483. Die hochmüthige Edelfrau zu Wusseken.

[510] (S. Micrälius Bd. I. S. 416. Pommersche Prov.-Bl. Bd. II. S. 93.)


Zu Wusseken am Jasmundischen See lebte vor vielen Jahren eine sehr hochmüthige Edelfrau. Als dieselbe einst zum Abendmahl ging und vor den Altar trat, kam ein Schweinehirt gerade vor ihr zu sitzen, also daß er, weil er vor ihr war, auch das Abendmahl hätte eher bekommen müssen. Dies ärgerte die stolze Frau dermaßen, daß sie ihn mit solcher Gewalt wegstieß, daß der Priester die Hostie, welche er gerade in der Hand hatte, zur Erde fallen ließ. Allein was geschah? Die heruntergefallene Hostie ward auf einmal blutig und die Edelfrau versank plötzlich in den Fußboden, so daß sie auf keine Weise herausgezogen werden konnte. Da gelobte sie zu Gott, sie wolle zu Fuße nach Rom pilgern und dort den Papst selbst um Ablaß bitten. Da ward sie wieder frei. Die Hostie, mit der sich dies Wunder begeben, ward nun in eine Monstranz eingeschlossen und in der dortigen Kirche öffentlich ausgestellt und viele Jahre ist man dorthin gewallfahret. Endlich ist die Kirche zerstört worden, allein die Stelle, wo sie gestanden hat, ein Eichenwäldchen bei Wusseken, bezeichnet noch das stehengebliebene Gemäuer ihres Thurmes.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 510.
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