689. Der dienstbare Geist.

[630] (S. Unterr. a.d. Reiche d. Geister Th. I. S. 142.)


Dr. M. Luther erzählt in seinen Tischreden, es sei im Lande Preußen ein Knabe kaum geboren gewesen, da habe sich ihm ein Geist zugesellt und für ihn so treue Fürsorge getragen, daß er weder Mutter noch Wärterin von Nöthen hatte. Auch nach den ersten Jahren der Kindheit begleitete er[630] ihn beständig und ging mit ihm zur Schule, aber so, daß er nie von jemand Anderem gesehen ward. Als derselbe nachgehens in Italien reiste, war er sein stetiger Gefährte und wenn ihm auf der Straße oder in Wirthshäusern etwas Widriges begegnen sollte, gab er ihm solches durch einige Anweisung oder sanftes Schlagen zu erkennen, wie er ihm denn auch allerlei Dienste zu leisten und unter andern die Stiefel abzuziehen pflegte. Endlich nach zurückgelegter Reise, da der Geist denselben niemals verlassen, wurde er zu einem Domherrn erwählt. Als er nun einstmals mit seinen guten Freunden in Lust und Vergnügen bei Tische saß, wurde plötzlich ein heftiger Schlag auf dem Tische gehört, worüber alle Anwesenden erschracken. Der Domherr sagte alsbald zu seinen Gästen: »Erschrecket nur nicht, denn es schwebt nur mir allein ein Unglück über dem Haupte!« wie er denn auch des andern Tages in ein Fieber verfiel und nach drei Tagen sein Leben einbüßte.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 630-631.
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