316. Die zwei Lilien im Wunzenteich bei Groß-Teuplitz.

[373] (S. Beiblatt zu Lausitz. Zeitung 1850, 16. Juli.)


Auf dem sogenannten Wunzenteich, welcher eine Viertelmeile im Umfange hat, und zum Marktflecken Groß-Teuplitz bei Pförten in der Nieder-Lausitz gehört, will man bisweilen, besonders in der Zeit zwischen Pfingsten und Johannis, in den Mittagsstunden ein Kind in weißer Tracht, oft auch[373] ein eng sich umschlingendes Paar, schweben und dann am Ende des Grabens verschwinden gesehen haben, worauf zwei weiße Lilien bis zur nächsten Mittagsstunde blühen, die aber ebenfalls schnell verschwinden. Die Bewohner der Gegend knüpfen daran folgende Sage.

Um das Jahr 527 und 528 nach Auflösung des Thüringischen Reiches unter Hermannfried durch den König der Franken, Theodorich, soll sich Bodo von der Wunzen mit mehreren heidnischen Priestern und treuen Dienern in jene Wildniß geflüchtet haben. Er erbaute hier an dem westlichen Ende des Wunzensee's eine Burg, versah sie mit einem großen Erdwalle, dessen Ueberreste jetzt mit tausendjährigen Eichen überwachsen sind. Er hatte nun aber einen einzigen Sohn, Namens Adalbert, welcher in dem gedachten Kriege mit den Franken gefangen genommen und einem sächsischen Anführer als Beute zu Theil wurde.

Die Eroberer überließen ihren Verbündeten, den Sachsen, einen Theil des eroberten Landes, und zwar den nordöstlichen, als Kampfpfennig. Diese aber, welche im Kriege viele ihrer Brüder verloren hatten, fühlten sich zu schwach, den neuen Landesanfall gehörig anzubauen und mit Erfolg zu behaupten, daher sie auch nur einen Theil behielten und den andern den gefangenen Thüringern und fremden Colonisten gegen einen jährlichen Tribut überließen. Auf diese Weise entging auch Adalbert von Wunzen dem harten Loose der Sclaverei, ward aber aus einem freien Thüringer ein sächsischer Dienstmann.

In den eroberten Gauen waren aber auch viele fränkische Edele zurückgeblieben und durch diese ward das Christenthum unter den Heiden bekannt. Auch Adalbert lernte es kennen, allein das Meiste zu seiner Sinnesänderung und Bekehrung mochte wohl die Liebe zu der schönen Emma von Sährichen, der hinterlassenen Tochter eines fränkischen Ritters, welche mit ihrer Mutter Barbara in Thüringen zurückgeblieben war, beigetragen haben. Indeß mochte gleichwohl ihre Mutter von einer Verbindung mit einem Manne aus dem Volke, durch dessen Hand ihr Gatte gefallen war, nichts wissen.

Unterdessen hatte der Ritter Bodo auf seiner Burg vergeblich der Rückkunft seines Sohnes entgegengeharrt, die heidnischen Zauberer und Priester, welche um ihn waren, versicherten zwar, daß er noch lebe, sagten aber auch, daß er in großer Gefahr schwebe. Nun hatte der Ritter aber einen alten treuen Diener, Namens Udo, dem ging der Kummer seines Herrn schwer zu Herzen und er bat deshalb, er möge ihm doch erlauben, auszuziehen um seinen Sohn zu suchen. Jener gestand ihm dies natürlich auch sehr gern zu und so machte sich denn Udo auf nach Thüringen, wo es ihm auch sehr bald gelang den Ort auszukundschaften, wo sein junger Herr war. Kaum hatte er ihn aber wiedergefunden, als er auch sehr bald bemerkte, daß er nicht blos damit umgehe, eine Christin zu heirathen, sondern auch das Christenthum selbst anzunehmen. Zwar stellte er ihm vor, welchen Kummer er durch diese seine Handlungsweise seinem alten Vater bereiten werde und wie ihn deshalb auch der Zorn der beleidigten Götter treffen müsse, allein umsonst, Adalbert ließ sich nicht abwendig machen und die Bitten und Ueberredung des schönen Frankenmädchen wußten bald auch den alten Diener für sie einzunehmen, und als nun vollends ihre eigene Mutter Barbara in ihre Verehelichung willigte und sogar versprach, das junge Ehepaar zu dem[374] Schlosse des alten Bodo zu begleiten, um dort den Versuch zu machen, auch diesen für den neuen Glauben zu gewinnen, da erbot sich Udo, sie selbst dorthin zu führen. Sie gelangten auch glücklich unter seiner Leitung bis an die Ufer des Neißflusses und suchten und fanden hier unweit des jetzigen Dorfes Groß-Särichen eine Furth und bauten auf dieser Stelle an eine nahe gelegene Anhöhe eine Kapelle, nachher zur h. Barbara genannt. Udo machte sich unterdessen auf den Weg, um Bodo im Voraus von dem was geschehen war zu unterrichten. Allein nachdem er demselben getreulich Alles berichtet, gebot ihm der alte Herr statt des erwarteten Dankes zornig Stillschweigen und verbot ihm und Adalbert unter fürchterlichen Drohungen der Rache seiner erzürnten Götter, ihm je unter die Augen zu kommen oder sich seiner Burg und dem heiligen Haine zu nähern.

Traurig begab er sich auf den Rückweg zu Adalbert und theilte ihm den schlechten Erfolg seiner Reise und den strengen Befehl seines Vaters mit, allein Adalbert hoffte durch die siegende Schönheit seiner jungen Gemahlin des Vaters Herz wieder versöhnen zu können und machte sich trotz der Abmahnungen Udo's auf nach der Burg seines Vaters. Zwar mußte Udo trotz seiner anfänglichen Weigerung, ihn zu begleiten, ihm doch den nur ihm bekannten Weg zeigen, allein er ging doch nicht weiter als an den heiligen Umkreis mit, welchen die heidnischen Priester bezeichnet hatten.

Schon hatte das Paar den verschlungenen Weg an dem langen See unter Udo's Geleite glücklich zurückgelegt, schon sahen sie die väterliche Burg vor sich liegen, als sich plötzlich der Himmel verfinsterte, schwarze Gewitterwolken den Horizont verdunkelten, Blitze sich kreuzten, und Adalbert und seine Gattin vom Wege abkamen und im See ertranken. Ein heftiger Donnerschlag erfolgte, ein Blitzstrahl traf die Burg und der alte Bodo ward unter den rauchenden Trümmern derselben begraben. Mit Schauder und Entsetzen sah der arme Udo die Schreckensscene, er eilte zurück zu Frau Barbara, um ihr das schreckliche Ende ihrer Kinder zu berichten, dann aber wandte er sich weiter östlich nach den jenseits des See's gelegenen Anhöhen und soll der Sage nach, weil er eigentlich Udo Zielmann hieß, der Erbauer von Zielmannsdorf (Zilmsdorf) geworden sein.

Frau Barbara hatte, als sie sich auf die Reise mit ihrem Schwiegersohn begeben hatte, ihren kleinen Sohn mitgenommen, mit diesem begab sie sich dahin, wo jetzt am Dorfe Groß-Särichen die Ruinen einer alten Burg liegen, und erbaute dort das Schloß Särichen. Von dieser sowohl wie von der Kapelle der h. Barbara auf dem ehemaligen herrschaftlichen Weinberge kann man heute noch die Spuren sehen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 373-375.
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