842. Philipp von Reifenberg.

[734] (Poetisch behandelt v. Henninger Bd. I. S. 88 etc.)


In der Nähe des Feldbergs liegt tief im Gebirge ein wildes Thal, wo oft noch im Sommer Schnee zu finden ist. Hier stand einst ein festes Schloß, welches dem mächtigen Ritter von Reifenberg gehörte. Als derselbe von dem Churfürsten von Mainz aufgefordert ward, seine Burg von ihm ihn Lehen zu nehmen, gab er die freche Antwort, der Churfürst solle eher auf dem Rücken des Feldbergs sich reife Trauben pflücken können, als er sein Dienstmann werde. Zwar that ihn der Churfürst in Acht und Bann, aber der Ritter achtete dieß nicht, denn mit ihm war die ganze benachbarte Ritterschaft und namentlich die Ritter von Kloppenheim, welche um seine drei Töchter freiten. Da nun der Churfürst nichts gegen sie ausrichten konnte, unterstanden sich die aufständigen Edeln gar, an den Main zu ziehen und den Churfürsten, von dem sie wußten, daß er von Frankfurt aus nach seiner Residenz zurückkehre, zu überfallen und wo möglich gefangen zu nehmen. Zwar entkam ihnen dieser, allein es gelang ihnen doch, als er nun mit starker Heeresmacht vor die Burg rückte, jeden Sturm abzuschlagen. Da bot der Churfürst scheinbar dem Ritter von Reifenberg die Hand zur Versöhnung und lud ihn unter der Zusicherung sichern Geleits zu einer Unterredung auf dem Feldberge ein, der Ritter vertraute auch seinem fürstlichen Worte und ritt in Begleitung eines einzigen Reisigen an den bezeichneten Ort, allein der Churfürst ließ ihn sofort umringen und auf seine Frage, ob dies sein fürstlicher Schwur sei, entgegnete er: »Für ihn seien die Trauben jetzt reif, nur werde ihm (dem Ritter) der Wein wohl etwas sauer schmecken, denn einem Aechter brauche er sein Wort nicht zu halten.« Da riß der Reifenberger sein Schwert aus der Scheide und rief: »Er sei bislang ein freier Mann gewesen und wolle auch als solcher sterben.« Seine Töchter[734] vertheidigten die Burg, bis aller Vorrath verzehrt war, dann aber entflohen sie, nachdem sie sie in Brand gesteckt, des Nachts nach Kloppenheim. Da ihr Vater keinen Sohn hinterließ, kamen die Besitzungen ihres Vaters nun durch sie an ihre Bräutigame.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 734-735.
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