37. Der Rüden bei Solingen.

[49] (Poetisch behandelt von Montanus Bd. I. S. 262 etc.)


Kaum eine Stunde von Solingen entfernt liegt in der Gemeinde Hölzscheidt die Ortschaft Rüden an einer der schönsten Stellen des Wupperthals. Dieselbe hat ihren Namen von der kolossalen Büste eines Hundes, die bis zum Anfang des 17. Jhdts. auf einer Steinklippe links von dem Orte, am Rüden genannt, gestanden hatte. Ursache dieser Benennung war aber folgende Begebenheit gewesen.

Zu Anfange des 15. Jhdts. ward einmal (im J. 1414) in der Christwoche eine große Jagd in den Wäldern des Wupperthales gehalten, Berge und Thäler starrten vor Eis und Schnee, allein das war gerade ein Wetter, wie es die Jäger gern haben und mancher Bewohner des Forstes hatte die weiße Decke des Erdbodens mit seinem Blute roth gefärbt. So kam der Abend heran und die Stunde, wo alle Jäger im Wupperhofe zusammentreffen sollten. Es war schon sehr spät, Alle waren beisammen, nur Einer fehlte, und dies war gerade der vornehmste der ganzen Jagdgesellschaft, Robert, der Sohn Herzogs Adolphs I. von Berg, ein schöner Jüngling von kaum 20 Jahren. Man sandte vergeblich Leute nach ihm aus, man ließ um sonst Hornsignale nach allen Theilen des Forstes erschallen, um ihm, wenn er sich verirrt, den Weg nach Hause zu zeigen, kein Robert ließ sich sehen. Auf einmal kam die große Dogge des Prinzen den Suchenden in den Weg gelaufen, heulte und bellte ihnen entgegen, sprang den Berg hinan und herab, biß die Pferde in die Beine und versuchte auf jede Weise die Aufmerksamkeit des Jagdgefolges auf sich zu ziehen. Zwar jagte man ihn anfangs mit Schlägen fort, als er aber immer wiederkehrte, da meinte doch zuletzt einer der Jäger, der kluge Hund müsse irgend etwas durch dieses Bellen und[49] Hinundherlaufen anzeigen wollen, und so folgte man ihm denn Berg auf Berg ab auf ungebahnten Wegen, bis man endlich sah, wie er sich von einer Felsenwand in die Tiefe stürzte. Man eilte ihm freilich auf Umwegen nach und siehe tief unten in einer Kluft lag der junge Graf unter seinem zerschmetterten Rosse, der Hund aber stand bei ihm, leckte seine Wunden und suchte ihn mit den Zähnen hervorzuziehen. Was den schwachen Kräften des treuen Thieres aber nicht gelungen war, das war den vereinten Anstrengungen der Jäger leicht, man zog den schwer verwundeten Prinzen hervor und trug ihn nach dem Jagdschlosse. Als er aber nach wochenlangem Krankenlager endlich wieder genesen war, da war sein Erstes, daß er das Bild des treuen Rüden durch einen geschickten Steinmetzen in Stein aushauen und dieses Denkmal der Hundetreue auf der Klippe, von welcher er herabgestürzt war, aufstellen ließ.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 49-50.
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