171. Das mit Ruthen gestrichene Wechselkind.

[183] (S. Grimm, deutsche Sagen Bd. I. S. 125 Nr. 88.)


Im Jahre 1580 wohnte in der Nähe von Breslau ein Edelmann, der ein ziemlich großes Gut besaß, auf welchem namentlich viel Heu und Grummet wuchs, welches ihm seine Unterthanen machen mußten. Nun ward unter diesen auch eine Kindbetterin berufen, so kaum acht Tage in den Wochen war. Wie sie nun sieht, daß es der Junker haben wollte und sie sich nicht weigern konnte, nahm sie ihr Kind mit hinaus, legte es auf ein Häufchen Gras, ging von ihm weg und wartete das Heumachen ab. Als sie eine gute Weile gearbeitet hatte und ihr Kind zu säugen ging, sah sie es kaum, als sie heftig schrie und die Hände über den Kopf zusammenschlug und Jedermann klagte, dies sei nicht ihr Kind, weil es ihr geizig die Milch entziehe und so unmenschlich heule, wie sie es sonst nicht von ihrem Kinde gewohnt sei. Trotz alledem behielt sie es einige Tage bei sich, allein es benahm sich so ungebührlich fort, daß es die Frau unfehlbar zu Grunde gerichtet hätte. Sie klagte solches dem Junker und dieser sprach zu ihr: »Frau, wenn es Euch bedünket, daß dies nicht Euer Kind sei, so thut eins und tragt es auf die Wiese, da wo Ihr das vorige Kind hingelegt habt, und streicht es mit der Ruthe heftig, so werdet Ihr Wunder sehen!« Die Frau folgte dem Junker, ging hinaus und strich das Wechselkind mit der Ruthe, daß es sehr geschrieen hat. Da brachte der Teufel ihr gestohlnes Kind und sprach: »Da hast's«, und mit dem nahm er sein Kind hinweg.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 183.
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