144. Der Mann mit dem bleiernen Mantel und Hut.

[159] (Nach Merck S. 171.)


Vor langen Jahren war über das Waldgebiet längs der Römerstraße, welche sich vom stumpfen Thurm bis nach dem Castell des Kaisers Constantin ausdehnte, ein Förster gesetzt, der im ganzen Land, soweit sich sein grünes Gebiet erstreckte, von Jedermann gefürchtet und gehaßt war. Namentlich war er sehr streng gegen die Armen, die sich Holz in seinen Wäldern holten. Als er aber einstmals in frevelhaftem Uebermuth einer armen alten Frau, statt des erbetenen Holzes, eine Bürde Unrath auf die schwachen Schultern ladete, so daß die Unglückliche unter der Last zusammensank, da war sein Maaß voll. Die Greisin verfluchte ihn und rief, auch nach seinem Tode solle er keine Ruhe finden und mit einer unerträglichen Last beladen die Wälder durchstreifen. Als sein Stündlein schlug, da sargten ihn bezahlte Leute ein und bezahlte Leute begruben ihn. Nach dem Fluche jener gepeinigten Greisin ward er verdammt, die Wälder zu durchstreifen, umhüllt mit einem bleiernen Mantel und einem Hut von entsetzlicher Schwere. So trieb er Jahrhunderte hindurch sein schreckliches Wesen und die Bauern, die er schon bei Lebzeiten zur Genüge gepeinigt, mußten seine Gegenwart auch noch im Tode empfinden. Oft sauste er durch das Dickicht und heulte so gräßlich, daß es denen, die sich verspätet, durch Mark und Gebein drang. Er sollte nicht eher erlöst werden, als bis es ein kühner Sterblicher wagen würde, ihm Hut und Mantel zu entreißen. Dies scheint geschehen zu sein, denn jetzt läßt er sich nicht mehr sehen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 159-160.
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