1271. Die Kapelle in Klein-Zecher.

[1039] (S. Jahrb. Bd. IV. S. 146.)


Im Lauenburgischen Dorfe Klein-Zecher stand ehemals eine Kapelle aus alter Vorzeit, neben welcher eine heilige Quelle floß, wohin zahlreiche Wallfahrer pilgerten. Von diesen Wallfahrten rührt noch jetzt der kurz nach Michaelis daselbst stattfindende Markt her. Diese Quelle fand sich, der Sage nach, zuerst in einer Pferdespur. Der gemeine Mann glaubte, sie helfe vorzüglich gegen gichtische Lähmungen und bei Augenkrankheiten. Vor ohngefähr 80 Jahren ward sie abgebrochen und man erbaute an ihrer Stelle das heutige Schulhaus. Es war aber die Ehrfurcht der Arbeiter gegen dieses alte Heiligthum so groß, daß Keiner zuerst die zerstörende Hand an dasselbe zu legen wagte, bis endlich ein Kornschreiber vom Hofe Seedorf den ersten Axthieb unter derben Flüchen gegen ihr Gebälke that. Dafür soll ihm aber die frevelnde Hand später unverweset aus dem Grabe hervorgewachsen sein. Dennoch ward Alles demolirt, zwei Wagen voll hölzerner Krücken, welche gichtbrüchige Leute zuvor als Weihgeschenke dort zurückgelassen hatten, wurden auf freiem Felde öffentlich verbrannt. Dann ward die Quelle verschüttet und soll auch ganz versiegt sein, weil man das Wasser, welches heilig war, zur Cur blinder Pferde und Ochsen entweihte. Die kleine Glocke der Kapelle sollte nach Hof Groß-Zecher geführt werden, um sie an einer Scheune zu befestigen und künftig damit zum Essen zu läuten, allein sechs Pferde konnten sie nicht von der Stelle bringen; als man dann aber beschloß, sie nach der Seedorfer Kirche zu schicken, zogen zwei Ochsen sie leicht dahin.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1039.
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