1200. Meineid bestraft.

[971] (S. Letzner B. IV. C. 41. B.V.C. 37.)


Im Jahre 1579 den 5. Februar hat sich im Dorfe Amelungen eine freche muthwillige Dienstmagd durch den Teufel und die Lust des sündigen Fleisches verführen und von einem Schäferknecht betrügen und schwängern lassen. Als nun solches ruchbar ward und den Leuten in den Augenschein gekommen ist, hat die Frau, bei welcher sie gedient, mit Worten sie hart angefahren und gestraft. Darauf hat die Magd ganz trotzig und mit frevelhaftigen Worten geantwortet: »So sie ein Kind trüge oder schwanger sei, solle Gott an ihr ein Zeichen thun, daß sich ein Jeder daran spiegeln könne.« Bald darnach hat aber dieselbe Magd ihre weibliche Bürde, aber zur Unzeit ganzer sechs Wochen zu früh, abgelegt und einen Sohn zur Welt gebracht mit zwei Köpfen, drei Armen, auf jeglicher Seite einen, wie gewöhnlich, den dritten aber zwischen den beiden Köpfen, an welchem zwei Daumen und fünf Finger sich befanden. Der Unterleib hat seine rechte natürliche Gestalt gehabt, der Oberleib ist aber erschrecklich anzusehen gewesen.

Im Jahre 1293 ist zu Dassensee, einem Dorfe in der Grafschaft Dassel, Claus Meigers Tochter, Mathilde genannt, von Jedermann lange Zeit verdächtig gehalten worden, daß sie keine reine Jungfrau sei. Als sie nun deswegen von der Obrigkeit hart angesprochen worden ist, hat sie geleugnet und sich hoch und theuer verschworen, daß sie der Dinge, welche man ihr zutraue, vor Gott unschuldig sei. Damit hat die Obrigkeit zufrieden sein müssen. Nicht lange darnach hat sie aber ein Kind mit zwei häßlichen[971] und ganz übelgestalteten Köpfen und Angesichtern zur Welt gebracht und es hat ein jeglicher Kopf nur ein Auge in ungewöhnlicher Größe gehabt. Sobald nun dieses ruchbar geworden, ist ein Mann daselbst, der lange Hans genannt, davongelaufen und hat Weib und Kinder, Haus und Hof und Alles hinter sich gelassen und Niemand erfahren, wo er hingekommen ist. Dieweil aber das wunderliche Kind gelebt, hat man es zur Taufe gebracht und getauft, auf dem Heimwege aber ist es gestorben und an demselben Tage auch die Mutter und Beide sind zusammen begraben worden. Obwohl nun dieses Weibes Eltern eine ziemliche Nahrung und gutes Vermögen gehabt haben, sind sie doch nach Absterben der Tochter in große Armuth gerathen, was offenbar göttliche Strafe gewesen ist, daß sie der Tochter also durch die Finger gesehen und sie nicht von der Schande abgehalten haben.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 971-972.
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