ll) Rübezahl erweiset seine Liberalität im Kegel-Spiel.

[329] Ich habe in einem Theil droben allbereit erwiesen, wie der Schlesische Berg-Geist einsmahls etwan einem Menschen vom Spiele einen Kegel spendiret habe, welcher hernach zu Golde geworden ist. Weil aber solche Geschichte (welche von den meisten Leuten gehöret und erzehlet wird, angesehen, nie von mir einer angetroffen worden, so nur ein wenig von Rübezahlen gehöret, der aufs Wenigste diese Historie nicht solte können hurtig referiren) in etlichen Circumstantien variiret, als habe ich mir jetzt fürgenommen, solche von Neuen vorzubringen, wie sie mir ein glaubwürdiger Mann für gewiß an die Hand gegeben, nehmlich, es soll auß Böhmen ein Fleischer seinen Knecht übers Gebürge geschickt haben, damit er eine außstehende Schuld einmahne, und die Bahrschaft mit sich brächte, wie er denn auch das Geld, als vierzig Thaler, soll empfangen, und sich darmit dem Wege anvertrauet haben, wie er aber im Wandern begriffen gewesen, und seine Straße bey der Schnee-Kuppe vorbey genommen, siehe, da soll er ungefehr eine Compagnie junger Pursche in der Nähe vermerckt haben, welche ein gros Geld aufs Kegel-Spiel zwar gesetzet, doch gar lose und ohne Ernsthaftigkeit drumb gekugelt haben, welches den Wanderknecht denn Wunder genommen, und daher gewünscht hat, daß er möchte interessiret seyn, so wolte ohne allen Zweifel ein Großes erhalten und mit darvon bringen, und indem trit einer auß der Gesellschaft zu ihm, präsentirt ihm die Gelegenheit und Freundschaft, daß, wenn er Lust hätte mit zu spielen, er gar willig in den Orden solle mit aufgenommen, und auch zur beliebten Zeit wieder dimittiret werden. Was geschieht? Der Kautz läßt sich gefallen mit anzutreten, und trift ihn gleich das überlassene Glück, daß er anfänglich mit seinem eigenen Zehrgelde[329] wacker was von Reichs-Thalern und Ducaten erhält, also, daß der Muth ihm immer mehr und mehr wächset, ferner anzuhalten, und sich zu bereichern. Aber es verändert sich das Blat bald drauf, also, daß er das Gewonnene nach einander wieder verspielet, und er entlich seines Meisters eingefordetes und mit sich geführtes Schuld-Geld beym Kopfe gekriegt, und aufs Spiel gesetzt hat, doch immer darbey hoffend, er werde wieder gute Glücks-Blicke kriegen, und mit solchem angegriffenen Gelde lustig fischen. Aber vergebens, die vierzig Thaler waren mit einander drauf gegangen, und der Schöps war endlich aller Mittel entblösset gestanden, hatte sich in den Nacken gekrauet, und nicht gewußt, wie er zu seinem Gelde wieder kommen möchte, doch hatte er flugs mit dem ungerechten Haushalter sich diese faule Rechnung gemacht, daß er sich bey seinem Meister vor einem Samariter wolle außgeben, prätendirend, daß er da oder da unter die Mörder gerahten, welche ihn außgezogen, und umb die Pfennige gebracht hätten. Doch tritt nach dem Verlust der unerkannte Rübezahl alßbald zu dem melancholischen Fleischer-Knechte, sprechend: »Siehe, mein Kerl, das Geld haben wir dir mit Recht abgewonnen, aber damit du endlich deinen Schaden wieder beykommest, siehe, da hast du von diesen Spiel drey Kegel, welche die Art an sich haben, daß sie dich nicht werden verlieren lassen, verliere du sie nur nicht, und sacke sie fein in deinen Ränzel, und wenn du zu Hause kommest, so laß dir sechs andere darzu machen, welche eben so außsehen, als diese, hernach fange darmit an zu spielen, so wirst du gar leicht zu deinem Gelde wieder kommen, das glaube ungezweifelt.« Was solte der alberne Tropf machen? Er läßt sich den Vorschlag gefallen, und nimmt die unansehnlichen Kegel vor die lange Weile mit, spemque metumque inter dubius, und passiret eine Ecke darmit über das Gebirge. Aber, wie er so eine halbe Stunde gegangen, da wird ihme der Plunder so schwehr, daß er nicht darmit weiter fortkommen kann, und nothwendig sich niedersetzen muß, sich zu erleichtern, und das schwehre Zeug von sich zu thun, da er denn die zwey schwehresten Kegel aufs Feld hingeworffen, und den leichtesten propter longum quoniam bey sich behalten hat, und darmit nach Hause gegangen ist. Nach vollendeter Reise kommt der ehrliche Vocativus in seines Meisters Haus, fängt an, sich heftig zu beklagen, wie ihn die Räuber um alles gebracht hätten, und alß die eingefordete Schuld aufm Wege in die Pilze gegangen sey, damit sich auch der Meister hat müssen zufrieden geben, und den Noth-Zwang für unvermeidlich halten. Endlich, wie sich der Knecht also losgeschwatzt, ist er auf seinen Boden gegangen, hat den Ränzel abgeleget, den Kegel heraußgelanget, und im lachenden Muthe solchen unters Bett geworffen, ihn dennoch etwan hoffende darzu anzuwenden, daß er acht andere wolle darzu drehen lassen, und solche zum Spielen zu gebrauchen, als dazu er nicht allein ohne das eine unersättliche Begierde getragen, sondern auch vom Rübezahl (welchen er zwar biß dato hieran noch nicht erkannt gehabt, sondern dennoch der frembden Person einen festen Glauben zugemessen hatte) darzu veranlasset worden, durch die Verheißung des unausbleiblichen Wolergehens. Was geschieht? Es kommt, wie den Bauern das Aderlassen, diesem Abentheuer endlich das Kegel-Spiel wieder an, gehet derenthalben auf seinen Boden, und scharret vor die lange Weil seinen unter das Bett geworffenen Kegel hervor, und wird gewahr, daß auß dem Holtze ein klares Gold geworden[330] war, also, daß das Oweni Distichon hinfüglich hätte appliciren können:


Ligneus es Princeps, quia lignea munera donas,

Aurea si dederis, aureus esse potes.


Hierüber verwundert er sich über die Massen, doch zweiffelt er noch in etwas, obs richtig Gold sey, und gehet derentwegen hin zu einem, der einen Probierstein gehabt, und läßt ihn streichen. Nachdem er aber die Gewißheit erhalten, soll der Kerl über die Massen auß dem Grunde lustig geworden seyn, daß er nunmehr seinen betrogenen Herrn mit dem Kegel ein überflüssiges Genügen leisten könne für das verspielte Geld, gehet derowegen freywillig zu seinem Herrn, und entdeckt ihm den gantzen alten Verlauf, wie er umbs Geld gekommen, und wie er nunmehr statlich wieder darzu gekommen sey, präsentirt darneben solchem seinen Herrn den gantzen Kegel, daß er sich daran erholen möchte. Aber der Herr hatte so aufrichtig gehandelt, daß er den Kegel bey dem Gold-Schmiede für 200 Thaler verkaufft, ein Hundert Thaler darvon vor sich behalten, das andere Hundert aber seinen Knechte zugewendet hat.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 329-331.
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