792. Burg Eppstein.

[702] (S. Schreiber, Sagen a.d. Rheingegenden S. 9 etc. Bechstein, Deutsches Sagenbuch S. 64. Ruinen Bd. III. S. 11 etc. Etwas anders bei Firmenich, Völkerstimmen Bd. II. S. 80 etc.)


In dem herrlichen Taunusgebirge, drei Stunden von Wiesbaden, liegt das Städtchen Eppenstein zwischen den vier schönen Thälern Fischbach,[702] Lorschbach, Forkenhausen und Bremthal. Die Ruine nimmt sich von Weitem nicht wie ein Bauwerk, sondern wie eine wunderliche Felsbildung aus, doch kommt man über die kahle Höhe hinauf an ihren Eingang, so erstaunt man über die unförmliche Steinmasse, welche sich von dem hinter ihr liegenden dichten Tannenwald abhebt. Das Geschlecht der einst hier hausenden Herren von Eppenstein, welches zuletzt noch in zwei Zweigen existirte, starb in den Jahren 1497 und 1544 aus und nur die alten Steinbilder seiner Glieder in der am Fuße des Burgfelsens liegenden Eppensteiner Kirche geben noch von ihrem einstigen Dasein Zeugniß. Die Burg soll ihren Namen von einem Ritter Eppo haben, der sich eines Tages auf der Jagd in die Gegend, wo sie jetzt liegt, verirrt hatte. Er war sehr ermüdet und hatte sich am Fuße des Berges bei einem Felsenbrünnlein ins Gras geworfen um auszuruhen. Nachdem er eine Weile gerastet hatte, wollte er wieder den Heimweg suchen, da hörte er den Gesang einer weiblichen Stimme. Das Lied war traurig und schien aus dem Berge zu kommen. Der Ritter arbeitete sich durch das Gestrüpp, ob er vielleicht einen Pfad auf den Berg entdecken könne, und plötzlich stand er vor einer Felsenhöhle, an deren Eingang eine wunderschöne Jungfrau saß, welche das traurige Lied gesungen hatte und bitterlich weinte. Als sie den Ritter erblickte, streckte sie die Arme nach ihm aus und bat ihn, sie zu erretten. Auf sein Befragen, wer sie sei, erzählte sie ihm, sie stamme von der benachbarten Burg Bremthal (nach einer andern Sage wäre sie ein Fräulein von Falkenstein gewesen), ein Riese habe ihren Vater und ihre Brüder erschlagen und habe sie hierher geschleppt. Zwar habe er versucht sie zu zwingen, sich mit ihm zu vermählen, allein stets habe sie durch ihr Gebet seine Bemühungen vereitelt; in diesem Augenblicke aber liege er oben auf der Bergkuppe in tiefem Schlummer, aus dem er nicht zu erwecken sei. Muthig rief Eppo, sie solle ihm die Stelle, wo er liege, zeigen, er wolle mit ihm kämpfen oder ihn den Berg herabstürzen. Die Jungfrau erwiederte, er vermöge weder das Eine noch das Andere zu vollbringen, denn Stahl und Eisen verletze den Riesen nicht und so lange er schlafe, vermöchten tausend Hände ihn nicht von der Stelle zu bringen. Als Eppo ihr selbst vorschlug mit ihr zu entfliehen, da zeigte sie ihm eine Kette an ihrem Fuße, mit welcher sie der Riese stets während er schlummerte, an den Felsen zu befestigen pflegte. Auf seine Frage, wie er ihr denn helfen könne, hieß sie ihn nach der Burg Bremthal gehen und sich dort von dem alten Burgvoigt ein eisernes Netz geben zu lassen, welches ihr Vater einst aus Palästina mitgebracht habe und wunderbare Kräfte besitze, darin wolle sie ihn fangen. Der Ritter that, wie sie geheißen, und holte ohne Verzug das kunstreiche Netz. Nun erzählt man den weitern Verlauf verschieden. Nach einer Sage hätte der Ritter die Kleider seines Knappen angelegt und die seinigen diesem anziehen lassen, um den Riesen zu täuschen, und das Netz an einer Stelle, wo jener vorüber mußte, aufgestellt. Der Riese stürzte auch richtig, als er Eppo kommen sah, auf ihn los und verwandelte seinen Knappen, den er für den Ritter hielt, in einen Felsen, der heute noch steht und davon der Mannstein genannt wird, und eilte dann vorwärts um auch den angeblichen Knappen zu vernichten. Allein in der Hast versah er es und stürzte in das aufgespannte Netz, aus dem er sich nicht wieder losmachen konnte, Eppo schleppte den Riesen auf die Spitze des Berges und stürzte[703] ihn von da herab, befreite dann die Jungfrau und ehelichte sie. Nach einer zweiten Sage hätte jedoch die Jungfrau das Netz an der Stelle, wo der Riese zu schlafen pflegte, unter Moos und Kräutern ausgebreitet, der Riese habe sich darauf gelegt und sie und der Ritter hätten dann während seines Schlummers ihn fest darin verwickelt und schließlich vom Felsen herabgestürzt. Hier erbaute nun Eppo eine Burg, den Eppstein, und zu den Gewölbrippen im Thore wurden statt der gebogenen Steine die Rippen des Riesen eingemauert. Eine dieser Rippen ward als Wahrzeichen seit jener Zeit über dem Thore aufgehangen und ist noch zu sehen.

Aus dem Geschlechte dieses Eppo sind aber fünf Erzbischöfe von Mainz hervorgegangen, auch jener Werner, der am Meisten zur Kaiserwahl Rudolphs von Habsburg beitrug. Auch jener Gerhard von Mainz, der einst sich rühmte, so ein deutscher Kaiser anders wolle als er, habe er schon einen andern in der Tasche, und der ein anderes Mal, als ihm ein Kaiser nicht zu Willen war, zornig sein Jagdhorn ergriff und rief: »Daß den Kaiser Gottes Marter schände, so mir's beliebte, blase ich aus diesem Horne einen andern Kaiser heraus!« war es, der Adolph von Nassau zur Kaiserkrone verhalf, aber auch wieder davon half.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 702-704.
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