10. Der Ave-Marien-Ritter zu Altenberg.

[13] (Nach Cäsar. v. Heisterb. Exhortat., poetisch behandelt von Montanus Bd. I. S. 26.)


Einst lebte im Bergischen Lande ein edler Ritter, der in mancher Schlacht und Ritterspiel als der Tapferste befunden worden war, allein wie der Mensch Alles zum Ueberdruß bekommt, so ward auch ihm Kampf und Turnier, Jagd und Zechgelage schließlich zum Ekel und er beschloß, fortan nur dem Dienste des Herrn zu leben. Er trat also in das Altenberger Kloster als Novize und ward bald der frömmste Bruder im ganzen Stifte. Allein er mochte sich bemühen, wie er wollte, es war ihm geradezu unmöglich die lateinischen Gebete und Gesänge auswendig zu lernen. Das einzige was er behalten konnte, war der Spruch Ave-Maria d.h. gegrüßet seist Du, Maria! Der Prior gab ihm einen Lehrer, der ihm das Confiteor, Credo und Paternoster beibringen sollte. Alles vergebens, er konnte sich nichts merken, sondern betete Jahr aus Jahr ein inbrünstig nur sein Ave-Maria. So kam es endlich zum Sterben und da blieb sein letztes Wort: Ave-Maria. Auf dem Friedhofe des Klosters ward er zur Erde bestattet; am Morgen darauf stand eine weiße Lilie auf seinem Grabhügel. Diese war in der Nacht von selbst gewachsen, sie glänzte in blendender Weiße, aber auf jedem ihrer Blüthenblätter las man in goldenen Buchstaben: Ave-Maria! Man öffnete das Grab und siehe da, der Lilienstengel sproß aus des frommen Beters Munde. Da erkannte man wohl, daß seine einfachen Worte ob seiner reichen Liebe bei dem Herrn Gnade gefunden hatten.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 13.
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