1252. Hartwig Reventlow.

[1026] (S. A. Krantz, Saxonia VIII. 39. Angelus Struthiomontanus, Holst. Chronica. Wittenberg 1518 I. S. 201 etc. K. Müllenhoff, Sagen, Märchen u. Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein u. Lauenburg. Kiel 1845 in 8°. S. 20 etc.)


Graf Alf auf Segeberg hatte einen Hauptmann, Namens Hartwig Reventlow, der wohnte mit seiner ganzen Familie auf seinem Schlosse. Da hat der übermüthige Herr sich an seiner Hausfrau, oder wie andere sagen, sich an seiner Tochter vergriffen und sie geschändet. Als der Vater diese Schmach seinem Bruder erzählte, stieß dieser ohne Scheu heftige Drohungen gegen den Grafen aus. Es ward gleich von einem der Leute vom Schlosse hinterbracht, und der Graf entbot den Verwegenen zu sich. Dieser, nichts Böses ahnend, kam, da ließ ihn der Graf ergreifen und enthaupten, den Kopf aber schickte er auf einer Schüssel dem Hartwig durch einen Diener. Da setzte sich dieser auf sein Pferd, nahm den Kopf des geliebten Bruders in seine Hand und einige Tropfen Bluts trinkend sprach er voll Grimm: »Sagt dem Grafen, so gewiß ich hier meines Bruders Blut trank, so gewiß werde ich seinen Tod und den Schimpf des Geschlechtes zu rächen wissen.« Darauf ritt er spornstreichs davon.

Weil er wußte, daß der Graf die Jagd liebte, fällt es ihm ein, ihm auf diese Weise beizukommen. In einer Sommernacht, als schon das Korn beinahe reif war, des Morgens um drei Uhr, lauerte er einem der gräflichen Jäger auf, der früh ausgegangen war, das Wild zu erspüren, und zwang ihn, sich auszuziehen. Darauf band er ihn an einen Baum, zog die Kleider selber an und mit des Jägers Pferden und Hunden ritt er Segeberg zu. Der Thorwächter meinte, es sei der Jäger und ließ ihn ein. Im[1026] Hofe stieg er ab, und ging geraden Weges zu des Grafen Schlafkammer, wie der Jäger gewohnt war, klopfte an die Thür, ein Knabe machte ihm auf, aber kaum trat er ein, so redete er den Grafen zornig an und sprach: »Du siehst wohl, wer ich bin; befiehl Dich Gott, denn Du mußt sterben«; und nach diesen Worten durchstach er ihn, der noch im Bette lag, und zugleich seinen Sohn, den jungen Grafen, der bei seinem Vater zu schlafen pflegte. Unerkannt entkam er wieder im Jagdkleide. Zur Buße des Mordes wanderte er bald darauf nach Rom und stiftete das Kloster in Itzehoe. So lange aber das Schloß Segeberg gestanden hat, sind die Blutspuren an der Wand sichtbar gewesen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1026-1027.
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