Zweyter Auftritt

[14] Jungfer Lottchen wirft den Brief verächtlich auf den Tisch, indem kömmt der junge Reinhart.


JUNGFER LOTTCHEN. Ihre Dienerinn, mein Herr Reinhart.

HERR REINHART. Ergebenster Diener, ist der Herr Vielwitz noch nicht hier?

JUNGFER LOTTCHEN. Nein, aber Ihr Papa ist hier gewesen, und hat mich versichert, daß er Ihnen auftragen wollte, den jungen Vielwitz vernünftig zu machen.

HERR REINHART. Was? meynt mein Vater, daß ich unmögliche Dinge möglich machen kann?

JUNGFER LOTTCHEN lacht. So wie es scheint, traut er Ihnen das zu.

HERR REINHART. Wenn mein Vater nicht mein Vater wäre, so würden wir, der junge Herr Vielwitz und ich, uns gar selten sprechen.

JUNGFER LOTTCHEN lächelnd. Ey! seyn Sie immer so gut, und machen Sie ihn ein wenig gescheidt. Es ist zu meinem Besten.

HERR REINHART. Wie? zu Ihrem Besten?

JUNGFER LOTTCHEN lachend. Ja, Sie müssen wissen, daß ich im Sinne habe, einmal eine Frau Vielwitzinn zu werden.

HERR REINHART. Sie? Sie?

JUNGFER LOTTCHEN. Ja, ja! ich! Es giebt gute christliche Herzen, die mir dieß Glück wünschen.

HERR REINHART. Ich merke schon, was Sie damit meynen; darum mag ich meine Gedanken nicht sagen. Ich möchte auf eine Person treffen, der ich Ehrfurcht schuldig bin.

JUNGFER LOTTCHEN. Ach lieber Herr Reinhart, helfen Sie mir nur bey eben der Person, den Menschen verhaßt machen!

HERR REINHART. Ach! das wollen wir ihm selbst überlassen. Glauben Sie nur, er wird sich schon selbst bey meinem Vater, und allen andern so verhaßt machen, daß wir alle Mühe dabey werden ersparen können. Dergleichen hochmüthige und kützelhärige Leute machen ihr Glück in der Welt niemals. Das habe ich schon oft erlebet.[14]

JUNGFER LOTTCHEN. Nun! mit mir ist er fertig. Ich weis schon, was ich von ihm halten soll.

HERR REINHART. Ich auch. Zum mindesten werde ich mich vor noch einer solchen schlaflosen Nacht hüten, als die vorige gewesen ist.

JUNGFER LOTTCHEN. Wie so? warum haben Sie nicht geschlafen?

HERR REINHART. Gestern Abends bath er mich, ich möchte doch noch zu ihm auf sein Zimmer kommen, weil er nicht so früh zu Bette gehen könnte. Ich saß zwar schon selber bey einem Buche, darinn ich viel lieber gelesen hätte: indessen gieng ich, theils aus Höflichkeit, theils meinem Vater zu gefallen, zu ihm. Allein! ein Schelm der ihm wieder kömmt! vor drey Uhren des Morgens bin ich nicht von seiner Stube gekommen.

JUNGFER LOTTCHEN. Wie so? Sie werden doch nicht mit einander noch poculirt haben?

HERR REINHART lachend. Ach nein! Es gieng ganz trocken zu! Zum mindesten floß nichts als die Hippokrene bey uns. Denn er empfing mich mit Versen, und unterhielt mich mit Versen. Was er seit 5 oder 6 Jahren gemacht hat, das sagte er mir erst alles auswendig her, bis er ganz blau im Gesichte ward, und der Schaum ihm vor dem Munde stand. Nachmals kam er auf seine Jugendgedichte, und da holte er einen großen Ballen Papier hervor, daß ich vor Schrecken bald des Todes war. Daran mußte ich nun meine Pein hören, bis die Glocke drey schlug.

JUNGFER LOTTCHEN lacht sehr. Warum schliefen Sie aber nicht ein dabey?

HERR REINHART. Ja! wenn das vor dem Geschrey angienge. Es ist nicht anders, als wenn die jungen Dichter eine quackerische Begeisterung überfällt, wann sie jemanden ihre Gedichte vorlesen, oder vorsagen. Sie sind alsdann ärgere Schreyer, als der Stentor.

JUNGFER LOTTCHEN lacht. Nun! das gefällt mir!

HERR REINHART. Ich weis aber wohl, was ich thun werde. Ich will ihm den jungen Sinnreich und Jambus einmal des Abends auf die Stube schicken. Das sind auch solche Herren, die sich auf ihre Gedichte was rechts einbilden, und sie gern alle Menschen auswendig lehren möchten. Da wird nun eine rechte Hetze angehen! Entweder sie werden alle drey zugleich schreyen; oder einer wird dem andern das Maul zuhalten müssen. Er lacht.[15]

JUNGFER LOTTCHEN. O! da müssen Sie mir sagen, wenn Sie das thun wollen. Da will ich doch die schöne Comödie zum mindesten vor der Thüre anhören.

HERR REINHART. Ey, Sie sollen jetzo gleich einen schönen Vorschmack davon haben; denn die Wahrheit zu sagen, ich habe sie herbestellt. Sie werden mir das nicht übel nehmen.

JUNGFER LOTTCHEN. Ey was haben Sie gemacht? Sollt ich die poetische Cordegarde hier in meinem Zimmer haben?

HERR REINHART. Sie wird Ihnen tausend Lust machen! Und wer weis, wozu es gut seyn kann?

JUNGFER LOTTCHEN. Ich wollte mein Gehör gern bis an mein Ende behalten, und die – – –


Quelle:
Luise Adelgunde Victorie Gottsched: Der Witzling. Berlin 1962, S. 14-16.
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