1049. Graf Rudolph von Diepholz.

[861] (S. Nieberding a.a.O. S. 50.)


Der junge Graf Rudolph von Diepholz wünschte nach dem Geiste seiner Zeit auf Abenteuer auszugehen und gelangte nach manchem Turnier endlich ins Schwedenland, wo er sich anfangs als Küchenjunge an den Hof des Königs Waldemar verdingte und sich bald zum Kämmerling des Königs emporschwang. Einst auf der Jagd einen Hirsch verfolgend verirrte er sich in einem Walde, wo er eine schöne Jungfrau antraf, die ihm einen köstlichen mit Edelsteinen besetzten Ring verehrte und ihn wieder auf den rechten Weg zu den Seinigen begleitete. Einst in der Nacht, als der Jüngling bei dem Könige die Wache hatte, fiel diesem der glänzende Stein in dem Ringe auf, und der Jüngling mußte ihm seine Herkunft, und wie er zu dem Ringe gekommen war, entdecken. Da gab der König Waldemar dem Jünglinge, den er wegen seines besondern Wohlverhaltens schon lieb gewonnen hatte, seine Tochter Marina, und seine andere Tochter dem Herzog Primislaus in Pommern, der sich schon länger um dieselbe beworben hatte. Beider Beilager wurde zu Nicoden an einem Tage gefeiert und Graf Rudolph kehrte mit seiner Gemahlin und großen Schätzen in seine Grafschaft zurück, wo seine Unterthanen ihn an der Brücke bei Goldenstätt empfingen. Die junge Gräfin warf hier eine Menge Goldmünzen unter dieselben aus und von dieser Zeit an führt die Brücke den Namen die »Goldene Brücke« und der Ort den Namen »Goldenstede.«

Auf dem Amthause zu Lemförde soll sich ein Gemälde befinden oder befunden haben, auch in Stein ausgehauen gewesen sein, auf welchem Graf Rudolph und diese Geschichte abgebildet war mit folgender Inschrift:


Rudolph von Diepholdt geborner Graf

Dient in Schweden an Königs Hof

Für einen Küchenjungen ohnbekandt

Ward des Königs Kämmerling zuhandt.


Drauf er einen Hirsch nachspürt

Vnd dadurch in den Wald verirrt,

Trift an ein Jungfraw lobesan,

Die zeigt ihm die rechte Straß und Bahn.


Vnd damit künftig solche Ding

Nicht vergessen, gab sie ihm ein Ring,

Versetzet mit Carfunkelstein,

Der gab von sich gar hellen Schein.


Einstmals der König in der Nacht

Deß Steins Glantz sah, in Kundschaft bracht,

Woher der Ring vnd Jüngling geborn,

Darauf ihn Fräwlein Marina erkohrn.


Welche vom König Waldemar

Mit seiner Gemahl Ehlich gezeuget war

Vnd ihr Schwester eben der Zeit

Primsla Hertzoge in Pommern gefreyt.


Der beyden Beylagr auf einen Tag

Zu Nicoden hernach geschah,

Aus Königs Hof mit Ritterspiel

Panquet, Thurnier vnd Fremden viel.


Diese Geschichte soll nach Hirtzwigs Ehrengedächtniß der Gräfin Anna Margaretha 1011 geschehen sein.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 861-862.
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