.

Nun er sich wieder aufgemacht

(Ich meine von dem Boden),

Gewann er nicht den Oden,

Vor Schrecken, der ihn plagte,

Daß er nur so viel wagte,[103]

Daß er zu Pferde säße:

Der häßliche Truchsäße,

Der ließ es stehen und entsprang.

Doch da ihm nichts auf die Fersen drang,

So stund er still und schlich herwieder,

Nach seinem Speere griff er nieder,

Das Roß er bei dem Zügel nahm,

Zu einem Strunk gezogen kam,

Viel kecklich auf sein Rößlein saß,

Der Niederlage bald vergaß:

Er sprengte ferne dort hinan

Und sah herwieder den Drachen an,

Was der machte für ein Gesicht,

Und ob er lebte oder nicht.


Nun daß er ihn verendet sah,

»Heil, so Gott will!« begann er da:

»Hie ist ein Glück gefunden:

Ich bin zu guten Stunden

Und mir zum Heile kommen her.« –

Hiemit so senkte er den Speer,

Den Zügel er verhängte,

Er hieb aufs Roß und sprengte,

Begann scharf zu puniren,

Punirend zu croijiren:

»Scheveliers, Damoisele,

Ma blunde Isot, ma bele!« –

Er stach auf ihn mit solcher Kraft,

Daß auch der starke eschene Schaft

Ihm durch die Hand herwieder glitt.

Daß er aber nicht weiter stritt,

Das that er bloß aus dieser List:

Er dachte: »Wenn Der am Leben ist,

Der diesen Drachen hat erschlagen,

So kann's mir keinen Nutzen tragen,

Was ich hie unternehmen will.« –

Da kehrte er von dannen still

Und ritt und suchte her und hin

Mit dieser Hoffnung, wenn er ihn

Erfinden sollte irgendwo,

So müde oder verwundet so,

Daß ihm's seine Schwäche gönnte,

Daß er ihn bestehen könnte,

So wollte er ihn erschlagen

Und dann zu Grabe tragen.

Doch als er ihn nicht fand umher,

»Laß fahren dahin!« so dachte er:

»Er lebe oder sei abgethan,

So bin ich der Erste auf diesem Plan;

Mich weist Niemand von dannen:

Ich habe Freunde und Mannen,

Bin also werth und gern gesehn,

Daß, wer sich's sollte unterstehn,

Der hätte es doch verloren.« –

Er gab dem Roß die Sporen,

Ritt zu dem Drachen wieder

Und sprang zur Erde nieder.

Er fing den Streit da wieder an

Recht, wie er es zuvor gethan:

Er griff zum Schwerte, das er trug,

Mit solchem spickte er und schlug

Den Feind, jetzt dort und da jetzund,

Bis er ihn da und dort verschund.

Genug versuchte er's am Kragen:

Den hätt er ihm gerne durchgeschlagen;

Da war er aber so hart und groß,

Daß ihn die Mühe bald verdroß.

An einem Strunk brach er den Speer;

Das vordre Stück, das steckte er

Dem Drachen zu dem Schlund hinein,

Als hätt's getjostet sollen sein.


Da saß er auf sein spanisch Roß;

Fröhlich kam er in Stadt und Schloß

Eingeritten zu Weisefort

Und schickte zur Stunde nach dem Ort

Vier Pferde mit einem Wagen,

Der das Haupt sollte tragen,

Und lief und sagte Allen,

Welch Glück ihm zugefallen,

Und was er Todesangst damit

Und kümmerliche Noth erlitt.

»Ja, Herre, alle Welt,« sprach er,

»Die biete nur die Ohren her,

Betrachte und sehe das Wunder an!

Da sieht man, was der beherzte Mann

Und was der feste Mannesmuth

Um liebes Weibes willen thut!

Daß ich den Nöthen ohne Maß

Entrann und in dem Streit genas,

Das wundert und das wundert mich;

Und weiß auch wohl fürwahr, wär ich[104]

Sanft, wie ein andrer Mann, gewesen,

Ich wäre nimmermehr genesen.

Ich weiß nicht, wer es mochte sein,

Ein Abenteurer, ganz allein,

Der auch auf Abenteuer ritt,

Der war, noch eh ich mit ihm stritt,

Zu seinem Unglück hingekommen

Und hatte sein Ende da genommen.

Gott hatte sein vergessen,

Sie sind Beide gefressen,

Roß und Mann, ist alles mort.

Das Roß, das liegt noch halb am Ort,

Versenget und zerrissen.

Was braucht ihr mehr zu wissen?

Genug, daß ich mehr Noth gewann,

Denn jemals um ein Weib ein Mann.« –

Seine Freunde er alle zu ihm nahm,

Zu dem Serpant er wieder kam

Und zeigte seine Wunderthat,

Darauf er Jeden besonders bat,

Zu zeugen und zu sagen,

Wie sich's hier zugetragen.

Er führte das Haupt von dannen;

Seine Magen und seine Mannen

Die lud er und die besandte er;

Zu dem Könige rannte er

Und mahnte ihn an den Vertrag.

Um diese Rede ward ein Tag

Zu Weisefort gesetzt dem Land.

Hiemit so ward das Land besandt,

Die Landbarone meine ich.

Nun, die bereiteten alle sich,

Wie ihnen vom Hofe war getagt.


Nun ward den Frauen auch gesagt

Am Hof die neue Märe.

Die Marter und die Schwere,

Die sie da hatten auszustehn,

Die ward an Frauen nie gesehn.

Die süße Magd, die schöne Isot

War recht in ihrem Herzen todt;

So leiden Tag sie nimmer sah.

Zu ihr sprach ihre Mutter da:

»Nein, schöne Tochter, nein, laß stehn,

Laß dir dies nicht so nahe gehn;

Denn mag es nun mit Wahrheit rein

Oder mit Lügen bestellet sein,

So wollen wir doch dazwischenfahren;

Auch soll uns Gott davor bewahren.

Nicht weine, Tochter meine:

Die klaren Augen deine,

Die sollen nimmer werden roth

Um eine also nichtige Noth.« –

»Ach Mutter,« sprach die Schöne,

»Fraue, nimmer verhöhne,

Noch schände deine Geburt und dich.

Eh ich gehorche, so steche ich

Recht in mein Herz ein Messer eh.

Eh daß sein Wille an mir ergeh,

Nehm ich mir selber eh den Leib.

Er gewinnet nimmermehr ein Weib,

Noch eine Frauen an Isot,

Er wollte mich denn haben todt.« –

»Nein, schöne Tochter, fürchte nicht:

Was er oder irgend Jemand spricht,

Da ist jedwedes Wort verloren;

Und hätte es alle Welt geschworen,

Der Truchseß, der wird nie dein Mann.«


Wie es zu nachten nun begann,

Da fragte die Weise und besprach

Um ihrer Tochter Ungemach

In solcher stillen Stunde

Ihre geheime Kunde

Und sah im Traume wunderbar,

Daß es nicht also geschehen war,

Wie die Landmäre sagte.

Und alsbald, wie es tagte,

Rief sie Isolden und sprach ihr zu:

»Ach, süße Tochter, wachest du?« –

»Ja,« sprach sie, »Fraue Mutter mein.« –

»Nun laß all deine Aengste sein!

Ich will dir liebe Märe sagen:

Er hat den Drachen nicht erschlagen.

Was diesen Mann auch zu uns trug,

Es ist ein Fremder, der ihn schlug.

Wohlauf, wir wollen balde dar,

Der Märe selber nehmen wahr:

Brangäne, steh auf leise

Und sage zu Paraneise,

Daß er uns sattle schiere;

Wir müssen aus, wir Viere,[105]

Ich und Isolde, du und er;

Er bringe uns die Pferde her

Aufs schierste und warte dorten

An der geheimen Pforten,

Wo der Baumgarten endet

Und nach dem Feld sich wendet.«


Nun, dies geschah nach ihrem Sinn.

Sie saßen auf und ritten hin,

Allwo sie hörten sagen,

Daß der Wurm sei erschlagen.

Nun man das Roß erspähte,

Da ward das Reitgeräthe

Besehen und betrachtet,

Dabei sie gleich geachtet,

Sie hätten Geräthe solcher Art

Daheim zu Lande nie gewahrt;

Und kamen alle überein,

Wer es auch möge gewesen sein,

Den das Roß dargetragen,

Der habe den Wurm erschlagen.

Sie ritten fürder durch den Wald

Und stießen auf den Drachen bald.

Nun war des bösen Feinds Genoß

So ungeheuer und also groß,

Daß die viel lichte Frauenschaar

Recht todtenfarb zu schauen war

Vor Aengsten, da sie ihn ersah.

Die Mutter sprach aber zur Tochter da:

»Wie bin ich gewiß! Wer glaubt es hier,

Daß der Truchsäße das Ungethier

Je zu bestehen sich unterfing?

Unsre Sorge ist nun gering;

Und wahrlich, Tochter mein, Isot,

Der Mann sei lebend oder todt,

Mir ahnet sehr, daß er hiebei

In der Nähe verborgen sei;

Davon weissaget mir mein Muth.

Wohlauf, und dünket es dich gut,

So wollen wir ans Suchen gehn,

Ob uns Gott möge zur Seiten stehn,

Daß wir den Mann wo finden

Und mit ihm überwinden

Die grundlos tiefe Herzensnoth,

Die uns beschweret wie der Tod.« –

Das ward viel schier beschlossen,

Und die vier Reisgenossen

Die ritten von einander fort.

Die suchte da, die Andre dort.


Nun ging es, wie es sollte

Und das Verhängniß wollte;

Die junge Königin Isot,

Daß sie ihr Leben und ihren Tod,

Ihre Wonne und ihre Gallen

Zuerst ersah vor Allen.

Von seinem Helme ging ein Glast,

Der meldete ihr den fremden Gast.

Nun sie des Helmes ward gewahr,

Da kehrte sie, rief die Mutter dar:

»Fraue, eile, reit her näher baß!

Ich seh dort glasten, ich weiß nicht, was:

Es ist recht wie ein Helm von Art;

Ich wähne, ich habe ihn recht gewahrt.« –

»In Treuen,« sprach die Mutter froh,

»Mich selber dünket auch also.

Gott, der will auf uns achten:

Ich wähne, nach dem wir trachten,

Daß wir ihn haben funden.« –

So riefen sie zur Stunden

Die Andern zwei zu ihnen dort

Und ritten alle nach dem Ort.


Nun sie begannen zu nahen

Und ihn so liegen sahen,

Da wähnten sie Alle, er wäre todt.

»Er ist todt,« sprach jegliche Isot:

»Um unsre Hoffnung ist's gethan.

Der Truchsäße, der hat den Mann

Mordlich ermordet und erschlagen

Und hat ihn in den Sumpf getragen.« –

Sie stiegen ab, die Viere,

Und hatten ihn viel schiere

Herausgezogen an das Land,

Darauf man ihm den Helm entband

Und auch die Kuppen abgewann.

Die weise Isot, die sah ihn an

Und sah wohl, daß er lebete,

Und aber sein Leben schwebete

Kaum wie an einem dünnen Haar.

»Er lebt,« sprach sie, »er lebt fürwahr!

Nun bald her und entwaffnet ihn!

Ist's, daß ich also gesegnet bin,[106]

Daß er nicht Todeswunden hat,

So mag deß alles werden Rath.«


Die Schönen alle drei zumal,

Die lichte Schaar im grünen Thal,

Da sie mit Händen, wie Schnee so weiß,

Den fremden Mann mit allem Fleiß

Entwaffneten und entbanden,

Die Zunge sie da fanden.

»Sieh,« sprach die Königin, »Herre mein,

Was ist dies oder was mag das sein?

Brangäne, Herzensniftel, sprich.« –

»Es ist eine Zunge, dünket mich.« –

»Du redest wahr, Brangäne;

Mich dünkt auch, und ich wähne,

Dieselbe sei des Drachen:

Das Glück will bei uns wachen,

Herzenstochter, schöne Isot,

Ich weiß, nicht wahrer ist der Tod,

Wir sind zur rechten Fährte kommen!

Und diese Zunge hat ihm benommen

Beide die Kraft und auch den Sinn.« –

Sie nahmen schnelle die Waffen hin,

Und da sie an ihm nicht funden

Weder Schläge noch Wunden,

Da waren sie aus aller Noth.

Theriak nahm die weise Isot,

Der alle Künste waren kund,

Und flößte ihm dessen in den Mund

So viel, bis er zu schwitzen begann.

»Er will genesen,« sprach sie, »der Mann,

Der Dampf beginnt schon auszuziehn,

Der von der Zungen ging an ihn;

So vermag er zu sprechen und aufzusehn.« –

Das war auch alsobald geschehn.

Er lag unlange, bis es geschah,

Daß er beides auf und um sich sah.


Nun er der wonnevollen Schaar

Bei ihm und um ihn ward gewahr,

Gedacht er in seinem Muthe:

»Ah Herre Gott, der gute,

Du hast in Treuen mein gedacht:

Drei Lichter hab ich hier zur Wacht,

Die besten, so die Erde hat,

Manch Herzens Freude, Trost und Rath

Und manches Auges Wonne,

Isot, die lichte Sonne,

Und ihre Mutter auch, Isot,

Das freudigliche Morgenroth,

Dazu die stolze Brangäne,

Den Vollmond gegen jene.« –

Hiemit so faßte er Muth und sprach

Kaum und mit schwacher Stimme: »Ach,

Wer seid ihr denn, und wo bin ich?« –

»Ah, Ritter, kannst du sprechen? sprich!

Wir helfen dir in deiner Noth,«

Sprach aber die weise Frau Isot. –

»Ja, selige Fraue, süßes Weib:

Ich weiß nicht, wie mir so der Leib

Und alle Kraft in kurzer Frist

Geschwachet und geschwunden ist.« –

Die junge Isot, die sah ihn an:

»Dies ist Tantris, der Harfenmann,«

Sprach sie, »wenn ich ihn jemals sah.« –

Der andern Jede, die sprach da:

»Mich dünket auch so, meiner Treu.« –

Da sprach die Königin aufs Neu:

»Bist du es, Tantris?« – »Fraue, ja.« –

»Sag an,« sprach aber die Weise da,

»Wo bist du herkommen oder wie,

Oder was wirbest du allhie?« –

»Aller Weiber seligstes Weib,

Ich habe es noch an meinem Leib

Und leider an der Kraft noch nicht,

Daß ich Euch meine ganze Geschicht

Recht und in Ordnung möge sagen.

Heißet mich führen oder tragen

Um Gottes Willen an einen Ort,

Daß meiner Jemand pflege dort

Nur diesen Tag und diese Nacht.

Und komme ich wieder zu Kraft und Macht,

Ist's Pflicht, daß ich thu und sage,

Was Euch belieb und behage.«


So nahmen sie Tristanden,

Sie Viere, da zu Handen;

Auf ein Pferd sie huben ihn

Und führten ihn allzusammen hin

Und brachten ihn also still hinein

Wieder durch ihr Geheimthürlein,

Daß von der Reise und von der Fahrt[107]

Niemand niemals nichts inne ward.

Sie schufen ihm Hilfe und Gemach.

Die Zunge, von der ich oben sprach,

Sein Eisen und all sein ander Ding,

Davon blieb Faden nicht, noch Ring;

Sie führten alles zur Burg hinan,

Beide die Rüstung und den Mann.


Nun daß der andre Tag da kam,

Die Weise ihn aber zu Handen nahm:

»Nun, Tantris,« sprach sie, »sage mir

Bei all den Gnaden, so ich dir

Nun und zum vordern Mal erwies,

Daß ich dich zwier genesen ließ,

Und bin dir willig und bin dir hold,

Und wie du deinem Weibe sollt, –

Wann kamest du gen Irenland,

Und wie erschlugst du den Serpant?« –

»Fraue, das will ich Euch sagen:

Ich brachte vor kurzen Tagen,

Es sind drei Tage von heute,

Ich und mehr Handelsleute,

Ein Schiff in diesen Hafen;

Ein Raubheer wir da trafen,

Weiß nicht, durch welches Ungefähr;

Die hätten uns, wenn ich nicht wär

Mit meinem Gut zuvorgekommen,

Den Leib zu unsrem Gut genommen.

Nun ist es so mit uns bewandt:

Wir müssen manches fremde Land

Heimisch hegen und bauen

Und wissen nicht, wem vertrauen,

Weil man uns viel Gewalt anthut.

So wußte ich wohl, mir wäre gut,

Wenn ich's mit rechten Dingen

Vermöchte dahin zu bringen,

Daß ich den Landen würde bekannt.

Kund sein in manchem fremden Land,

Das fördert einen Handelsmann.

Seht, Fraue, das ist's, worauf ich sann;

Denn es ist mir von dem Serpant

Die Landmäre schon lang bekannt;

Und ich erschlug ihn nur um das:

Ich wähne, daß ich desto baß

Friede und Gnade finde

Bei diesem Landgesinde.«


»Friede und Gnade,« sprach Isot,

»Die müssen dich bis an deinen Tod

Geleiten mit währenden Ehren.

Du bist zu guten Mären

Dir selber und uns gekommen her.

Nun trachte, weß dein Herz begehr:

Das ist gethan, das schaff ich dir

Von meinem Herren und von mir.« –

»Dank, Fraue, so ergebe ich

Meinen Kiel, mein Kielgesind und mich

Gänzlich an Eure Treue.

Seht, daß mich nicht gereue,

Daß ich habe so Gut als Leben

An Eure Treue gegeben.« –

»Nein, Tantris, da habe du guten Muth:

Um dein Leben und um dein Gut

Sorge du mir nicht weiter mehr.

Meine Treue und meine Ehr

Sieh hier, die nimm in deine Hand,

Daß dir nimmer in Irenland

Bei meinem Leben ein Leid geschicht.

Versage mir eine Bitte nicht

Und beut mir Rath und Lehre

In etwas, dran meine Ehre

Und all mein Glücke gebunden ist.«


Nun sagte sie alles, was ihr wißt,

Weß sich da der Truchsäße

Um diese That vermäße,

Wie er Anspruch machte auf Isot

Und dränge sehr auf des Herrn Gebot,

Und wie er mit seiner Lüge

Auf offnen Kampf antrüge,

Ob Jemand über ihn käme,

Der sich des Streits annähme.


»Selige Fraue,« sprach Tristan,

»Euch komme keine Sorge an:

Ihr habt mir zweimal Leib und Leben

Mit Gottes Hilfe wieder geben;

Die sollen für Eure Rechte

Zu diesem Kampf und Gefechte,

Auch sonst in Nöthen willig sein,

Dieweil sie blühen und gedeihn.« –

»Gott lohne dir, lieber Freund Tantris,

Deß bin ich gerne an dir gewiß

Und will dir auch so viel gestehn:[108]

Wenn dieser Gräuel sollte geschehn,

So sind wir Beide, ich und Isot,

Immer mit lebendem Leibe todt.« –

»Nein, Fraue, thut die Rede hin!

Seit ich in Eurem Frieden bin

Und meinen Leib und Gut und Hab

An Eure Ehre verlassen hab

Und daran sicher verbleiben soll,

Traut Fraue, so gehabt Euch wohl.

Helfet mir nur zum Leibe wieder,

Ich lege es alles alleine nieder.

Und sagt mir, Fraue, ist Euch's bekannt?

Die Zunge, die man bei mir fand,

Ließ man die, oder wohin kam die?« –

»In Treuen, nein, die hab ich hie

Mit allem, was du haben sollt:

Meine schöne Tochter selbst, Isold,

Und ich, wir brachten's alles her.« –

»Das kommt uns recht,« sprach aber er:

»Wohlan, glückselige Königin,

Thut alle Sorgen und Aengsten hin

Und helfet mir wieder zu Kraft und Macht,

So ist es alles bald vollbracht.«


Nun pflegten ihn die Beiden

Ohn alles Unterscheiden,

Die beiden Königinnen,

Und was sie konnten ersinnen,

Das ihm zu Heil und Frommen

Am Leibe mochte kommen,

Das war ihre meiste Unmüßigkeit.


Inzwischen hatte großes Leid

Sein Kiel und Kielgenossenschaft:

Da waren viele so sorgenhaft,

Daß sie wähnten ungediehn zu sein

Und hoffte auch keiner zu gedeihn,

Da sie in zweien Tagen

Nichts von ihm hörten sagen.

Auch hatten sie den Schall vernommen,

Der von dem Drachen war ausgekommen;

Und ward des Geredes viel getrieben,

Ein Ritter wäre todt geblieben,

Deß Roß noch läge zur Hälfte dort.

Nun dachten die Seinen alsofort:

Wer möchte das sein, als nur Tristan?

Da ist fürwahr kein Zweifel dran:

Denn hätt ihm's nicht der Tod benommen,

Er wäre seither wiederkommen.


Da fielen sie auf Einen Sinn

Und sandten Kurvenalen hin,

Daß er des Rosses nähme wahr.

Das that er: Kurvenal ritt dar.

Er fand und erkannte das Roß alsbald.

Nun ritt er fürbaß durch den Wald:

Den Drachen fand er auch zuhand;

Und als er da nicht weiter fand

Und nichts von seinen Dingen,

An Gewande noch Panzerringen,

Da kam ihn große Sorge an:

»Ach«, rief er, »Herre mein, Tristan,

Lebst du nun, oder bist du todt?

O weh, o weh,« sprach er, »Isot,

O weh, daß dein Lob und dein Nam

Je hin zum Lande Kornwall kam!

Daß deine Schöne und Edelkeit

Zu solchem Schaden, zu solchem Leid

Einem der edelsten Ritter ward,

Der Speer gewann und Ritterart,

Dem du gefielest allzu gut!«


So kehrte er wieder nach der Fluth,

Kam weinend aufs Schiff und klagend,

Die Märe wieder sagend,

Wie er sie hatte funden.

Die Märe begann zur Stunden

Gar Vielen zu mißfallen,

Und aber doch nicht Allen:

Es war die schwere Märe

Nicht ihrer Aller Schwere,

Kam Mancher nicht ins Weinen.

Doch sah man auch mehr als Einen,

Der da voll Reu und Trauer war,

Und war auch deren die meiste Schaar.

So war ihr Wille und ihr Muth,

Der Einen übel, der Andern gut,

Daß also der zwiespältige Kiel

Gerieth in Reden und Raunen viel;

Das ward getrieben früh und spat.

Die zwanzig Barone von Marke's Rath,

Die trauerten nicht von Herzensgrund,[109]

Daß es so sorglich um Tristan stund:

Sie wähnten, das bringe sie wieder fort;

Drum, daß man nicht harre sein im Port,

Das baten sie alle insgemein,

Die Zwanzig meine ich allein:

Die riethen und wollten's gewinnen,

Daß man Nachts fahre von hinnen.

Doch Andre riethen anders dort,

Man solle bleiben am selben Ort

Und baß erforschen die Märe,

Wie ihm's ergangen wäre.

Also gab's da verschiednen Sinn:

Die Einen, die wollten gerne hin,

Die Andern, die blieben lieber da,

Bis endlich ein Vergleich geschah,

Da noch sein Tod zu dieser Stund

Gewiß nicht sei noch offen kund,

So wollten sie länger bleiben,

Ihr Forschen und Fragen treiben

Zum mindesten noch zween Tage.

Das war der Barone Klage.


Nun war der Tag auch angebrochen,

Den man gen Weisefort gesprochen,

Den Gurmun seinem Lande bot,

Um seine Tochter, die Magd Isot,

Und den Truchsäßen zu handeln da.

Gurmuns Beisaßen fern und nah,

Seine Mannen und Magen,

Wie er, um Rath zu schlagen,

Sie hatte zu seinem Tag befandt,

Die waren alle da zur Hand.

Die zog er zu Rathe Mann für Mann

Und ging da jeden besonders an

So stark und dringlich, wie Einer thut,

Bei dem es um kein kleiner Gut

Sich handelt als um seine Ehr.

Zu dem Rath auch besandte er

Sein liebes Weib, die Königin.

Der mochte er tragen wohl lieben Sinn:

Er sah an ihr, der Einen,

Zwo herrliche Gaben scheinen,

Die allerbesten, die der Mann

An liebem Weibe finden kann:

Schöne und Weisheit, die besaß

Die edle Fraue in solchem Maß,

Daß er ihr freundlich war und hold.

Die gesegnete Königin Isold,

Die schöne, weise, war auch am Ort.


Ihr Freund, der König, nahm sie dort

Vom Rathe mit sich und begann

Beiseit: »Wie rathest du? sag an;

Mir ist es wie der Tod so schwer.« –

Sprach sie: »Gehabt Euch wohl vielmehr!

Wir sind des Unheils ledig blieben,

Ich hab es alles hintertrieben.« –

»Wie? Herzensfraue, sag's auch mir,

So freu ich mich des Glücks mit dir.« –

»Unser Truchsäße, wie er da spricht,

Seht, der erschlug den Drachen nicht,

Und wer ihn schlug, den weiß ich wohl:

Das bewähre ich, sobald ich soll.

All Eure Angst, die leget nieder,

Geht bald zu Eurem Rathe wieder,

Sagt ihnen Allen und verkündet,

So wie Ihr seht, hört und ergründet

Des Truchsäßen Glaubhaftigkeit,

So löset Ihr gerne Euren Eid,

Der gegen dem Lande sei geschehn.

Heißet sie Alle mit Euch gehn

Und sitzet zu Gerichte.

Nicht fürchtet Euch vor dem Wichte:

Laßt den Truchsäßen klagen

Und sagen, was er mag sagen;

Und wird es dann um die Stunde sein,

So trete ich und Isold herein:

So gebietet mir's, so rede ich

Für Euch, für Isolden und für mich.

Bei diesem laßt es nun bestehn:

Ich will nach meiner Tochter gehn

Und bin bald wieder mit ihr hier.« –


Nach ihrer Tochter ging sie schier.

Der König kam zum Palaste wieder,

Zu dem Gerichte saß er nieder

Und mit ihm viel Barone,

Des Landes Companione.

Da war wohl schöne Ritterschaft,

Von Rittern große Heereskraft:

Die waren aber nicht so sehr

Gekommen zu des Königs Ehr,[110]

Als daß sie wollten sehen,

Was allda sollte geschehen

In so landkundigem Falle:

Das wunderte sie Alle.


Die seligen Isolden zwo,

Nun daß sie mit einander so

Zu dem Palast eingingen,

Die Herren, die empfingen

Und grüßten sie alle hier und da.

Dieweil daß solcher Empfang geschah,

Ward viel gesprochen und gedacht,

Gedanken und Reden fürgebracht

Von ihrer Beider Vollkommenheit:

Doch ward noch mehr, und das mit Leid,

Von des Truchsäßen Glück gesagt,

Denn von der Mutter und von der Magd.

Da sprach und dachte die ganze Schaar:

»Nun schauet Alle, nehmet wahr!

Und wird nun dem heillosen Mann,

Der nimmer Glück, noch Heil gewann,

Die heilbegabte Magd zu Theil,

So ist ihm ertaget all das Heil,

Das ihm oder irgend einem Mann

An einer Magd ertagen kann.«


Nun waren sie am Thron erschienen.

Der König, der stund auf vor ihnen:

Lieblich setzte er sie zu sich.

»Nun,« sprach der König, »Truchseß, sprich,

Was ist deine Bitte und dein Begehr?« –

»Viel gerne, Herr König,« sagte Der.

»Herr, ich begehre und ich bitte,

Daß Ihr dem Lande Königssitte

Nicht übertreten wollt an mir.

Wollt Ihr's bekennen, so sprachet Ihr

Und gelobtet es auch, beide,

Mit Rede und mit dem Eide,

Daß, wenn ein Ritter den Serpant

Erschlüge allein mit seiner Hand,

Ihr gäbet ihm zum Solde

Eure Tochter Isolde.

Der Eid verdarb gar manchen Mann:

Das sah aber ich gar wenig an,

Dieweil ich minnete das Weib

Und wagte also meinen Leib

Viel fährlicher, denn je ein Mann,

Bis ich zuletzt den Sieg gewann

Und kecklich diesen Drachen schlug.

Wofern es hiemit ist genug,

Da liegt das Haupt, seht selber an,

Das ich als Urkund weisen kann.

Nun löset, wozu Ihr verpflichtet seid:

Ein Königswort, ein Königseid,

Die sollen wahr und bewähret sein.«


»Truchsäße,« fiel die Königin ein,

»Wenn Einer also reichen Sold,

Wie meine Tochter ist, Isold,

Ohne Verdienst begehren will,

In Treuen, das ist allzu viel.« –

»Ei,« sprach der Truchseß, nicht gar froh:

»Fraue, Ihr thut übel, wie redet Ihr so?

Mein Herre, der es enden soll,

Der kann doch selber sprechen wohl:

Der spreche und antworte mir.« –

Der König sprach: »Fraue, sprechet Ihr

Für Euch, für Isolden und für mich.« –

»In Gnaden, Herre, das thu ich.« –

Da sprach sie mit scharfem Sinne:

»Truchsäße, deine Minne,

Die ist lauter und die ist gut,

Und hast auch also mannlichen Muth:

Du bist wohl gutes Weibes werth.

Wer aber so hohen Lohn begehrt,

Den er doch nicht verdienet hat,

Traun, der thut eine Missethat.

Das bist du, der dir selber leiht

Eine That und eine Mannhaftigkeit,

Daran du gar unschuldig bist,

Wie es mir zugeraunet ist.« –

»Fraue, Ihr redet, ich weiß nicht wie:

So hab ich doch mein Wahrzeichen hie.« –

»Du hast ein Haupt davongebracht:

Das hätte ein Andrer auch erdacht,

Wär ihm das gut erschienen,

Isolden zu verdienen.

Doch sie ist nicht zu erringen

Mit also kleinen Dingen.« –

»Nein, wahrlich,« sprach die junge Isot,

»Um eine also geringe Noth

Ich nimmer feil, noch zu haben bin.«
[111]

»Ahi, Frau junge Königin,«

Sprach der Truchseß, noch minder froh,

»Daß Ihr in diesen Sachen so

Hohn sprechen mögt mit argem Mund

Der Noth, die ich zu mancher Stund

Durch Eure Minne hab genommen,

Das soll mir noch zu Statten kommen!« –

»Ihr mögt mich minnen,« sprach Isold:

»Ich war Euch nie getreu, noch hold,

Und will's auch wahrlich nimmer sein.« –

»Ja,« sprach der Andre, »das seh ich ein:

Ihr thut da gänzlich wie ein Weib;

Ihr seid ja Alle so von Leib,

Seid so von Art und so von Muth:

Euch dünket stets das Arge gut,

Das Gute dünkt euch dawider arg:

Die Art ist an euch Allen stark.

Ihr seid verkehrt auf alle Weis:

Euch sind die Dummen alle weis,

Euch sind die Weisen alle dumm.

Ihr machet aus dem Graden Krumm

Und aus dem Krummen wieder Grad:

Ihr habet allen verkehrten Rath

An euer Seil gefasset:

Ihr minnet, was euch hasset,

Und hasset, was euch minnet.

Wie seid ihr so gesinnet,

Wie minnet ihr so sehr und viel

Der Dinge stetes Widerspiel,

Daß euch's an solchem nie gebricht!

Wer euch da will, den wollt ihr nicht,

Wer euch nicht will, den wollt ihr gar.

Ihr seid das tollste Spiel fürwahr,

Das Jemand auf dem Brette kann.

Der ist ein sinnenloser Mann,

Der ohne Bürgen für ein Weib

Jemals zu Markte trägt den Leib.

Doch sei das nicht ob dem geklagt,

Was Ihr oder meine Fraue sagt;

Da hoff ich anderen Bescheid,

Außer man breche mir den Eid.«


Und aber sprach die Königin:

»Truchsäße, du hast wohl feinen Sinn,

Der ist so scharf und spitzig;

Wer dich da sieht so witzig,

Dem dünket gleich von deinem Sinn,

Er sei wohl in der Kammer drin

In der Frauen Heimlichkeit erdacht.

Dazu hast du ihn fürgebracht,

Recht wie ein Frauenritter soll.

Du weißt der Frauen Art zu wohl,

Du bist darin zu weit gekommen:

Das hat dir Mannes Art benommen.

Du minnest auch zu sehr und viel

Das Gegentheil und Widerspiel,

Und dünkt mich, dir sei auch wohl dabei.

Du hast der Frauen Narrethei

Sehr an dein Seil gefasset:

Du minnest, was dich hasset,

Und willst, was dich nicht haben will.

Dies ist doch unser Frauenspiel:

Was maßest du dir solches an?

So dir Gott, du bist doch ein Mann:

So laß uns unsre Frauenart,

Du bist nicht wohl damit bewahrt.

Bleib du als Mann gesinnet

Und minne, was dich minnet,

Begehr, was dein begehret:

Dies Spiel ist unverkehret.

Du sagst uns da und grollest,

Daß du Isolden wollest,

Sie aber wolle dich nicht. Du Thor,

Das ist ihre Art: wer kann davor?

Sie läßt der Dinge viel hingehn,

Die ihr leicht würden zu Willen stehn.

Ihr ist gar Mancher unbegehrt,

Dem sie doch wäre lieb und werth,

Darunter du der Erste bist.

Dasselbe ihr angeartet ist:

Denn sieh, ich war dir auch niemals hold.

Ich weiß wohl, also thut auch Isold:

Es ist ihr angeerbt von mir.

Du vergeudest der Minne viel bei ihr.

Die schöne Magd, das edle Blut,

Wäre ein zu gemeines Gut,

Wenn sie Jedweden sollte

Gleich wollen, der sie wollte.

Doch was du sprichst von dem Bescheid,

Da wird mein Herre seinen Eid

Viel gerne an dir bewähren.

Sieh, daß du deiner Mären[112]

Und deiner Rede so mögest pflegen,

Daß du nichts lassest unterwegen.

Verfolge deine Sachen.

Ich höre von dem Drachen,

Ihn habe ein andrer Mann erschlagen:

Sieh, was du dazu wollest sagen.« –

»Wer wäre der?« – »Ich weiß ihn wohl

Und will ihn bringen, sobald ich soll.« –

»Fraue, und wer der Mann auch ist,

Der solcher Märe sich vermißt

Und mich von meinen Ehren

Mit Falschheit wähnt zu kehren, –

Wird mir das Recht gegeben,

So sei mein Leib und Leben

Gewaget an das Kampfgericht,

Wie mir der Hof das Urtheil spricht,

Stirn wider Stirn, Hand wider Hand,

Eh daß ich weiche von meinem Stand.«

»Dies gelob ich,« sprach die Königin,

»Und auch desselben Bürge bin,

Daß ich dir leiste die Gewähr

Und bring ihn dir zum Kampfe her

Von heute bis auf den dritten Tag,

Da ich's zur Stunde nicht kann, noch mag,

Denselben, der den Drachen schlug.« –

Der König sprach: »Es ist genug.« –

Auch sprachen die Herren insgemein:

»Truchsäße, deß sollt du zufrieden sein,

Dies ist ein Verzug von kurzer Zeit;

Geh dar, bestätige den Streit,

Und meine Fraue mög auch so thun.« –

Der König nahm von den Beiden nun

Treue und sichere Geiselschaft,

Daß dieser Kampf entscheidungshaft

Am dritten Tage wäre.

Damit zerging die Märe.

Quelle:
Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde. Stuttgart 1877, S. 101-113.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Tristan und Isolde
Tristan und Isolde: Teil 1
Tristan und Isolde: Teil 2
Tristan und Isolde (Sammlung Goschen)
Die Geschichte der Liebe von Tristan und Isolde
Tristan und Isolde

Buchempfehlung

Lessing, Gotthold Ephraim

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die tugendhafte Sara Sampson macht die Bekanntschaft des Lebemannes Mellefont, der sie entführt und sie heiraten will. Sara gerät in schwere Gewissenskonflikte und schließlich wird sie Opfer der intriganten Marwood, der Ex-Geliebten Mellefonts. Das erste deutsche bürgerliche Trauerspiel ist bereits bei seiner Uraufführung 1755 in Frankfurt an der Oder ein großer Publikumserfolg.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon