1020. Das Fest der h. drei Könige zu Ankum.

[845] (S. Hartmann in d. Mittheil. a.a.O. Bd. VII. S. 322 etc.)


In Ankum zogen sonst am Dreikönigsabend (dem alten Perchten- oder Berchten-Tage) Knaben, je drei zusammen, als die drei Weisen des Morgenlandes verkleidet von Haus zu Haus. Sie hatten ihr Gesicht geschwärzt, weiße Hemden übergezogen und der größte von ihnen trug eine Laterne von geöltem Papier, welche auf einem Stock befestigt und oben offen war. In der Mitte derselben brannte ein Licht und an den Seiten waren als besonderer Schmuck ausgeschnittene Heiligenbilder aufgeklebt. Während nun der Träger seine Laterne in immerwährender Drehung erhielt, sangen alle Drei folgendes Lied:


»Glück zu, Glück zu, zum neuen Jahr

Das leuchten uns die Sterne klar.


Wir gehen und sehen die Sterne klar,

Laßt uns hingehen und opfern dar.[845]


Nach Bethlehem in Davids Stadt

Wohin uns der Stern gewiesen hat.


Wir kamen wohl durch den Berg herfür

Wir kamen wohl vor Herodes Thür.


Herodes sprach mit falschem Sinn:

Wo seid Ihr gewesen, wo wollt Ihr hin?


Wir sind die drei Weisen aus Morgenland,

Die Sonne hat uns schwarz gebrannt.


Nach Bethlehem steht unser Sinn,

Da sind wir gewesen, da wollen wir hin.


Nach Bethlehem, nach Davids Stadt

Allwo der Stern ganz stille stand.


Er stand so still und war so froh,

Und zeigte uns den Ort also.«


Wenn nun die Sänger durch kleine Geschenke zufriedengestellt waren, dann schlossen sie mit folgenden Versen:


»Sie haben uns eine Vescheerung gegeben,

Der liebe Gott laß uns in Frieden leben.


In Frieden leben wohl immerdar

Das wünschen wir Euch zum neuen Jahr.


Das neue Jahr, das alte Jahr

Daß Euch kein Unglück widerfahr'.«


Im Fall aber, daß nichts gegeben wurde, fangen sie:


»Sie haben uns keine Bescheerung gegeben,

Der liebe Gott laß Euch kein' Tag mehr leben.

Kein' Tag, kein' Stund, kein' Augenblick,

Der Teufel führ' Euch ins Galgenstrick.«


Andere kleinere Kinder, nicht verkleidet und meistens Mädchen, welche ihre frierenden Händchen unter den Schürzen verbargen, sangen ebenfalls von Haus zu Haus und sammelten Gaben ein. Das größere Lied, was sie sangen, hieß:


»Kindken, Kindken Jeisus

Giv uns ein pund deigus (Teig)

Lütke Stücke

Grot Gelücke.

Selges nies Jahrsavend,

As de kinner naer scholn gingen,

Harrn se gern wat eten,

Harrn nich enen beeten.

Lewe moor, gaht na'n spiker,

Soeket wat ji finen koent

Keise und Brod

Godes lohn.

En stuecke van de teuten (Torten)

Da koenn wie scheun na fleuten,

En stuecke van de schinken,

Da koenn wi goot na drinken.

Rosenblad!

Schöne Stadt!

Schöne junge deeren,

Gevt us wat!

Drei mile Weges is no wiet

Gevt us wat, so were ji us quiet.«


Ein kleines Lied, welches ebenfalls gesungen ward, lautete:


»Hilgen drei konige sin hoch geborn

Mari moder Godes heft kindken verlorn,

Kinken was in Gipken (Aegypten) land,

Gipken land was wohl bekand.

Da seiten drei Duefkens (Tauben) up eene Duer,

Dei eene was kolt, dei anre was warm,

Dei dridde nam Mari moder Godes in Arm.«


Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 845-846.
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