410. Mahrt gefangen.

[456] Zwei Knechte schliefen zusammen in einer Kammer und einen von ihnen ritt der Mahrt so oft, daß er endlich seinen Kameraden bat, wenn es das nächste Mal wieder geschähe, möchte er doch das Astloch in der Kammerthür verstopfen, daß sie den Mahrt fingen. Als er nun im Schlafe das nächste Mal jämmerlich ächzte und stöhnte, that jener, wie er gebeten worden, rief seinen schlafenden Gesellen beim Namen und da wachte der auf, packte schnell zu und hatte einen Strohhalm in der Hand, den er auch so lange trotz alles Krümmens und Windens festhielt, bis jener das Astloch verstopft hatte. Darauf legte er den Strohhalm auf den Tisch und sie schliefen darnach Beide bis zum Morgen. Als sie erwachten, erblickten sie ein schönes Mädchen hinter dem Ofen, und entzweiten sich fast darüber, wem sie angehören sollte; denn der, welcher das Astloch verstopft hatte, behauptete, daß sie sein sei, weil sie, sobald er es nicht gethan, wieder entwichen sein würde, der andere aber sagte, sie gehöre ihm, denn er habe sie ja gefangen. – Endlich gab dann jener nach und dieser heirathete nun das Mädchen und sie bekamen Kinder und lebten recht glücklich zusammen. Aber die Frau drang oft in den Mann, er möge ihr doch das Astloch zeigen, wo sie hereingekommen, es lasse ihr gar keine Ruhe, bis sie das gesehen. Der Mann widerstand eine lange Zeit allen ihren Bitten, aber einmal bat sie ihn doch so inständig, indem sie ihm sagte, sie höre ihre Mutter in England die Schweine locken, er möge ihr dieselbe nur noch ein einziges Mal sehen lassen, daß er weich wurde und nachgab. Da ging er mit ihr hin und zeigte ihr, wo sie hereingekommen, aber augenblicklich flog sie auch wieder hinaus und ist nie wiedergekommen.

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Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 456.
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