550. Der Teufel entführt einen Schneidergesellen.

[546] (S. Hennenberger S. 104.)


Ein Schneidergesell, Namens Caspar Freudenreich, auf dem Roßgarten zu Königsberg, hatte bei einer Meisterin daselbst, so eine Wittwe gewesen, gegen 8 Wochen gearbeitet. Am 5. Dezember 1587, einem Sonnabend, hat er mit zwei Schuhknechten in seiner Meisterin Haus am Abend gezecht, ist dann nach zehn Uhr hinaus vor die Thüre gegangen, da kömmt der Teufel zu ihm, in welcher Gestalt wußte er aber später nicht mehr, ob in der eines[546] Pferdes oder Bockes. Der Teufel sagt zu ihm, er müsse mit, der Schneidergesell aber antwortete: »Nun wie Gott will!« Darauf hat es ihm gedäucht, als wenn er wider seinen Willen auf einem Pferde oder Bocke sitzen müsse, jener führt ihn endlich auf den Löbenichtschen Glockenthurm zur Fahne, von da auf den Domthurm im Kneiphofe, zum dritten über die Stadt Kneiphof auf den Haberbergischen Kirchhof unter eine Linde, wo dann der Teufel ein Gespräch mit ihm gehalten, ihm eine neue Münze und ein schön übergoldetes Buch gezeigt und angeboten hat, es ihm zu schenken, die Münzen ihm mit Scheffeln zuzumessen und ihm zum reichen Herrn zu machen, so er sich ihm ergeben wolle. Als aber der Caspar sich an einem Kräutlein etwas ermuntert (denn vorher hat er gar nichts herausbringen können und gemeint, der Mund wäre ihm zugebunden), das er unter den Linden ausgerauft und daran gerochen, antwortete er: »Weich' von mir, Du böser Geist, Du hast keinen Theil an mir.« Der Satan aber hatte auf dem Kirchhofe die Gestalt eines schwarzen Mannes, der große brennende Augen wie breite Eßlöffel hatte. Als ihn aber der Teufel zu seinem Begehren nicht bereden konnte, hat er ihn zum vierten Male über die Stadt Königsberg hinweggeführt und hinter dem h. Kreuzthor nicht weit von seiner Meisterin hart niedergesetzt. Als er sich aufgerafft und nach Hause will, kömmt ein weißer Mann zu ihm, geleitet ihn und sagt, er solle die Magd im Hause vermahnen, daß sie der Frau das Biergeld nicht also abzwacke, sonst werde es ihr übel ergehen. Nachdem er einmal oder dreimal angeklopft, ist ihm aufgethan worden, er aber ist matt und kraftlos auf die Bank gefallen und hat etliche Tage krank gelegen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 546-547.
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