831. Kloster Marienstatt.

[728] (Nach verschiedenen Sagen poetisch behand. v. Henninger Bd. III. S. 185 etc.)


Das im Jahre 1215 gestiftete Kloster Kirburg war seiner rauhen Lage wegen ein sehr schlechter Aufenthalt für die frommen Insassen desselben. Einst war der Abt sorgenvoll eingeschlafen, da sah er im Traume die heilige Jungfrau, welche ihn hieß hingehen zu dem Grafen Heinrich von Sayn-Kirchberg (1202-65), den man seiner ungeheuern Körperlänge wegen den Großen nannte, (er maß 81/2 Fuß und sein Schwert wog 25 Pfund) und ihn bitten, er möge in der Nähe seiner Burg Nister (am Flusse gleiches Namens) ihnen ein zweites Kloster in blumiger Gegend bauen. Am andern Morgen hatte er nichts Eiligeres zu thun, als zu dem Grafen zu eilen, trotz daß Schnee und Eis seinen Weg beschwerlich machten, und von ihm Erlaubniß zum Baue zu erbitten, allein dieser wies ihn lächelnd ab und erklärte seine Vision für ein leeres Traumgesicht. Der Abt kehrte traurig zurück ins Kloster, warf sich vor dem Hochaltar nieder und flehte die heilige Jungfrau an, durch ein Zeichen die Wahrheit seiner Erzählung zu bestätigen. Mittlerweile war Graf Heinrich auf die Jagd gezogen und bei der Verfolgung eines Hirsches von diesem in eine felsige Thalschlucht gelockt worden. Auf einmal sah er hier das Wild auf schneeigem Bette liegen und neben ihm prangte aus tiefem Schnee ein Weißdornbusch (im sogenannten Ainvelde). Reuevoll schonte der Graf des Hirsches und zum heimischen Schlosse zurückgekehrt, ließ er den Abt sogleich rufen und befahl ihm, auf seine Kosten an jener Stelle das gewünschte Kloster zu erbauen, was auch bereits im Jahre 1226 vollendet dastand. Noch heute aber kann man hin und wieder im Westerwalde die Beobachtung machen, daß der Haselstrauch an sonnigen Tagen des Frühlings in volle Blüthe kommt und mit seinem goldgelben Samenstaub den Schnee bestreut, der rings noch tief den Boden bedeckt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 728-729.
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