375. Von einem Spiritus Familiaris.

[432] (S. Bräuner, Curiositäten oder entlarvter Aberglaube etc. Frankfurt a.M. 1737. in 8°. S. 393.)


Im Jahre 1668 ist ein Reisender nach Stettin gekommen und in einem Gasthause eingekehrt. Da nun aber dort Alles besetzt war, so hat man demselben in der Nacht nur eine Kammer geben können, welche blos mit Brettern verschlagen war. Als er den ersten Schlaf geendigt, hörte er in[432] der Nebenkammer sehr eifrig beten, und einem Menschen zusprechen. Daraus nahm der Fremde ab, daß der Patient eine ungewöhnliche Krankheit haben müsse, denn er rief öfters: »Sehet doch, dort steht er an der Kammerthür!« Durch diesen traurigen Umstand ward er aber verhindert wieder einzuschlafen und wünschte sehnlichst den Morgen herbei. Nachdem er nun den Wirth wegen dieses Patienten befragt hatte, erzählte dieser, daß derselbe eigentlich keine Krankheit habe, wohl aber mit großer Anfechtung und Gewissensangst bereits 14 Tage zugebracht habe und dem Geistlichen und seiner Umgebung große Mühe und Kummer mache. Die Ursache aber sei folgende.

Vor 24 Jahren sei dieser Mensch, so sonst seiner Handthierung nach ein Schneider sei, als Musquetier unter den Schweden gewesen, habe dort aber den größten Mangel gelitten und zu Leipzig auf der Pleißenburg in Garnison gelegen. Derselbe aber habe einen Kameraden gehabt, der hätte alle Tage ins Bierhaus gehen und trinken können, da er doch eben so wenig Sold als er bekommen habe. Deswegen habe er ihn eines Tages gefragt, wie dies zugehe, und der habe ihm geantwortet, als er einstmals auf der Schloßbastei Schildwache gestanden, sei ein Mann zu ihm gekommen und habe ihm versprochen, er wolle ihm einen Spiritus familiaris geben, wenn er solchen bei sich trage, werde er alle Morgen dritthalben Groschen in seinem Sack finden, jedoch müsse er seinen Namen mit Blut schreiben und 24 Jahre hinzu, so könne er die ganze Zeit über täglich soviel Geld ohne Mühe bekommen. Das habe er gethan und auf diese Weise könne er alle Tage gut Bier trinken. Wenn er aber dergleichen auch thun wolle, so könne er ihm zu solchem behilflich sein. Dieser Schneider willigt alsobald ein und verspricht zwischen Tag- und Nachtscheidung einen solchen Zettel zu machen und auf die Bastei zu gehen, wenn der Mann da anzutreffen sei. Er that solches auch und als er mit diesem Vorsatz auf die hohe, etwas dunkele Wendeltreppe daselbst hinaufgeht, überfällt ihn eine grausame Furcht. Da kehrt er wieder um und es gereuet ihn die Sache, indem er betrachtet, in was für Gefahr er seinen Leib und Seele dadurch versetzen werde. Er zerreißt also den Zettel in kleine Stücke und geht wieder zurück. Es ist ihm auch niemals das Geringste zugestoßen, außer jetzt, da die 24 Jahre eben um sind, setzt ihm der böse Feind so heftig zu und sucht den armen Menschen in Verzweiflung zu bringen. Indeß sich nun besagter Reisender 14 Tage in diesem Wirthshaus aufgehalten, ist doch in solcher Zeit dieser Patient wieder ganz zurecht gekommen und hat weiter keine Anfechtung gehabt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 432-433.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band