1179. Frau als Hexe.

[946] (S. Schambach u. Müller S. 166.)


In einem Dorfe bei Hildesheim hatte vor langer Zeit ein Bauer eine hübsche junge Frau, die ging in Sammt und Seide und trug auch selbst Alltags goldene Mützen. Aber Keiner im Dorfe mochte das stolze Weib leiden, und die Leute sagten, es gehe doch wohl nicht mit rechten Dingen zu, daß die Frau immer die beste Butter an den Markt bringe und so viel Geld verdiene. Die Frau ließ aber auch nicht gern einen Andern an das Butterfaß, sondern butterte immer selbst. Eines Tages hatte sie aber einen nothwendigen Weg in die Stadt zu machen und befahl der Magd, die unterdessen buttern sollte, recht fleißig zu sein, und das Butterfaß ja nicht von der Stelle zu rücken, sonst werde es ihr schlimm gehen. Als die Frau fort war, konnte die Magd vor Neugier nicht ruhen und rasten und hätte für ihr Leben gern unter das Butterfaß gesehen, aber sie fürchtete sich vor ihrer bösen Frau und fing an zu buttern, was auch sehr gut ging. »Ei,« dachte die neugierige Magd, »es wird doch nicht schaden, wenn Du das Butterfaß nur ein klein wenig auf die Seite biegst.« Als sie es gethan hatte, sah sie eine dicke fette Kröte unter dem Butterfasse sitzen. Die Magd, die nicht wußte, daß ihre Frau eine Hexe war, sagte: »Was hast Du häßliches Lork hier zu sitzen?« nahm eine Feuerzange, faßte die giftige Kröte damit an und warf sie vor die Thür mitten auf die Straße. Nun ging die Magd wieder rüstig an die Arbeit, aber sie mochte buttern, soviel sie wollte, die Butter ward nicht fertig. Da wurde ihr recht bang, als es Abend wurde und die Frau zurückkam. Diese war sehr böse, als sie ins Haus trat. »Nun, ist die Butter fertig?« sagte sie zur Magd und sah sie zornig an. »Was hast Du angerichtet? was hast Du unter dem Fasse weggenommen?« Da weinte die Magd bitterlich und sagte: »Ach, ich habe nur eine häßliche[946] Kröte unter dem Fasse weggenommen und auf die Straße geworfen.« Da gab die böse Frau der Magd eine Ohrfeige, daß ihr der Hexenschuß durch alle Glieder fuhr und sie sich zu Bette legen mußte. Die Frau aber trat vor die Thür und rief:


Düweletgen,

Teufelchen,

Kum under use botterfätgen!

Komm unter unser Butterfäßchen!

Use magd is uneweten,

Unsere Magd ist unwissend,

Hat dek up de straten gesmeten.

Hat Dich auf die Straße geschmissen.


Da kroch die Kröte aus einem Wagengleise hervor und wieder unter das Butterfaß und in wenig Minuten war die schönste Butter fertig.

Die geschlagene Magd aber wußte nun, daß ihre Frau eine Hexe war, und sagte ihrem Herrn, was sie erlebt hatte. Von dem Augenblick an war dem Bauern, der ein frommer Mann war, seine Frau zuwider und er beschloß ihr ordentlich auf die Finger zu sehen. Noch in derselben Nacht, als er mit seinem bösen Weib zu Bett gegangen war, that er, als ob er schliefe, und als die Glocke zwölf schlug, sah er richtig seine Frau aufstehen und sich anziehen. Dann ging sie in die Küche, wo sie einen alten eisernen Kasten stehen hatte, wozu sie den Schlüssel immer auf der Brust trug (nie hatte der Mann dahinter kommen können, was eigentlich darin war), diesen Kasten nahm nun die Frau auf den Arm, setzte sich auf die Ofengabel und war alsbald zum Schornstein hinaus. Da zog der Bauer sich die Bettdecke über den Kopf, denn an jedem Haar hing ihm ein Angstschweißtropfen. Er hatte auch nicht lange gelegen, als die Hexe wieder mit ihrem Kasten durch den Schornstein herunterfuhr. Ehe sie nun ihre Last auf den Heerd niedersetzte, ging sie in die Kammer, um zu sehen, ob ihr Mann nicht erwacht sei. Dieser that, als ob er schliefe, und schnarchte laut. Da machte die Hexe ihren Kasten auf, nahm faule Menschenköpfe heraus, die sie auf dem Kirchhofe aus den Gräbern gewühlt hatte, und aß davon das vermoderte Gehirn, dann verschloß sie ihren Kasten wieder und legte sich zu ihrem Mann ins Bett. Der Mann wäre vor Ekel und Angst bald gestorben, doch ließ er sich nichts merken. Am andern Morgen, als seine Frau noch schlief, stand er ganz früh auf und bestellte heimlich den Amtmann mit Gendarmen. Dann kam er ruhig wieder zu Hause, setzte sich in die Stube und sah aus dem Fenster. Die Hexe merkte nichts und brachte das Frühstück herein. »Sieh,« sagte der Bauer, »da kommt der Amtmann, der kann unser Gast sein, wenn er will.« Die Frau war in ihrem besten Putze und nöthigte den Amtmann, als er in die Stube trat, recht freundlich zum Mitessen. Der Bauer und der Amtmann aber rührten nichts an. Da fragte die Frau, ob denn der Schinken faul sei, da sie nicht davon essen wollten. »Was faul ist, schmeckt manchen Leuten auch gut!« rief nun auf einmal der Mann, zog den eisernen Kasten, den er vorher in der Bankkiste versteckt hatte, hervor und schlug ihn mit einer Axt auf; da sah der Amtmann die ganze Bescheerung. Die Hexe konnte vor Schreck erst gar nicht von ihrem Stuhle aufstehen, dann aber sprang sie auf, griff nach einem Messer und wollte ihren Mann erstechen. Doch es war um sie geschehen, denn ehe sie ihren Mann treffen konnte, hatten sie die Gendarmen, die nun in die Stube gesprungen waren, gefaßt und aufgehoben, so daß sie sich nicht fest machen konnte. Das ganze Dorf jubelte,[947] als man die Hexe zu einem großen Holzhaufen schleppte und verbrannte. Vorher ging der Scharfrichter in das Haus, holte die Kröte mit einer Zange unter dem Butterfasse weg und warf sie zu der Hexe ins Feuer.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 946-948.
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