Des I. Abschnitts VI. Hauptstück.
Von heroischen Lobgedichten.

[477] 1. §.


Wenn man vollständige Ausgaben vom Homer, z.E. Schrevels seine, nachschlägt, so findet man verschiedene Lobgedichte, unter dem Namen Ὑμνοι, auf die heidnischen Götter, z.E. auf den Apollo und Merkur, auf die Venus, den Bacchus, und den Mars, imgleichen auf den Pan, die Diana, und Pallas, u.s.w. Es kann seyn, daß einige von diesen Stücken nicht ganz unstreitig vom Homer herrühren; wie denn die Kunstrichter an vielen zweifeln. Alle miteinander aber, demselben abzusprechen, halte ich die Gründe nicht für zulänglich: weil wirklich sowohl die Art zu denken, als der Ausdruck, den übrigen homerischen Schriften so nahe kömmt; daß schwerlich ein anderer ihn so genau hätte nachahmen können. Diese Gedichte nun haben mit den obigen epischen viel ähnliches. Denn ungeachtet sie bey weitem so lang nicht sind, als jene: so sind sie doch auch nicht eben so gar kurz. Z.E. das Lobgedicht auf die Venus, ist so lang, als die Batrachomyomachie, das ist auf die 300 Verse: das auf den Apollo, enthält nah an sechstehalb hundert, und das auf den Merkur, 575 Verse. Die Versart, die er darinn beobachtet, ist auch die heroische; denn sie bestehen aus lauter Hexametern. Der Inhalt ist auch größtentheils episch, das ist erzählend; indem er die Geburt, die Erziehung, und die Thaten seiner Götter, und was sonst vor Alters von ihnen geglaubet ward, erzählet. Endlich kommen diese Lobgedichte auch darinn mit den epischen überein, daß er in etlichen die Musen anruft,[478] ihm beyzustehen. Z.E. in dem, auf den Merkur, heißt es gleich anfangs:


Ἑρμην ὑμνει Μουσα Διος και Μαιαδος ὑιον ETC.

MERCURIUM LAUDA MUSA, JOVIS AC MAJÆ FILIUM ETC.


Und das auf die Venus, hebt so an:


Μουσα μοι ἐννεπε ἐργα πολυχρυσου Ἀφροδισης ETC.

MUSA MIHI DIC OPERA AUREÆ VENERIS ETC.


Diese Aehnlichkeit veranlasset mich, von dieser Art von Gedichten, gleich nach den obigen zu handeln.

2. §. Es erhellet auch, ohne mein Erinnern, von sich selbst, daß diese Gedichte von den Oden gänzlich unterschieden sind. Weder die kurze Versart, noch die Abtheilung in Strophen, noch die Kürze der Oden, schicket sich zu diesen großen Lobgedichten: am allerwenigsten aber würde sich der erzählende fast historische Inhalt, den diese erfodern, zu den Oden schicken, die ihn, so viel als möglich ist, fliehen müssen. Man darf also nicht denken, daß ich die Arten der Gedichte ohne Noth vervielfältige: zumal da eine Menge neuerer Dichter dem Homer hierinn gefolget sind, daß sie eine Menge Lobgedichte auf Götter und Helden geschrieben haben, die man unmöglich zu Oden machen kann. Von den Griechen zwar sind uns, außer dem Kallimachus, wenige von dieser Art übrig geblieben. In der großen Sammlung griechischer Dichter, die 1614. bey Petern DE LA ROVIERE, in Fol. herausgekommen, trifft man kein einziges Stück an, welches genau von derselben Art wäre. Lykophrons Cassandra, scheint dem Inhalte und der Absicht nach, hieher zu gehören: allein es ist selbige nicht in heroischen, sondern jambischen Versen geschrieben, auch in einer so verstrickten, dunkeln und schwülstigen Schreibart abgefasset, daß man sie gar nicht loben kann. Die zehn Hymni des Synesius, sind eben sowohl als des Gregorius von Nazianz Lieder, mit besserm Rechte[479] Oden zu nennen: weil sie in den kürzesten Versarten, nicht aber in heroischen Versen abgefasset sind. Johann von Damascus, hat die Theogonie auch in Jamben besungen; Maximus Margunius aber seine Hymnos gar in anakreontischen Versen geschrieben. Endlich sind auch des sogenannten Johannis Geometrä Hymni, auf die Jungfrau Maria; nicht in heroischen Versen, sondern als Elegien abgefasset. Es bleibt mir also der einzige Kallimachus übrig, der auf eben den homerischen Schlag, Hymnen auf den Jupiter und Apollo, die Diana und Ceres, und auf die Insel Delos gemachet. Auf das Bad der Pallas aber hat er sein Loblied als eine Elegie eingerichtet. Indessen finden wir sonst Nachrichten genug, daß alte Dichter Götter und Helden auf diese Art besungen: wie z.E. dem großen Alexander, Chörilus, obwohl in sehr schlechten Versen, dergleichen Ehre erwiesen hat; nach Horazens Zeugnisse: LIB. II. EPIST. 1.


GRATUS ALEXANDRO REGI MAGNO FUIT ILLE

CHŒRILUS, INCULTIS QUI VERSIBUS, ET MALE NATIS,

RETULIT ACCEPTOS REGALE NUMISMA PHILIPPI.


Selbst Aristoteles soll auf den Hermias ein solch Lobgedicht geschrieben haben, das sich angefangen:


Ἄγνε θεῶν, πρεσβεύτ᾽ ἑκατήβολε ETC.

SANCTE DEUM, LONGEQUE SENEX JACULANS ETC.


3. §. Wenn wir auf die Lateiner kommen: so hat schon in alten Zeiten ein Ennius dergleichen heroische Lobgedichte gemacht: davon wir aber nur unvollkommene Stücke übrig haben. Um Cicerons Zeiten schrieb Catull seine ARGONAUTICA, ein heroisches Gedicht, das gleichsam einem Virgil den Ton angab, wie die lateinische Epopee klingen müßte. Selbst der CULEX dieses Dichters, gehört unter diese Zahl, weil er nicht scherzhaft genug war, unter die komischen Heldengedichte gezählet zu werden. Tibull besang den[480] Messalla, in einem sogenannten Panegyricus. Darauf folgte Petronius, der uns in seinem Satiricon eine Probe gab, wie der Bürgerkrieg in Rom heroisch beschrieben werden müßte:


ORBEM JAM TOTUM VICTOR ROMANUS HABEBAT ETC.


Claudians Ruffinus, und Eutropius, imgleichen seine Bücher, DE BELLO GILDONICO und GETICO, wider den Alarich; seine Consulate des Honorius, Mallius, Probinus, und Olybrius; seine LAUDES STILICONIS, und seiner Gemahlinn Serena, u.s.w. gehören auch hieher. Ich übergehe, was in den SILVIS des Statius für Stücke von dieser Art vorkommen: sie mögen nun zuweilen auf Todesfälle, oder auf andere Gelegenheiten gerichtet seyn, dabey man das Lob eines Großen, eines Freundes oder Blutsverwandten besingen kann. Im X. Jahrhunderte, und also mitten in der barbarischen Finsterniß des Occidentes, hat HROSWITHA, eine gelehrte Klosterjungfrau zu Gandersheim, eine PANEGYRIN ODDONUM, das ist, ein heroisches Gedicht auf die sächsischen Kaiser, die Otten verfertiget: anderer geistlicher Stücke, die auf eben die Art geschrieben sind, zu geschweigen. Ich würde noch den Joseph Iscanius hieher rechnen, der im XIII. Jahrhunderte den trojanischen Krieg in VI. Büchern heroischer Verse beschrieben hat: wenn er nicht für diese Classe von Gedichten zu groß und episch wäre, und also vielmehr unter die SCRIPTORES CYCLICOS, oder fehlerhaften epischen Dichter zu zählen wäre; die sich ganze lange Historien, nicht aber einzelne Thaten großer Helden, in Versen zu beschreiben vorgenommen haben. Dieser nämlich beschreibt erstlich der Argonauten Zug nach Kolchis, hernach den Raub der Hesione, durch den Herkules, dann das Urtheil des Paris, den Raub der Helena, der Griechen ihren Zug wider Troja, den Tod der Zwillinge, Castor und Pollux etc. etc. bis ans Ende des ganzen Krieges.

4. §. Wollten wir auf die neuern lateinischen Dichter kommen, und dieselben alle erzählen, so möchte mir ihr[481] Verzeichniß zu groß werden. Doch will ich etliche nennen, die vor andern einen Vorzug verdienen. Ulrich von Hutten, ist einer von den ersten in Deutschland gewesen, die sich in dieser Art von Gedichten hervorgethan. In der straßburger Ausgabe seiner poetischen Werke von 1538. in 8. finde ich erst auf die Fischerey der Venediger, ein heroisches Gedicht; weit größer und schöner aber ist das, worinn er zeiget, daß Deutschland von seinem alten Ruhme nichts verlohren, GERMANIA NON DEGENER. Sein TRIUMPHUS CAPNIONIS, und der PANEGYRICUS auf den Erzbischof, Albrecht zu Maynz, sind noch weit wichtigere Stücke, die allerdings viel Lob verdienen. In den Gedichten der beyden Italiener Strozza, die beym Aldus Manutius, ohne Meldung der Jahrzahl in 8. gedruckt worden, stehen außer der VENATIONE AD DIVAM LUCRETIAM BORGIAM, FERRARIÆ DUCEM, auch verschiedene EPICEDIA, auf fürstliche und andere Personen in heroischer Schreibart, die vortrefflich gerathen sind. Sogar Joh. Secundus hat seine sonst zärtliche Muse ein paarmal verlassen, um etwas heroisches zu versuchen, als er theils den Tod eines französischen Delphins, König Franz des I. Erbprinzen, theils die REGINAM PECUNIAM besungen. Des berühmten Dichters, Ge. Sabins, Gedichte, die 1563. hier in Leipzig bey Vögelin in 8. gedruckt worden, enthalten auch, auf die Vermählung des pohln. Königs, Sigismund Augusts, mit einer kaiserlichen Prinzeßinn, ein treffliches Stück von dieser Art. Was soll ich von Frischlins heroischer Muse sagen, welche eine wirtembergische Hochzeit, u.a.m. dergestalt besungen hat? Was von des Elias Corvinus Gedichten, die gleichfalls mit Vögelins Schriften 1568. gedruckt worden, und deren erstes Buch lauter heroische Sachen enthält. Pantaleon Candidus hat seine Bohemais, auf alle böhmische Herzoge und Könige; imgleichen seine Gothiberis, auf die gothischen Könige in Spanien, 1587. zu Straßburg in 4. ans Licht gestellet. Im folgenden Jahrhunderte würde es[482] noch schwerer fallen, alle lateinische Dichter dieser Art zu nennen. Doch will ich ein paar nennen, die mir aus Liebe zu meinem Vaterlande gefallen haben. Der erste ist Christoph Kaldenbach, ein Schlesier, dessen Gedichte 1651. und also eben vor 100 Jahren zu Braunsberg in Preussen in 12. herausgekommen; daraus seine AQUILA, CUPRESSUS, und die BORUSSA PHILÆNIS hieher gehören. Der zweyte aber Joh. Augustin Fasch, der im Anfange dieses Jahrhunderts, seine PRUSSIAM TRIUMPHANTEM in 3 Büchern zu Helmstädt in 4. ans Licht gestellet. Alle diese haben sich als starke heroische Lobdichter erwiesen; ohne jedoch andern ihr Verdienst hiedurch im geringsten abzusprechen.

5. §. Da ich nun dergestalt auf die Deutschen komme, die, wie in andern Stücken, also auch in diesem, in die Fußtapfen der Alten getreten, so muß ich zum voraus erinnern: daß sie im Anfange unserer ältesten Poesie zwar solche große Lobgedichte, aber nicht in langen Versen gemachet. Das EPINICION, oder Siegeslied, auf die von König Ludewigen geschlagenen Normannen, welches uns Schilter zuerst ans Licht gestellet, ist aus dem IX. Jahrhunderte, und gehört unstreitig zu dieser Art. Allein man liebte damals nur kurze Verse; die so heroisch freylich nicht klingen, als die sechsfüßigen. Doch ist man lange bey dieser Art geblieben, und hat sonderlich nach dem XII. Jahrhunderte sehr viel solche Lobgedichte auf Kaiser, Fürsten und Herren, ja wohl gar auf göttliche und geistliche Dinge gemachet. Eins davon hat uns Opitz, unter dem Titel, RYTHMUS DE SANCTO ANNONE, ARCHIEPISCOPO COLONIENSI, ans Licht gestellet, daraus ein guter poetischer Geist hervorleuchtet. Was davon noch in Handschriften vorhanden ist, werde ich in meiner Geschichte der deutschen Sprachkunst und Poesie ausführlich erzählen. Wollte ich indessen alle Geschichte in Reimen hier namhaft machen, so müßte ich sowohl Ottokars von Horneck österreichische Historie, die P. Petz im III. Bande seiner Sammlung von Geschichtschreibern ans Licht gestellet, als [483] Hansen des Enenkels Fürstenbuch anführen; welches 1618. zu Linz, und abermal 1740. in 8. gedruckt worden, also nun schon über 500 Jahre alt ist. Ferner müßte ich eines Ungenannten Leben der heil. Elisabeth, Landgräfinn von Thüringen, das in Menkens SCRIPT. RER. GERM. T. II. steht, und endlich MARESCHALCI THURII Geschichte der meklenburgischen Herzoge anführen, das in der westphälischen Sammlung enthalten ist. Allein magere Geschichte sind keine Gedichte, und gehen uns also nicht sonderlich an. Mit weit besserm Rechte gehören Matthias Holzwarts von Harburg Lustgart neuer Deutscher Poeterei, zu Ehren dem fürstlichen Hauß Würtemberg; und Frischlins von Beyern, verdeutschte würtembergische Hochzeit hieher: deren jene 1568. in Fol. diese aber 1578. in 4. ans Licht getreten. Wir wollen aber die Zeiten vor Opitzen, immer vorbey lassen, und uns nur um diejenigen Dichter bekümmern, die seit der durch ihn verbesserten deutschen Dichtkunst, sich durch deutsche heroische Gedichte gewiesen haben.

6. §. Unter diesen nun, steht sonder Zweifel Martin Opitz selbst oben an. Sein Lobgedicht auf König Vladisla in Pohlen, ist schon längst von allen unsern Kunstrichtern für ein Meisterstück gehalten worden. Er hebt so an:


Der Höchste lebet ja, es wallet sein Gemüthe,

Noch vor Barmherzigkeit und väterlicher Güte;

Er lenket deinen Sinn, dem seiner günstig ist,

Daß er, o Vladislav, für Krieg die Ruh erkiest,

Und Langmuth für Geduld. Die falschen Herzen klagen;

Die guten freuen sich, daß du nicht ausgeschlagen,

Der Waffen Stillestand; und daß dein Sinn, o Held!

Den Frieden höher schätzt, als etwas in der Welt,

Das mit der Welt vergeht. Die, so vorhin durch Kriegen

Nach Ewigkeit gestrebt, und längst begraben liegen,

Sind selbst vermuthlich froh, daß itzund durch Verstand[484]

Und Glimpf erworben wird, was ihre strenge Hand

Zu schaffen, nie vermocht. Herr! dieses thun die Gaben,

Damit dich die Natur und Gott bereichert haben.

O du, des Himmels Wunsch, der Völker Trost und Zier!

Du scheuest keinen Streit; doch nimmst du itzt dafür,

Was auf den Streit erfolgt. Sonst bist du zwar gebohren

Zu aller Tapferkeit, zum Strengeseyn erkohren,

Zu kämpfen angewöhnt. Du kömmst von Leuten her,

Die häufig vor der Zeit durch ihr so kaltes Meer

Mit heißer Brunst gesetzt; und Rom, den Zaum der Erden;

Der Völker Königinn, gezwungen, zahm zu werden,

Zu tragen fremdes Joch; von Leuten, derer Macht

Noch bis auf diese Zeit in ihren Gliedern wacht;

Die nach der Ehre mehr, als nach dem Leben fragen etc.


Daß aber Opitz, ausdrücklich die Alten in ihren Hymnis nachzuahmen gesuchet, das hat er durch seinen Lobgesang des Kriegsgottes und des Bacchus erwiesen, den er aus des Daniel Heinsius holländischer Urschrift verdeutschet hat. Ja als ein Christ, hat er uns auch einen Lobgesang Jesu Christi geliefert; aber allemal, anstatt der Hexameter, die sechsfüßigen Jamben gebrauchet, worinn ihm fast alle unsere Dichter gefolget sind. Sein nächster Nachfolger war Paul Flemming, ein Meißner, der in der heroischen Schreibart so stark war, daß ihn auch Morhof zu einer Epopee für geschickt gehalten. Sein Gedicht auf das Leiden Christi, giebt eine von den stärksten Proben davon ab: wiewohl er deren noch mehrere, sonderlich im II. B. seiner poetischen Wälder, an Olearien und Grahmannen, und an die fürstlichen holsteinischen Gesandten verfertiget hat. Nun folgte Simon Dach, ein Preuße, der sowohl auf seine Landesherren, Georg Wilhelmen und Friedrich Wilhelmen, als auf andere fürstliche Personen, bey Einzügen und Beylagern; imgleichen auf das hundertjährige Jubelfest der Stadt Tilsit, und die Erbauung einer neuen Kirche in Königsberg,[485] seine Stärke in der heroischen Dichtart gewiesen. Martin Kempe, übte seine heroische Feder zwar mehrentheils in geistlichen Materien; doch setzte er auch das Lob der Unsterblichkeit, und wagte dabey eine Neuerung: indem er es in fünffüßigen Jamben aufsetzte, da sich die erste und vierte Zeile reimet; die fünfte und sechste aber wieder zusammen gehören. Da er nun dieses durchgehends beobachtet, so wollte ichs lieber für eine Ode halten; die aber dergestalt 100 sechszeilige Strophen lang seyn würde. Auch Just Sieber, hat sowohl in seiner Margenis, über den westphälischen Frieden, als in seiner Adelinne über das Lob des Adelstandes, und auf Herrn von Oppeln, der ihn zum Dichter gekrönet hatte, u.s.w. seine Stärke in dieser Art gewiesen. Johann Frankens Susanna gehört auch hieher. Und was soll ich von Neumarken sagen, der in seinem poetisch historischen Lustgarten, den sieghaften David, in der langen trochäischen Versart, die recht heroisch klinget; imgleichen die verständige Abigail, die erhöhete Fryne Bozene, die Kleopatra und Sophonisbe, mit lauter heroischen Gedichten besungen hat.

7. §. Dieß waren nun Dichter des vorigen Jahrhunderts, die das itzige nicht erlebet haben, und also zu den alten gehören: die noch nicht die völlige Reinigkeit und Lieblichkeit erreichet hatten, welche ein feinerer Geschmack dem itzigen Jahrhunderte verliehen. Hier habe ich nun vier große Dichter zu nennen, die alle ihre Vorgänger weit übertroffen haben. Der erste war Besser, die Ehre des königl. Preussischen Hofes, bis er in seinem Alter denselben verließ, und in Dresden seine Zuflucht fand. Wie er unter Friedrich Wilhelmen dem Großen, und Friedrichen dem I. ein Augenzeuge großer Thaten war: also konnte es ihm an Gelegenheiten nicht fehlen, seine Stärke in heroischen Gedichten zu zeigen. Aus seinem Lobgedichte auf den ersten, haben wir nur ein Stück, welches die Beschreibung der Warschauer Schlacht enthält, durch welche sich der große Churfürst den[486] Weg zu der höchsten Oberherrschaft von Preußen, und seinem Nachfolger zur königlichen Krone gebahnet. Dieses Stück aber zeiget uns eine große Stärke des Dichters in dieser Schreibart. Es hebt so an:


Der flüchtge Casimir, der ersten Furcht entstrickt,

War wieder in sein Reich aus Schlesien gerückt:

Indeß daß groß und klein, bis auf die Tartarhorden,

Für ihn und seinen Thron, war aufgebothen worden.

Mit diesen lag er erst bey Warschau an der Stadt;

Doch weil zu große Macht auch große Kühnheit hat:

War er den Weichselstrom diesseits herüber gangen,

Uns desto schleuniger im Anmarsch zu empfangen.

Fast hundert tausend Mann bedecketen das Feld:

Sie hielten gegen uns als eine halbe Welt.

Wie man die Kranche hört bey ihren Zügen girren,

Und in der Sommerszeit die reifen Saaten schwirren:

So rasselte der Klang von Pferden, Schild und Spieß,

Den diese große Schaar von weitem hören ließ.

Wie alles stäubt und bebt bey Ankunft einer Heerde:

So schwärzte sich die Luft, und zitterte die Erde;

Als dieser Völker Trifft, und deren Hinterhalt,

Auf unsre Läger drang mit stürmischer Gewalt.

Sechs gegen einen Arm, so sollten unsre kämpfen;

Ja was man hört und sah, schien uns den Muth zu dämpfen.

Des Feindes Grausamkeit; die ungeheure Tracht,

Von Häuten und von Filz in eine Form gebracht;

Die theils mit Gold und Stahl gepanzerten Husaren:

Das große Feldgeschrey und Lermen der Barbaren,

So sie aus aller Macht aus Erzt und Horn erweckt,

Hätt' auch die Tapfersten bey andern abgeschreckt etc.


Eben das bestärket die Beschreibung der Schlacht bey Fehrbellin, worinn die Schweden aufs Haupt geschlagen wurden,[487] imgleichen die Bombardirung von Stettin. Allein nicht weniger erweiset solches die Danksagung des befreyten Unterrheins, an Churfürst Friedrichen den III. und das Verhängniß getreuer Liebe, womit er seine Kalliste beehret hat; wiewohl in dem letzten die Traurigkeit durchgehends herrschet.

8. §. In Neukirchs Gedichten, die ich selbst ans Licht gestellet habe, ist das auf den Tod der Königinn Sophie Charlotte, imgleichen sind etliche Lobgedichte auf den König sehr hoch zu schätzen; darinnen er nämlich die ungetrennten heroischen Verse gebrauchet hat. Das erste hebt so an:


Ihr Musen! die ihr mich, der Preußen Held zu singen,

Oft glücklich angefeurt, helft meine Feder zwingen,

Und führt sie von der Höh', nach der ich lüstern bin,

Von Friedrichs Siegesbahn zu seinen Thränen hin!

Sein unerschöpfter Muth ist weit genug erklungen,

Seit dem ihm Noth und Recht die Waffen abgedrungen,

Dem Franzen schüttert noch die kaum erlaufne Haut,

Wenn er auf Schwabens Feld betrübt zurücke schaut,

Und an den Tag gedenkt, da Ludwigs große Thaten

Mit Schrecken in die Nacht der Finsterniß gerathen,

Und auf einmal verlöscht. Was Preußen da gethan,

Das zeigen, schweig ich gleich, viel andre besser an.

Dießmal betracht ich nicht, wie unser König blitzet,

Wann ihm der Feinde Trotz, der Freunde Schmach erhitzet;

Nein! sondern, wie er selbst halb todt darnieder liegt;

Und dennoch über Tod und auch sich selbsten siegt.

Charlott', ach! kann ich auch dieß große Wort noch sprechen?

Charlotte liegt erblast: und unsre Augen brechen

Zugleich vor kalter Angst. Wir sehen nichts, als Nacht:

Und gleichwohl sehen wir Europens Zierd' und Pracht,

Des größten Helden Lust, der Damen Preis und Krone,[488]

Das mütterliche Haupt von einem Königssohne,

Minervens Ebenbild, der keuschen Liebe Sitz,

Und alles, was jemals, Natur, Verstand und Witz

Nur herrliches gezeugt, nur schönes kann erdenken,

Ins Haus, ins schwarze Haus der bleichen Schaar versenken.

Ach! leider! allzuviel! zuviel auf einen Schlag!

Wer ist, der unsern Schmerz nur halb ergründen mag?

Und wer, der recht beschreibt, was unser König fühlet?

Wie dort, Euridice! dein Orpheus gespielet,

Wenn er des Morgens schon mit seiner Zitter Klang;

Wenn er des Abends noch von deiner Liebe sang;

So sieht man Friedrichen sich um Charlotten quälen:

So hört man seinen Mund ihr reiches Lob erzählen etc.


Sein übersetzter Telemach, gehört ins Fach der Epopeen, und ist nur übersetzet.

9. §. Nächst ihm ist ferner auch Amthor ein trefflicher heroischer Dichter gewesen, der ihn an erhabenen Gedanken und Ausdrückungen fast noch übertroffen hat. Diejenigen Stücke, womit er 1713. den königl. Dänischen Sieg über das Steenbockische Heer, und den Geburthstag Königs Friedrichs des IV. gefertiget, zeigen seine ganze Stärke.


Großmächtigster, so ists! vor deiner Waffen Blitzen

Kann in die Länge doch allein der Oelzweig schützen!

Der ungezähmte Feind entsagt dem starren Sinn,

Und legt den Lorber gern vor deinen Palmen hin:

Vergnügt bey seinem Fall, daß er zu deinen Füssen

Nur so gelinde mag den stolzen Frevel büssen;

Und da sonst Noth und Tod ihm unvermeidlich sind,

Er seine Rettung noch in deiner Gnade findt.

Der Vortheil, den er kaum durch schnöde List errungen,

Wird mit gerechtem Lohn ihm dreyfach abgedrungen,

Und was durch seinen Schein der Schweden Muth erhub,

War eben, was die Gruft zu ihrem Fehltritt grub.[489]

Die Trave mußte flugs den ungebahnten Rücken,

Durch Kunst und Fleiß besiegt, vor ihrem Anzug bücken:

Sie hielten Meklenburg für ihren Ruhm zu klein,

Und schlossen die Begier in keine Gränzen ein.

Umsonst trieb Boreas der Wolken starke Düfte,

Den kalten Flockengraus, durch die bezognen Lüfte:

Je tiefer sich der Frost in Tellus Schooß gelegt,

Je mehr ward jedes Wuth erhitzt und angeregt.

Ihr Eifer schlug so gar durch angehetzte Flammen,

Mit fremdem Scheelsuchtstrieb in eine Glut zusammen,

Die zwar den Stiftern hat Neronens Lust gebracht,

Doch sie mit ihrem Dampf auf ewig schwarz gemacht.

Ists möglich? hat der Neid zu diesem Brand gerathen?

Erhält man so das Lob der alten Heldenthaten?

Kann unbewehrtes Volk, nebst todtem Kalk und Stein,

Auch wohl der Gegenstand beherzter Leute seyn etc.


10. §. Endlich folgt Pietsch, der sowohl in seinem Siege Karls des VI. über die Türken, in IV. Büchern, als in vielen andern Lobgedichten auf seinen König, und andere Großen, zur Gnüge bewiesen, daß er ein Meister in dieser heroischen Art, ja fast allein dazu gebohren gewesen. Z.E. auf Karl den VI. hebt er so an:


Wo kämpft, wo siegt mein Karl? Ihr Musen führt mich hin!

Ein kriegrisches Geschrey bewegt mir Geist und Sinn,

Rückt den verwöhnten Fuß von unsern sanften Höhen,

Ihr sollt auf Waffen, Blut und kalten Leichen gehen.

Was fesselt mich und euch durch heimliche Gewalt?

Wird mein erloschner Trieb auf blassen Körpern kalt?

Will der geweihte Brand nicht meine Brust durchdringen;

Und läßt mein Phöbus mir kein feurig Lied gelingen:

So ruf ich dich, o Mars! um deine Flammen an,

Wer weis, ob nicht ein Held mehr als die Musen kann.


O Karl! ich sehe dich. Nun bin ich schon erhitzet!

Wer glüht, wer brennet nicht, wo deine Rechte blitzet?[490]

O Karl! ich sehe dich, und deinen Muth zugleich.

Wer nur an dich gedenkt, ist an Erfindung reich,

Wie du an Thaten bist. Man darf sie nicht erst suchen,

Und wenn man sie nicht findt, auf das Gestirne fluchen,

Wie sich ein armer Geist mit kleinen Werken quält;

Unsterblich großer Held! wer sich dein Lob erwählt,

Wird stark durch deine Macht. Ein jeder darf sich wagen,

Karl! Karl! man nennt dich nur, was kann man größers sagen?


Sind die Triumphe nicht ein Anfang deiner Kriege?

So fährest du auch fort, und endest mit dem Siege.

Der Sieg hat nur bey dir die Flügel abgelegt,

Und dein gegründtes Glück die Kugel nicht bewegt.

Weil dieses aber nicht von ungefehr geschehen:

So lässest du die Welt ein neues Schauspiel sehen,

Greifst deinen Donner an, und häufest Streich auf Streich,

Und häufest Sieg auf Sieg. Das ausgestreckte Reich,

Das Achmets Zepter drückt, zieht alle Kraft zusammen;

Doch du zertheilest sie mit schreckenvollen Flammen,

Und zehrest alles auf, was dir entgegen zieht,

Bis alles untergeht, bis alles vor dir flieht etc.


Ich schweige noch von Wenzeln, Philandern, und dem Corvinus, als die jenen vieren nicht gleichzuschätzen sind.

11. §. Sollte ich nun ferner auch auf die itztlebenden Dichter fortschreiten: so würde ich noch viel berühmte Namen zu nennen haben, die sich in dieser Schreibart hervorgethan. Herrn Hofr. Trillers Prinzenraub, des Herrn von Scheyb Theresiade, Herrn D. Lindners tartarische Schlacht, des Herrn Secret. Stöckels Gedichte, auf die neulichen preußischen Siege in Schlesien und Böhmen, Herrn M. Pantkens Lobgedichte auf Ludewigen den Weisen, von Anhalt-Köthen, u.a.m. würden mir solche Stücke darbiethen, die ich unmöglich übergehen könnte. Allein die Nachwelt wird[491] ihnen, und allen andern, die ich verschweige, auch ohne mich, Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Nur ein Paar von den verstorbenen, muß ich noch nachholen, die ich bald vergessen hätte, nämlich Günthern und Königen. Der erste hat viel Feuer, und edle Gedanken besessen, ein heroisches Gedicht recht gut abzufassen: wie man aus dem Lobgedichte auf den hochsel. König August sieht, welches er gleich darauf machte, als König ihn durch allerley Hofstreiche, um die Stelle eines Hofpoeten gebracht hatte. Dieß einzige Gedicht ist mehr werth, als alles, was König jemals geschrieben: allein es war zu spät; und wenn es gleich Kenner bey Hofe gegeben hätte, Günthers Verdienste recht zu schätzen. Indessen ist es nicht zu leugnen, daß die schmutzige Lebensart, darinn Günther sich, aus Armuth und böser Gewohnheit herumwälzete, auch in seine edelsten Gedichte allemal was niederträchtiges mit eingemenget: welches er vieleicht würde vermieden haben, wenn er bey Hofe hätte leben, und bessere Sitten lernen können. Königs Feder aber war viel zu steif und hölzern, und sein Geist viel zu schwer und kalt, als daß er sich zu dem heroischen Schwunge dieser Art von Gedichten hätte erheben können. Man darf nur sein Heldenlob, und hernach den August im Lager lesen: so wird man bald sehen, daß es unmöglich ist, ein Wohlgefallen an seinen Versen zu haben. Ihre Härte und Rauhigkeit benimmt allen seinen, zuweilen noch leidlichen Gedanken, den ganzen Werth: und eben daher ist es kein Wunder, daß sein I. Gesang vom August im Lager, zu Maclatur geworden; den Verfasser aber von der Fortsetzung abgeschrecket hat.

12. §. Aus Homers Exempel sehen wir, daß es bey Verfassung eines heroischen Lobgedichtes fürs erste rathsam sey, sich der langen Versart zu bedienen, die in jeder Sprache am prächtigsten klinget: ohne sie in gewisse Strophen abzutheilen; als welches sie den Oden ähnlich, und zu Gesängen machen würde. Die Epopee selbst hat in diesem Stücke nichts vor den Lobgedichten der Götter und Helden voraus:[492] denn beyde sind an Wichtigkeit des Inhaltes einander gleich. Daher sagt Horaz:


RES GESTÆ REGUMQUE DUCUMQUE ET TRISTIA BELLA,

QUO POSSENT NUMERO SCRIBI, MONSTRAVIT HOMERUS.


Könnten wir nun im Deutschen die Hexameter schon mit derjenigen Anmuth setzen, die dem Leser gefiele: so wäre es gar wohl erlaubt, auch Lobgedichte darinn abzufassen; wie Heräus solches auf Kaiser Karl den VI. versuchet hat. In Ermangelung dessen aber, haben unsere Vorgänger sich der sechsfüßigen Jamben mit ungetrennten Reimen, oder theils auch wohl der achtfüßigen Trochäen bedienet. Außer Neumarken, dessen ich oben erwähnet, hat auch Zesen, und noch in diesem Jahrhunderte Wenzel und Herr D. Lindner, solches mit gutem Erfolge gethan. Je prächtiger man nun den Wohlklang, und je reiner man das Sylbenmaaß in diesen Gedichten machen kann, desto besser wird es sie zieren: da hingegen ein gezwungenes, hartes Wesen dieselben sehr verstellet. Ferner lehrt Homers Beyspiel, daß man in solchen wichtigen Gedichten auch den Beystand einer Gottheit anrufen könne: zumal, wenn sie lang und weitläuftig gerathen. Dieses haben auch die meisten alten und neuern Dichter nachgeahmet; sonderlich, wenn sie ihre Arbeiten gar in etliche Bücher abgetheilet haben, so daß sie einigermaßen den Epopeen ähnlich gesehen. Allein auch hier haben die Anmerkungen statt, die im ersten Theile bereits davon gegeben worden. Ein christlicher Dichter thut besser, wenn er entweder den wahren Gott, oder den Geist Gottes, in geistlichen und sehr ernsthaften Materien; oder in weltlichen, die Wahrheit, die Tugend, die Großmuth, die Dankbarkeit, die Freundschaft, die Liebe, oder die Ehre anrufet; als wenn er immer bey der Muse Klio, oder Kalliope bleibt. Unsere Vorfahren haben dieses zwar gethan; und ich tadle sie deswegen nicht gänzlich: ob ich gleich sage, was besser ist.[493]

13. §. Was nun den Inhalt solcher Gedichte betrifft; so muß zuförderst der, so jemanden loben will, wissen, was für Eigenschaften eigentlich ein wahres Lob verdienen: denn sonst läuft er Gefahr, auch scheinbare Laster als große Tugenden heraus zu streichen, und dadurch bey den Verständigen zum Gelächter zu werden; bey Unverständigen aber viel Schaden zu stiften. Zweytens muß man den Character derjenigen Person wohl kennen, die man loben will; damit man ihr nicht unrechte Eigenschaften beylege. Denn aus den allgemeinen Quellen der Lobsprüche solche Schmäucheleyen zu schöpfen, die sich auf hundert andere eben so wohl schicken, als auf den, welchen man nennet; das heißt kein rechtes Lob, sondern eine niederträchtige Lobesucht,


Da keiner Weisheit Spur,

Kein Salz noch Eßig ist, als bloß der Fuchsschwanz nur.


wie Rachel sie beschreibt. Eine rechte Lobschrift muß sich ganz sonderbar auf denjenigen Helden schicken, den man lobt, und auf keinen andern gebraucht werden können. Es ist gratulantenmäßig, wenn man auf alle seine Gönner gleichsam einerley Verse macht; und ihre Gottesfurcht, Wohlthätigkeit etc. mit großem Geschreye erhebt. Eben so verächtlich ist der Kunstgriff, in dem Lobe eines neuern allemal einen alten Helden herunter zu machen. Venus muß nicht mehr schön, Alexander kein Held, Plato kein Philosoph, und Cicero kein Redner mehr seyn, wenn der Poet es so haben will. Oder man schmelzt gar alle große Leute des Alterthums zusammen, um einen einzigen Neuern daraus zu gießen: der doch gemeiniglich kaum werth ist, dem geringsten von jenen die Schuhe aufzulösen. Ein rechtschaffener Poet schämet sich dieser verächtlichen Schmäucheleyen, und lobet keinen, als von dem man was besonders zu sagen und zu rühmen weis.

14. §. Doch da die Gewohnheit es eingeführet hat, auf viele Leute Verse zu machen, wenn uns gleich keine solche ruhmwürdige Eigenschaften von ihnen bekannt sind: so bediene[494] man sich des Kunstgriffes, den Pindar ersonnen hat; wenn er auf die Ueberwinder in den olympischen Spielen nicht viel zu sagen wußte. Er lobte etwa einen andern griechischen Helden oder Gott, oder handelte eine ganz andere Materie ab, die nützlich und angenehm war: zuletzt aber dachte er nur mit wenigen Worten an denjenigen, dem zu Ehren es verfertiget wurde. Diese Erfindung hilft uns zuweilen ganze Bogen füllen, ehe mans gewahr wird. Man erzählet bey Königen und Fürsten das Alterthum ihres Hauses, die Thaten ihrer Vorfahren, in Kriegs- und Friedenszeiten; oder man schildert überhaupt das Bild guter Regenten, Feldherren, oder anderer großer Männer ab. Man beschreibt Tugenden und entgegengesetzte Laster, so viel sich ohne Beleidigung dessen, den man ehren will, thun läßt. Die Gedichte werden auch eben dadurch für andere Leser erbaulicher, und kommen also eher bis auf die Nachwelt, als wenn sie lauter kalte Lobsprüche in sich halten. Zum wenigsten muß man hier und dar lehrreiche Ausschweifungen zu machen bedacht seyn; um dem Ekel der Leser zuvor zu kommen. Man sehe nur zu, daß man nicht gar zu weit gesuchte Materien ausführe; die sich auf keine andere Weise auf unsern Helden deuten lassen, als wenn man sagt: Doch, wo gerath ich hin?

15. §. Die Schreibart aller dieser Gedichte muß, nach Beschaffenheit der Sachen und Personen, davon sie handeln, bald prächtig und erhaben, bald sinnreich und nachdenklich, bald pathetisch, bald auch natürlich werden. Hofrath Pietsch hat in seinen meisten Gedichten eine so edle Art des Ausdruckes, und so erhabene Gedanken gebrauchet, daß er zu solchen Lobgedichten fast allein gebohren zu seyn geschienen: wie man unter andern aus seinem Gedichte auf den Grafen zu Waldburg, und dem langen Gesange auf den Prinzen Eugen sehen kann, der sich anhebt: O feuriger Eugen! der aber einer Ode ähnlicher sieht, als einem heroischen Gedichte. Opitz giebt in seinem Lobgedichte auf den König [495] Vladislas, ein treffliches Muster einer edlen Einfalt des Ausdruckes. Er geht nicht auf Stelzen, sondern ist von Natur durch die Art seiner Gedanken erhaben. Er kennet die Pflichten eines Königes, und alles dessen, was ihn wirklich groß machet. Dieses schildert er nun so natürlich, daß er seinen Leser dahin reißt, und ihn in Bewunderung seines Helden setzet. Sein Herz, und nicht sein Witz scheint die Feder zu führen, wenn er lobet. Nächst ihm hat Neukirch in seinen Lobgedichten auf den König in Preußen die rechte Schreibart in seiner Gewalt gehabt. Auch er flößt lauter edle Bilder von seinem Helden ein: da hergegen König, wenn er den Augustus loben will, nur auf seine Stärke, große Nase, und starke Augenbraunen verfällt: gerade als ob solche Kleinigkeiten zu der Würde eines Königes etwas beytrügen. Auch das ist tadelhaft, wenn Dichter in ihren Lobgedichten auf Fürsten, nur ihre Kronen, Gold, Edelsteine, Purpur, Sammt, Trabanten, Pracht und Gefolge loben. Dieß sind Dinge, die zwar des Pöbels Augen blenden, aber keine wahre Größe zeigen. Ein Nero kann sie eben sowohl, als ein Titus und Trajan haben: aber diese wissen andere Mittel, sich ansehnlich und beliebt zu machen. Ein Dichter muß die Gedanken seiner Leser über die Vorurtheile des gemeinen Wahnes zu erheben, nicht aber darinn zu bestärken suchen. Man hüte sich endlich auch vor allen schwülstigen Ausdrückungen, in welche die lohensteinische Schule eine Zeitlang gerathen war; und wovon auch Neukirch in seiner Jugend angestecket gewesen. Eben deswegen habe ich aus der Sammlung seiner Gedichte, die ich ans Licht gestellet, alle die Stücke ausgeschlossen, darinn dieser böse Geschmack noch herrschete.

16. §. Doch ehe ich dieses Hauptstück schließe, muß ich noch etwas erinnern, was zu diesem und allen vorhergehenden Hauptstücken dieses andern Theiles gehöret. Es betrifft die Titel, die man zu seinen Gedichten machen soll. Hier fragt sichs nun, wie man dieselben einzurichten habe? Viele[496] Leute lieben die gekünstelten oder hochtrabenden, das ist, die metaphorischen oder allegorischen Titel: und diese pflegen ihre vornehmste Erfindungskraft schon auf der Ueberschrift zu verschwenden. Neidhard hat eine Cantate gemacht, deren Titel dieser war: die mit blauen Adlersflügeln gen Himmel geflogenen güldenen Sonnen. Die Erfindung war aus dem Wappen desjenigen Grafen genommen, bey dessen Leiche dieses Stück zur Trauermusik dienete. Wer sieht aber nicht, wie ungereimt die Phantasie des Poeten gewesen, der das Herz gehabt, die blauen Flügel an die Sonnen zu setzen, um sie damit gen Himmel fliegen zu lassen? In andern Gedichten findet man eben solche Ausschweifungen: ja in ganzen Büchern der Poeten ist es nichts seltsames, daß man poetische Trichter, Helikone, Parnasse, Tempel, Altäre, Rosenblätter, Rosengebüsche, Cedern- Lor- bern- Myrten- und Cypressen-Häyne, Posaunen, Harfen, Glocken, Cymbeln, und warum nicht auch Schällen? von ihnen zu sehen bekömmt.

17. §. Allein, wenn ich die Wahrheit davon gestehen soll; so machen alle diese metaphorische Titel einem Buche kein sonderliches Ansehen. Die Alten haben ihren größten und besten Gedichten sehr einfache und schlechte Namen gegeben. Die Ilias und Aeneis, nebst allen Trauerspielen der Griechen, können genugsam davon zeugen. Andere kleine Werke, hießen auch schlechtweg, Ode, Idylle, Satire, Elegie, Schreiben, Sinngedichte, u.s.w. ohne ein großes Geprale von dem wunderwürdigen Inhalte solcher Stücke zu machen. Und in den neuern Zeiten, haben auch die besten Dichter sich solcher hochtrabenden Titel enthalten. Man sieht wohl, daß Opitz, Flemming, Kanitz, Besser, Philander und Günther sich aller dieser weitgesuchten Ueberschriften, sowohl in einzelnen Stücken, als in ganzen Sammlungen enthalten haben. Bey denen aber, die sich auf eine pralerische Art mit seltsamen Ueberschriften breit gemachet haben, hat es mehrentheils geheißen:[497]


QUID TANTO DIGNUM FERET HIC PROMISSOR HIATU?

PARTURIUNT MONTES, NASCETUR RIDICULUS MUS.


Man bleibe also bey einer ungezwungenen natürlichen Kürze in den Titeln seiner Gedichte; und halte fest dafür: daß es weit besser sey, wann hernach im Gedichte oder im Buche mehr enthalten ist, als man aus dem Titel vermuthet hätte; als wenn auf dem Titel mehr wäre versprochen worden, als der Poet im Werke selbst leisten gewollt oder gekonnt:


NON FUMUM EX FULGORE, SED EX FUMO DARE LUCEM

COGITAT, UT SPECIOSA DEHINC MIRACULA PROMAT.


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 6,2, Berlin und New York 1968–1987, S. 477-498.
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