815. Der ungerathene Sohn.

[720] (S. Kehrein Bd. III. S. 49 etc.)


Zu Hundsangen war einmal ein braver Mann, der hatte zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen. Der Vater that alles, um ihnen gute Zucht beizubringen, allein der Sohn wollte durchaus nicht gut thun, alles was Andere ärgerte, that er, schlug den Leuten die Fenster ein und prügelte sich mit seinen Kameraden. Darum ist er oft von seinem Vater gestraft worden, als er aber groß ward, wollte er sich dies nicht mehr gefallen lassen und ging fort. Gegen Abend kam er durch einen großen dichten Wald, allein er verlor den Weg und konnte sich nicht mehr zurecht finden, an einen Ausweg war nicht zu denken, denn der Wald war ihm ganz unbekannt. Auf einmal kam eine schwarze Hexe auf ihn zu und hieß ihn mit ihr gehen und[720] die Nacht bei ihr bleiben, am anderen Morgen könne er dann weiter ziehen, den Weg wolle sie ihm zeigen. Der Bursche hatte keine Wahl, er mußte mitgehen, als er aber an das Haus kam, sah er, daß dies eine Räuberhöhle war, zehn starke schwarze Männer mit langen Bärten saßen beim Nachtessen, man nahm ihn gut auf, hieß ihn mitessen, sie ließen sich mit ihm in ein Gespräch ein und als sie sein Schicksal gehört, hießen sie ihn bei ihnen bleiben. Sie meinten, er bekomme sein gutes Essen und Trinken und brauche nur manchmal mit auf Raub auszuziehen. Das ließ er sich gefallen und fand sich bald recht gut in seine neue Lage und hat manchem Reisenden den Beutel gefegt. Inzwischen waren zwei bis drei Jahre vergangen, bis endlich die Leute herausbekamen, daß in dem Walde eine Räuberbande hause. Seine Schwester aber, die ihn sehr geliebt hatte und große Sehnsucht nach ihm hatte, machte sich auf, ihren verlorenen Bruder zu suchen, so kam sie auch in diesen Wald, da sah sie einen mit einer Flinte bewaffneten Mann auf sich loskommen, sie erkannte sogleich in ihm ihren Bruder und rief ihn bei Namen, als er aber die Stimme seiner Schwester hörte, ließ er vor Schreck seine Flinte fallen, im Fall aber ging sie los und die Kugel fuhr ihm durch den Kopf, seine Schwester aber lief herbei und starb vor Entsetzen über sein furchtbares Ende. Von der Zeit an aber heißt jener Wald der Omannswald, denn Omann war der Familienname des Burschen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 720-721.
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