Der zweyte Auftritt.

[64] Cäsar. Arsene.


ARSENE für sich.

»Ihr Götter! welch ein Schall! der Ton ist mir bekannt,

Das muß der Römer seyn! Ich weis nicht, ob ich wache?«

CÄSAR.

Was für Verwirrungen von Abscheu, Haß und Rache

Erfüllen deine Brust? Bemeistre doch den Schmerz!

Hier opfert sich in mir ein ewig treues Herz.[64]

ARSENE.

Mich dünkt, ich habe dich in Asien gesehen,

Als Cäsars Antrag einst durch deinen Mund geschehen:

Ich dacht auch in der That, er wäre selber hier?

CÄSAR.

Du siehst ihn, in Person, o Königinn, in mir.

ARSENE.

Du selbst willst Cäsar seyn?


Bey Seite.


»(Ach ja! ich muß es glauben,

Was schlechters konnte mir wohl nie die Freyheit rauben.

Arsenen stund gewiß kein mindrer Sieger an.)«

CÄSAR.

Ja, schönste Königinn! wenn ichs gestehen kann,

So hat Seleucia, so bald ich dich erblicket,

Durch deiner Schönheit Pracht zuerst mein Herz bestricket.

Der Sieg war dazumal mein vorgestecktes Ziel,

Wiewohl mein Wachsthum schon den Römern nicht gefiel.

Die Neider meines Ruhms verfolgten meine Waffen,

Und ich bestrebte mich mir selber recht zu schaffen.

Fast alles was ich that, hieß Rom ein Bubenstück;

Die Großen neideten mein täglich wachsend Glück:[65]

Indeß war ich bemüht ein neues Reich zu gründen,

Und überall die Glut des Krieges anzuzünden.

Die Parther waren mir beständig abgeneigt;

Arsazes hat sich stets als meinen Feind bezeigt:

Drum gab ich auch am Phrat mich gar nicht zu erkennen,

Und ließ den ganzen Zorn auf Rom allein entbrennen.

Das Schrecken und die Furcht gieng über Land und Meer,

Als wie ein Donnerschlag, vor meinen Waffen her.

Ich siegte: doch der Kranz, der meine Scheitel zierte,

War ein verworfner Schmuck, der meine Brust nicht rührte.

Die Ehre dämpfte zwar den innerlichen Schmerz;

Allein wie quälte mich mein unruhvolles Herz!

Der schöne Gegenstand von meinen zarten Trieben,

Bewog mich auch entfernt ihn unverrückt zu lieben.

Voritzo fühl ich noch ein zwiefach härter Weh,

Indem ich, Königinn, vor deinen Augen steh.

Es scheint, du hassest mich! O zorniges Geschicke!

Giebst du für Lieb und Huld mir lauter Zorn zurücke?

ARSENE.

Wie wenig kennst du doch den Grund von meiner Pein!

Je mehr ich nach dir seh, je stärker muß sie seyn.

Und darf ich meinen Sinn ganz kurz und deutlich fassen;

So nimm die Antwort an: Ich kann dich gar nicht hassen!

CÄSAR.

Du hassest Cäsarn nicht, der dich verehrt und liebt?

Welch unverhofftes Wort! Nun bin ich nicht betrübt.

Die Welt soll bald ihr Glück aus meiner Hand bekommen;

Das meine hat von dir den Ursprung hergenommen.[66]

O! sags doch noch einmal, dafern ichs würdig bin;

Kannst du empfindlich seyn? Sprich, schönste Königinn!

ARSENE.

Wie? hab ichs schon entdeckt, was ich verhölen sollte?

Weist du die Neigung schon, die ich verbergen wollte?

Ach! nun ists viel zu spät, daß sich mein Herz verstellt:

Ich liebe dich weit mehr, als alles in der Welt.

Das Feuer, das mein Herz in Utika empfindet,

Hat sich vor langer Zeit bereits am Phrat entzündet;

Da war die zarte Brust schon an Empfindung reich:

So bald ich dich erblickt, ergab ich mich sogleich.

Zwar sprach man mir bisher umsonst von Cäsars Liebe,

Denn ich verfluchte nur die Flammen seiner Triebe:

Allein ich wußte nicht, daß Cäsar mir gefiel;

Ein unbekannter Gast war meiner Seufzer Ziel.

So war mein ganzer Haß aus Zärtlichkeit entsprungen:

Mein Herz hat dir zu gut auch wider dich gerungen.

Und kurz, mein Irrthum selbst verführte mich so gar,

Zur Feindschaft gegen das, was mir am liebsten war.

CÄSAR.

Welch ein erwünschtes Glück! Wenn mich Arsene liebet,

So giebt mir Amor mehr, als Mars mir selber giebet.

Ich habe Rom besiegt, und du besiegest mich:

Warum verknüpft uns denn nicht Hymen ewiglich?

Der Hochzeitfackeln Glut soll unaufhörlich brennen,

Und lauter Lieb und Ruhm anstatt der Nahrung kennen.[67]

Mein Sieg hat in der Welt mir schon viel Neid erregt:

Vieleicht, daß so mein Glück die Götter selbst bewegt.

Komm, Schönste, komm nach Rom! Die ärgsten Königsfeinde,

Erklären sich nunmehr, für treugesinnte Freunde;

Und dich zur Königinn. Die jüngstbefochtne Schlacht,

Hat ihrem Uebermuth den Untergang gebracht.

ARSENE.

Es wird noch Trotz genug in Utika gespüret:

Daher auch itzo noch mein ganzer Kummer rühret.

Pharnaz – –

CÄSAR.

Durch Glimpf und Huld bezwing ich ihn gar bald!

ARSENE.

O Cäsar! übe stets die freundliche Gewalt.

Ach ließe Cato sich nur auch so leicht bewegen!

Sein unerweichter Sinn ist gar durch nichts zu regen.

Mein Herz, wie mich bedünkt, zertheilet sich für euch.

Es rührt mich Cäsars Ruhm, und Catons Heil zugleich.

Ein unbekannter Zug bewog mich dich zu lieben;

Indessen weis ich nicht, was mich zu ihm getrieben.

Nächst dir, ist Cato dann mein liebstes in der Welt.

Ach! endigt nur den Krieg, der euch getrennet hält,

Und opfert euren Haß der Wohlfahrt dieser Erden:[68]

Er kömmt schon; lebe wohl! Doch laß es Friede werden!

Und zeige künftig uns, dem Glücke selbst im Schooß,

Ein Cäsar bleibe stets im Krieg' und Frieden groß!


Sie geht ab.


CÄSAR.

Verlaß dich nur auf mich; so kannst du alles hoffen.


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Herausgegeben von Joachim Birke, Band 2: Sämtliche Dramen, Berlin 1968/1970, S. 64-69.
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