934. Der betrogene Teufel zu Schmalkalden.

[794] (S.d. Zeitschr. f. hess. Gesch. Bd. IV. S. 115 etc.)


Es lebten einmal zu Schmalkalden ein reicher und ein armer Mann. Ersterer wußte recht gut, daß mit ihm nicht Alles so sei, wie es sein sollte, und fürchtete sich gewaltig vor dem Tode. Er blieb aber doch darum eben so hartherzig gegen Arme wie zuvor, also daß Jedermann vor seiner Thüre abgewiesen wurde. Einst aber war der Hunger zu groß in der Hütte des Armen, und seine fünf Kinder schrieen um Brod. Da faßte er sich ein Herz, ging hin zu dem Reichen und sprach zu ihm: »Leihet mir nur vier Metzen Korn, damit ich meine Kinder sättigen kann, ich will sie Euch gern zweifältig wiedergeben!« Der Reiche sah den Bittenden lange an, endlich sprach er: »Acht Metzen Korn will ich Dir schenken und du sollst mir nichts dafür[794] wiedergeben, so Du drei Nächte an meinem Grabe Wache halten willst!« Der Arme hätte in der Verzweiflung noch mehr versprochen als dieses, und eilte freudig mit dem Geschenke zu den Seinen. Doch nach wenigen Tagen schon starb der reiche Mann plötzlich, man wußte nicht recht wie und ward begraben. Da fiel es dem Armen schwer aufs Herz, welches Gelübde er dem Verstorbenen gethan und wie er ihm heilig versprochen, drei Nächte an seinem Grabe zu wachen. Er war jedoch ein redlicher Mann und mochte gern halten, was er gelobt; zudem hatte er ein gutes Gewissen und nichts Böses gethan im Leben. »Wovor sollst Du Dich fürchten«, dachte er, »so doch Gott überall bei Dir ist?« und mit diesem Gedanken ging er ruhig zum Grabe, darauf Wache zu halten, wie er versprochen. Es regte sich auch die Nacht nichts Schlimmes und der Mond schien so freundlich darauf nieder, als schlummere darunter ein guter Christ, weshalb der Arme beim ersten Morgenroth auch ungefährdet nach seiner Hütte schlich. Auf gleiche Weise ging es auch die zweite Nacht. Allein am dritten Abend war dem Armen so bänglich zu Muthe, daß er sich vor Unruhe nicht zu lassen wußte und hoch erfreut war, als er an der Kirchhofmauer einen alten Krieger stehen sah, der sein Abendpfeifchen rauchte und noch immer seinen Mantel und die weiten, großen Stiefel trug, welche er in mancher Schlacht getragen hatte. Der alte Krieger mochte sich sein letztes Ruhebettlein aussuchen wollen auf dem Gottesacker und fragte verwundert den Andern, was ihn noch so spät zu dieser Stätte treibe? Es war bald erzählt und auch die Angst nicht verschwiegen, die ihn nun beim Beginn der dritten Wache quäle. Darauf sprach der alte Krieger: »Wo es Wache zu halten giebt, da bin ich dabei! ich habe wohl noch auf einem schlimmern Posten gestanden, denn hier. Topp, Freund, ich bleibe bei Dir, und wenn es was zu verdienen giebt, oder was zu leiden ist, Halbpart!« Wer war froher als der arme Mann, daß er auf einmal so einen treuen Gefährten bekommen hatte. Man setzte sich zusammen in das Gras und plauderte ganz wohlgemuth. Aber gegen Mitternacht verfinsterte sich der Himmel und mit schrecklichem Getöse erschien eine furchtbare Gestalt. »Hinweg von diesem Grabe«, so donnerte sie den beiden Wächtern zu, »der ist mein, der unter diesem Hügel schläft und mein ist seine Seele!« Im Anfange wollte bei diesen Worten den armen Mann ein Grauen überfallen, doch da er seinen Gesellen so unverzagt sah, kehrte auch bei ihm der Muth und das Gottvertrauen zurück und mit lauter Stimme rief er: »Alle guten Geister loben Gott den Herrn! hebe Dich weg von mir Satanas!« Da nun der Teufel merkte, daß er mit Gewalt die Beiden nicht vom Grabe herunterbrächte, nahm er zur List seine Zuflucht, lobte ihre Treue und Wachsamkeit und versprach ihnen endlich Geld, wenn sie ihm die Seele des reichen Mannes überließen. »Wohlan«, sagte der alte Krieger, »ich bin's zufrieden und mein Kamerad auch; giebst Du uns diesen Stiefel voll Gold, so magst Du das Grab mit allem, was darin ist, nehmen.« Dabei hatte er den einen großen weiten Stulpstiefel ausgezogen und hielt ihn dem Bösen hin. »Haha!« lachte dieser, »geht Ihr jetzt in Euch und werdet zahm? Nun wartet einen Augenblick, gleich werde ich das Geld holen!« Unterdessen der Teufel fortging, um das Geld zu holen, nahm der Soldat ein Messer und schnitt den Schuh vom Stiefel rund herum ab, so daß er nur noch den Stulpen in der Hand hielt. Jetzt kam der Böse zurück und trug einen Haufen Goldes[795] in seinem Mantel. Rasselnd warf er die Goldstücke in den Stiefel, aber sachte fielen sie durch den Stiefel hindurch in das hohe Gras. »Der Stiefel ist noch nicht voll!« rief der Krieger. Der Teufel ging wieder fort und brachte zum andern Male Gold. »Es fehlt immer noch«, sprach der Soldat und hielt seinen Stiefel hin. Da ging der Teufel zum dritten Mal und holte mehr. »Auch dieses reicht noch nicht«, sagte der alte Krieger. Da wollte der Teufel voll Zorn diesem den Stiefel aus der Hand reißen, doch in dem Augenblicke krähte der Hahn und der erste Strahl des Tages zeigte sich. Mit einem fürchterlichen Geprassel fuhr bei diesem Zeichen der Teufel durch die Luft und hat sich niemals wieder sehen lassen. Die beiden Wächter aber freuten sich der gelungenen List, wodurch sie den Teufel so lange aufgehalten hatten, und rafften das viele Gold vom Boden auf. Doch als sie jetzt theilen wollten, da sagte der alte Soldat zum armen Manne: »Weißt Du was, Bruder, behalte das ganze Gold! ich bin ein alter Kerl und habe wohl nicht lange mehr zu leben, Frau und Kinder habe ich auch nicht, ich will zu Dir ziehen, Du sollst mich für das Gold in meinen alten Tagen pflegen; ich meine, es müßte bei Dir gut wohnen sein, denn Du hast ein reines Gewissen und ein zufriedenes Herz.« Und so zog der alte Krieger zum armen Manne und sie lebten alle zusammen froh und fröhlich bis an ihren Tod.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 794-796.
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