895. Die Wichtelmännchen.

[771] (S. Landau a.a.O. Bd. I. S. 353.)


Durch ganz Hessen ist die Sage von den Wichtelmännchen verbreitet. Es sind dies kleine graue Männchen, gekleidet wie Bergknappen, mit dreieckigen Hüten. So ist bei Riechelsdorf eine Wichtelkammer, unweit Frankenberg bei Ernsthausen an dem Gipfel eines Berges eine kleine Höhle, das Wichtelhaus; am Dohenberg bei Ultershausen an der Schwalm ein Wichtelloch, bei Abterode am Meißner zeigt man eine Wichtelwohnung, eine andere bei Hofgeismar. Bei Frankenberg fand man nach jeder Nacht die Früchte niedergetreten, das rührte auch von ihnen her. Unweit Marburg bei Brungershausen an der Lahn erhebt sich ein hoher Felsenberg, dessen Gipfel in Spalten zerrissen ist; in diesem haben Wichtelmännchen gewohnt, dies waren aber kleine gutmüthige Geschöpfe, die nur denen schadeten, von welchen sie gereizt wurden. Jetzt sind sie alle gestorben und ihre Häuser zerfallen. In der Nähe von Ziegenhain, zwischen Obergrenzebach und Schönborn, oberhalb der Ruchmühlen, befindet sich eine etwa eine halbe Stunde lange Höhle, das Wichtelloch genannt. Als einst am Eingange der Höhle Heu gemacht wurde, hatte eine Frau ihr Kind in einen Korb gesetzt, als sie nun dasselbe wiederholen wollte, war es verschwunden und an seiner Stelle lag das Kind eines Wichtelmännchens. Obgleich sie dieses als Kind aufnahm, behielt sie es doch nicht lange, denn es verlor sich wieder. Oft kamen die Wichtelmännchen bis hinein nach Ziegenhain und holten sich aus den Bäckerläden ihre Nahrung. Auch stahlen sie den in dem Felde arbeitenden Leuten ihre Speisen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 771.
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