195. Die Sage vom Raubschlosse auf dem Quinga-Berge bei Volpersdorf.

[203] (Poetisch behandelt bei Wedekind S. 777.)


Bei Volpersdorf, einem schönen Dorfe an der Walditz, das bis ins Eulengebirge hinaufreicht, liegt der Klingen- oder Quinga-Berg und auf diesem die Ruinen eines alten Raubschlosses, welches am Ende des 15. Jhdts. zerstört worden sein soll. In und unter demselben hatte sich später eine Räuberbande angesiedelt, welche hier um so sicherer war, weil das Dorf damals noch sehr klein und nur nach Westen hin das Thal angebaut, der obere Theil aber durch dichten Wald und Morast so gut wie unwegsam war. Des Sonntags fanden sich nun aber beim Tanz im Kretscham des Dorfes plötzlich fremde Männer ein, die viel Geld aufgehen ließen und beim Trinken und Tanzen immer die thätigsten waren. Nun hatte aber von den anwesenden[203] Dörflerinnen namentlich eine Magd aus der Mühle im Löwengrunde die Augen der fremden Gäste auf sich gezogen, sie stellten ihr eifrig nach und boten ihr vieles Geld, wenn sie mit ihnen in ihre Heimath, die sie freilich nicht näher bezeichneten, gehen wolle. Das Mädchen aber traute ihnen nicht, indem sie des vielen Geldes wegen, welches sie zeigten, in ihnen Räuber vermuthete. Zwar hatte sich die Bande bisher stets gehütet, in der nächsten Nähe ihres Schlupfwinkels selbst Verbrechen zu begehen, allein schließlich war doch die Kunde von der Existenz einer solchen in dieser Gegend bis ins Dorf gedrungen, und als nun die Magd ihrem Herrn ihre Noth klagte, wie sie sich vor den zudringlichen Menschen nicht zu retten wisse, da gab er ihr den Rath, sie solle den nächsten Sonntag, wenn sie wieder zu Tanze gehe, scheinbar einwilligen und mit jenen fortgehen, er werde sorgen, daß sie beobachtet, unbemerkt begleitet und ihren Verführern entrissen werde. So geschah es auch, am nächsten Sonntage fanden sich die Räuber aufs Schönste geputzt wieder ein, das Mädchen erhörte sie diesmal, fand aber Gelegenheit, ehe sie zusammen fortgingen, einigen der jungen Burschen, die bereits von der Unternehmung unterrichtet und deshalb wohl bewaffnet gekommen waren, einen Wink zu geben. Diese folgten ihrer Spur, welche, weil sie überall unterwegs Erbsen fallen ließ, leicht zu finden war, durch Dick und Dünn und so langten sie denn plötzlich auf dem Gipfel des Klingenberges an, wo sie sich plötzlich vor dem Gemäuer einer alten Schloßruine sahen. Hier hörte aber die Spur auf, plötzlich sahen die Verfolger aber, wie die Magd gleichsam um sich umzusehen aus einem der offenen Fenster heraus schaute. Zwar ward sie sogleich von den Räubern wieder zurückgezogen, allein die Verfolger hatten genug gesehen, sie schlugen die Thüre ein, welche in das Innere der Burg führte und von den Räubern doch nicht fest genug verrammelt war und überfielen die nichts ahnenden Räubergesellen. Zwar widersetzten sich dieselben so gut als möglich, allein die Uebermacht war zu groß, sie wurden überwältigt und entweder getödtet oder gefangen genommen, das muthige Mädchen aber hatte schon während des Ueberfalls Gelegenheit gefunden sich zu flüchten. Bei dieser Gelegenheit ward jedoch Alles zerstört, was bis dahin noch von dem Schlosse übrig gewesen war und jetzt sind eben nur noch wenige Spuren davon übrig.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 203-204.
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