139. Die gespenstigen Kogelherren zu Wolf.

[156] (S. Merck S. 134 etc.)


Auf der Höhe des sogenannten Gückel- oder Gipfelbergs im Moselthale liegen die Ruinen des im Jahre 1487 gestifteten Klosters Wolf, das von den sogenannten Kogel- oder Fraterherren, deren Orden Gerhard Groot gestiftet hatte, und von ihren runden Hüten (Kogeln) ihren Namen erhielten, besetzt ward. Dieselben wurden jedoch später von den Jesuiten, die sich dort festsetzten, verdrängt. Von diesen Mönchen erzählt man sich folgende Sage.

In Traben lebte um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein sehr begüterter Weinbergsbesitzer, der eine schöne Tochter besaß, der es natürlich aus diesem Grunde und dann weil ihr Vater eben als sehr wohlhabend galt, nicht an Freiern fehlte. Unter Allen war ihrem Vater jedoch der Hauptmann der damals zu Trarbach in Besatzung liegenden Holländer, ein schon älterer Mann, der liebste, freilich gefiel er aber der Tochter weniger,[156] denn diese hatte bereits ihr Herz an einen jungen Bauer aus dem nahegelegenen Cröff verschenkt. Da aber der Vater von dieser Verbindung nichts wissen wollte, so mußten die Liebenden heimlich mit einander zusammenkommen, dies thaten sie entweder in dem Hause einer alten Verwandten des Mädchens zu Cröff, oder in den Ruinen des Klosters Wolf. Natürlich blieben diese Zusammenkünfte nicht verborgen, sie wurden dem Vater des Mädchens durch den Hauptmann hinterbracht und an einem schönen Sommerabend versteckten sich Beide hinter dem bemoosten Gesteine jener alten Mauertrümmer, um zu sehen ob nicht auf der Mosel der Nachen, in welchem der Bauerbursche gewöhnlich von Cröff herüberzukommen pflegte, sich sehen lasse. Es kam aber nichts und schon wollten die Lauerer unverrichteter Sache nach Hause zurückkehren, da begann sich der Himmel zu verdüstern, schwere Wolken ballten sich zusammen und plötzlicher Sturmwind fegte sie zu einem Gewitter zusammen. Sie waren also genöthigt das Wetter, hier so halb und halb geschützt, abzuwarten. Jetzt schlug es auf dem Kirchthurm zu Cröff zwölf und noch war der letzte Klang der Glocken nicht verhallt, als der Hauptmann, der allein wach geblieben war, denn sein Begleiter war fest eingeschlafen, rings um sich ein Knistern, Flüstern, Stöhnen und Seufzen vernahm, welches ihm das Haar emporsträubte. Plötzlich blendete ein matter, falber Lichtstrahl seine Augen und siehe zu seinem Entsetzen schritt langsam aus den verfallenen Kreuzgängen ein langer Zug männlicher Gestalten in seltsamen schwarzen Kutten einher, in den mageren Händen trugen sie vergelbte brennende Wachskerzen, die einen fahlen Schimmer verbreiteten, ihre Gesichter waren aschgrau und todtenbleich, ihre Augen geschlossen, und immer mehre und mehre traten aus den Gewölben hinter den Pfeilern hervor und sammelten sich auf einem kleinen freien Platze, wo sie einen Chorgesang anstimmten, der aber so entsetzlich schauerlich klang, daß dem sprachlos dastehenden Hauptmann das Blut in den Adern zu Eis erstarrte. Als die gespenstigen Ordensherrn ihren Gesang beendigt, zogen sie langsam weiter und kamen gerade auf den seitwärts stehenden Holländer zu. In ihrer Mitte schritten acht Brüder, welche einen großen Sarg trugen, und von Neuem erscholl der schauerliche Gesang, aber noch entsetzlicher und stärker als zuvor. Als sie aber näher und immer näher herangeschwebt kamen, da packten den Hauptmann alle Schrecknisse der Geisterwelt, mit einem entsetzlichen Schrei sprang er auf und rannte, als ob alle Geister und Furien der Hölle sich an seinen Fuß geheftet, den Berg hinab. Von diesem Schrei erwachte sein Begleiter, halb träumend sah er noch, wie die spukhafte Schaar, einer nach dem andern, in der Mosel verschwand. Am nächsten Morgen suchte man nach dem Hauptmann, man fand ihn unter dem Abhang eines Felsens mit zerbrochenem Genick. Seit der Zeit hat Niemand wieder gewagt, um Mitternacht hier oben zu verweilen. Der Weinbergsbesitzer legte übrigens der Verbindung seiner Tochter mit dem Bauer nichts mehr in den Weg, und so hatte der gespenstige Spuk wenigstens etwas genützt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 156-157.
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