1161. Der grundlose Kolk.

[936] (S. Firmenich a.a.O. S. 207.)


Nicht weit von Frilingen in der Heide ist ein ganz kleines, nicht abfließendes stehendes Gewässer, das ungeheuer tief ist und deshalb das unergründliche Loch oder der grundlose Kolk genannt wird. Bisher hat kein Mensch den Grund desselben erkundet. Vor langen Jahren, als zu Frilingen ein Bauer Hochzeit hielt, wollte er dies mit mehreren seiner Freunde versuchen und ließ ein langes Seil, woran ein großer Kessel voll Steine gebunden war, in das Loch hinunter. Sie waren noch dabei beschäftigt, als das Wasser im Kolke zu kochen und immer mehr zu brausen anfing, bis auf einmal ein schreckliches Thier zum Vorschein kam. Es sah aus wie ein Weib, hatte zwei große Brüste, langes Haar und lange Arme, hinten aber statt der Beine einen langen Schwanz, womit es ganz gewaltig hin und her ins Wasser schlug. Der ganze Leib war mit Schuppen bedeckt. Mit grimmiger Miene fing das Thier an die Leute anzuschielen, daß sie das stille Wasser störten, und sagte, sobald als wieder einer versuchen werde, den Kolk zu ergründen, so solle der rothe Hahn über Frilingen und Soltau krähen. Nach diesen Worten verschwand das Thier wieder im Wasser und die Hochzeitsleute gingen ganz bestürzt nach Frilingen zurück. Damit nun aber das nicht eintreffe, was das Thier vorausgesagt hat, hat Niemand bis auf den heutigen Tag es versucht, das Frilinger Loch in seiner Tiefe auszumessen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 936-937.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band